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Eine dickliche Frau mit praktisch kurz geschnittenem Haar kam ihm mit offenen Armen entgegen.
„Junge, lass dich ansehen!“, hopste seine Mutter um ihn herum, was ihren Proportionen ein merkwürdiges Eigenleben verlieh. Ruckartig blieb sie vor ihm stehen, als sei ihr soeben etwas eingefallen. „Komm schnell rein… es… es ist kalt!“, sagte sie und packte ihren Sohn am Ärmel.
Wie überaus…, setzte die Stimme zu einer treffenden Beurteilung an, hielt sich dann aber doch höflich mit jeglichen Adjektiven zurück.
„Mutter, die Krokusse blühen schon!“, entgegnete der junge Held kopfschüttelnd.
„Ganz schmutzig bist du…“, fuhr sie achtlos fort und zog ihn in die kleine Lehmhütte.
Ja, wirklich!, pflichtete die Stimme ihr bei.
„Siehst du. Sogar deiner Waffe ist das aufgefallen… und dünn bist du auch geworden!“
Naja, sein Haar vielleicht, aber sonst…
„Was ist eigentlich in der Stadt los?“, überging der junge Held den Kommentar. „Warum wurden die Markthütten abgebaut?“
„Lass uns erstmal reingehen“, drängte seine Mutter.
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Es war doch wirklich offensichtlich, dass die Stadt abgeriegelt wird. Und ich hab noch zu dir gesagt „Schnell raus hier!“, aber neeein…
„Das kann doch keiner ahnen“, schnappte der junge Held zurück und setzte sein Starren fort.
Irgendwie haben bisher fast alle derartigen Besuche so oder so ähnlich geendet, dachte die magische Waffe laut.
Jetzt stutzte der junge Held doch. „Das kann ich mir kaum vorstellen… oder wie meinst du das jetzt?“
Naja, dein Vorgänger ist eine schiere Ewigkeit bei seiner Sippe geblieben. Das waren vielleicht langweilige drei Jahre. Da war selbst die Gesellschaft der Fische angenehmer. Zum Glück gab es da diese jährlichen Schauduelle, sonst wäre ich vor Langeweile umgekommen.
„Also es ist schon etwas anderes, nicht mehr fortgehen zu wollen als nicht mehr fortgehen zu dürfen“, merkte er missmutig an.
Ich durfte ja auch nicht fort, entgegnete die Stimme gereizt.
„Du bist ja auch ein Schwert.“
Und was soll das jetzt heißen?!
„Dass… ach, lassen wir es gut sein, bringt ja nichts“, lenkte der junge Held seufzend ein und widmete sich wieder dem tristen Anblick hinter den fettigen Fensterscheiben seines Elternhauses. Die Straßen waren seit der königlichen Order wie leergefegt. Außer den drei gelangweilt umherspazierenden Stadtwachen wirkte die Stadt gänzlich entvölkert. Sollten sich die Befürchtungen seiner Eltern tatsächlich bewahrheiten, würde dieser Anschein bald Wirklichkeit werden. Irgendeine grassierende Krankheit war dabei, die Bevölkerung zu Dutzenden dahinzuraffen und –
Sagen die!
„Raus aus meinem Kopf!“
Ist doch wahr. Hast du auch nur einen Dahingerafften gesehen?
„Du warst doch dabei, als meine Eltern davon erzählt haben“, sagte der junge Held.
Und deshalb willst du jetzt hier Wurzeln schlagen? Hier gibt es nichts zu retten, nichts zu entdecken und schon gar nichts zu metzeln, du Heimabenteurer!
„Aber es sind meine Eltern! Die müssen doch wissen, was gut für mich ist!“
Und ich weiß, was man Jahrzehnte in einem Flussbett machen kann.
Es dauerte einen Moment, ehe der junge Held den Querverweis verstand.
Wird ja auch mal Zeit, grummelte die Stimme mit einem metaphorischen Augenrollen.
„Ich sagte: »Raus aus meinem Kopf«!“, fuhr der junge Held seine Waffe erneut an.
Wieso? Du hast doch gerade das Patrouillenmuster der Stadtwachen, die Höhe der Stadtmauern und den Verlauf des Flusses durchdacht und bist gedanklich bereits außerhalb der Stadt.
„…du nervst“, gab er sich geschlagen.
Ich rette lediglich deine Heldenambitionen.
„Hm.“
Und nein, du solltest dich nicht verabschieden.
„Hm.“
Du weißt ja, wie man das Fenster ausbaut.
„Hm.“