Der Schlachtenwüter

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 2.015 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (11. Dezember 2017 um 20:05) ist von Tom Stark.


  • Die dritte Angriffswelle der Orks brach über die Stellung der bärtigen Verteidiger herein. Bislang hatten sie ihre Wagen mit der granitenen Hartnäckigkeit verteidigt, die viele als Markenzeichen jenes Volkes ansahen. Wenigstens zwei Dutzend Orks lagen tot oder sterbend in Axtweite eines der gedrungenen Kämpfer und etwa dieselbe Menge hatten entmutigt die Flucht ergriffen, schon das zweite Mal.
    »Bei Moradim, sie haben einen Riesen!« Es war Ragnar Eisenbeiß, der Jüngste im Zug, mit 77 Winter ein echter Halbbart zwar, aber deswegen kein Kiesel weniger tapfer, als seine Kameraden. Doch nun zitterte seine tiefe Stimme einen Moment.
    »Axt weg vom dem, Kleiner, der gehört mir!« Der ernsthafte Ton seines Schildgefährten Bram ließ den jungen Zwerg unwillkürlich grinsen, wenngleich es eher eine verbissene Grimasse unter dem halbgefrorenen Bart war.
    »In Rund-Formation, Schilde hoch, Position Eins!«
    Der Befehl Hauptmann Braganans war laut und deutlich, ohne auch nur einen Anflug von Panik. Wie ein Mann traten die Zwerge zusammen, jeder kannte seinen Platz, jeder vertraute seinem Nebenmann. Die kleinen Verletzungen, die nahezu alle erlitten hatten und im Kampf Zwerg gegen Ork über kurz oder lang zu Ermüdung und Fehler geführt hatten, waren mit einem Mal kompensiert.
    »Axt Eins!« Zugleich zuckte die Hälfte Äxte vor, schwangen von schräg unten nach oben. Zahlreiche Orks heulten auf, vor Schmerz, noch mehr vor Wut, weil die kluge Taktik der Zwerge die gewaltige Übermacht der Orks beinahe ausglich. Während die Verwundeten zurückwichen drängten sich noch mehr der Bestien nach vorne, um die vermeintliche Abwehrschwäche des Ausfalls auszunutzen.
    »Schild Zwo!« Die zwergischen Angreifer gingen auf ein Knie und machten sich noch kleiner, schützten mit ihren Rundschilden ihre Beine und die ihres Schildnachbarn. Jene hoben ihre Schilde und deckten ihrerseits die gepanzerten Oberkörper und behelmten Köpfe ihrer Kameraden.
    »Schritt vor!« Gemeinsam traten alle Zwergenkämpfer einen Schritt nach vorne. Stählerne Schildkanten brachen orkische Zehen, Schienbeine und Oberschenkel, perfekt geschmiedete Axtschneiden zerteilten Gelenke, zerfetzten Muskeln und Sehnen oder schlitzen Unterkörper auf.
    »Position Zwo!« Auf das Kommando ihres Hauptmanns traten alle Zwerge den Schritt zurück, aus Verteidigern wurden Angreifer, aus Angreifern wurden Verteidiger.
    »Axt Zwo!« folgte das unausweichliche Kommando und weitere Orks fielen unter den gnadenlosen Hieben der disziplinierten Truppe. Es folgte eine Atempause, als die Orks sich zum Rückzug wandten, allerdings flohen sie nicht. Es war deutlich, dass sie die Zwerge nur festnageln wollten, bis der Riese soweit war.
    »Geschoss! Auseinander!« Wieder war das Kommando des Hauptmanns ruhig und seine Zwerge warfen sich eingespielt sternförmig auseinander. Der tonnenschwere Stein des Riesen schlug zielsicher dort ein, wo sich gerade noch der Verteidigerkreis befunden hatte. Doch nun witterten die Orks ihre Chance und warfen sich wie tollwütig auf die Zwerge.
    »Pos …ition Eins!«, rief Braganan, schwer bedrängt von gleich drei Orks. Nicht alle schafften es alleine in den Kreis, doch kein Zwerg wurde zurückgelassen. Um das Opfer eigener Verwundungen, zogen die Zwerge ihre Kammeraden unter den Hieben ihrer Feinde in ihre eigenen Reihen. Schwankend bildete sich der Kreis erneut.
    »Axt Eins …«
    »Hauptmann, das halten wir nicht lange durch. Lass mich raus!«
    Der grauhaarige Zwerg mit dem ungewöhnlich kurzen Haupthaar und dem fast unanständig knapp geschorenen Bart blickte seinen Hauptmann auffordernd an, während er beinahe nebenbei den Vorstoß seines jungen Partners Ragnar deckte.
    »Gut, geh, Wüter! Jungs, hauen wir Bram eine Gasse - Keilformation!«
    Die weniger verwundeten Zwerge übernahmen ohne zu Zögern die Spitze.
    »Und Vor! Und Vor! Und Vor!« Die schweren Stiefel der Krieger gruben sich in den Schnee und eine tropfenförmige Formation aus Äxten, Panzerungen und wütenden Zwergen fräste sich in die ungläubige Masse der Orks. Auch wenn sich die Masse hinter ihnen schloss, drang der Trupp unbeirrt immer tiefer in die feindliche Horde ein, die nicht recht wusste, ob sie sich selbst auf den Erzfeind stürzen sollte, oder doch lieber ihrem starken Verbündeten die Arbeit überlassen sollte.
    »Ich sehe den Großen, ein Steinriese!« Conn Eisenbeiß, der ältere Bruder Ragnars gab die Meldung nach hinten durch.
    »Bereithalten«, rief der Hauptmann und wandte seinen Blick kurz zu Bram Schildbrecher, der sich neben ihn hielt. »Für Mithrilhalle«, sagte er zu seinem Kameraden, »Rampe!«, gab er das Kommando.
    Die vordersten Zwerge hielten abrupt an, stemmten sich gegen den Lauf und bildeten so das Gegengewicht für die auflaufenden Kameraden, die sich hinknieten und bückten, um mit ihren Schilden eine Rampe zu bilden.
    »Für den KÖNIG!« Bram Schildbrecher senkte seinen Kopf. Den Helm mit den beiden gewaltigen Stahlhörnern voran rannte er los. Seine sonst grauen Augen waren weiß und sein Kopf wurde rot, während er willentlich die Beserkerwut rief, wie es die Jahrtausende alte geheime Kunst der zwergischen Schlachtenwüter war.
    Er war halb auf der Rampe, als er ausholte und seinen Rundschild mit aller Macht warf. Die Nase des Riesens platzte wie eine reife Melone, als er einschlug. Vor Schmerzen rasend vergaß der Riese den Stein, den er auf die Zwergenformation werfen wollte und hieb mit bloßen Fäusten dem Zwerg entgegen, der, wie von einer gigantischen Schleuder abgeschossen, auf ihn zusprang.
    Eine der Fäuste erwischte den Helm und das rechte Horn bohrte sich tief in den Handrücken des Riesens und brachte den Zwerg soweit aus der Bahn, dass die andere Faust fehlging.
    Bram löste den Riemen, der seinen Helm hielt und stieß sich mit dem Füßen vom Oberarm des Riesens ab und drehte sich in der Luft, während er seinen Schildbrecher, jene legendäre Mischung aus Streitaxt und Kriegshammer, mit beiden Fäusten packte. Er prallte gegen die Schulter des Riesens und stach tief mit der metallverstärkten Spitze des Schafts hinein. Für einen Moment hing er baumelnd in der Luft. Schon griff eine mächtige Faust nach ihm, doch Bram warf sich mit seinem ganzen Gewicht herum und die gewaltigen Schultermuskeln des Riesen gaben den Schaft frei.
    Auf dem Weg nach unten trat der Schlachtenwüter erneut aus und die schweren Stiefel trafen den Riesen an der Brust. Jener musste einen Schritt zurückmachen um sein Gleichgewicht wiederzufinden, als der tobende Zwerg bereits sicher auf dem Boden aufkam. »Clangeddin«, knurrte Bram und noch mehr Wut erfüllte seine Glieder.
    Der Riese schrie wie von Sinnen, trat blindwütig um sich, erwischte dabei seine Verbündeten, die wie Puppen in alle Richtungen geschleudert wurden. Ihm entging, wie sich der Zwerg neben einem Felsen kleingemacht hatte und so dauerte es einige Momente, bis er sich soweit beruhigte, um seinen Peiniger zu suchen. Darauf hatte Bram nur gewartet. Sobald der Riese einen Moment stillstand, schoss er aus seiner Deckung, sprang so hoch er konnte und schwang seine Waffe mit einer kompletten Körperdrehung gegen das Knie des Riesen, Das Knirschen war furchtbar und sogar über das Stöhnen der Verwundeten und den Kampflärm hinweg zu hören.
    »Hab Dich, Großer …« Der Schlachtenwüter, nun wieder mit beiden Beinen auf dem Boden, schlug erneut zu. Als wäre die Zeit zu Sirup geworden, knickte das Bein des Riesens ein und er bekam langsam Schlagseite, als weigere sich sein Körper zu akzeptieren, dass ihn ein Gegner gefällt hatte, der gerade mal ein Viertel seiner eigenen Größe hatte.
    Schwer krachte der Gewaltige auf den Boden und zerquetschte einen weiteren Ork, der nicht schnell genug ausweichen konnte. Fassungslos streckte der Riese seine Hand nach seinem zerschmetterten Bein aus, doch Bram kannte keine Gnade. Er sprang auf die Brust des Riesen und schlug die Schneide seiner Axt tief in die bereits zerstörte Nase. Dann schaute er sich um, das Blut seines Feindes hatte ihn rot gefärbt, seine Axt erhoben. Brams Blick suchte den Blick des größten Orks, der gerade versuchte mit Drohungen seine Leute von der Flucht abzuhalten.
    »Schaut sie Euch an, Ihr Feiglinge. Sie sind am Ende. Macht sie fertig, oder Todespfeil wird Euch persönlich kreuzigen!«
    Als Bram sah, dass er die Aufmerksamkeit des Orks und seiner Leute hatte, lachte er wild, auch wenn es eher wie das Heulen eines Barghests klang. Dann hob er die Axt provozierend langsam über den Kopf, wartete einen Moment »Für den KÖNIG!« und spaltete dem Riesen mit einem letzten Hieb den Schädel.
    Nun verlor selbst der letzte Ork den Kampfesmut und sie flohen so schnell sie konnten zurück in die Hügel, aus welchen sie gekommen waren, um die Zwergenkarawane zu überfallen.
    Bram kehrte zu seinen jubelnden Schildbrüdern zurück. Er grinste wild und winkte ab. »War doch nur ein kleiner Riese, macht keinen Aufstand deswegen.«
    Sein Hauptmann schnaubte, aber er hatte nichts anderes erwartet.
    Die drei Schwerverwundeten wurden auf die Wagen verteilt, aber keiner klagte. Die Orks waren in etwa Kompaniestärke angekommen, zweifellos ein Teil eines größeren Heeres. Sie hatten die vier Wagen der Zwerge gesehen und geglaubt, schnelle Beute machen zu können. Weniger als die Hälfte jener Orks würden je wieder die Waffe gegen einen ehrbaren Zwergen erheben können, die Übrigen würden es sich zukünftig reiflich überlegen. Dennoch waren die Zwerge nicht übermäßig stolz. Sie waren alle aus Mithrillhalle, waren Drachen, Drow und Dämonen gewöhnt. Zwölf Zwerge, die eine Hundertschaft Orks besiegte war eine solide Leistung, aber in den Geschichten würde man sagen, das Kräfteverhältnis sei ausgeglichen gewesen. »Aber die Orks hatten einen Riesen!« , würden manche einwenden.
    »Und wir hatten einen Schlachtenwüter«, würden die Zwerge abwinken.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    4 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (14. Dezember 2017 um 02:04)

  • Das ist irgendwie witzig - die Kampfkraft der Zwerge, ihre Fähigkeiten und Taten wirken SO übertrieben, dass es mit glatt ein Schmunzeln ins Gesicht zauberte (meine ich überhaupt nicht böse! Es ist eine gelungene Übertreibung :) ). Zwerge werden ja sehr oft als mächtig in der Schlacht und super in der Zusammenarbeit dargestellt, aber das - köstlich! :D Auch das am Ende - es waren ja ganze zwölf Zwerge und nur hundert Orks mit einem Riesen, der tonnenschwere Steine umherwirft - wir sind schlimmeres gewohnt. Alltag halt. Ansonsten - ordentlich Action und Kopfkino natürlich! Hat richtig Spaß gemacht, den kleinen Bartmurmlern beim metzeln zuzuschauen. Dazu ein paar markige Sprüche - eine runde Sache. ^^

  • So, dann hab ich hier auch mal Zeit gefunden deine "Einleitung" zu lesen @Tom Stark! :thumbsup:
    Es macht wirklich Spaß Bram dabei zuzuschauen, wie er einen Riesen gelinde gesagt in Stücke hackt und ja, ich habe zuschauen geschrieben.
    Ich kann der Schlacht wirklich bildlich in meinen Gedanken folgen und die Zwerge sind in guter alter "Sparta"-Manier wirklich verdammt gefährlich. :dwarf:
    Schreib gerne weiter, ich denke ich werde mir die Geschichte des Schlachtenwüters auf jeden Fall weiter durchlesen ;)

    LG Lehaidin

    "Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten."
    - Gandalf -


  • Spielt das jetzt vor oder nach dem Vertrag von Garumns Schlucht?

    danach, einiges danach

    ... und ja ich will mich bei den D&D-Geschichtchen bewusst Salvatores Stil annähern. Wobei er mit den Jahren echt zahm geworden ist. Heute sieht sich Old "I-kill-all-with-my-sabres" Drizzt schon mit 3 Orks gut beschäftigt, früher hat er sie in halben Dutzend Wellen ausgelöscht ohne ins Schwitzen zu kommen.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet