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Mir ist grad n Shortie übern Weg gelaufen. Und da ich ein nettes Mensch bin, hab ich ihn aufgehoben, etwas poliert und stelle ihn nun hier ins Regal. Vielleicht füllt sich das Brett ja mit weiteren Knapp-und-bündig-Geschichtelchen... Wir schaun mal: <- Cory schaut!
Kaffeemaschine
Es piepte. Er schaute das Gerät an. Streng. Hoffnungsvoll. Drohend.
Es piepte noch einmal. Und dann, als er bereits den Schraubendreher gehoben hatte, um das Gerät nochmal zu öffnen, begann ein liebliches Vogelgezwitscher. Ein sanfter Duft von Lavendel stieg auf und das Gerät nahm mit einem fast unhörbaren Glucksen seine Arbeit auf. Na bitte! Wer sagts denn!
Er hob den Telefonhörer ab, er liebte dieses alte verstaubt aussehende Ding. Die Nummer zu wählen war zwar umständlich mit der virtuellen Wählscheibe, aber Nostalgie hatte nun mal ihren Preis. "Hallo, Tante Loelia!" sagte er betont freundlich in die Sprechmuschel, nachdem ein verknarztes "Jaaa?" erklungen war.
Er spürte förmlich, wie es in seinem Gegenüber arbeitete, wie die Sortiermaschine in Tante Loelias Kopf versuchte, die Stimme zuzuordnen: "Robbo? Bist Du das, mein Junge?" "Ja, Tante Loelia! Wie geht es Dir denn?" Robbo wußte, dass er mit dieser Frage ein durchaus längeren Monolg startete, aber es war wichtig, Tante Loelia bei Laune zu halten... Was die alte Dame allerdings hervorplapperte, ließ seine eigene Laune schlagartig in den Keller sacken: "Ja, Robbo, mein Junge! Das ist so schön, dass Du anrufst! Weißt Du wer grade hier war? Der Karro! Ja... den hab ich so lange nicht gesehen...!"
In einer ziemlich dunklen Ecke seiner Vorahnungen glomm ein kleines bösartig grinsendes Lichtlein auf. "Der Karro hat mir eine Kaffeemaschine mitgebracht! Die hat er selber gebaut, sagt er! Stell Dir das vor, mein Junge! Der Karro! Ich dachte immer, der wird nix, aber jetzt ist der so nett! Hat wohl gehört, dass mein Apparat kaputtgegangen ist...!"
Nun, wer in der Familie hatte das wohl nicht gehört. Tante Loelia hatte ja jedem, und zwar mehrfach, erzählt, dass das Ding übern Jordan gegangen war. Er hätte wissen müssen, dass Karro versuchen würde, sich bei Tante Loelia einzuschleimen...
"Das freut mich aber ganz toll für Dich, Tante Loelia! Der Karro ist schon ne echte Granate, was?" quetschte er mühsam freundlich hervor.
"Oh, ja! Und weißt Du, was das Tollste ist? Es duftet nach frischen Brötchen, während es arbeitet! Das macht mir gleich Appetit!"
Gut, es gab fast nichts auf der Welt, was bei Tante Loelia nicht den Appetit weckte, selbst Der Duft von Ackerkrume ("Oh, das riecht nach Kartoffelernte... was haltet ihr von Kartoffelpüree mit Bratwurst?") und Pferdäpfeln ("Pferdewurst hat ja auch was für sich!") lenkten ihre Gedanken in diese Richtung. Aber gegen Frische Brötchen konnte der popelige Lavendelduft seiner Maschine nicht mithalten...
Trotzdem versuchte er sein Glück: "Weißt Du, Tante Loelia, ich hatte genau den gleichen Gedanken! Ich hab Dir auch einen Kaffeeautomaten gebaut. Meiner riecht allerdings nach Lavendel...!" "Lavendel...?" Der Tonfall war eindeutig. Minuspunkt für Robbo.
Trotzdem: "Erinnerst du Dich noch an Dein kleinen Spatzi, Tante Loelia?".
Die alte Dame am andren Ende schwieg, verwirrt ob des vermeintlich drastischen Themenwechsels. "Und erinnerst Du Dich, dass wir im Sommer noch sein fröhliches Gezwitscher aufgenommen haben, damit er mit sich selber im Duett singen kann?"
"Ach, der Spatzi!" Tante Loelia seufzte vernehmlich. Der kleine Kanarienvogel war erst kürzlichst verstorben...
"Nun, ich dachte, Tante Loelia, Du würdest Dich vielleicht freuen, wenn Du ihn wieder hören könntest. Ich hab die Aufnahme in das Gerät eingebaut!"
"Du hast... was? Oh, Robbo! Das ist ja soooo lieb von Dir mein Junge! Du hast echt ein Herz aus Gold!" Er hörte die alte Dame gerührt schluchzen.
"Ach, Tantchen, das tu ich doch gern für Dich!" Punkt für Robbo!
"Was soll denn das kosten, mein Junge?" fragte Tante Loelia vorsichtig. Jetzt! Mein Auftritt! "Aber Tantchen! Gar nichts natürlich! Ich will Dir das Teil schenken! Weil ich Dich liebhab...!" Und weil ich Deine freundliche Fürsprache bei zukünftigen Kunden benötige. Dein Lobgesang ist mehr wert als so ein kleines Maschinchen...!
"Oh Du Herzensguter! Du Goldstück, mein Junge! Weißt Du, dass der Karro mir 50 Mücken für seinen Apparat abgeknöpft hat? Fünfzig? Ist das nicht zuviel?" Satz und Sieg für Robbo! Eindeutig! Er grinste. Jetzt nur nichts mehr versauen: "Nein, Tante Loelia, dass ist schon ein gerechter Preis! Der Karro zieht Dich doch nicht übern Tisch! Mag er sein, wie er will, aber in der Familie ist er ne ehrliche Haut..." Robbo log das blaue vom Himmel herunter. Er wußte, dass sein altes Tantchen sehr viel von Familie und Ehre hielt. Und dass sie nach der durchaus nachvollziehbaren Annahme lebte, dass so, wie man mit ihr über andere sprach, man auch mit anderen über sie sprach...
"Wann darf ich Dir denn die Maschine vorbeibringen, liebes Tantchen?" Robbo zog bereits die Jacke über. Und wirklich: "Nun, wenn Du gleich kommst, können wir noch zusammen frühstücken... Ich hab ja Karros Kaffeemaschine bereits angeworfen gehabt... und bringst Du frische Brötchen mit? Ich hab da grad so Appetit drauf..."