- Offizieller Beitrag
Wir testen heute.
Kein Kontext, keine Erklärung, nur der Text Ich freue mich auf eure Theorien, Fragen etc
Die Wahrheit
Sanfte Wellen umspülten den aufgeblähten Kadaver. Umringt von den neugierigen Bewohnern des Fischerdorfes lag der gigantische Leib im Sand. Niemand traute sich, näher an das unbekannte Wesen heranzutreten, und nur das Plätschern des Wassers war zu hören, als sich Feron endlich überwinden konnte, das Schweigen zu durchbrechen.
„Was ist das?“, fragte er verunsichert und sah sich um. Ratlose Gesichter blickten ihn an oder starrten auf das angeschwemmte Etwas. Formlos und stinkend lag es dort und nur bei genauem Hinsehen ließen sich im Fackelschein ein massiver Kopf und die Überreste von Flossen erahnen. Der Körper war übersäht mit dunkelroten Blasen und schwarze Würmer hatten sich in den augenscheinlichen Kopf gefressen.
„Ein Wal!“, vermutete eine Dorfbewohnerin.
„Blödsinn!“, widersprach Khoris vehement und fuhr sich durch das ergraute Haar. „Das ist der Verschlinger! Bei Abalon, der Verschlinger ist zurückgekehrt!“
Skeptisch betrachtete Feron das Wesen, das ein mythisches Monster sein sollte. „Es ist tot!“, wies er auf das Offensichtliche hin. Er konnte sich nicht vorstellen, dass eine tote Kreatur das Ende bringen würde.
„Was immer es ist, es ist krank!“, rief Borra und unterbrach die Diskussion. Die alte Frau stieß aufgeregt ihren Gehstock auf einen Stein im Sand. „Lasst die Finger davon! Wir haben bereits genügend Unheil und Seuchen im Dorf!“
„Sie hat recht!“, stimmte Feron zu, auch wenn sein Wort im Dorf nicht viel Gewicht hatte. „Die einen verschwinden von einem Tag auf den anderen spurlos und wer bleibt, der stirbt an der Seuche!“
Khoris lachte abfällig. „Die Verschwundenen verlassen eben das Dorf, bevor sie sich die Seele aus dem Leib würgen!“ Wütend verschränkte er die Arme vor der Brust. „Wir sollten alle verschwinden! Der Verschlinger ist nur ein weiteres Zeichen, dass unser Dorf verdammt ist!“ Er musterte Feron mit zusammengekniffenen Augen. „Selbst wenn er tot ist!“
„Die Raben lassen niemanden aus dem Dorf!“, widersprach Ferons Schwester Dahla. In der Tat bewachten die in schwarze Rüstungen gekleideten Krieger jeden Zugang zum Fischerdorf. An den Klippen gelegen, war es ein leichtes, die wenigen Pfade abzuriegeln. „Niemand kann es verlassen! Weder wir, noch die Verschwundenen!“
„Vermutlich haben diese schwarzäugigen Bastarde sie getötet, weil sie gehen wollten!“, schrie Khoris sie an.
„Dann ist es ja eine grandiose Idee, das Dorf zu verlassen!“, kam Feron seiner Schwester zu Hilfe und fragte sich, ob Khoris sich des Widerspruchs in seinen Worten bewusst war.
„Wir haben Boote, wir könnten ...“ Khoris Ansprache wurde vom Klackern eines Gehstocks auf Stein unterbrochen.
„Ein Streit hilft uns nicht weiter!“, bestimmte Borra. „Die See hat das Wesen gebracht und die See wird es wieder mit sich nehmen! So war es schon immer!“
Feron fragte sich, wie oft die Alte so etwas schon miterlebt hatte, und blickte in die Runde.
„Ich sage euch, das ist ein böses Omen!“, murrte Khoris und erwiderte Ferons Blick. „Verbrennt es zumindest!“ Seine stechend blauen Augen unterstrichen seine Überzeugung. Dann drehte sich der erfahrene Seemann um und verließ den Ort des Geschehens. Sein fast hüftlanger Zopf schwang im Takt seiner schnellen Schritte.
Feron atmete durch und sah seine Schwester an, die nervös die Zähne zusammenbiss. „S... Sollten wir es verbrennen?“, fragte er zögerlich. Ganz unbegründet fand er Khoris‘ Einwand nicht.
„Die See hat es gebracht“, wiederholte Borra bestimmt und kniff die faltigen Augen zusammen. „Die See wir es wieder mit sich nehmen!“ Offenbar hatte sie alte Frau keine Lust auf eine Diskussion, denn sie stieß erneut den Stock auf den Boden. „Geht jetzt nach Hause. Es ist ohnehin schon dunkel und die Flut kommt. Wahrscheinlich ist dieses ... Ding morgen schon gar nicht mehr hier. Kümmert euch um eure Kranken und seht zu, dass ihr nicht verschwindet!“
„Oder euch die Raben holen ...“, murmelte Dahla, wandte sich dann aber, wie die anderen Dorfbewohner, vom angeschwemmten Ungetüm ab.
Die Diskussionen über die Herkunft des Wesens brachen nicht ab, als die Leute in ihre Hütten zurückkehrten.
Auch Feron und Dahla betraten ihr Zuhause. Einfach eingerichtet bot die kleine Holzhütte dennoch alles, was sie zum Leben benötigten. Einfache Schlafstätten für die ganze Familie, ein Herd, sowie ein Esstisch fanden sich darin. Ebenso ein schlichter Schrank und einige unordentlich zusammengefaltete Fischernetze, die auf eine Reparatur warteten.
Traurig musterte Feron das Bett seiner Eltern. Seinen Vater hatte der schwarze Wind vor kurzem von den Qualen der Seuche erlöst und für seine Mutter konnte der Weg auch nicht mehr weit sein. Apathisch lag sie auf der Strohmatratze und starrte an die Decke, der Körper von schwarzen Beulen und offenen Wunden übersäht. Sie hatte nur noch wenige Tage. Er schluckte und wandte den Blick ab. Doch das leere Bett seiner anderen Schwester machte es nicht besser. Temia war zwar – vermutlich – nicht der Seuche erlegen, doch war sie eine der Vermissten. Tatsächlich war sie die Erste gewesen, die spurlos aus dem Dorf verschwunden war. Nach einem Strandspaziergang mit ihrem neugeborenen Sohn war sie einfach nicht zurückgekehrt.
„Sie ist bestimmt mit dem Vater des Kindes in die Stadt gezogen“, flüsterte Dahla und nahm seine Hand. Sie wusste immer, was er dachte.
Skeptisch nickte Feron. „Bestimmt.“ Temia hatte ihnen nie verraten, wer der Vater ihres Sohnes war, und so hatten sich schnell Gerüchte verbreitet, sie wäre die Gespielin eines Adeligen aus der Hauptstadt.
Ein plötzliches Husten überkam ihn und unterbrach seine Gedanken. Schnell wandte er sich ab, hob er die Hand vor den Mund und ignorierte den Schmerz in seiner Brust.
„Alles in Ordnung?“, fragte Dahla besorgt.
„Ja, ich habe mich nur verschluckt“, krächzte er und starrte seine blutige Hand an. Schnell wischte er das Blut an seiner Tunika ab und fuhr sich über den Mund. „Mir geht es gut“, log er. Er verdrängte den Gedanken daran, dass seine Eltern und all die anderen Kranken ebenfalls zuerst Blut gehustet hatten. Sicherlich war es nur ein Zufall gewesen. Feron wandte sich wieder zu Dahla um, die nervös mit ihren braunen Haaren spielte. „Wir sollten schlafen“, schlug er vor. „Morgen wird ein anstrengender Tag.“ Der Haufen Netze flickte sich schließlich nicht von alleine und wer wusste schon, ob sie das Ding am Strand nicht doch entfernen mussten. Er setzte sich auf sein Bett und hoffte, dass dieses nicht auch bald leer stehen würde.
Nickend stimmte Dahla zu, seufzte und tat es ihm gleich. „Gute Nacht“, flüsterte sie hörbar betrübt.
„Gute Nacht“, erwiderte er, zog seine Kleidung aus und legte sich hin.
Möge Seluna über uns wachen.
Sein Schlaf war unruhig. Er bekam das Bild des angeschwemmten Wesens nicht aus dem Kopf. Tausende Stimmen schienen ihn zu rufen, ihm zu sagen, was er zu tun hatte. Es verbrennen. Es zurück ins Meer ziehen. Ihm ein Opfer darbringen.
Seine Sicht verschwamm, als er die Kreatur ansah und sein Kopf schmerzte. Rasch wandte er den Blick ab und hielt sich die Ohren zu.
Komm zu mir! Ich bin die Rettung!
Schweißgebadet schreckte er aus seinem Traum hoch und musste husten. Seine Brust brannte und seine Hände wurden feucht vom Blut, das er auswarf.
Ich bin die Rettung!
Ihm war, als klangen die Stimmen aus seinem Traum noch nach. Als der Hustenanfall vorüber war, schluckte er schwer und setzte sich auf. Er brauchte frische Luft. Noch einmal hustete er kurz, ehe er kurz zu Dahla sah. Sie schlief tief und fest. Beruhigt, sie nicht geweckt zu haben, stand er auf und zog sich an. Vorsichtig kontrollierte er, ob seine Mutter noch atmete. Nur schwach, konnte er den Luftzug an ihren Lippen spüren – aber er war noch da. Leise atmete er durch und verließ die Hütte.
Feron sog die kühle Luft in seine Brust und spürte, wie sie ihm guttat. Die Nacht war klar und der zerbrochene Mond stand voll am Himmel über dem Dorf, die beiden Hälften von einem zackigen Riss getrennt. In der Ferne erkannte er die Klippen, die steil im Meer aufragten und bei Ebbe zu Fuß zu erreichen waren.
Komm zu mir!
Erschrocken sah er sich um. Niemand war zu sehen. Aber er war sich sicher, den Ruf gehört zu haben.
Ich bin die Rettung!
„Wer ist da?“, rief er in die Nacht, bekam jedoch nur das Plätschern der Wellen als Antwort. Konnte es sein ... Nein, das war unmöglich. Er hatte das Wesen gesehen, es war tot! Verwest und aufgedunsen! Niemals konnte diese Kreatur ihn zu sich rufen!
Komm zu mir!
Und doch ... tat sie es. Er schluckte. Was sollte er tun? Zum Strand gehen? Zurück ins Bett? Was, wenn das Wesen wirklich die Rettung war und kein schlechtes Omen? Was, wenn es der Schlüssel war, die Seuche zu besiegen? Vielleicht hatte er noch eine Chance! Zögerlich stapfte er die Strecke zur Fundstelle.
Kaum dort angekommen, erkannte er den ergrauten Zopf von Khoris im Licht des Vollmonds.
Reglos stand dieser vor dem stinkenden Fleischberg, der weit größer war als der Seemann. Die roten Blasen auf der fahlen Haut des Ungetüms schienen im Mondlicht zu pulsieren.
„K... Khoris?“, fragte Feron vorsichtig. „Was tust du hier?“
„Siehst du es nicht?“, entgegnete Khoris. „Es ist die Rettung!“ Ohne sich umzudrehen wurde er energischer. „Siehst du es nicht?!“
„Nein, ich ... ich sehe nichts“, gab Feron zu und blieb kurz hinter Khoris stehen. Er lugte über seine Schulter, doch erkannte nichts, was anders war, als bei zuvor. „Ich dachte es wäre ein schlechtes Omen?“ Immerhin war Khoris sehr vehement in seiner Einschätzung gewesen.
„Nein“, widersprach er. „Ich habe mich getäuscht! Es ist die Rettung! Ich kann es ganz klar sehen! Siehst du es nicht?“
„Nein!“ Was sah der alte Mann in dem verwesenden Etwas?
„Dann öffne deine Augen!“, schrie Khoris plötzlich und fuhr herum. Mit einem wahnsinnigen Grinsen starrte er Feron an.
Doch anstatt in seine blauen Augen, blickte Feron nur in zwei blutige Höhlen. „Was bei allen ...“, stieß er aus und machte erschrocken einen Schritt zurück.
„Öffne deine Augen!“, brüllte Khoris und hob seine blutigen Hände. Zwischen seinen Fingern quollen die Reste seiner Augäpfel hervor. Ruckartig machte er einen Satz nach vorn und riss Feron um.
Der Aufprall trieb ihm die Luft aus der Brust und verlangte ihm ein heftiges Husten ab. Dennoch versuchte er, Khoris von sich fernzuhalten, der seinen Kopf packte und gewaltsam auf den Boden presste. Schwindel und Panik überkam ihn.
„Öffne deine Augen, Feron!“, keifte Khoris und grub seine Nägel tief in seine Wange. „Öffne sie! Und sieh die Wahrheit! Die Rettung!“ Seine Finger bahnten sich ihren Weg über Ferons Gesicht und suchten seine Augen.
Verzweifelt versuchte der junge Mann, die Hände seines Kontrahenten festzuhalten. Plötzlich durchfuhr ein brennender Schmerz sein rechtes Auge, dicht gefolgt von einem Stechen, als hätte jemand eine Nadel in seine Iris gedrückt. Er schrie, spürte das Blut über sein Gesicht laufen und schlug wild um sich.
„Öffne deine Augen!“, brüllte Khoris in sein Ohr.
Feron spürte etwas Hartes an seinen Fingern und umklammerte es. Gerade, als auch sein linkes Auge zu brennen begann, riss er mit aller Kraft daran und schlug es gegen Khoris‘ Schläfe.
Begleitet von einem widerlichen Knacken ließ der Seemann von ihm ab und kippte zur Seite.
Sofort rollte sich Feron auf seinen Angreifer und prügelte den Stein erneut auf dessen Kopf. Blind vor Schmerz und Panik drosch er brüllend auf den alten Seemann ein, bis er nur noch den durchweichten Sand spürte, wo zuvor ein Schädel gewesen war. Erst dann ließ er den Stein fallen und hielt sich wimmernd die Hände vors Gesicht. Er spürte das Blut, das aus seinem rechten Auge auf seine Hand floss, das Brennen des linken Auges und wagte es nicht, die Lider zu öffnen.
Eine ganze Weile saß er so da, ehe er die Hände sinken ließ. Er zitterte am ganzen Leib und ließ sich zur Seite fallen. Auf dem Rücken liegend zwang er sich, die Augen zu öffnen. Vereinzelte Lichtpunkte drangen verschwommen durch den Schleier aus Tränen und Blut.
Ich sehe!
Mit bebenden Fingern untersuchte er sein Gesicht und würgte, als er merkte, dass von seinem rechten Auge nicht viel übrig war. Wütend und verzweifelt schrie er Flüche in die Nacht und schlug die Fäuste in den Sand.
Es dauerte eine Weile, bis er sich soweit beruhigt hatte, dass er einen klaren Gedanken fassen konnte und sich aufrappelte. Durch die bebenden Finger vor seinem Gesicht konnte er die Überreste von Khoris erahnen, die in dunkel verfärbtem Sand lagen. Er war nicht blind. Sein linkes Auge könnte heilen! Zumindest konnte er dann noch arbeiten und seinen Lebensunterhalt verdienen. Ein Auge war genug! Es kam öfter vor, dass einer der Fischer eines verlor, sei es durch eine Krankheit oder eine Verletzung. Es war nicht unmöglich nur ...
Komm zu mir!
Wie versteinert hielt er inne. Die gleiche Stimme wie zuvor sprach zu ihm, doch ... so viel klarer! So viel deutlicher! Und sie kam ohne Zweifel von dem Wesen am Strand.
Sieh mich an!
Er schluckte und ließ die Hände sinken. „Ich kann nicht“, flüsterte er. „Mein Auge ...“
Ist geöffnet!
Zitternd atmete er ein und drehte sich um.
Hämmernde Kopfschmerzen gingen mit dem Anblick der Kreatur einher. Tausende Schreie kreischten in seinem Geist und er erkannte flackernd die Wahrheit. „Nein ...“, hauchte er. „Nein, das kann nicht sein!“
Ich bin die Rettung! Komm zu mir!
„Nein!“, schrie Feron und wandte sich hastig ab. Entgegen aller Stimmen, die ihm sagten, der Wahrheit in die Augen zu sehen, rannte er. Er rannte über den Strand, fiel hin, rappelte sich auf. Er hielt sich die Ohren zu, taumelte weiter durch den Sand, ignorierte die Stimmen, das Brennen seiner Augen, seiner Brust; das Blut, das ihm übers Gesicht lief.
Erst als der Husten ihn übermannte, blieb er stehen und stützte sich an der Felswand neben sich ab. Röchelnd spuckte er Blut. Schwer atmend lehnte er sich an und ließ sich an der Klippe nach unten rutschen. Er rieb sich die Schläfen und zwang sich, einen klaren Gedanken zu fassen. Er war an den Klippen, also war die Flut gekommen und wieder gegangen. Nur dieses ... Ding war noch da. Er konnte, er wollte sich nicht vorstellen, was Khoris gänzlich ohne Augen gesehen hatte. Wie sollte er das den anderen erklären? Niemals würden sie ihm glauben, was geschehen war, was er gesehen hatte! Nein, er musste ihnen die Augen öffnen, sie mussten es selbst sehen!
„Blödsinn!“, rief er gegen seine Gedanken und die noch immer leise flüsternden Stimmen an. Er musste es sich eingebildet haben! Er war scher verwundet, hatte viel Blut verloren, es musste eine Fantasie gewesen sein! Mehrmals atmete Feron tief durch, was ihm erneut ein Husten abrang, und blickte dann über den Strand. Zu seiner Erleichterung hatte sich sein verbliebenes Auge bereits beruhigt und zeigte wieder klare Bilder. Der Stein hatte Khoris‘ Tun offenbar rechtzeitig unterbunden.
Noch immer lag das angeschwemmte Etwas dort – die selbsternannte Rettung. Doch der Wahnsinn war verschwunden. Es war einfach nur ein totes Wesen, angeschwemmt von den Wellen.
„Das kann doch alles nicht wahr sein!“, murmelte er und zwang sich, aufzustehen. Er musste zurück ins Dorf. Wenn die Flut wieder kam, durfte er nicht mehr hier sein, wenn er nicht auf die offene See gespült werden wollte. Zudem war Dahla noch dort und er musste sie wegbringen. Egal, ob er sich die Wahrheit eingebildet hatte, oder ob es Wirklichkeit war.
Mit der Hand an der Wand gestützt, schlurfte er durch den feuchten Sand. Sein Husten wurde schlimmer und bereits nach wenigen Schritten musste er eine Pause machen. Immer stärker lehnte er sich an den Fels und ließ diesen sein Gewicht tragen.
Plötzlich verschwand die Unterstützung des Gesteins und er fiel einfach hindurch, als hätte jemand ein Seidentuch über einen Höhleneingang gelegt.
Hart prallte er auf den Boden auf. Erneut stand er stöhnend auf und blickte in einen dunklen Gang, der sich in einem perfekten Kreis in den Fels grub. Nur ein fahles rotes Leuchten am Ende des Tunnels zeigte, dass dort etwas war. Wollte er es wissen?
Noch während er darüber nachdachte, machte er den ersten Schritt auf das Licht zu. Was sollte ihn dort schon erwarten? Schlimmer als das Wesen konnte es nicht werden. Vorsichtig schob er sich um die Ecke und sah eine kugelförmige Höhle von einigen Metern Durchmesser vor sich. Das rote Licht stammte von einem kleinen Ball rot leuchtender Energie, das am höchsten Punkt der Höhle schwebte. Unheimliche Schatten tanzten an der Wand, aber sonst war kaum etwas zu sehen. Nur einige dunkle Schemen lagen am Boden. Erst auf den zweiten Blick erkannte er sie als menschliche Körper. Tote menschliche Körper. Fehlende und seltsam deformierte Gliedmaßen, aufgeschlitzte Leiber und freiliegende Innereien trieben ihm die Übelkeit den Hals hinauf. Konnten das die Verschwundenen sein? War seine Schwester hier? Auf einmal gesellte sich der Gestank nach Tod und Verfall dazu und ließ ihn erneut würgend husten. Schleimige Fäden aus Blut und Speichel zogen sich von seinem Mund zu seinen Fingern. „Bei den Göttern“, keuchte er.
„Dein Geist ist ihm entkommen“, krächzte die Stimme eines Mannes hinter ihm.
Erschrocken fuhr er herum und starrte in rot leuchtende Augen, die ihn zwischen blonden Haarsträhnen fixierten.
Kaum einen Schritt von ihm entfernt stand der Fremde und grinste. Über seinen Schultern zeigten sich schmale Gebilde, als hätte er sich Äste auf den Rücken gebunden. Zur Tarnung?
Ferons Blick wanderte zu den Blutfäden und -tropfen, die unvermittelt begannen, durch die Luft zu schweben. Er hustete erneut und kaum hatte das Blut seinen Weg in seinen Mund gefunden, wurde es schon förmlich herausgesogen. Schnell wurde aus den Tropfen ein stetiger Strom, der von seinen Lippen, aus seinem Inneren, in die ausgestreckte Hand des blassen Mannes wanderte. Er konnte sich nicht bewegen, nicht dagegen wehren und er spürte, wie sein Geist entschwand. Panik wollte sich in ihm ausbreiten, doch er war bereits zu schwach. Noch einmal vernahm er die Stimme des Fremden.
„Aber dein Blut ... gehört mir!“