So, eigentlich bin ich kein Kurzgeschichten-Schreiber. Aber ich wollte mein Schreibprogramm auf dem Tablet testen. Bisher habe ich keinen passenden Titel gefunden
Ich nenne es mal Schreibübung, daher ist es auch ziemlich kurz
# 1
Die Stille senkte sich über die Personen wie dicker Nebel an einem feuchten Morgen. Keiner fasste den Mut, etwas zu sagen oder sich bemerkbar zu machen. Jeder starrte auf den Boden, sich bewusst machend, das die schlagende Sekunde die Letzte sein könnte.
Auch ich verhielt mich so. Mit zitternden Fingern drehte ich meinen Ehering im Uhrzeigersinn. Ich betete nicht. Gott würde mir nicht helfen. Weder mir, noch einem der anderen Anwesenden. Mein einziger Gedanke galt meiner Ehefrau und meinen beiden Töchtern. Die eine war erst vier. Wie sollte man einer Vierjährigen erklären, dass Papa nicht mehr wieder kommen würde?
Ich presste voller Trauer die Lippen aufeinander. Aus welchem Grund traf mich dieses Schicksal? Hatte ich die Welt denn so schlecht behandelt?
Schritte wurden lauter und einer der maskierten Räuber kam auf mich zu. Er trat mir in die Seite, sodass ich umfiel und auf dem Boden liegen blieb.
"Wo ist der scheiß Schlüssel?", schrie er mich an und drückte mir seine Waffe gegen die Schläfe. Ich hörte ein Klicken.
Kurz leckte ich mir über die Lippen, bevor ich antwortete:
"Ich habe ihn nicht, ich bin nur ein Bankangestellter"
Ich versuchte, so ruhig wie möglich zu klingen, doch mein Gewissen sagte mir, dass ich angstvoller klang als je in meinem ganzen Leben.
Die Pistole löste sich von meinem Kopf und ein Schuss ging in die Luft. Vor Panik verdeckte ich mein Gesicht mit den Händen.
Hinter mir begann ein Baby zu weinen und andere flehten um ihr Leben. Ein älterer Herr atmete schwer, seine Frau versuchte ihn zu beruhigen.
Mittlerweile war es fast drei. Seit nunmehr zwei Stunden hielten die Männer die Kunden sowie die Angestellten der Bank fest.
Ich zählte beim Überfall vier Bewaffnete. Einer der Maskierten war so schnell hinter meinen Schreibtisch gesprungen, dass ich gar keine Möglichkeit fand, den Alarmknopf zu betätigen. Er befand sich unter der Tischplatte, doch der Mann hatte mich einfach am Kragen gepackt und auf den Boden gezerrt. Er war stärker, als er eigentlich aussah. Nachdem die Räuber alle in den Empfangsraum zusammen getrieben hatten, waren zwei von ihnen zum Safe gegangen. Die anderen blieben bei uns. Sie zogen dann das Standartprogramm, das man von irgendwelchen Actionfilmen kannte. Sie hatten Handys eingesammelt und die Kindern von den Eltern getrennt. Gott Lob ließen sie das Baby bei der Mutter.
Ich riskierte einen Blick, als ich hörte, wie jemand die Tische durchwühlte.
Einer der mittlerweile drei Maskierten machte sich an unseren Arbeitsplätzen zu schaffen, der Vierte wartete wohl noch beim Safe. Er riss wahllos die Schubladen auf und holte den Inhalt mit einzelnen Handbewegungen aus den Schränken. Achtlos fielen die Akten und Papiere hinunter, wurden zerrissen und auf ihnen herum getrampelt.
Der Mann, der gerade noch die Arbeitspapiere fast völlig vernichtet hatte, drehte sich abrupt um und griff sich eines der Kinder. Einen Jungen von vielleicht elf Jahren. Neben mir schrie eine zierliche Frau auf. Sie wollte aufspringen, doch ihr Nebenmann hielt sie im letzten Moment fest. Der zweite Räuber kam auf sie zu und wollte mit seiner Faust ausholen, überlegte es sich dann aber anders, als die Frau sich wieder setzte.
Das Kind wimmerte unter dem Griff des Geiselnehmers, wehrte sich aber nicht.
"Du", herrschte er und zeigte mit der Waffe auf mich, "du verrätst uns sofort, wo der Schlüssel ist!"
Ich konnte ihn nur fassungslos anstarren.
"Oder", drohte er und hielt die Pistole nun gegen den Kopf des Jungen, "er stirbt und es wird deine Schuld sein."
Die Mutter fing an zu weinen und ich wurde vor Verzweiflung fast irre.
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und stand auf. Meine Hände auf Kopfhöhe erhoben machte ich einen Schritt auf den Bewaffneten zu.
"Stopp!!", zischte er und es erklang erneut das Klicken.
Ich blieb nicht stehen. Irgendetwas sagte mir, dass nichts passieren würde. Obwohl alles in mir schrie mit dem Wahnsinn aufzuhören, ging ich weiter auf ihn zu.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie seine beiden Kumpanen sich ebenfalls bewegten und mich auch ins Visier nahmen.
"Wenn du nicht sofort stehen bleibst, dann erschießen wir euch beide!"
Ich wusste, das er log. Wieso ich plötzlich glaubte, gute Menschenkenntnisse zu besitzen, war sogar mir ein Rätsel. Vielleicht war er ja ein guter Mensch und würde nicht schießen.
Entgegen meiner Erwartung schwenkte er mit seiner Waffe herum und richtete sie auf mich.
Er drückte den Abzug.
Ich schloss die Augen.
Doch dann erklang ein monotoner schriller Ton, der in gleichen Abständen immer wieder von vorne begann.
Ich kam zu mir. Schweiß gebadet und schwer atmend, schlug ich auf den Knopf des Weckers, der dann sofort Ruhe gab.
Einige Minuten saß ich noch so im Bett, meine Frau lag neben mir, noch im Halbschlaf.
Ich fühlte mich, als hätte ich nie geschlafen. Meine Hände zitterten und mein Kopf dröhnte schon bei der kleinsten Drehung.
Ich beschloss, heute nicht zur Arbeit zu gehen.
Der Arzt stellte bei mir einen grippalen Infekt fest und ich lag fast den ganzen Tag auf unserem Sofa.
Meinen Traum hatte ich schon in den ersten Stunden wieder vergessen. Doch so sollte es nicht bleiben.
Als meine Frau mit den Kindern vom Einkaufen zurück kam, lief sie direkt zu mir.
"Gott sei Dank warst du heute nicht auf Arbeit", meinte sie nur, drückte mir die Nachmittagsausgabe der städtischen Zeitung in die Hand und ging mit den Einkaufstüten in die Küche.
Auf der Titelseite des ersten Blattes stand fett gedruckt:
"Überfall auf die National Bank mit zwei Toten"
Die beiden Kinder spielten neben mir, doch ich konnte mich auf nichts mehr konzentrieren.
Immer wieder kamen die Bilder der vergangenen Nacht in mir hoch. Ich dachte, es wäre nur ein Zufall gewesen. Dem war leider nicht so.
Ich hatte in der Zukunft noch drei solcher Träume, bis ich beim Psychologen vorstellig wurde. Dieser sagte irgendetwas von einer unheilbaren krankhaften Störung, doch was genau es war, konnte auch er mir nicht mitteilen.
Meiner Frau erzählte ich davon erst Jahre später, als wir bereits fünf Enkelkinder hatten.
Bis zu meinem Ruhestand arbeitete ich als Quereinsteiger bei der Polizei und verhinderte hunderte von Straftaten.
Aber niemals mehr konnte ich eine Nacht ruhig schlafen.