Wortgefechte - Ein Schwert und sein Held

Es gibt 426 Antworten in diesem Thema, welches 106.597 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (21. August 2023 um 00:03) ist von bigbadwolf.

  • Zum Schmunzeln, fremdschämen und laut draufloslachen. :thumbsup:

    Allerdings finde ich "Fauxpas" als Wort irgendwie unpassend, weil du sonst nie französische Fremdwörter benutzt.


    Anmerkung aus der Kategorie "Geht das nur mir so?": Beim folgenden Satz komme ich durch das Wort "ehe" durcheinander:

    Zuletzt erblickte er ein hölzernes Wagenrad, ehe sein Kopf den überschüssigen Schwung an einer der Speichen abfing.

    Für mich ist es gleichbedeutende mit "bevor" und macht damit an der Stelle im Satz keinen Sinn, weil es den Aufschlag auf die Speiche vor das Erblicken des Wagenrads stellt. Für mich würde an der Stelle ein "dann" mehr Sinn machen. (Natürlich muss man den Satz dann noch grammatisch umstellen...)

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    Wahnsinn, Nr. 20 ist fertig. Ich hätte nie gedacht, dass es so viele Teile werden könnten. Danke an alle Leser fürs Kommentieren, Motivieren und ... ähm, für's Lesen.


    20

    Der Markt stand seinem überragenden Ruf in nichts nach. Ehe der Held den zentralen Bereich des riesigen Platzes erreicht hatte, schien eine halbe Ewigkeit zu verstreichen, wobei sein aktuelles gedankliches Streitgespräch diesen Eindruck in Diamant meißelte.
    „Warum tust du bei jedem Kampf so, als ob ich gleich draufgehe? Hast du etwa kein Vertrauen in meine Schwertkunst?“, fragte er verärgert, während er sich durch die zäh dahinfließende Menge schob.
    Ein dunkelhäutiger Mann mit Monokel und überbordendem Schnauzbart sah ihn verwirrt an, doch der Held ignorierte ihn.
    Warum trägst du bei jedem Kampf diesen grobschlächtigen Körperschutz? Hast du etwa kein Vertrauen in mich?, stichelte die Stimme mit gespielter Entrüstung zurück. Der Held bereute seine unzureichend durchdachte Äußerung schon jetzt.
    Plötzlich teilte sich der zähflüssige Menschenstrom und ein stattlicher Tisch kam in Sicht. Der Held starrte das prächtige Nussbaumholz einen Augenblick zu lang an, denn schon winkte ihn der schmierige Turbanträger dahinter mit einer landestypischen Begrüßungsfloskel heran. Um nicht mit unnötiger Unhöflichkeit ungewollte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, trat er an den mannslangen Tisch heran und erwiderte den Gruß.
    „Wir sind Abenteurer, nicht wahr? Und Wir kommen nicht aus diesem Land der Sonne?“, fragte der Fremde und beugte sich mit wissendem Blick über seinen Tisch.
    Oh, Mann!, stöhnte das Schwert.
    Der Held war kurz versucht, den Worten seiner Waffe eine Stimme zu verleihen, beschränkte sich dann aber lieber auf ein möglichst geheimnisvolles Nicken.
    „Ich bin sicher, Wir sind ein erfolgreicher Abenteurer, ein Mann, der allein zurecht kommt, der jeder Gefahr gewachsen ist und Wir erringen allenthalben prächtige Schätze.“
    Wer ist »Wir«? Weiß der Trottel, dass ich auch da bin oder ist er bloß ein gewöhnlicher Trottel?, warf das Schwert ein.
    Wenn er es wirklich weiß, dann …, erwiderte der Held mental und ließ die Scheide schwungvoll gegen die Tischkante knallen. Mit geübter Ignoranz setzte der Turbanträger seinen Monolog fort, während der Held belustigt, aber mit stoischer Miene seinem Schwert beim Fluchen zuhörte.
    „… jedenfalls: Wo kann ein vermögender Mann wie Wir es sind, allen Reichtum sicher verwahren, ohne dass Wir Uns drei starke Kamele anschaffen müssen?“
    Wenn ich mir den so ansehe, brauchen wir nur noch zwei...
    Seinem Verstummen nach zu urteilen bestand der Fremde diesmal auf einer auf Schall basierenden Antwort.
    „Das ist … ähm, geheim“, antwortete der Held spontan. Das Schwert schaffte es fast, sein Kichern zu unterdrücken. Der Fremde schien sich mit dieser Antwort jedoch keineswegs zufrieden zu geben. „Gut, ähm … ich würde sagen, dass … ähm, dass das eine kluge Frage ist.“
    Das ist eine saudumme Frage!, befand die Stimme. Du hast genügend Gold, keine Verpflichtungen und MICH! Was willst du denn mit Reichtum?!
    Mir ein anderes Schwert zulegen...?, schlug er unschuldig vor. Der Held konnte jedoch nicht umhin, diesem Aspekt des Abenteurerdaseins nun einen ernsthaften Gedanken zu widmen, doch auch jetzt fiel ihm nichts dazu ein.
    „Bei mir natürlich!“, erklärte der Fremde mit professionellem Händlerlächeln und wies auf dutzende Lederbeutel hin, die scheinbar chaotisch über den gesamten Tisch verteilt waren. „Wir können Unsere Schätze bei mir sicher verwahren lassen und erhalten dafür als Nachweis ein Papyr.“ Der Mann wedelte mit einem kleinen quadratischen Stück Papier und der Held schob seine seltsame Aussprache auf den örtlichen Dialekt.
    „Und meine Schätze und das alles schleppen Sie dann den ganzen Tag mit sich herum?“, wollte der Held wissen und die massive Tischplatte verlieh seiner Frage ein erhebliches Maß an Berechtigung.
    „Nicht direkt, werter Herr.“ Der Mann legte einen Finger an die Lippen und hob geheimnisvoll die Brauen. „Meine Banca ist magisch“, sagte er leise und streichelte das edle Holz. „Sie folgt mir überall hin …“ – aus dem Augenwinkel sah der Held, wie der Tisch ein Bein ganz leicht einknickte – „ … und außerdem hat sie polylokale Schubladen.“
    Ui, polylokal, kommentierte das Schwert staunend und auch der Held war beeindruckt, als er endlich die Bedeutung des Gesagten entschlüsselt hatte.
    „Jedenfalls“, nahm der Fremde seinen Geschäftston wieder auf, „kann ich Unser Vermögen aufbewahren und wenn Wir das Abenteurerleben an den Nagel hängen, können Wir Unser eingezahltes Guthaben jederzeit zurücktauschen.“
    Lass das lieber. Bei deinem Talent erreichst du sowieso kein so hohes Alter.
    „Was genau haben Sie eigentlich davon?“, fragte der Held zähneknirschend.
    „Ich verleihe meinen Besitz, natürlich nur gegen Zinsen, und ich wechsle auch verschiedene Währungen mit einem Ertrag für mich.“
    Der Held musste zugeben, dass dieses Geschäftsmodell recht erfolgversprechend wirkte.
    „Nun, also das ist in der Tat eine interessante Sache, doch ich führe selten mehr als meinen Geldbeutel und mein Schwert mit mir... und selbst das ist manchmal zu viel...“, erklärte er mit Bedauern. „Allenfalls nehme ich einen Beweis für die Ausführung eines Auftrags mit ... oder manchmal eine obskure Trophäe …“
    „Oh, Trophäen, Raritäten, jaja. Diese nehme ich gerne an und kann sie gegen eine unbedeutende Gebühr für Uns verkaufen, natürlich ohne dass Wir einen Aufwand darin hätten“, pries der Turbanträger seine Dienstleistungen weiter an.
    Dazu fiel dem Helden nun doch etwas ein.
    „Können Sie den Kopf eines Werpirs verkaufen?“
    Ein kurzes Zucken durchlief das festgefrorene Lächeln des Fremden. „Wie bitte?“, fragte er freundlich.
    Willst du ernsthaft den ganzen Weg nochmal zurückgehen?, stöhnte das Schwert. Wir haben unterwegs doch schon alles Tötbare beseitigt, das wird tierisch langweilig! Der Held schätzte kurz ab, wie viele Tagesreisen nötig wären und entschied sich dagegen. Einen Augenblick fragte er sich, ob der tote Werpir noch immer die Gesellschaft des Pummelpilzes genoss.
    „Ähm, nicht so wichtig… hm, oh! Würden Sie auch magische Bögen annehmen?“
    Oh nein! Nein, nein, nein! Das ist es nicht wert!, beteuerte das Schwert panisch.
    „Selbstverständlich.“
    „Hervorragend. Sodann lebt wohl!“, verabschiedete sich der Held ebenfalls in geschäftsmäßigem Ton.
    Eisige Stille herrschte in seinen Gedanken, während um ihn herum das Leben lautstark tobte. Er zog sich zum Rand des riesigen Marktes zurück.
    „Gar keine Widerworte?“, fragte er schließlich grinsend und lehnte sich entspannt an eine lehmige Hauswand.
    Wozu? Du hast doch gar nicht vor Helene zu holen, entgegnete die Stimme ruhig.
    „Hast du etwa schon wieder in meinem Gehirn herumgeschnüffelt?!“
    Ja!
    Die Stimme sammelte sich kurz.
    Und weißt du was?, fragte sie erbost. Der Kerl da ist total irre! Keine Kämpfe mehr, wenn du … also, »falls« du alt wirst?! Keine Kämpfe mehr?! Das ist doch … ! Pfeif doch auf Grotraks, Nekromanten und … und Werpire! Solche Irren wie den Turbantrottel da, der andere vom Kämpfen abhalten will, DIE sollten wir uns vornehmen! Und zwar unentgeltlich, schnaufte das Schwert.

  • Ich hab da mal ein bisschen wietergelesen. :)

    Naja, unser Vorbesitzer war zwar ein guter Kämpfer, aber leider nicht die hellste Kerze im Kandelaber.

    Ich schmeiß mich weg, was ein Vergleich! Von denen haust du aber auch wirklich einen nach dem anderen raus xD

    Ich muss nur zugeben, dass ich beim Kapitel mit der Geschichte des Barden kurz ziemlich verwirrt war. Die Erzählung des Schwertes, wie es da im Stein gelandet ist, wollte mir erst nicht ganz reingehen. Im ersten Moment kam nicht ganz so heraus, wer in wen seine Schwerter gesteckt hat und was sich dann in einen Stein verwandelt hat. Aber das kann auch größtenteils daran liegen, dass ich heute ein bissl verpennt bin :doofy:

    Ich muss sagen, diese Kurtgeschichten gefallen mir ausnahmslos richtig gut! Sie sind unterhaltsam, angenehm zu lesen und perfekt für zwischendurch. :D

    "Vem har trampat mina svampar ner?!"

  • Hallo @bigbadwolf, ...

    Spoiler anzeigen

    ... ich muss gestehen, ich hab mich bei der letzten Geschichte (Post 103) ein bisschen durchquälen müssen. Irgendwie zündet der Funke nicht bei mir Entweder bin ich zu müde oder es ist zu schwierig geschrieben für meine Auffassungsgabe.
    Ich musste viele Sätze zweimal lesen und habe immer noch kleine Fragezeichen überm Kopf.
    Die anderen Geschichten aus der Reihe haben sich für mich viel flüssiger gelesen, und ich habe irgendwie pausenlos grinsen müssen. Das fehlt mir hier. Es wirkt ein wenig zäh .. :/
    Tja. Ich weiß nicht, ob dir das jetzt irgendwie hilft. Ist ja nur meine Meinung. Mal sehen, was die anderen so sagen.

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

  • @Tariq Lies es einfach morgen nochmal. ;)

    Ich weiß, dass das Geschwafel des Turbanträgers anstrengend ist. Soll es ja auch. Außerdem hab ich ein wenig meine Pratchett-Ader ausgelebt. Vielleicht liegt's daran?
    Wenn es an was anderem liegt, dann ruhig sagen.

    Edit: Hab selbst nochmal gelesen und dabei noch einige Fehlerchen ausgebessert. Vielleicht lag es auch daran.

  • Ich bin es dann mal komplett unchronologisch angegangen und hab deinen letzten Post (103) gelesen. Tatsächlich muss ich @Tariq ein wenig recht geben, dass das Geschwafel durch die ganzen "Wirs" etwas verWIRrt ( :tada: ). Allerdings fiel es meiner Meinung nach nicht so sehr ins Gewicht, dass es stören würde. Stattdessen passt die Art des Turbanträgers zu reden ganz hervorragend zu ihm.
    Eines von Pratchetts Merkmalen ist, wie ich finde ja auch, dass er ziemlich gut mit Dialogen und allgemein der wörtlichen Rede seiner Charaktere spielt. :)

    „… jedenfalls: Wo kann ein vermögender Mann wie Wir es sind, allen Reichtum sicher verwahren, ohne dass Wir Uns drei starke Kamele anschaffen müssen?“

    Für gewöhnlich sammelt man ja vor allem zu Beginn jeden Plunder auf und verscherbelt ihn dann an den erstbesten Händler (natürlich ohne irgendetwas im Gegenzug zu kaufen, damit der Arme auch ja kein Gewinn hat :whistling: ).

    Willst du ernsthaft den ganzen Weg nochmal zurückgehen?, stöhnte das Schwert. Wir haben unterwegs doch schon alles Tötbare beseitigt, das wird tierisch langweilig!

    Der RPG/MMO-Klassiker: Suche und besiege die Bestie von AAAAAAAAH ... und bringe mir ihren Schädel! Drei Spielstunden und etliche Monsterleichen später steht man wieder vor dem Questgeber uuuuuuuund ... Schädel vergessen! :ugly:

    "Vem har trampat mina svampar ner?!"

  • Erst mal herzlichen Glückwunsch zur 20.

    Auch bei mir hat die letzte Geschichte nicht ganz gezündet. Meiner Meinung nach liegt es tatsächlich an den Reden des Turbanträger oder besser gesagt: Ich finde die Art wie der Turbanträger redet, passt zu ihm. Aber du setzt dem aufgesetzt-geschäftsmäßigen Händler-Geschwafel nichts Witziges entgegen. Sonst zündet bei dir in jedem zweiten Absatz ein kleiner Gag oder man findet einen besonders schön-absurde Redewendung (z. B. "hörbarer Hundeblick" :thumbsup: ). Das vermisse ich hier. Das erste mal Schmunzeln musste ich bei :

    Lass das lieber. Bei deinem Talent erreichst du sowieso kein so hohes Alter.

    Ums mal bildlich auszudrücken: Sonst zündest du bei den Geschichten in jedem Absatz einen Knallfrosch, eine Rakete oder eine ganze Silvester-Batterie. Diesmal führt eine lange Lunte zu ein paar schönen Knalleffekten, ohne dass am Ende eine Riesen-Rakete hochgeht. In diesem Sinne: Schmeiß noch ein paar Böller und Feuerfliegen in die Geschichte!

  • Diesmal führt eine lange Lunte zu ein paar schönen Knalleffekten, ohne dass am Ende eine Riesen-Rakete hochgeht. In diesem Sinne: Schmeiß noch ein paar Böller und Feuerfliegen in die Geschichte!

    Ich verstehe, was du meinst. Ich habe noch ein paar Sachen geändert, aber dieser Teil enthält auch ein paar Anspielungen auf Terry Pratchetts Späße und hat insofern vielleicht nicht so viele offensichtliche Lacher. Allerdings sind die Wortgefechte ja nicht zwingend durchweg als Humorsalve gedacht. Es sind halt "krude Alltagsszenen".

    Wie auch immer, vielleicht haben die Änderungen den Text ja noch etwas leserfreundlicher gestaltet. Bald gibts es mehr.

  • 21

    Der Anblick des weiten, bewaldeten Tals und des fernen, scheinbar glühenden Helmqist-Gebirges wärmten dem Helden das Herz ebenso sehr wie der malerische Sonnenuntergang an sich. Vor kleinen, flauschig wirkenden Wolken zeichnete sich ein Vogelschwarm ab, der formationsgetreu gen Süden zog.
    Ach ja, seufzte die Stimme.
    „Das hat schon was“, stellte der Held ebenfalls fest und sog geistesabwesend an einem Grashalm, der ihm halb aus dem Mund hing.
    Weißt du, ich mache mir ja auch so meine Gedanken, setzte das Schwert an und holte den Helden augenblicklich aus seiner arglosen Naturverträumtheit.
    „Worüber denn genau?“, fragte er höflich und schob den Halm in den anderen Mundwinkel.
    Über die Liebe.
    Stille. Und noch mehr Stille, da dem Helden der metaphorische Mund offenstand.
    Was denn?, fragte das Schwert gekränkt, seine Verwunderung negativ deutend.
    „Äähhuuaarghh“, gab der Held von sich, verschluckte sich an seinem Grashalm und erlitt einen Würge- und Hustenanfall. Die Sonne schämte sich ein wenig und versank noch tiefer hinter den Bergen.
    Also?, hakte das Schwert nach einer Weile unbarmherzig nach, als der Held das speichelgetränkte Grünzeug endlich ausgespuckt hatte.
    „Es… es war nur ein wenig… überraschend… für mich“, erklärte er. Zur Erholung lehnte sich der Held an den Stamm einer Linde, welche den Hügel beherrschte, auf dem er sein Lager aufgeschlagen hatte. „Also… Liebe… gut. Erzähl mal“, verlangte er und versuchte das Kratzen in seinem Hals zu ignorieren.
    Ich hab ja nun schon viel gesehen in meinen Jahrhunderten. Und meiner Meinung nach ist an euch Humanoiden nichts so seltsam wie Liebe.
    „Ah ja… und warum jetzt nochmal?“, wollte der wissen.
    Na, man wird nicht satt davon, kann nichts damit kaufen, niemanden damit töten… , aber trotzdem streben alle danach. Eigentlich unterscheidet sich Liebe nicht mal vom Kämpfen.
    „Also das musst du jetzt doch etwas genauer erläutern“, verzog der Held ungläubig das Gesicht und musste erneut kurz husten.
    Na, Liebe ist wie ein Kampf vollkommen ebenbürtiger Gegner. Es kann ewig dauern, man hat immer das Bedürfnis, sorgfältig auf den anderen aufzupassen und wenn einer auch nur kurz Mist baut, ist es mitunter schnell vorbei.
    „Liebe ist aber schlussendlich nicht tödlich“, entgegnete er irritiert.
    Pah! Die Liebe hat schon so viele Kriege ausgelöst. Die hat doch weit mehr Leichen im Keller als du und ich, also bitte!
    Ratlosigkeit machte sich in ihm breit, denn eine rechte Erwiderung fiel ihm nicht ein.
    Abgesehen davon, führte die Stimme weiter aus, ist dieser Ausdruck von wegen >unsterblich verliebt< doch totaler Quatsch, oder? Ich meine: Selbst die Baumkuschler sterben irgendwann.
    „Ähm… na, also >unsterblich< ist nicht direkt wörtlich gemeint“, versuchte der Held zumindest diesmal mit seinem Intellekt zu glänzen.
    Sondern?
    So viel dazu. Die tiefgreifenden Einsichten des Schwertes überforderten ihn zunehmend.
    „Aber Untote sind unsterblich“, fiel ihm in seiner Not noch ein. „Wenn Untote sowas wie Liebe zueinander empfinden, ist sie ja gewissermaßen… unsterblich… also, ähm, na gut, eigentlich sind sie ja schon gestorben…, aber ihre Liebe nicht. Äh…, also wenn sie schon vor dem Sterben unsterblich verliebt waren, dann… sind sie… als, äh… Gestorbene, also als Untote, ähm… immer noch verliebt. Also für immer“, schloss er und sah sich hilfesuchend auf dem Hügel um.
    Du merkst es selber, ja?, fragte die Stimme etwas bemitleidend. Du meinst also, irgendwo gibt es vielleicht eine Art Nekromanten-Liebespärchen, auf die sich der Ausdruck ursprünglich bezieht?
    Irgendwie wurde es einfach nicht besser.
    „Ähm… ja“, entgegnete der Held mit fester Stimme. „Vielleicht.“
    Na, wenn du meinst, schien sich das Schwert zufrieden zu geben.
    Nach einer Weile riss der Held sich einen neuen Grashalm ab, warf ihn dann aber lieber weg.
    Warum ist euer Leben eigentlich irgendwann zu Ende? Also normalerweise?, fragte das Schwert unvermittelt.
    Der Held dachte kurz nach. „Unsterblichkeit ist halt nicht vorgesehen, sonst wäre die Welt ja irgendwann voller Leute.“
    Das wäre nur eine Folge. Du weichst meiner Frage aus, bohrte ihm das Schwert den metaphorischen Finger in die Brust.
    „Es fängt halt irgendwie als kleines Kind an und ist dann im hoffentlich hohen Alter zu Ende, irgendwie“, seufzte der Held und warf ratlos die Hände in die Luft. „Man wird älter und… ich denke, irgendwann kann unser Körper eben nicht mehr…, vielleicht ist er wie ein alterndes Gebäude, das nach langem Widerstand gegen Wind und Wetter endlich einstürzt… oder wie eine rostende Waffe, die irgendwann zerbricht.“
    Hm, ich weiß überhaupt nicht mehr, wie meine Existenz eigentlich begonnen hat, seufzte das Schwert traurig.
    Der Held merkte, dass er einen wunden Punkt getroffen hatte und widmete seine Aufmerksamkeit der hereinbrechenden Nacht, während das Schwert den restlichen Abend eher schweigsam verbrachte.

  • Das war unterhaltsam wie immer, @bigbadwolf. Fragt sich nur, wer hier bei wem auf der Couch lag. Am Ende hatten wohl beide mehr Fragen im Kopf als Antworten. Aber die Zwei sind schon ein tolles Duo.:D

    Jetzt hast du natürlich die Idee zu zwei neuen Geschichten geliefert:
    a) kann sich das Schwert verlieben???
    b) wie ist das Schwert entstanden??

    Die Sonne schämte sich ein wenig und versank noch tiefer hinter den Bergen.

    :rofl:

    Edit: Hab den letzten Post nochmal gelesen, gefällt mir auch besser so. :thumbup:

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • Jetzt hast du natürlich die Idee zu zwei neuen Geschichten geliefert:
    a) kann sich das Schwert verlieben???
    b) wie ist das Schwert entstanden??

    Ist bereits in Arbeit. :D

    Fragt sich nur, wer hier bei wem auf der Couch lag. Am Ende hatten wohl beide mehr Fragen im Kopf als Antworten.

    Ja, das Ende sollte diesmal etwas ernster sein. Kann ja nicht immer alles mit Friede-Freude-Eierkuchen enden.

  • „Äähhuuaarghh“, gab der Held von sich, verschluckte sich an seinem Grashalm und erlitt einen Würge- und Hustenanfall.

    Ich stell mir grad einen dieser epischen Filmhelden :paladin: in der Szene vor :rofl:


    Die Antworten oder besser Nicht-Antworten auf die tiefgreifenden Fragen des Lebens gefallen mir sehr gut. :)

    Spoiler anzeigen


    Noch ein orthografischer Hinweis: An dieser Stelle scheint das Verb zu fehlen:

    „Ähm… na, also >unsterblich< nicht direkt wörtlich gemeint“,

    und hier das "und"

    Weißt du, ich mache mir ja auch so meine Gedanken, setzte das Schwert an holte den Helden augenblicklich aus seiner arglosen Naturverträumtheit.

  • Ich hinke etwas hinterher. Ich habe mir nur gerade die überarbeitete Fassung von Teil 20 durchgelesen. Aber das ist dir jetzt wirklich gelungen. Schöne bissige Kommentare. Zwar sind diese "Wir" immer noch nervig, aber nun ertragbarer. Es liest sich nun mit einem Dauerlächeln, so wie es sein sollte. ^^

  • @Schreibfeder Wie gesagt, die "Wir" sollen ja dezente Mordgelüste beim Leser wecken. :D
    Ein Dauerlächeln? Prima. Ich schreibe auch oft mit einem fetten Grinsen im Gesicht an den Texten...

    Ich stell mir grad einen dieser epischen Filmhelden in der Szene vor

    Das mache ich eigentlich immer beim Schreiben. Also generell stelle ich mir den Inhalt als Filmsequenz vor. Da fallen mir bessere Worte, Beschreibungen und dergleichen ein und dadurch erreicht man beim Leser auch eine bessere Immersion. Und davon leben die kurzen Teile ja.

    Ich habe den Eindruck, dass dieser letzte Teil (21) wieder mehr den Geschmack der Leser getroffen hat. Korrekt?

  • 22

    Die niedrigen Steinmauern, welche das kleine Dorf einhegten, waren eigentlich eher als Hinweis denn als effektiver Schutz gedacht. Auch die teils baufälligen hölzernen Hütten schienen dem Helden eher eine Lebensaufgabe als ein wohnliches Zuhause zu sein. Umringt von den etwa drei Dutzend verunsicherten Einwohnern hatte er sich vor der ehrwürdigen Kastanie des Dorfplatzes positioniert und seinen sogenannten Plan vorgeschlagen.
    Vergiss die Schwerter nicht!, erinnerte ihn die Stimme eindringlich.
    Der Held atmete noch einmal tief durch.
    „Den Späherberichten zufolge wird der Grotrakhaufen das Dorf spätestens am frühen Abend erreichen. Was auch immer sie eigentlich vorhaben, das Dorf wird ihnen im Weg stehen und ihnen als leichte Beute erscheinen.“
    „Mami, ich hab Angst!“, schniefte irgendwo eine unsichtbare Stimme.
    „Keine Sorge, Schatz. Der Mann da hilft uns. Uns wird nichts passieren“, erwiderte die Mutter beruhigend und sah den Helden unsicher an. Nach außen hin sorglos, doch innerlich angespannt, nickte er ihr zu.
    „Ich schlage vor, die scheinbar nutzlose Mauer zu unserem Vorteil zu nutzen. Grotraks greifen meist als geschlossene Reihe an, was ihnen ein Gefühl der Stärke vermittelt. Wenn sie wie ein Mann über die Mauer stürmen, werden wir mit Holzspeeren bereitstehen und ihren Ansturm in ihre Niederlage verwandeln.“
    „Aber wir haben nur ein paar Äxte und Sensen. Sicher werden wir nicht alle Grotraks überrumpeln können. Wie bekämpfen wir die Überlebenden?“, fragte einer.
    Wir brauchen Schwerter!, forderte die Stimme.
    Der Held musste sich stark konzentrieren, um nichts Unpassendes zu sagen.
    „Wer sich einen Kampf mit Axt oder Sense zutraut, kann damit verheerenden Schaden anrichten“, ermutigte der Held stattdessen den Dorfbewohner. „Nutzt, was ihr besitzt, um die Waffen der Grotraks abzuwehren. Selbst ein einfaches Brett kann einen tödlichen Schwerthieb abschwächen, mit einem Kochkessel kann man sogar zum Gegenschlag ausholen, ein Schürhaken kann Knochen brechen.“
    Ein Schwert kann das auch alles!
    „Allerdings können wir auch aus der Ferne zurückschlagen“, erklärte er konzentriert, tätschelte den Stamm der Kastanie und wies auf die Aberhunderte kleiner Stachelkugeln am Boden hin. „Während die Männer und ich Speere zuschlagen, können die Frauen Tröge und Bottiche mit heißem Wasser, Öl, Tierfett oder was auch immer ihr habt, vorbereiten. Verbrühte Beine sind mindestens so effektiv wie ein Speer im Bauch.“ Eine Frau verzog anscheinend wissend das Gesicht. „Kinder! Ihr sammelt Steine und Kastanien. Sicher wisst ihr, wie man Zwillen und Schleudern baut, oder?“
    Und vielleicht Holzschwerter?
    Einige Kinder nickten mit aufgerissenen Augen, während die Mimik ihrer Eltern eher Besorgnis verriet.
    „Gut, aber übt damit! Ihr wollt ja nicht versehentlich eurem Vater den Hintern versohlen.“
    Der kleine Lacher tat allen Umstehenden sichtlich gut. Der Held wurde nun jedoch wieder ernst.
    „Ich will euch nichts vormachen. Uns steht ein harter Kampf bevor und es wird Verwundete geben. Wir sollten Verbände, schmerzlindernde Kräuter und Wasser bereitstellen und einige Betten vorbereiten.“ Er überlegte, was noch zu tun war. „Wer ist euer bester Läufer?“
    Ein junger, drahtiger Bursche meldete sich zögerlich und der Held musterte ihn gründlich. „Wenn du es dir zutraust, kannst du eine halbe Stunde entfernt Stellung beziehen. Ich würde es selbst machen, denke aber, dass ich hier mehr gebraucht werde. Sobald du die Grotraks bemerkst, rennst du wie der Blitz und warnst uns. Traust du dir das zu?“
    Der junge Mann straffte die Schultern und nickte stolz.
    Da niemand noch etwas hinzufügte, widmete sich sofort jeder einer Aufgabe.

    Die Stunden krochen dahin und langsam ermüdete sein Schwertarm, doch dem Dorf blieb wenig Zeit. Der Held nahm sich drei weitere Stöcke und schlug sie im Akkord an einem Ende spitz zu.
    Erle, Erle, Tanne, uääh… ich hasse Tanne, kommentierte die Stimme.
    „Kannst du jetzt mal still sein?“
    Ich lenke mich nur davon ab, dass ich gerade als Schnitzmesser missbraucht werde!, entgegnete das Schwert bissig. Und außerdem stinkt Tanne!
    „Du kriegst schon noch deinen Kampf“, versprach er, während er sich schon die nächsten Stöcke schnappte, die ihm ein kleiner Junge gebracht hatte. Der Held glaubte sich zu erinnern, dass er Hogleif hieß. Hogleif nahm im Gegenzug die improvisierten Holzspeere mit und verteilte sie hinter der Steinmauer.
    Meinst du, wir haben eine Chance?, dachte der Held besorgt. Ihm wurde bewusst, dass die Existenz des ganzen Dorfes vom Gelingen seines Plans abhing, nicht zu vergessen seine eigene.
    Aaach, das wird schon, meinte das Schwert. Wobei, fügte es noch hinzu, keiner hat Kampferfahrung, der Plan stammt von dir und – und ich kann es gar nicht genug betonen – WIR HABEN ZU WENIGE SCHWERTER!

  • Hey, @bigbadwolf

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    Ich habe den Eindruck, dass dieser letzte Teil (21) wieder mehr den Geschmack der Leser getroffen hat. Korrekt?

    Absolut :thumbup:

    Yeah, ein Kampf. Ich hoffe es gibt hierzu einen Teil 22b und wir erfahren, wie es ausgeht, ja?? 8o

    Erle, Erle, Tanne, uääh… ich hasse Tanne, kommentierte die Stimme.

    :rofl:

    Ansonsten - keine Klagen, alles :super:

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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