Spoiler anzeigen
Wer Icewind Dale gespielt hat, dürfte sich an den Protagonisten der folgenden Geschichte erinnern.
Viel Spaß!
Der Zauberkasten
Die Tür war unverschlossen. Naja, zumindest war das Schloss derart einfach, dass es eigentlich keinen Unterschied machte. Was Onkel Oswald wohl diesmal gebastelt hat?, fragte sich Maralie und schlich in die vollgestopfte Werkstatt. Leise zog die kleine Gnomin die Tür hinter sich zu, während sie bereits die ächzende Werkbank nach einem neuen Wunderwerk absuchte. Ihr Onkel war nämlich so eine Art Magier, nur ohne Magie, so hatte er es Maralie einmal erklärt. Und der größte Beweis seiner Schlauheit war wohl das tolle Luftschiff, mit dem sie schon so manche abenteuerliche Reise gemacht hatten.
Da! Da lag ein kleiner Metallkasten auf einem Stapel Notizen! Sicher wieder Vorschriften…, dachte Maralie mürrisch, aber seit sie letztens beinahe die Werkbank in Brand gesetzt hätte, hatte sie ihre Lektion gelernt. Vorsichtig beäugte sie den ungewöhnlichen Gegenstand. Der Kasten war oben glänzend, an den Seiten aus grauem Metall. Ein einzelner kleiner Hebel war an der Seite des Dings. Schon näherten sich Maralies Finger dem Hebelchen, aber schließlich griff sie doch zuerst nach den Aufzeichnungen.
„Geheim!“, war ganz oben zu lesen. Ach, Onkel…, dachte Maralie und schüttelte den Kopf. Abgesehen von Onkel Oswalds üblichen Warnungen, etwa das Ding nicht ins Feuer zu werfen, und den für Maralie völlig unverständlichen Erklärungen konnte die Gnomin nichts finden, was sie wirklich lieber nicht tun sollte.
Einen Augenblick später hatten ihre flinken Finger das Hebelchen umgelegt. Mit einem Mal begann der Kasten an der Oberfläche zu leuchten. Gespannt wartete die Gnomin, ob noch etwas anderes geschehen würde. Einen Moment später war das Licht wieder verloschen und der Hebel schnappte zurück in seine ursprüngliche Stellung. Maralie betätigte ihn erneut und führte ihren Finger vorsichtig zur Oberseite des Kastens.
„Maralie!“
Die kleine Gnomin zuckte zusammen und wurde unter dem strengen Blick ihres Onkel sogar noch etwas kleiner.
„Du sollst doch nicht einfach so hier reingehen! Wenn du dich verletzt, könnte ich mir das nie verzeihen!“, schalt der Gnom seine Nichte. „Tut mir leid, Onkel!“, antwortete Maralie kleinlaut. Sie hoffte, dass Onkel Oswalds neue Erfindung besonders spannend war, denn dann –
„Na gut. Jetzt sieh mal, was dein Onkel Tolles erfunden hat“, fuhr er mit plötzlicher Begeisterung fort. Ach, Onkel, dachte Maralie belustigt, während sich der aufgeregte Gnom näherte. Schon hatte er den zurückgeschnappten Hebel erneut umgelegt und den kleinen Metallkasten von der Werkbank genommen.
„Du weißt doch sicher noch, wie ich vorgestern den Blitz eingefangen habe, ja? Blitze bestehen ja aus purer Energie. Du weißt ja, dass so ein Blitz sehr hell ist. Das kommt von der vielen Energie.“ Maralie nickte eifrig. „Und ich habe einen Teil dieser Energie in das kleine Gerät hier integriert, sodass es jetzt immer leuchten kann, wenn man Licht braucht. Ist das nicht toll?“ Erneut nickte Maralie. „Und jetzt hör mal!“ Der Gnom drückte seinen knubbeligen Zeigefinger auf die leuchtende Oberfläche des Kastens und ein leiser, klarer Ton erklang. „Oh, das ist toll!“, rief Maralie ehrlich begeistert, stutzte jedoch sofort. „Aber Onkel Oswald? Warum… also wofür macht es Geräusche?“, fragte sie daher.
„Na weil… wofür? … weil… ähm, das verstehst du noch nicht, Maralie… jedenfalls kommt der Ton auch von der Energie des Blitzes. Ist die aber erstmal verbraucht, muss ich einen neuen Blitz fangen“, erklärte Onkel Oswald begeistert und erzeugte nebenbei weiter Töne mit seinem Kasten.
„Ich habe es so konstruiert, dass man damit irgendwann mit Leuten reden kann, die gar nicht hier sind und sogar in längst vergangene Zeiten zurückblicken kann… oder man könnte damit komplizierte Berechnungen ganz schnell lösen oder fremde Orte ansehen oder… ach, Maralie! Die Möglichkeiten! Denk nur an all die Möglichkeiten!“
„Onkel, hast du dir auch schon einen schönen Namen für das Ding überlegt?“, stoppte Maralie ihren Onkel. So, wie er guckte, hatte sie ihren Onkel gerade vollkommen überrumpelt. „Hm, nein. Hast du schon eine Idee?“, sagte er nach einer Weile.
„Na, dein Kasten macht ja schon ganz viele Töne! Und er soll ja mal richtig schlau werden. Wie wäre Schlaukasten?“
Onkel Oswald überlegte kurz mit angestrengter Miene. Kasten? Das ist nicht wissenschaftlich! Nein. Aber Töne, ja! Ton...Phon...ja!
"Schlauphon!", rief er freudestrahlend.