Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 4.477 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (30. März 2020 um 21:11) ist von bigbadwolf.

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    Wer Icewind Dale gespielt hat, dürfte sich an den Protagonisten der folgenden Geschichte erinnern. ^^

    Viel Spaß!


    Der Zauberkasten

    Die Tür war unverschlossen. Naja, zumindest war das Schloss derart einfach, dass es eigentlich keinen Unterschied machte. Was Onkel Oswald wohl diesmal gebastelt hat?, fragte sich Maralie und schlich in die vollgestopfte Werkstatt. Leise zog die kleine Gnomin die Tür hinter sich zu, während sie bereits die ächzende Werkbank nach einem neuen Wunderwerk absuchte. Ihr Onkel war nämlich so eine Art Magier, nur ohne Magie, so hatte er es Maralie einmal erklärt. Und der größte Beweis seiner Schlauheit war wohl das tolle Luftschiff, mit dem sie schon so manche abenteuerliche Reise gemacht hatten.

    Da! Da lag ein kleiner Metallkasten auf einem Stapel Notizen! Sicher wieder Vorschriften…, dachte Maralie mürrisch, aber seit sie letztens beinahe die Werkbank in Brand gesetzt hätte, hatte sie ihre Lektion gelernt. Vorsichtig beäugte sie den ungewöhnlichen Gegenstand. Der Kasten war oben glänzend, an den Seiten aus grauem Metall. Ein einzelner kleiner Hebel war an der Seite des Dings. Schon näherten sich Maralies Finger dem Hebelchen, aber schließlich griff sie doch zuerst nach den Aufzeichnungen.
    „Geheim!“, war ganz oben zu lesen. Ach, Onkel…, dachte Maralie und schüttelte den Kopf. Abgesehen von Onkel Oswalds üblichen Warnungen, etwa das Ding nicht ins Feuer zu werfen, und den für Maralie völlig unverständlichen Erklärungen konnte die Gnomin nichts finden, was sie wirklich lieber nicht tun sollte.
    Einen Augenblick später hatten ihre flinken Finger das Hebelchen umgelegt. Mit einem Mal begann der Kasten an der Oberfläche zu leuchten. Gespannt wartete die Gnomin, ob noch etwas anderes geschehen würde. Einen Moment später war das Licht wieder verloschen und der Hebel schnappte zurück in seine ursprüngliche Stellung. Maralie betätigte ihn erneut und führte ihren Finger vorsichtig zur Oberseite des Kastens.
    „Maralie!“
    Die kleine Gnomin zuckte zusammen und wurde unter dem strengen Blick ihres Onkel sogar noch etwas kleiner.
    „Du sollst doch nicht einfach so hier reingehen! Wenn du dich verletzt, könnte ich mir das nie verzeihen!“, schalt der Gnom seine Nichte. „Tut mir leid, Onkel!“, antwortete Maralie kleinlaut. Sie hoffte, dass Onkel Oswalds neue Erfindung besonders spannend war, denn dann –
    „Na gut. Jetzt sieh mal, was dein Onkel Tolles erfunden hat“, fuhr er mit plötzlicher Begeisterung fort. Ach, Onkel, dachte Maralie belustigt, während sich der aufgeregte Gnom näherte. Schon hatte er den zurückgeschnappten Hebel erneut umgelegt und den kleinen Metallkasten von der Werkbank genommen.
    „Du weißt doch sicher noch, wie ich vorgestern den Blitz eingefangen habe, ja? Blitze bestehen ja aus purer Energie. Du weißt ja, dass so ein Blitz sehr hell ist. Das kommt von der vielen Energie.“ Maralie nickte eifrig. „Und ich habe einen Teil dieser Energie in das kleine Gerät hier integriert, sodass es jetzt immer leuchten kann, wenn man Licht braucht. Ist das nicht toll?“ Erneut nickte Maralie. „Und jetzt hör mal!“ Der Gnom drückte seinen knubbeligen Zeigefinger auf die leuchtende Oberfläche des Kastens und ein leiser, klarer Ton erklang. „Oh, das ist toll!“, rief Maralie ehrlich begeistert, stutzte jedoch sofort. „Aber Onkel Oswald? Warum… also wofür macht es Geräusche?“, fragte sie daher.
    „Na weil… wofür? … weil… ähm, das verstehst du noch nicht, Maralie… jedenfalls kommt der Ton auch von der Energie des Blitzes. Ist die aber erstmal verbraucht, muss ich einen neuen Blitz fangen“, erklärte Onkel Oswald begeistert und erzeugte nebenbei weiter Töne mit seinem Kasten.
    „Ich habe es so konstruiert, dass man damit irgendwann mit Leuten reden kann, die gar nicht hier sind und sogar in längst vergangene Zeiten zurückblicken kann… oder man könnte damit komplizierte Berechnungen ganz schnell lösen oder fremde Orte ansehen oder… ach, Maralie! Die Möglichkeiten! Denk nur an all die Möglichkeiten!“
    „Onkel, hast du dir auch schon einen schönen Namen für das Ding überlegt?“, stoppte Maralie ihren Onkel. So, wie er guckte, hatte sie ihren Onkel gerade vollkommen überrumpelt. „Hm, nein. Hast du schon eine Idee?“, sagte er nach einer Weile.
    „Na, dein Kasten macht ja schon ganz viele Töne! Und er soll ja mal richtig schlau werden. Wie wäre Schlaukasten?“
    Onkel Oswald überlegte kurz mit angestrengter Miene. Kasten? Das ist nicht wissenschaftlich! Nein. Aber Töne, ja! Ton...Phon...ja!
    "Schlauphon!", rief er freudestrahlend.

  • Ich liebe solche kurzen, knackigen Geschichten, und die hier gefällt mir gut! ^^
    Der Dialog ist so aufgebaut, dass der Leser wohl mindestens genauso wenn nicht noch mehr gespannt ist als die kleine Gnomnichte. Und in die Umgebung kann man sich mühelos "hineinversetzen", zumindest im Kopf. Besonders die Leser, die - wie ich - auch so einen bastelfanatischen Vater (oder Onkel) hatten: Bodenkammer, schirmlose Glühbirne an der Decke, hölzerne Werkbank und ein unvergesslicher Duft nach Holz und Staub und Kolophonium, den ich beim Lesen hier soagr wieder zu schnuppern glaubte. :D

    Gerne mehr Geschichten von der Art, Wolf!! :thumbup:

    VG Tariq

    könnte ich mir das nie verzeihen!“, scholt schalt der Gnom seine Nichte.

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

    Einmal editiert, zuletzt von Tariq (1. Februar 2018 um 17:59)

  • Schöne Geschichte, @bigbadwolf! Gefällt mir gut. Nur zwei Anmerkungen im Spoiler.

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    Was Onkel Oswald wohl diesmal gebastelt hat?, fragte sich Maralie

    Hier bin ich mir nicht sicher, ob man ein Komma macht oder nicht. Wäre es eine wörtliche Rede, dann ja, aber so? Darauf wollte ich nur hinweisen.

    „Na, dein Kasten macht ja schon ganz viele Töne! Und er soll ja mal richtig schlau werden. Wie wäre Schlaukasten?“
    Onkel Oswald überlegte kurz mit angestrengter Miene.
    „Smartphone!“, rief er freudestrahlend.

    Hm... irgendwie könnten die letzten drei Zeilen etwas stärker sein. Leider kann ich gar nicht so genau beschreiben, was mir hier fehlt. Vielleicht findet Oswald den Namen zu schnell? Sorry, dass ich gerade keine Lösung habe.
    Trotzdem eine schöne Geschichte!

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • Kleine Anmerkung:

    „Du sollst doch nicht einfach so hier reingehen! Wenn du dich verletzt, könnte ich mir das nie verzeihen!“, scholt der Gnom seine Nichte.


    Nach dieser Seite hier (und nach meinem Bauchgefühl):

    Deutsche Verben konjugieren

    muss es heißen: ... schalt der Gnom


    Ansonsten: Hübsches Geschichtlein, allerdings ist mir die Auflösung nicht wirklich verständlich, weshalb ein Gnom plötzlich mit englischen Begriffen um sich haut. Das mag daran liegen, dass ich nie "Icewind Dings" gespielt habe und die Hintergründe nicht kenne... Müsste das Textlein aufgrund dieses Hintergrundes nicht eher unter FanFic laufen?


    :D Aber ich bin schon froh, dass der Gnom noch rausgefunden hat, wie man günstig Blitze fängt, und vor allem zuverlässig. Die Steckdose erscheint mir wichtiger denn das Schmartfoon... ^^

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • @Asni Das mit dem Komma müsste passen. Ich kenne es zumindest nur so.
    Dass der Schluss etwas plötzlich kommt, stimmt. Ich denke nochmal darüber nach.

    @Cory Thain Ok, schalt. Jup.
    Mit der Fan Fiction hast du eigentlich auch recht. Ups. :S
    Vielleicht schreib ich ja irgendwann noch was zur Steckdose, mal sehen... ^^

    Danke für eure Anmerkungen.

  • Am besten hat mir dieser Teil gefallen: „Ich habe es so konstruiert, dass man damit irgendwann mit Leuten reden kann, die gar nicht hier sind und sogar in längst vergangene Zeiten zurückblicken kann… oder man könnte damit komplizierte Berechnungen ganz schnell lösen oder fremde Orte ansehen oder… ach, Maralie! Die Möglichkeiten! Denk nur an all die Möglichkeiten!“

    Ich hatte richtig ein Bild vor Augen wie der Gnom große Augen bekommt mit einem herrlichen leuchten und ganz aufgeregt sich dabei im Kreis dreht. und seine Nichte ihn freudenstahlent zuhört.

    Herrlich... Aber ich muss dem Bigbadwolf recht geben, der Schluß war ein wenig... Komisch. da fehlt irgendwie was.

  • Heyho bigbadwolf,
    habe mich gerade beim lesen Deiner Geschichte prima amüsiert, auch wenn ich zu Anfang durch die Formulierung "ächzende Werkbank" dachte, jetzt bekomme ich es mit sprechendem Mobiliar zu tun. :D
    Und richtig lachen musste ich bei Onkel Oswald's üblicher Warnung "das Ding nicht ins Feuer zu werfen".

    Immer gerne mehr davon.

    Burk

  • @Der Wanderer Hallo. Schön, dass du hierher gefunden hast.

    Immer gerne mehr davon.

    Ähnliche sehr kurze Geschichtchen von mir findest du verstreut in den Unterforen. Wenn es etwas Dauerhafteres sein soll, kannst du ja mal in meine Wortgefechte - Ein Schwert und sein Held reinsehen.