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Rhythmisch hallten die Schritte des Helden von den glatten Steinfliesen wider. Mindestens fünfhundert Kerzen, so schätzte er, erhellten die städtische Bibliothek, in welcher sich die bis zur Decke reichenden Bücherregale erschöpft an die hölzerne Wandvertäfelung lehnten. Während er noch den Bibliothekar suchte, bemerkte er die Anwesenheit seiner magischen Waffe in seinem Kopf.
„Beeindruckend, nicht wahr?“, fragte er leise, um die anderen Bibliotheksbesucher nicht zu irritieren.
Findest du? Ach ja, klar, sagte die Waffe, als hätte sie sich gerade an etwas erinnert. Das in den Regalen nennt man Bücher, erklärte sie ernst.
„Pah, mich überrascht es ja, dass DU weißt, was ein Buch ist“, entgegnete der Held gelassen.
Stille, wärmend und wohltuend.
Das Schwert räusperte sich irritiert.
Ähm…, setzte es an.
„Ja, bitte?“
Ähm… das hat mich jetzt doch etwas durcheinander gewirbelt… erinnert mich an damals, als wir uns getroffen haben.
Der Held erinnerte sich ebenfalls. „Du meinst wohl eher, als du mich getroffen hast!“, entgegnete er prompt.
Ja, das könnte man so sagen… was hattest du gerade, ähm…?, überlegte die Stimme angestrengt. Hey! –
„Ist es dir wieder eingefallen?“, fragte er grinsend.
Ja! Und ich weiß in der Tat, was ein Buch ist. Ich weiß eine ganze Menge.
„Hm“, sagte der Held geistesabwesend, denn er hatte endlich den Bibliothekar hinter einem kleinen, vollgepackten Tisch in einer Nische der weitläufigen Halle gefunden.
Dankenswerterweise hielt sich das Schwert zurück, während er die Bestellung und den Namen seines Auftraggebers an den Mann weitergab. Als dieser sich erhob, um das georderte Werk zu holen, staunte der Held nicht schlecht. Der Bibliothekar war gut einen Kopf größer und unter den schlichten Leinen zeichneten sich Muskeln ab, welche seinen in Nichts nachstanden.
Und da sagt man, »Hirn und Muskeln gehören nicht zusammen«, dachte der Held beeindruckt.
Kann ja nicht jeder so ein Musterbeispiel sein wie du, merkte das Schwert an.
Zur Strafe lüftete er seinen Umhang, musste jedoch feststellen, dass die Unmengen an Kerzen einfach zu viel Wärme erzeugten, um die Waffe zu ärgern. Missmutig verbarg er die Schwertscheide wieder, als auch schon das Buch samt Riese zurückkehrte. Dankend nahm er den Wälzer entgegen und wandte sich zum Gehen.
Und?, fragte die Stimme mit mäßigem Interesse.
Der Held wagte einen Blick auf den Einband und las: »Kannibale und Diebe«.
Klingt total interessant.
„Mein Auftraggeber hat sicher seine Gründe“, entgegnete der Held wenig überzeugt.
Der alte Knacker? Der weiß doch nur nicht, was er noch mit seiner Zeit anfangen soll.
„Na, vielleicht kann er mit diesem Text sein Wissen –“, der Held betrachtete nochmals den Titel des Buches, „… irgendetwas Sinnvolles wird da schon drinstehen!“, endete er und beschleunigte seine Schritte.
Ich sollte auch ein Buch schreiben!, sagte das Schwert plötzlich.
„Ich werde das ganz sicher bereuen, aber: WIESO solltest DU ein Buch schreiben?“, fragte er zweifelnd.
Ich weiß einen Haufen nützliche Dinge und die sollten bewahrt werden, entgegnete die Stimme überzeugt.
Der Held atmete schwer ein und aus, ehe er antwortete.
„Also erstens: Du wirst nie sterben und daher noch Generation um Generation… sagen wir belehren", konstatierte er, „und zweitens: Welche nützlichen Dinge denn und wer wöllte das schon lesen?“
Hey, ich weiß wirklich vieles!, entrüstete sich das Schwert. Wusstest du zum Beispiel, dass orkische Eingeweide von allen am wärmsten sind?
„Ähm…“, unterdrückte der Held ein Würgen.
Oder –
„Hab’s verstanden“, würgte er das Schwert schnell ab. „Bücher sind doch nur was für Gelehrte. Was sollen die denn mit deinen… speziellen Weisheiten anfangen?“
Ich finde, auch Gelehrte können immer noch etwas dazulernen… und ich könnte damit angehenden Abenteurern helfen.
„Aber Abenteurer sind keine Gelehrten…“
Offensichtlich!, spöttelte die Stimme.
„Jetzt hör auf, du Zwergenzweihänder!“, riss ihm der Geduldsfaden. „Ich meine, sie lesen keine Bücher, sie… na, sie erleben eben Abenteuer… und selbst, wenn sie ein Buch lesen würden, wie solltest du überhaupt –“
Abrupt hörte er auf zu sprechen. Er hoffte inständig, dass es noch nicht zu spät war und dachte angestrengt an seinen Auftrag, den Treffpunkt mit seinem Auftraggeber, Dämonen, Marder –
Genau, DU könntest mein Biograph sein!, jubelte das Schwert.