Wortgefechte - Ein Schwert und sein Held

Es gibt 426 Antworten in diesem Thema, welches 106.651 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (21. August 2023 um 00:03) ist von bigbadwolf.

  • 56

    Eine dickliche Frau mit praktisch kurz geschnittenem Haar kam ihm mit offenen Armen entgegen.

    „Junge, lass dich ansehen!“, hopste seine Mutter um ihn herum, was ihren Proportionen ein merkwürdiges Eigenleben verlieh. Ruckartig blieb sie vor ihm stehen, als sei ihr soeben etwas eingefallen. „Komm schnell rein… es… es ist kalt!“, sagte sie und packte ihren Sohn am Ärmel.

    Wie überaus…, setzte die Stimme zu einer treffenden Beurteilung an, hielt sich dann aber doch höflich mit jeglichen Adjektiven zurück.

    „Mutter, die Krokusse blühen schon!“, entgegnete der junge Held kopfschüttelnd.

    „Ganz schmutzig bist du…“, fuhr sie achtlos fort und zog ihn in die kleine Lehmhütte.

    Ja, wirklich!, pflichtete die Stimme ihr bei.

    „Siehst du. Sogar deiner Waffe ist das aufgefallen… und dünn bist du auch geworden!“

    Naja, sein Haar vielleicht, aber sonst…

    „Was ist eigentlich in der Stadt los?“, überging der junge Held den Kommentar. „Warum wurden die Markthütten abgebaut?“

    „Lass uns erstmal reingehen“, drängte seine Mutter.

    ------------------------

    Es war doch wirklich offensichtlich, dass die Stadt abgeriegelt wird. Und ich hab noch zu dir gesagt „Schnell raus hier!“, aber neeein…

    „Das kann doch keiner ahnen“, schnappte der junge Held zurück und setzte sein Starren fort.

    Irgendwie haben bisher fast alle derartigen Besuche so oder so ähnlich geendet, dachte die magische Waffe laut.

    Jetzt stutzte der junge Held doch. „Das kann ich mir kaum vorstellen… oder wie meinst du das jetzt?“

    Naja, dein Vorgänger ist eine schiere Ewigkeit bei seiner Sippe geblieben. Das waren vielleicht langweilige drei Jahre. Da war selbst die Gesellschaft der Fische angenehmer. Zum Glück gab es da diese jährlichen Schauduelle, sonst wäre ich vor Langeweile umgekommen.

    „Also es ist schon etwas anderes, nicht mehr fortgehen zu wollen als nicht mehr fortgehen zu dürfen“, merkte er missmutig an.

    Ich durfte ja auch nicht fort, entgegnete die Stimme gereizt.

    „Du bist ja auch ein Schwert.“

    Und was soll das jetzt heißen?!

    „Dass… ach, lassen wir es gut sein, bringt ja nichts“, lenkte der junge Held seufzend ein und widmete sich wieder dem tristen Anblick hinter den fettigen Fensterscheiben seines Elternhauses. Die Straßen waren seit der königlichen Order wie leergefegt. Außer den drei gelangweilt umherspazierenden Stadtwachen wirkte die Stadt gänzlich entvölkert. Sollten sich die Befürchtungen seiner Eltern tatsächlich bewahrheiten, würde dieser Anschein bald Wirklichkeit werden. Irgendeine grassierende Krankheit war dabei, die Bevölkerung zu Dutzenden dahinzuraffen und –

    Sagen die!

    „Raus aus meinem Kopf!“

    Ist doch wahr. Hast du auch nur einen Dahingerafften gesehen?

    „Du warst doch dabei, als meine Eltern davon erzählt haben“, sagte der junge Held.

    Und deshalb willst du jetzt hier Wurzeln schlagen? Hier gibt es nichts zu retten, nichts zu entdecken und schon gar nichts zu metzeln, du Heimabenteurer!

    „Aber es sind meine Eltern! Die müssen doch wissen, was gut für mich ist!“

    Und ich weiß, was man Jahrzehnte in einem Flussbett machen kann.

    Es dauerte einen Moment, ehe der junge Held den Querverweis verstand.

    Wird ja auch mal Zeit, grummelte die Stimme mit einem metaphorischen Augenrollen.

    „Ich sagte: »Raus aus meinem Kopf«!“, fuhr der junge Held seine Waffe erneut an.

    Wieso? Du hast doch gerade das Patrouillenmuster der Stadtwachen, die Höhe der Stadtmauern und den Verlauf des Flusses durchdacht und bist gedanklich bereits außerhalb der Stadt.

    „…du nervst“, gab er sich geschlagen.

    Ich rette lediglich deine Heldenambitionen.

    „Hm.“

    Und nein, du solltest dich nicht verabschieden.

    „Hm.“

    Du weißt ja, wie man das Fenster ausbaut.

    „Hm.“

  • ... oder die Krankheit überspringt die Artengrenze und befällt dann auch Artefaktwaffen? *grinsel*

    Das wäre echt hart. Dabei ist das Schwert ja schon magiekrank gewesen, sollte also möglich sein...

    Mal schauen.

    Kiddel Fee Drachenpocken?! Wie stell ich mir das denn vor? Klingt unangenehm, heiß und viel zu groß.

  • Drachenpocken?! Wie stell ich mir das denn vor? Klingt unangenehm, heiß und viel zu groß.

    öh ... keine Ahnung.:pardon: Irgendwas Lepraähnliches, was man sich einfängt, wenn man Drachengold hebt, den Drachen dazu aber noch nicht besiegt hat? Oder der Zustand, den Siegfrieds Haut nach dem Bad im Drachenblut angenommen hat? Vllt auch einfach ein anderes Wort für Brandblasen ...

    Frag doch mal das Schwert, das hat Erfahrung.

    Oder mach einen neuen Thread auf. Fantastische Pestilenzien und ihre Übertragungswege - mit Stil!:rofl:

  • „Ganz schmutzig bist du…“, fuhr sie achtlos fort und zog ihn in die kleine Lehmhütte.

    Ja, wirklich!, pflichtete die Stimme ihr bei.

    „Siehst du. Sogar deiner Waffe ist das aufgefallen… und dünn bist du auch geworden!“

    Die Mama kann Heldiwutzens Schwert hören? (Hier würde ich rein gefühlsmäßig noch zwei drei... dutzend Fragezeichen setzen.)

    Ansonsten: Klasse, wie immer!

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • Die Mama kann Heldiwutzens Schwert hören? (Hier würde ich rein gefühlsmäßig noch zwei drei... dutzend Fragezeichen setzen.)

    Das erkläre ich damit, dass sie ihn ja mit sich fortzieht, also gibt es eine Brücke zwischen ihr und dem Schwert. Der junge Held ist außerdem nicht das erste Mal zu Hause, sodass seine Eltern das Schwert bereits kennen und sich nicht mehr darüber wundern.

    Alle Fragezeichen eliminiert?

  • „Junge, lass dich ansehen!“, hopste seine Mutter um ihn herum, was ihren Proportionen ein merkwürdiges Eigenleben verlieh.

    Zweiter Satz und ich musste von einem bis zum anderen Ohr grinsen!

    Ich habe das Schwert und seinen Helden vermisst!

    Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass es echt lange gedauert hat, bis ich den Bogen zu Corona geschlagen habe :rofl:
    Gedanklich war ich als im Mittelalter bei der Pest ... :patsch:
    Morgens um halb 8 bin ich geistig noch etwas langsam *geht sich Kaffee kochen*

    Ich hoffe, wir hören bald noch mehr! :D

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • 57

    Der Morgen gebar glitzernden Nebeldunst, welcher durch den Frühlingswald und dem jungen Helden unter das Lederwams glitt. Gerade war er dabei sein Nachtlager abzubrechen und, wie es ihm sein Schwert nochmals eingeschärft hatte, seine Spuren abenteuererhaft zu verwischen.

    Hey, ich hab etwas Tolles gedichtet. Hör mal:

    Ich ging im Walde für mich hin-

    „Du kannst nicht gehen“, bemängelte er und bedeckte seine Feuerstelle mit feuchtem Gestrüpp.

    Ruhe! Das Schwert räusperte sich. Ich ging im Walde für mich hin, groß Ruhm und Kämpfen war mein Sinn.

    In einiger Entfernung ertönte ein lautes Knacken und der junge Held horchte still. Nichts regte sich.

    Und?

    Was »und«?, dachte er.

    Na, wie fandst du es?

    „Das war bloß ein Reim“, rief er verwundert.

    Pf!, entgegnete die Stimme pampig.

    Zufrieden mit seinem Abenteurertum orientierte sich der junge Held kurz und schritt auf den Weg zu, welchen er gestern zwecks Lagererrichtung verlassen hatte.

    „Was wohl aus dieser jungen Banditin geworden ist?“, beendete er nach einer Weile das allgemeine Schweigen.

    Vermutlich weniger.

    „Ein Eichhörnchen?“

    Ich hatte mehr in Richtung Verwesung gedacht…

    „Ich meinte ihre wiedergeborene Seele!“

    Kurzes Schweigen, dann ein irritiertes Seufzen. Also manchmal lese ich deine Gedanken und kapier dich trotzdem nicht.

    „Meine Eltern haben mir beigebracht, dass jedes Wesen wiedergeboren wird, wenn es stirbt“, erklärte der junge Held. „Und abhängig von seinen Taten wird es dann als Mensch oder als ein bestimmtes Tier wiedergeboren.

    Na, darauf würde ich ja lieber nicht wetten. Nutz lieber dein Leben, ehe die nächste Banditin mehr Erfolg hat, riet die Stimme. Dann wäre es ja auch nicht schade um dich, immerhin hab ich schon haufenweise Abenteurer überlebt.

    „Das ist keine nette Sichtweise.“

    Das ist keine Sichtweise, das ist »Denken«.

    „Vielleicht bist du ja so in das Schwert gekommen… zählt das als Bestrafung oder als Belohnung für dein früheres Leben, was meinst du?“, überlegte er.

    Endlich kam der schmale Pfad wieder in Sicht und eine kurze Zeit später mündete dieser in einen karrenbreiten Weg. Es dauerte noch eine gefühlte Meile, ehe die Stimme erneut ein Lebenszeichen von sich gab.

    Wer ist das eigentlich?

    Der junge Held stutzte und sah sich kurz um.

    „Wer ist »wer«?“

    Na, die Frau, an die du seit Stunden immer wieder denkst.

    „Hey, das geht dich nichts an! Wäre nett, wenn du nicht andauernd meine Gedanken liest.“

    Warum so böse, Bursche? Die sieht doch gut aus… oh… tut mir leid… äh, hm… ist das der Grund, warum du auf Abenteuer ausgezogen bist?

    „Teils“, maulte der junge Held trübsinnig.

    Nach einer langen Weile des Starrens und Schweigen gab das Schwert nach.

    Ist gut. Ich lass dir deine Privatsphäre.

    „Danke.“

    Und was ist das für ein Text gewesen?

    „Hey!“

    Das zählt nicht, das ist noch Neugier von vorhin!, verteidigte sich das Schwert sofort.

    Der junge Held wurde erneut sauer, gleichsam jedoch auch etwas wehmütig. Er konnte nicht verhehlen, dass er gern an diese Zeit zurückdachte, obwohl sie ihn schlussendlich mit großer Trauer erfüllt hatte. Der junge Held kramte in seinen Erinnerungen nach dem entsprechenden Papierfetzen, räusperte sich und begann gedanklich abzulesen:

    „Gallante Frau mit zahrter Haut,

    führ mich die aintzig Schöne,

    wilst du mich lieben wie ich dich?

    Nimm mich zum Mann, Helene!“

    Oh nein, entfuhr es der Stimme.

    „Was?“, schnappte der junge Held sofort.

    Hm? Oh, äh, ach nichts. Nettes Gedicht, beeilte sich das Schwert. Hätte ihr sicher gefallen… lass mich raten: Lesen und Schreiben haben dir auch deine Eltern beigebracht?

    „Ja, wieso?“

    Ach, nur so.

  • Heyho bigbadwolf

    Ich glaube, an den "Wortgefechten" habe ich viel zu lange dran vorbei gelesen...werde mal heute damit anfangen, das zu ändern.

    „Gallante Frau mit zahrter Haut,

    führ mich die aintzig Schöne,

    wilst du mich lieben wie ich dich?

    Nimm mich zum Mann, Helene!“

    "Nimm mich zum Mann, Helene!":thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    Hätte mich fast am Bier verschluckt, als ich das las.8)

  • Also jetzt verstehe ich, warum Thorsten und Katharina diesen Text verfilmen wollen.

    Ich habe gerade die ersten 10 Abschnitte gelesen und mich weggeschmissen vor Lachen.

    Ist ja verrückt, das Konzept und noch verrückter finde ich, dass das so gut funktioniert.

    Es sind eigentlich nur Episoden, aneinander gehängt, keine fortlaufende Geschichte - ich lese sowas eigentlich nicht, aber hab mich jetzt entschieden eine Ausnahme zu machen.

    Was mir wirklich gut gefällt: Jede kleine Episode läuft auf eine Pointe heraus und von dieser wird man zielsicher überrascht. Dann wimmelt es von Andeutungen und Zweideutigkeiten und das ist einfach köstlich. Dann dieses ständige Auf-die-Schippe-nehmen, nicht-Ernst-nehmen, infragestellen. Richtig gut.

    Ja, richtig gut! Ich lese mir die Fortsetzung auch noch durch!

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince * No Way Out

  • Kirisha. Na da freu ich mich doch auch hier nochmal über eine neue Leserin.

    Ich hätte auch nie gedacht, dass ich hier mal auf Szene 60 zusteuere. Da es nach wie vor jede Menge Spaß macht, die beiden in spannenden, absurden und überspitzten Situationen zum Leben zu erwecken, wird es wohl weiter gehen.

    Danke für die netten Worte und viel Vergnügen. Tariq meinte, man liest hier am besten mit Kaffee in der Hand und Ruhe im Umfeld.:)

  • 58

    „Warum bist du Abenteurer geworden?“, fragte der Junge.

    Das Lösegeld könnte man glatt als Schmerzensgeld durchgehen lassen…, maulte die Stimme.

    Der Held tat sich innerlich schwer damit, die Befreiung des Jungen eine gute Tat zu nennen. Seit der Lösegeldübergabe an die Entführer vor ein paar Stunden hatte das Balg seinen Redebedarf für den Rest des Jahres bereits übererfüllt. Dass er mit seinem nervigen Anhang zudem morastiges Gebiet durchqueren musste, machte es nicht besser.

    „Nur so“, gab der Held schließlich als Antwort.

    „Echte Helden werden immer vom Schicksal gefunden“, schien der Junge zu zitieren.

    …oder heimgesucht…

    „Aber wenn man sich rechtzeitig anders entscheidet, kann einen das Schicksal nicht finden“, konterte der Held. „Ich bin ein waschechter Held und Abenteurer, glaub es ru –“

    „Was war das Tollste, das du je gemacht hast?“, unterbrach der Junge ihn.

    Die Tatsache, dass der Junge noch atmet, zählt nicht, oder?

    Nein, musste der Held bestätigen.

    „Das Tollste? Hm…“, überlegte er nun laut. „Ich habe bereits einiges erlebt und dabei –

    „Kann ich mal dein Schwert haben?“, fragte der Junge erneut dazwischen.

    Der Held blieb stehen und versuchte es mit einem maßvoll strengen Blick, aber die geschäftigen Kinderaugen waren mit tausend wichtigeren Dingen beschäftigt.

    „Nein“, antwortete er griesgrämig.

    Du hast was gut bei mir, bedankte sich die Stimme prompt.

    „Wieso denn nicht?“, wollte der Junge natürlich wissen.

    „Weil es MEIN Schwert ist und nur ich es benutze.“

    Das hast du aber schön gewettert, lobte ihn das Schwert eine Spur zu freundlich.

    Der zornige Blick des Helden galt nun beiden Nerventötern. Leider wurde er einerseits nicht wahrgenommen und andererseits vollends ignoriert.

    „Kannst du Monster aufspüren?“, fragte der Junge stattdessen.

    Sieht so aus…

    He, sei nicht so gemein, rügte der Held sein Schwert pflichtbewusst.

    „Naja“, wandte er sich nun an den Jungen, „ich schaffe es jedenfalls immer, dass ich sie früher bemerke als sie mich.“

    Allenfalls »manchmal«, korrigierte die Stimme. Meistens bemerke ICH sie.

    „Klappe!“

    „Was? Wieso?“, fragte der Junge und ließ sich etwas zurückfallen.

    „Hm?“, sah sich der Held irritiert um, ehe er begriff. „Oh, entschuldige. Nicht so wichtig.“

    Nach all den Fragen hatte die nun hinter ihm herrschende Stille etwas geradezu Unheimliches. Leider waren ihm lediglich einige Augenblicke unentschlossener Grübelei des Jungen gegönnt.

    „Führen alle Abenteurer Selbstgespräche?“

    Hat der überhaupt keinen Selbsterhaltungstrieb?!, dachten sie synchron. Im Geiste sahen sich Schwert und Held an und grinsten.

    „Warum hast du die Männer nicht einfach alle tot gemacht?“

    Als Zeichen der Anerkennung?, mutmaßte das Schwert.

    „Junge, wir sind hier mitten im Morast“, riss dem Helden nun der Geduldsfaden. Er sammelte sich kurz und erklärte möglichst sachlich die Situation. „Ich muss mich hier bei jedem Schritt konzentrieren, damit ich dich heil zurückbringen kann. Also hör bitte auf mit deinen Fragen.“

    „Gut“, antwortete der Junge prompt und wartete schweigsam, dass der Held weiterging.

    Das war ja einfach, dachte der Held erschüttert.

    Los, schnell weiter, drängte die Stimme, … und nein, nur weil ich dich ignoriere, bin ich nicht schlimmer als dieses Balg!

  • 59

    Wie? Schon vorbei?, fragte das Schwert kummervoll.

    Der mutmaßliche Assassine rannte um eine Häuserecke außer Sicht und ließ die ihm nacheilenden Stadtwachen wie adipöse Funkelschnecken aussehen. Als der Held einen Versuch unternahm, wieder von der Straße aufzustehen, durchfuhr ihn ein heftiger Schmerz im linken Oberschenkel.

    „Bleibt liegen, Fremder!“, wies ihn sofort eine militärische Stimme an. „Schickt nach dem Hauptmann!“, brüllte es über ihn hinweg.

    Ein kurzer Blick auf seine aufklaffenden Beinkleider genügte, um dem angeforderten Hauptmann eine Priesterkutte des höchsten Ranges zu wünschen.

    Bis später, verabschiedete das Schwert ihn in die hereinbrechende Dunkelheit.

    ----------

    Der ihn empfangende Geruch ließ zunächst auf eine Mischung aus Kanalisation und Garnisonsküche schließen. Als nun Stimmengewirr sein Gehör flutete, zwang er mühsam ein Augenlid nach oben und wandte den Kopf ein wenig.

    Er schien einer von etwa einem Dutzend Verwundeten in einer Art Lazarettbaracke zu sein. Im trüben Schein einiger Kerzen sah er einige Heiler und ihre Gehilfen, welche zwischen den aufgereihten Pritschen standen und diskutierten. Als ihm die sonderbare Stille in seinen Gedanken bewusst wurde, sah er sich etwas genauer im Umkreis seiner Liegestätte um. Zu seiner Beruhigung erblickte er unter seiner neben der Pritsche drapierten Ausrüstung auch eine vertraute Kerzenspiegelung. Da die Schmerzen erfreulicherweise nachgelassen hatten, richtete er sich behutsam auf und betrachtete den dicken, stellenweise rotfleckigen Verband an seinem hochgelagerten Oberschenkel.

    Sofort eilte jemand herbei und drückte ihn bestimmt zurück auf die Pritsche. Der Held schloss erneut die Augen und wartete ab.

    „Ich werde es nicht dulden, dass ihr euch selbst ausbluten lasst“, erklang eine freundlich brummende Stimme über ihm. „Aber es ist gut, dass Ihr endlich wach seid. Ihr hattet Glück, dass Ihr nicht verblutet seid… wenn die Göttin es will, könnt Ihr das Bett in drei Tagen wieder verlassen.“

    „Chawww…“, wollte sich der Held bedanken und versuchte es noch einmal mit voller Konzentration. „Habt… Dank. Mein Schwert… bitte“, brachte er heraus und öffnete zur Bekräftigung seine Hand.

    Er konnte hören, wie der Mann kopfschüttelnd seufzte.

    „Halbtot und denkt bloß an seine Waffe, ts“, brummte er, wobei jedoch auch eine Spur wohlgesonnener Belustigung herauszuhören war. Einen Augenblick später spürte der Held das vertraute, schwere Metall auf seiner Brust und seine Hand schloss sich sachte darum.

    Das wird ja auch mal Zeit, Mann.

    Allerdings, pflichtete der Held kraftlos bei.

    Ein Moment der Stille schloss sich an.

    Oh… du warst aber auch schon mal besser in Form, stutzte die Stimme kurz. Der Säbel hat dich ja echt voll erwischt.

    Der Heiler meinte, das wird schon wieder, erklärte der Held.

    Seine Klinge hatte so einen vorzüglich eleganten Schwung, eine einmalige Waffe!

    He! Ich wäre fast draufgegangen!, beschwerte sich der Held matt. …Außerdem klingt das seltsam, wie du das sagst.

    Hach, er war ja sooo scharf, schwärmte die Stimme ungezügelt weiter. Aber das hast du ja selbst gemerkt.

    Der Held hüstelte eindringlich.

    Ein richtiger Feger… du erinnerst dich noch an die Bedeut-

    Ja, verdammt! Lass das jetzt!, verhinderte der Held weiteres Kopftheater.

    Zumindest hätte er es gern verhindert.

  • Heyho bigbadwolf

    Kurzer Zwischenstand... bin jetzt bei Teil 42 und nähere mich dieser Seite hier in gestrecktem Galopp. Was für ein Spaß!

    :lol::lol::lol:


    Heyho bigbadwolf

    So. Feddich. Bin angekommen.

    Ob das gut ist oder eher nicht hängt ganz davon ab, wann Du die nächste Episode zu Papier bringst.

    Aber ganz sicher dürfte sein: Es gibt hier gar keine schlechte.:thumbup:

    Weil...in jeder Folge habe ich Formulierungen gefunden, bei denen ich gar nicht weiß, wie man auf sowas kommt. Ich nehme mal diese (Teil 57):

    Der Morgen gebar glitzernden Nebeldunst, welcher durch den Frühlingswald und dem jungen Helden unter das Lederwams glitt.

    Das ist ganz hohe Kunst. Mehr fällt mir dazu nicht ein. Ausser zwei anderen Beispielen vielleicht (Teil 40 & 52)

    Tief unten strebte es ins Nirgendwo, wo es vermutlich von der Leere des Weltalls träumte.

    Das Schwert registrierte den spontanen Verfall seines Realitätssinns mit einigem Unbehagen, zumal das glitschige Ufer dem Unvorsichtigen zumindest ein feuchtes Erwachen versprach.

    Und ich liebe das Grundprinzip der "Wortgefechte": Von einander unabhängige Episoden, angesiedelt an den verschiedensten Orten und damit frei von der Verpflichtung, den einen Teil auf den anderen zu beziehen.

    Wobei ich mir vorstellen kann, daß es dadurch auch wieder schwierig werden könnte, die einzelnen Teile in eine Chronologie zu setzen. Und das wirst Du irgendwann müssen.


    Denn das Schwert, anfangs noch deutlich in der besseren Position (Teil 34)

    Da kneif mich doch einer ins Heft! Du brauchst ‘nen Grundkurs im Heldsein, ja?

    verliert (zumindest in einigen Teilen) deutlich an Boden - und das finde ich ziemlich gut. Hier zwei meiner Lieblinge diesbezüglich:

    „Oder es ist der Eingang zur Behausung eines gastunfreundlichen Sumpfbewohners… oder ein magisches Portal zu einer der unteren Existenzebenen“, entgegnete der Held, während er sich wieder aufrichtete.
    Au ja, das könnte sehr spannend werden! Kletter runter!, verlangte das Schwert begeistert.
    „Bin ich vielleicht kürzlich auf den Kopf gefallen?“
    Wieso? Kann mich zumindest nicht erinn –
    „Sarkasmus“, unterbrach der Held gereizt.

    (Teil 40)

    Bestimmt gehen ihnen bald die Steine aus, hoffte die Stimme.
    „Im Gebirge?!“

    (Teil 42)

    Da wird er so langsam seiner unablässig schwafelnden Klinge ebenbürtig - und da steckt viel Potential drin, finde ich.

    Ansonsten ist die ganze Idee einfach nur Rock'n Roll in seiner schönsten Form.

    :nummer1:

    Oh...und noch eine Sache:

    Wöllte ich keine Kritik, würde ich es nicht hochladen.

    "Wöllte".

    Wurde beim ersten Lesen sofort von mir abgespeichert. Ersetzt nämlich problemlos "Würde ich keine Kritik wollen/hätte ich keine Kritik gewollt etc. Eine enorme Ersparnis!:D:D:D


    Vielen Dank für's bisherige von dieser Seite des Monitors.:danke:

  • Ich lese gerade in den Abenteuern von Schwert und Held und je weiter ich komme, desto mehr Spass macht mir das. Im Zentrum stehen natürlich die stets verblüffenden Wortklaubereien und die vielen witzigen Formulierungen, aber ehrlich gesagt gefällt mir auch das Setting. Du bist da ja richtig einfallsreich. Alles was das Fantasyherz begehrt, kommt mal dran. Natürlich nie so wie erwartet. Der Drache hat mir gut gefallen, vor dem sie schliesslich davonschleichen, und auch der "Magier", der in so unappetitlicher Gestalt auftauchte. Der Wervampir!! Und jetzt ein Mittelaltermarkt. Guuut! Du bringst da viele hübsche Details, dir mir gefallen.

    Die bereichernden Einblicke in die Fischgehirne ... :rofl:

    Was wohl in denen so vor sich ging?

    Ich lese gleich weiter. Was hast du denn noch so alles in petto? Gibt es noch mehr Abenteuer mit richtigen Kämpfen? Vielleicht auch die eine oder andere Prinzessin zu befreien?

    DIe Dialoge sind einfach genial. Immer weiter so! :panik:

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince * No Way Out

  • Kirisha. Erstmal danke für die lieben Worte. Da ich nicht genau weiß, bei welcher Szene du aktuell bist, will ich natürlich nicht vorgreifen. Aber ja, ich halte mich an meine Zeilen aus dem Lexikoneintrag: Es kommen alle nur denkbaren Situationen vor... bzw. alle, die mir bislang eingefallen sind.:D

    Viel Spaß beim Weiterlesen.

  • 60

    Maaan, so macht das echt keinen Spaß! Die zerplatzen ja schon bei der leisesten Berührung, regte sich die magische Waffe auf.

    „Tja, du bist eben ein meisterliches Schwert.“

    Und du – halt, das war ein Komplim… ach, dir geht nur mein Genörgel auf den Geist, oder?

    …rette mich…, erklang die fremde Frauenstimme zum wiederholten Male im Kopf des Helden.

    „So langsam geht sie mir auch auf den Nerv“, gestand er, „zumal: Wenn sie ihre Stimme einfach so entsenden kann, ist sie bestimmt magisch bewandert und kommt ohnehin selbst klar… hm, was ist das denn jetzt schon wieder?“, starrte der Held.

    Sieht aus wie… eine Fee.

    „… in einem Glas?“, ergänzte der Held irritiert. „Diese Monster hinterlassen wirklich seltsame Dinge.“

    Ja, ich schwöre dir, dieses eine Herz war viel zu groß für so ein kleines Was-auch-immer… vielleicht sind diese Geschöpfe nur Illusionen?, mutmaßte das Schwert.

    „Seit wann hinterlassen Illusionen Herzen oder Edelsteine?“

    Stille. Grübelnd und irritiert.

    Diese ganze Gegend hier erleidet wahrscheinlich gerade eine Art magischen Anfall, schloss die Stimme.

    „Solange du nicht anfängst zu niesen, mache ich mir keine Sorgen“, entgegnete der Held und schlug sich durch ein dichtes Gebüsch. Mit seinem Fuß stieß er schmerzhaft gegen etwas Hartes, Rundes.

    „Schon wieder?! Welcher alberne Alchemist versteckt eigentlich Sprengstoff in Büschen?“

    „Denk mal an den komischen alten Knacker in der abgeschiedenen Hütte gestern, der dir diese »Bomben« andrehen wollte. Ein heißer Kandidat, befand die Stimme.

    „Ich würde so ein Ding ja schon gern mal ausprobieren –

    Au ja!

    „…aber nicht ohne Unterweisung.“

    Das Schwert zog eine mentale Schnute.

    „Ich frag mich sowieso, warum der Kerl kein Gold annehmen wollte. Sowas habe ich ja noch nie erlebt. Du etwa?“

    Sieh mal da hinten!

    In einigen Schritten Entfernung konnte der Held eine sich schräg nach unten öffnende Höhle erkennen. Da er nichts Bedrohliches wahrnahm, ging er die in den Stein gehauenen Stufen hinab, bis er in einer kleinen, erleuchteten Höhle stand, die vom Lichtschein zweier Fackeln erhellt wurde.

    Ich glaube, der Bomben-Opa hat einen Zwilling, raunte das Schwert, als der Held den alten Mann im Fackelschein erkannte.

    „Es ist gefährlich, allein zu gehen. Nimm dies!“, sagte der Mann und deutete auf ein Schwert vor ihm.

    So eine Frechheit!, begann die Stimme sofort zu zetern. Ob der auch was hinterlässt, wenn wir ihn kalt machen?

    Nicht lustig, mahnte der Held still. „Ich bin nicht allein“, sagte er zu dem alten Mann, „und ich besitze bereits –“

    „Es ist gefährlich, allein zu gehen. Nimm dies!“, sagte der Mann und deutete erneut auf das Schwert vor ihm.

    Ob der auch zerplatzt?, orakelte das Schwert böse.

    „Lebt wohl!“, rief der Held und verließ die Höhle mit stoischer Miene.

    Der hat getan, als ob ich gar nicht dagewesen wäre!, regte sich die Stimme auf.

    „Alte Leute sehen eben manchmal nicht mehr so gut“, meinte er und trat ins Freie.

    Stimmt, du kennst das ja.

    Gerade wollte der Held seine Waffe samt Scheide gegen den Höhleneingang donnern, als wie aus dem Nichts ein seltsamer Elf mit rotem Haar und grüner Mütze erschien. Der Held hielt inne, doch auch der Elf blinzelte nicht einmal.

    Er sieht so verschwommen und… und irgendwie… hm… »eckig« aus, lenkte das Schwert den Helden weiter ab.

    Vielleicht ein Tarnzauber?, dachte der Held nach.

    Plötzlich setzte sich der Elf mit einer Reihe motorischer Zuckungen in Bewegung. Alarmiert zog der Held nun doch das Schwert und wich zurück. Der eckige Elf verschwand jedoch schnurstracks im Höhleneingang, ohne ihn auch nur im Mindesten zu beachten. Der Held entspannte sich wieder.

    Er hatte bestimmt einfach keine Lust uns sein wahres Aussehen zu enthüllen… oder er ist total hässlich.

    „Ach was, der hat mich gar nicht für voll genommen… und klar sind Elfen maulfaul, aber optische Faulheit…?“, zweifelte er.

    Du gibst dir auch keine große Mühe mit deiner Optik, gab die Stimme zu bedenken.

    „Mein Charme wird von meinen vielen anderen Talenten genährt.“

    Meine Scham auch… AU!

    Während das Schwert noch schmerzerfüllt vom Aufprall keifte und vibrierte, suchte der Held schleunigst den kürzesten Weg aus dieser obskuren Gegend.