Es gibt 66 Antworten in diesem Thema, welches 22.919 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (3. November 2018 um 15:21) ist von Tariq.

  • Hab wieder eine neue Kurzgeschichte für euch.

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    Das Kostbarste

    Ein junger Mann sitzt auf dem dicken untersten Ast eines Baumes, der weit über das Ufer des Flusses auf das Wasser hinausragt, und angelt.
    Träge fließt das Wasser vor seinen Augen vorbei, gibt ab und zu ein leises Murmeln von sich, bildet kleine Strudel, um sie gleich darauf sanft gurgelnd wieder aufzulösen. Blätter treiben langsam heran, wippen schaukelnd auf winzigen Wellen. Ab und zu kommt ein Zweig geschwommen, oder - so wie vorhin - ein Entenpaar, das sich mit verschlafenem Schnattern von der kaum spürbaren Strömung treiben lässt.
    Der Morgen ist kühl und die Niederung, in der der Fluss seine große Schleife zieht, gehört noch gänzlich dem Nebel. Er hat sie am Abend eingenommen, als die Schatten immer länger wurden und die Sonne ihre Strahlen lediglich noch in einer letzten zärtlichen Liebkosung über die höchsten Baumwipfel streicheln lassen konnte. Und nur widerwillig wird er sie nun in ein, zwei Stunden wieder freigeben müssen, wenn die ewige Rivalin sich über die hohen Fichten des Waldes auf der Ostseite der Flussaue hinaufgearbeitet hat und mit ihren hell leuchtenden Fingern gierig nach ihm greift. Dann ist seine Zeit um, er muss sich geschlagen geben. Und so schnell, wie er abends das Terrain erobert, so schnell muss er nun morgens den wärmenden Strahlen des Himmelsgestirns weichen und sich von ihnen aufzehren lassen.
    Dem Jüngling ist es egal, welche Kämpfe Nebel und Sonne um ihn herum austragen. Eben wendet er ruckartig den Kopf, als links von ihm ein Fisch aus dem Wasser springt und mit einem leisen Platsch! wieder zurück ins kühle Nass fällt. Missmutig runzelt er die Stirn, denn seiner Meinung nach gehört der sorglose Flussbewohner an das völlig bewegungslos treibende Ende seiner Angelschnur, anstatt sich hier so quicklebendig im Wasser zu tummeln. Das Schnattern der beiden Enten flussabwärts klingt, als würden sie ihn auslachen, weil er so griesgrämig auf die verzerrten, ehemals kreisförmigen Wellen starrt, die der Fisch hinterlassen hat. Ihm entfährt ein verärgertes Zischen.
    Vorsichtig ruckt er an seiner Angel und lässt den Köder tanzen. Manchmal kann er einen dunklen Schatten um ihn herumhuschen sehen, wenn er zwischen seinen ausgetretenen Schuhen hindurch aufmerksam nach unten späht. Doch keiner beißt an.
    Ein Glitzern lässt ihn den Kopf heben. Der erste Sonnenstrahl hat es geschafft und seinen Weg durch den Wald hindurch gefunden, um sich mit stolzem Glänzen auf dem Fluss niederzulassen. Der Nebel gibt dem Strahlenfinger eine Gestalt, so dass er wie ein Balken aus Licht aussieht.

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • Wie dreist Fische aber auch sein können! :D

    Ein sehr Atmosphärischer Text! Man hat sofort Bilder im Kopf.
    Dieser Anfang gefällt mir sehr gut, leider ist es viel Beschreibung auf wenig Inhalt. Man weiß ja noch garnichts über den Jungen und fühlt sich eher wie die Enten, die einfach am Geschehen vorbeiziehen, anstatt dran teilzuhaben. Aber das liegt einfach an der Kürze des Textes.
    Ich weiß ja nicht, wie es weitergeht, aber ein Paragraph mehr, hätte dem Einstieg bestimmt gut getan.
    Also, ran an die Tastatur :p

    Genesis: Sie ist Azathoth, das amorphe Chaos in der zentralen Leere
    Josh: Meine Prophetin!

  • @Aztiluth

    Klugschiet


    Der Paragraph oder Paragraf (lateinisch paragraphus, von griechisch παράγραφος parágraphos „das Danebengeschriebene“) dient zur Einteilung in aufzählendem Schrifttum, wie bei Gesetzen, Verträgen oder Lehrbüchern.

    (Hervorhebung von mir)

    Ich glaub, ein bißchen mehr TEXT würde dem Text besser tun als ein hinzugefügter Paragraph... :D [/klugschiet off]


    @Tariq
    Ich habe immer ein bissel Startschwierigkeiten bei Texten, die in Gegenwart geschrieben sind. Aber Deine hübsche kleine (?) Beschreibung des Umfeldes läßt mich das ganz fix unwichtig werden. Ich bin sehr gespannt, ob die Enten noch was zu "lachen" kriegen...

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • @Cory Thain @Aztiluth

    Ja, :gutenmorgen: euch beiden an diesem herrlichen :sun: -Samstag!!
    Ihr seid ja beide schon voll im (Lese-)Stoff, wow. :D
    Ich dank euch für das nette Feedback. Eigentlich war das Textteil bis jetzt nur ein Gedankensplitter. Ich wollte nur mal sehen, ob das kleine Stückchen überhaupt vermag, Interesse zu wecken.
    Ja, und da ich das nun weiß, werde ich selbstverständlich weiterschreiben. Hab nächste Woche Urlaub und hoffe, dass da was zu Papier ... äh.. Datei kommt.
    Leider hat mein neuer Laptop beschlossen, mir den Dienst zu verweigern.

    Von daher - seid geduldig bitte!!
    LG Tariq

    So, Laptop einpacken und ab ins Auto. Hallo, Elektronik-Fachmarkt mit den beiden großen "M"! Ich bin gleich wieder bei euch!! Ich bin doch nicht blöd!

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • Na dann: Gute Verrichtung...

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

    • Offizieller Beitrag

    Dieser Anfang gefällt mir sehr gut, leider ist es viel Beschreibung auf wenig Inhalt. Man weiß ja noch garnichts über den Jungen

    Ja, genau so geht es mir auch. Der Angler hat für mich momentan die gleiche Wichtigkeit wie die Blätter im Fluss.


    Ich wollte nur mal sehen, ob das kleine Stückchen überhaupt vermag, Interesse zu wecken.

    Ich sag mal so, ich weiß natürlich wie das mit "Gedankensplittern" so ist. Dennoch hätte ich mir ein bisschen mehr Text gewünscht. Vom Text her, hat es mich nur semi gecatched. Natürlich werde ich dennoch weiterlesen, da ich weiß, wer der Autor ist und mit deiner letzten Kurzgeschichte hast du, was das angeht, einen starken Vertrauensvorschuss.

    Warte also gespannt auf den nächsten Part^^

  • @Tariq Pure Atmosphäre, ein mit Worten gezeichnetes, teilimpressionistisches Gemälde. Als Einleitung in ein gefühlt weltumspannendes Werk sicher angemessen, für die angekündigte Kurzgeschichte jedoch mMn etwas zu viel des Guten. Ein Gemälde enthält zudem keine Bewegung und insofern erscheint mir auch dieser Anfang etwas handlungslos.

    Es gefällt mir, aber nun solltest du Fahrt aufnehmen, sonst gerät der Text eventuell zum Stillleben. ^^

  • So, weiter geht's. ^^
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    Seufzend legt der junge Mann, der den Namen Matthes trägt, den Kopf in den Nacken und schließt die Augen.
    Er hasst sein Leben. Alles das, was sein Dasein ausmacht. Die ärmliche Hütte unten am Waldrand und die karge Kost. Er hasst seinen Vater, weil der letztes Jahr gestorben ist und seinem einzigen Sohn seine Arbeit hinterlassen hat. Diese Knochenarbeit als Fährmann hier am Fluss, die ihm das Letzte abverlangt, obwohl er ungewöhnlich kräftig für sein Alter ist.
    Er hasst sogar diese Sonntagmorgen, an denen er es sich erlauben kann, während des Angelns ein wenig seinen Gedanken nachzuhängen. Zu träumen von einem sorglosen Leben, bei dem man nicht jeden Groschen zweimal umdrehen muss, jede Hose und jedes Hemd zu tragen hat, bis es auseinanderfällt und im Winter jeden Abend frierend an einem viel zu kleinen Feuer kauert, weil man nicht genug Holz hat.
    Matthes weigert sich zu glauben, dass das alles ist. Er will mehr. Aber seine Chancen, diesem Leben zu entfliehen, stehen relativ schlecht. Er lebt bei seiner Mutter und die ist sehr krank. Sie allein zu lassen wäre undenkbar für ihn. Und deswegen hasst er auch sie, weil sie der Grund ist, der ihn an das kleine Haus hier im Tal fesselt. Auch wenn sie nichts dafürkann. Doch er kann einfach nicht aus seiner Haut.
    Deshalb träumt er. In jeder freien Minute. Und manchmal auch während des kräftezehrenden Fährvorgangs. Er träumt von viel Geld. Am liebsten wäre ihm so viel, dass er nie wieder arbeiten muss. Und von einem Haus, einem richtig massiven, großen Haus in der Stadt mit einem eingezäunten Garten, einer Kutsche, mit Dienern, die ihm und seiner Frau jeden Wunsch von den Augen ablesen. Ach ja, die Frau, die wünscht er sich selbstverständlich auch.
    Ein leises Lächeln spielt um seine Lippen, als er an Ingrid denkt. Das dunkelhaarige Mädchen aus dem Dorf mit den großen braunen Augen hat ihm kürzlich schüchtern gestanden, dass es gern mit ihm zusammen ist. Und auch er mag es, einfach neben ihr zu sitzen und mit ihr zusammen zuzusehen, wie die Sonne hinter den Wäldern am Westufer des Flusses versinkt. Manchmal kann er nicht verstehen, dass ein solches Mädchen seine Gesellschaft schätzt. Er weiß, dass er oft sehr barsch und kurz angebunden ist wegen seiner Unzufriedenheit. Meist tut es ihm hinterher gleich leid. Doch Ingrid lässt sich davon nicht stören. Sie kommt immer wieder mal kurz vorbei. Auch seine Mutter besucht sie dabei jedes Mal und Matthes weiß, dass diese das Mädchen mag.
    Während er also an den Stamm zurückgelehnt so träumt von einem Leben, das er nie haben wird, hört er plötzlich eine Stimme sagen: „Du kannst es haben, dieses Leben.“
    Verwundert hebt Matthes den Kopf und beugt sich ein wenig zur Seite. Am Stamm des Baumes vorbeispähend entdeckt er einen Mann, der auf dem schmalen Trampelpfad am Ufer steht, direkt neben seinem Brotsack und dem Fischeimer. Er sieht zu ihm herüber und nickt ihm zu.
    „Was sagtet Ihr?“
    „Ich sagte, du kannst es haben, dieses Leben“, wiederholt der Mann und wendet den Blick nicht von ihm.
    Matthes klemmt seine Angel in einer Astgabel fest und klettert über den überhängenden Ast zurück auf festen Boden.
    „Wer seid Ihr?“, fragt er misstrauisch, während er die Uferböschung erklimmt und dabei sein Gegenüber von oben bis unten mustert.
    „Wer ich bin, tut nichts zur Sache. Ich grüße dich, Matthes.“
    Der intensive Blick des Fremden verschafft dem jungen Mann gelindes Unbehagen.
    „Ähm, ich grüße Euch auch.“ Ihm ist seine Unhöflichkeit bewusst, aber er beschließt erst einmal abzuwarten, was der Kerl von ihm will. „Was meintet Ihr mit ‚du kannst es haben‘?“, brummt er missmutig, denn er hat keine Lust auf Ratespielchen.
    „Setzen wir uns doch“, schlägt der Mann vor, anstatt ihm zu antworten und lässt sich auch schon im Gras neben dem Weg nieder. Auffordernd deutet er auf die Stelle zu seiner Rechten.
    Zögernd und mehr als verwundert über den seltsamen Fremden und sein Verhalten setzt sich Matthes ebenfalls.
    Der unverhoffte Gast lächelt nun und die Verwirrung des Jungen wird nur noch größer.
    „Lass uns über dein Leben reden“, sagt er ernst.

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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    • Offizieller Beitrag

    Du hast es irgendwie mit Leuten die sich von hinten anschleichen oder?^^
    Egal, der Mann hat mein Interesse geweckt.
    Es hat also doch bloß ein bisschen Text gefehlt. Bin gespannt wie es weiter geht.

  • @Etiam sonst wärs doch nicht spannend. Von Vorne kann jeder...

    @Tariq : Ich wußte, es lohnt sich, auf die Fortsetzung zu warten... (das ist jetzt die Stelle für das freundschaftliche Gegen - :stick: )

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • Er hasst sein Leben.

    Das kam tatsächlich überraschend 8|
    Soe friedlich, wie du die Szene davor beschrieben hattest, haut das Wort "Hass" einem doch sehr raus. Was aber sehr gut ist, super unerwartet und weckt eben auch Interesse. Warum hasst er dieses friedliche Leben? Doch nicht nur, weil die Fische nicht anbeißen? xD Du erklärst das sehr gut, man kann sofort mitfühlen.

    Am liebsten wäre ihm so viel, dass er nie wieder arbeiten muss.

    Soll er ein Bild vom Fluss malen. (Just Kidding, bitte steinigt mich nicht :D )

    Du weißt wirklich, wie du Atmosphäre und Spannung erzeugst. Wie möchte der Mann ihm helfen? bzw was will er ihm sagen? Woher kennt er ihn? Wird es ein Happy End geben?
    Ich könnte noch dutzende Fragen stellen.

    So sollten Kurzgeschichten sein :D

    Genesis: Sie ist Azathoth, das amorphe Chaos in der zentralen Leere
    Josh: Meine Prophetin!

  • Hallo @Tariq :)
    Ich habe hier auch mal rein gelesen und wie eigentlich immer, gefallen mir deine Beschreibung wieder sehr gut. Bisher kann ich noch gar nicht sagen, wohin du uns führst... Daher, abwarten und Tee trinken :tee:

    Aber ich bin auf jeden Fall dabei :thumbup:

  • Spoiler anzeigen


    @Etiam, @Cory Thain, @Aztiluth, @LadyK - :danke: für die lieben Worte!!

    Eti, jetzt, wo du das sagst ... 8| Ist mir gar nicht aufgefallen... Darf ich's trotzdem lassen?? :/
    Cory, aber bitte nich so dolle piksen.
    Aztiluth, das stimmt natürlich, der Hass ist krass (hui, ein Reim?). Aber ich hab ja nirgends geschrieben, dass der Angler ebenso friedlich ist wie die Landschaft um ihn herum. ^^
    LadyK, schön dich an Bord zu haben! Mach's dir bequem. ^^

    So, es geht weiter.
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    „Lass uns über dein Leben reden“, sagt er. „Du hast nicht zufällig etwas zu essen für mich?“
    Fast mechanisch weist Matthes auf seinen Brotsack, der bei ihren Füßen liegt.
    Neugierig späht der andere hinein und holt den Brotkanten heraus, nimmt ihn in beide Hände und sieht den jungen Mann fragend an.
    Der nickt, wiederum fast mechanisch, während er zusieht, wie nach einem aufrichtigen Dankeschön die kräftigen Hände des Mannes ein Stück abbrechen.
    „Also, dein Leben“, meint dieser nun kauend, nachdem er sich einen Bissen in den Mund geschoben hat. „Du willst es ändern, nicht wahr?“
    Erst ist Matthes versucht erstaunt nachzufragen, woher er das weiß, doch dann lässt er es.
    „Wer will das nicht?“, ist seine mürrische Gegenfrage.
    „Und du weißt nur nicht, wie.“ Eine Feststellung, keine Frage. Der Mann wird immer seltsamer.
    „Es geht sowieso nicht.“ Der junge Mann spürt schon wieder diesen Zorn in sich auf die Dinge, die ihn hier festhalten. Seine Arbeit, die Hütte, Mutter ...
    „Selbstverständlich geht es“, entgegnet sein Gast seelenruhig. „Du musst nur wissen, wie du es anstellst.“
    Jetzt wird Matthes hellhörig. Das klingt ja fast, als wüsste der Kerl eine Möglichkeit.
    „Und was genau muss ich dafür tun?“
    Einen Augenblick schweigt der Mann, schaut einem träge dahintreibenden Ast auf dem Fluss zu und kaut weiter.
    Dann, als er den letzten Bissen in den Mund geschoben hat, wendet er sich herum und sitzt Matthes nun gegenüber.
    „Ich kenne deine Wünsche“, erklärt er und irgendwie wirkt er plötzlich verändert, ernster, ein wenig tadelnd klingt die Stimme. „Ich war selbst einmal jung. Du willst sorglos leben, genug Geld haben, nie mehr arbeiten, ein großes Haus, Diener, eine Frau.“
    „Was ist schlecht daran!“, stößt Matthes hervor. Tief in sich drin verspürt er einen Schrecken, wie gut sein Gegenüber ihn kennt, doch er lässt es sich nicht anmerken.
    Der Mann zieht eine Augenbraue hoch.
    „Nichts“, antwortet er lediglich. „Gar nichts. Und ich sage, du kannst es haben. Schau her.“
    Seine linke Hand deutet auf eine Stelle im Ufergras, die eben noch völlig leer war. Nun steht dort eine wuchtige hölzerne Truhe mit eisernen Beschlägen und zwei großen Schlössern an der Vorderseite. An den Seiten sind metallene Tragegriffe angebracht, obwohl sie so groß ist, dass Matthes starke Zweifel hat, dass zwei Männer sie heben können.
    Sein Blick wandert verblüfft zwischen dem Zauberer - denn das muss er sein, wenn er so etwas bewirken kann - und der Truhe hin und her.
    „Schau hinein“, fordert ihn der Mann auf. Es klackt vernehmlich und die beiden Schlösser springen auf.
    Langsam erhebt sich der Junge. Ständig damit rechnend, dass sich das hölzerne Monstrum vor seine Augen in Luft auflösen könnte und er hinter sich das amüsierte Lachen des Fremden hören würde.
    Doch das passiert nicht. Als er vor der Truhe steht, die so hoch ist, dass sie ihm über die Hüften reicht, streicht er fast andächtig mit der schwieligen Hand über den Deckel. Oh, er ahnt schon, was darin ist. Das ist eine Schatztruhe. Das muss einfach eine sein.
    Als er jetzt versucht den Deckel zu öffnen, muss er sich mit beiden Armen fest von unten dagegenstemmen, so schwer ist der. Und als er ihn langsam nach hinten kippen lässt und dabei einen Blick auf das Innere der Truhe wirft, muss er geblendet die Augen schließen. Die Sonne, die sich just in diesem Moment über die Baumkronen erhebt, lässt ihr Licht auf den Inhalt fallen und tausende Goldmünzen leuchten gleißend hell auf.
    Bis zum Rand ist die Truhe gefüllt.
    „Was zum ... das ... wie ...“, stammelt Matthes völlig überwältigt.
    „Sie ist dein“, meint der Magier und es klingt so selbstverständlich, als hätte er eben verkündet, dass Sonntag ist.
    Ungläubig reißt der Junge die Augen auf.
    „Mein?“, japst er verblüfft. „Wie komme ich dazu?“
    Der Zauberer lacht leise.
    „Nun, ganz so einfach, wie du denkst, ist es natürlich nicht“, schränkt er jetzt ein und Matthes erkennt, dass sein Misstrauen berechtigt gewesen ist. Seine Schultern sinken herab und seine Hände, die er eben noch in dem goldglänzenden Berg vergraben wollte, greifen nun stattdessen nach dem schweren Deckel, um ihn langsam zu schließen, wobei er keinen Blick von den Münzen wendet.
    „Die Sache hat natürlich einen Haken“, brummt er, verärgert, dass er sich so hat hinreißen und blenden lassen.
    „Stimmt, das hat sie“, pflichtet der Zauberer ihm bei. „Aber es stimmt auch, dass sie dir gehört, wenn ...“, und hier beugt er sich ein wenig vor und schaut Matthes prüfend in die Augen, „wenn du meine Aufgabe erfüllt hast.“

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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  • @Tariq Guten Morgen!!
    Einen schönen Teil hast du da hingeschmettert, bei dem natürlich einige Fragen offen bleiben. Was ist das für eine Aufgabe und wer ist der Unbekannte eigentlich? Und kann der Mann diese Aufgabe erfüllen?
    Denn warte ich mal weiter gespannt :)

    Spoiler anzeigen


    Ein bisschen erinnert mich deine Geschichte an das Märchen vom Fischer und seiner Frau. Als Kind war das eines meiner Lieblingsmärchen :D

    LG

  • Erst ist Matthes versucht erstaunt nachzufragen, woher er das weiß, doch dann lässt er es.


    ... ist jetzt der einzige Krümel, den ich gefunden habe. Ansonsten textlich sehr gut! :thumbup:

    Inhaltlich hoffe ich auf eine (tariq-sche) Wendung, die mir den Atem verschlägt. Noch ist es aber ein ... ich nenns mal Märchen, wie es so viele gibt: Ein unzufriedener junger Mann bekommt einen Schatz versprochen, wenn er nur...

    Es liest sich flüssig, ist schön umschrieben und formuliert... nun warte ich auf den Twist, den Hockerreißer...

    || Sorry... :|

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • ... nun warte ich auf den Twist, den Hockerreißer...

    Hm, mir fällt da spontan ein:

    Der Magier wedelt mit den Fingern und ZACK, Matthes hat ein Kleid an: Laufe so durchs Dorf und gackere, so laut Du kannst, wie ein Huhn. Mache das den ganzen Tag und Du ... - ach, nein. das ist es nicht.
    Wieder wedelt der Magier mit den Fingern und Matthes ist völlig nackt.
    Jetzt aber! Laufe so durch das Dorf, gackere wie ein Huhn und ... - oh, nein, das ist es auch nicht. Beinahe, aber etwas fehlt!
    Erneut wedeln die Finger des Magiers und Matthes sieht auf einmal die Welt aus einem viel tieferen Blickwinkel. Zudem hat er das dringende Bedürfnis ein Ei zu legen.
    Ja, lacht der Magier, Nun ist es perfekt! Ab mit Dir ins Dorf. Oh, ich vergaß, ich versprach dem jungen Köhler dasselbe, wie Dir, wenn er mir zum Frühstück frisches Hühnchen serviert ...

    Ok, ok, ist etwas albern, aber gib's zu Cory, DAS hast Du nicht erwartet?
    Und die Moral von der Geschicht?
    Was fragst Du mich?
    :whistling:
    Es ist Tariqs Kurzgeschichte!

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    • Offizieller Beitrag

    Erst ist Matthes versucht erstaunt nachfragen,

    Dieser Satz at mein Gehir gesprengt... Entweder ich check ihn nicht oder irgendwas stimmt da nicht.

    Ansonsten, finde ich gefallen an den "Zauberer". Mal schauen welchen Plan er verfolgt.

    Klingt auf jeden Fall irgendwie nach Teufelsjargon... "Hier, ich mach dein Leben besser. Du musst nur etwas für mich erledigen... Deal?"

  • Zitat von Etiam

    Klingt auf jeden Fall irgendwie nach Teufelsjargon... "Hier, ich mach dein Leben besser. Du musst nur etwas für mich erledigen... Deal?"

    :rofl: eine Hand wäscht die andere, sozusagen :D

  • Ein riesengroßes :danke: euch allen, dass ihr gelesen habt, Kommis dagelassen habt und euch Gedanken macht, wie das Ganze wohl weitergehen könnte!!!

    @Cory Thain

    Spoiler anzeigen

    Den "Krümel", der Etiams Gehirn gesprengt hat, hab ich verbessert. Danke ^^
    Stimmt, es hat was Märchenhaftes, ist aber nicht so, wie erwartet. Eben Tariq'sch. Also die Wendung jetzt. Rukas "Fliegenklatsche" :rofl:

    @Tom Stark

    Spoiler anzeigen

    Viele interessante Vorschläge, aber - nein, tut mir leid. Mir schwebt was anderes vor. Allerdings legt jetzt die Mitteilung, dass du Moral in der Geschicht erwartest, die Anspruchs-Latte ganz schön hoch... :/

    @Etiam

    Spoiler anzeigen

    Tut mir aufrichtig leid um dein gesprengtes Hirn. Echt jetzt. Aber du hast schon richtig gesehen, da stimmt was nicht. Es muss nachzufragen heißen. Von daher - alles gut.
    Was den zauberer angeht, der ist sogar in meinen Augen noch etwas suspekt. Ich kann ihn schwer einschätzen. Mal sehen, wie er sich macht. :rofl:

    @LadyK

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    Ja, hingeschmettert trifft es hier voll. Da steckt wirklich nicht viel Überlegung drin und erst recht kein intensives Plotten. Von daher bin ich wohl selbst noch ein bisschen gespannt, was daraus wird. Wie gesagt - sie ist noch nicht fertig. Aber wie der Fischer und seine Frau soll sie eigentlich nicht werden. Hm, da muss ich aufpassen, dass ich Ähnlichkeiten vermeide.

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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