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Onkel Alois meinte, es sei das Beste, Mutter war außer sich und mich fragte keiner. Ich saß auf meinem Bett und blätterte in meinem Buch über Singvögel, während unter mir das hitzige Wortgefecht ausgetragen wurde.
››Erst holen sie Jakob und jetzt willst du mir die anderen wegnehmen?‹‹ Mutters Stimme war ein heißeres Schluchzen.
››Ich nehme sie dir doch nicht weg, Traudl‹‹, erwiderte mein Onkel. Er bemühte sich, leise zu sprechen, aber sein tiefes Bariton drang dennoch zu mir durch. ››Und schrei um Himmels Willen nicht so laut. Du machst den Kindern noch Angst.‹‹
››Ich mach ihnen Angst?‹‹, war die empörte Antwort. ››Ich bin nicht der fremde Mann, der sie von ihrer Mutter wegholen will.‹‹
››Ich bin ihr Onkel, Traudl, kein Fremder!‹‹
››Sie kennen dich nicht. Hansi ist elf, Monika vierzehn. Wann hast du dich das letzte Mal hier blicken lassen? Vor zwanzig Jahren?‹‹
››Mach dich doch nicht lächerlich!‹‹ Nun schien Onkel Alois seine Bemühungen, leise zu sprechen, aufgegeben zu haben. ››Andreas ist vor sieben Jahren gestorben. Drei Tage war ich damals hier. Monika ist alt genug, sie erinnert sich! Aber das spielt ja auch keine Rolle. Sie kennen ihre Großeltern und bei denen sollen sie ja leben. Nicht bei mir.‹‹
Es folgte ein langes Schweigen. Schließlich schluchzte Mutter: ››Lass mir wenigstens Monika da. Nimm mir nicht das Mädchen weg.‹‹
Onkel Alois war unnachgiebig.
››Gerade das Mädchen muss weg. Oder willst du, dass irgendein schleimiger Franzmann sich an ihr vergeht? Oder soll vielleicht eine Bombe ein Loch ins Kinderzimmer reißen?‹‹
Monika fing im Nebenzimmer an zu weinen und kurz darauf stimmte meine Mutter unten im Wohnzimmer mit ein. Ich saß noch immer auf dem Bett, blätterte durch die bunten Zeichnungen von Singvögeln, die mein Vater selbst angefertigt hatte und versuchte, jeden einzelnen zu benennen.
Der Gedanke, etwas Zeit bei meinen Großeltern zu verbringen, gefiel mir eigentlich. Als mein Vater noch gelebt hatte, hatten wir sie oft besucht. Ich war damals sehr jung gewesen und erinnerte mich nicht an vieles, nur ein Bild sah ich ganz klar vor mir: Mein Vater und ich, wie wir vor dem Kachelofen sitzen und er mir all die verschiedenen Vögel zeigt, die er als Junge in sein kleines Lederbuch gezeichnet hatte.
Auch ein wenig Abstand von meiner Mutter – dem Haus allgemein – würde mir nicht schaden. Selbstverständlich liebte ich sie, aber mit ihr zu leben war schwierig geworden, seit mein Bruder Jakob im Krieg gefallen war.