Schnipsel. Kurzgeschichten aus Arymea.

Es gibt 20 Antworten in diesem Thema, welches 6.947 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (1. März 2019 um 11:58) ist von Aztiluth.

  • Hallo Forum!
    Auch mal wieder von mir etwas geschriebenes.
    Es sind 24.000 zeichen, also sehr viel.

    Edit: Ich habe lange hin und her übrelegt, wie ich den Text angenehmer zum lesen machen. Ich bin kuzr davor, den Text einfach wieder rauszunehmen. Er ist tatsächlich zu lang, um "mal eben" gelesen zu werden :hmm:
    Da ich das Löschen von Texten aber absolut nicht mag, pack ich ihn nun in einen Spoiler und kümmer mich darum, etwas angenehmeres zu schreiben XD

    Deen =Hauptfigur
    Aanthon, Yvari, Gerth = Deen´s Gefährte
    Lazael = Deen´s Meister
    Reesha= alte Freundin von Deen
    Kold = Deen hasst ihn.
    Jariel = Große Liebe von Deen. Ist zZ mit Kold zusammen.

    Die Entscheidung.

    Spoiler anzeigen

    Die letzten Sonnenstrahlen schienen durch die dunkeln Vorhänge der Kutsche als sie den Wald, nach einigen Stunden, verließen. Altaia lag einsam im Nordwesten des Landes, weit weg von anderen Dörfern oder Städten. Was ziemlich seltsam war, in Betracht dessen, dass dort die größten und wichtigsten Ärztehäuser standen und die besten Ärzte des Landes somit am weitesten von den Hauptstädten entfernt lebten. Früher hatte Deen gedacht, es läge nur an den warmen Quellen in der Nähe, nun wusste er es aber besser.
    Die Legenden und Geschichte über die göttlichen Schwestern waren wahr. Und ihre Macht war umso größer, je weiter sie sich über den Meeresspiegel befanden. Oder näher am Himmel, je nachdem, wie man es sagen wollte. Altaia lag weit darüber und die Schlussfolgerung, dass die Göttin Aebskura hier um einiges mächtiger war, als in seiner Heimat, gefiel Deen so gar nicht. Wie auch? Lautete die heutige Mission, Mondgläubige in die Mangel zu nehmen.

    Er wunderte sich, dass die Straße hinter dem Wald ebenso holprig verlief wie in diesem. Es dauerte noch eine halbe Stunde, ehe er und seine drei Gefährten nicht mehr durch Unebenheiten durchgeschüttelt wurden und nochmal so lange, bis die ersten Schilder für Altaia auftauchten.

    Aanthon schob den Vorhang etwas zur Seite. "Bald sind wir da."
    Yvari streckte sich und Gerth steckte die Karten weg, mit denen er sich einen Großteil der Fahrt beschäftigt hatte.

    Die drei waren Deen ziemlich egal. Wenn es nur nach ihm ginge, würde er sich nicht mal die Namen merken, aber Meister Lazael hatte ihn zum Gruppenführer gemacht und somit war er jetzt verantwortlich für sie. Keiner der vier freute sich über die Entscheidung, aber sie hatten sich auch nicht getraut, diese anzufechten. Und jetzt hatte er den Salat. Sie waren fast da und er musste Befehle erteilen. Zum Glück war der Auftrag ziemlich simpel gehalten: Rein, den Frauen Angst machen, Feuer legen und wieder raus. Es war kein Mordkommando, aber wer meinte Heldin zu spielen durfte durchaus das Zeitliche segnen.

    Deen seufzte innerlich. Reesha war dort und es war durchaus möglich, dass sie sich widersetzte und Ärger machte. Sie kannten sich jetzt schon einige Jahre. Sie war eine liebe, starke Person. Dummerweise hatte sie sich, wie alle Anderen aus dem Widerstand, für ein falsches Versprechen des Friedens entschieden und anstatt weiterhin für das Wohl Arkyas zu kämpfen, beugte sie sich Kolds Herrschaft und predigte neuerdings für Aebskura. Nicht, dass sie in der Predigt lügen würde.
    Deen wusste, dass die alten Schriften und Legenden voller Lügen waren. Er hatte auch kein Problem damit, dass der königliche Name wieder reingewaschen war und sie nun eine andere Gottheit anbeteten. Er war kein religiöser Fanatiker, wie Andere im Orden. Er hatte einfach ein Problem mit Kold.

    "Deen?" Sein Name riss ihn aus seinen Gedanken. Yvari sah ihn an und auch die anderen Beiden richteten ihre Blicke auf ihren Anführer. Dieser atmete tief ein. Verdammt, Meister Lazael. Warum ich? Und warum bei diesem Auftrag?
    Sein Herz schlug schneller und der Druck in seiner Brust wurde größer. Es war nur ein Feuer. Nur etwas Angst einjagen. Reesha würde bestimmt nichts passieren.

    "Wo genau sind wir?" Seine Stimme war erstaunlich fest. Er hob den Kopf etwas und setzte sich gerade hin. Aanthon zog den Vorhang wieder etwas weg, linste raus.
    "Schon in der Stadt."
    Deen nickte. "Zieht eure Kutten an, wir machen alles nach Plan. Jeder nimmt sich zwei Krüge mit Öl. Yvari und Gerth, ihr steigt hinten in der Küche ein und verteilt das Öl im ersten Stockwerk. Passt auf, dass euch keiner bemerkt. Kein Öl zum Ausgang hin, denkt daran, wir sind heute nicht zum töten hier. Schüttet lieber etwas mehr in der Küche aus, von dort gelangt man zu schnell zur Wasserpumpe." Sie setzten darauf, dass die Abendruhe die Zeit verzögerte, in der die Feuerwehr zum Gebäude kam, aber wenn sie es ihnen noch schwerer machen konnten, umso besser. Meister Lazael hatte deutlich gemacht, dass nur noch Asche übrig bleiben sollte.

    "Aanthon, du gehst durch den Vordereingang, die Treppe hoch und kümmerst dich um die erste Etage. Ich werde über die Mauer und den Baum direkt ins Dachgeschoss einsteigen. Wir beide entleeren die Krüge und legen sofort das Feuer. Dann treffen wir uns unten. Ihr alle wartet vor der Doppeltür zum Besprechungsraum auf mich." Letzteres betonte er deutlich und hielt kurz inne. "Sobald ich das Handzeichen gebe, tretet ihr beide die Tür ein." Deen zeigte auf die zwei Jungs." Schubst euch durch, zerstört das Mobiliar. Macht ihnen Angst. Yvari und ich verhindern, dass Jemand raus läuft."
    "Und was, wenn sie es versuchen?", fragte diese. "Ich bin nicht so stark, dass ich sie einfach wieder rein schubsen könnte."
    Deen sah sie an. "Du bist ein pfiffiges Mädchen. Nimm die Rückseite deines Dolches oder wedel mit der Fackel. Wenn du meinst, du packst das nicht kannst du auch in der Kutsche warten. Aber sagt mir das dann jetzt."
    Yvari lehnte sich zurück, schnaufte und zog an der goldenen Schnur der Kutte. Sie war mit der Antwort nicht zufrieden, erwiderte aber nichts. Deen sprach weiter.

    "Sobald die erste Panik abgeklungen ist, sagt Aanthon seinen Text. Denkt daran, die Etagen über uns brennen dann schon, es muss schnell gehen. Dann entzünden wir das Öl im Erdgeschoss und laufen durch die nächste Nebenstraße zurück zur Kutsche. Sonst noch Fragen?"

    Besagte Kutsche hielt kurz darauf an und wartete dass die vier Insassen sie verließen. Da keine weiteren Fragen folgten, zog sich Deen auch die Kapuze über den Kopf, nahm seine Armbrust und öffnete die Tür.

    Draußen nieselte es. Es war nicht genug, um es als Regen zu bezeichnen und es würde dem Feuer keinen Abbruch tun. Der Kutscher wartete noch, bis sie die Krüge raus geholt hatten, dann spornte er die Pferde an, weiterzulaufen und bog in die kleine Nebenstraße ein, die sie später auch benutzen würden. Es wehte kein Wind, worüber Deen froh war. Das Feuer sollte groß werden, er wollte aber nicht, dass die ganze Stadt abbrannte. Nicht so, wie Kold es damals getan hatte. Der Gedanke kam gerade richtig, um etwas von der Anspannung zu lösen, die sich in ihm immer mehr ausbreitete. Aber er hatte keine Zeit, sich dem Frust über Kold hinzugeben. Aanthon und die Anderen liefen schon los, also beeilte sich Deen ihnen die paar Schritte zu folgen, ehe er sich die Krüge mit dem Seil über die Schulter legte und auf die Mauer kletterte.

    Sie war nicht sonderlich hoch und er kam ohne Probleme hoch. Die Äste vom Baum waren durch den leichten Regen nass, da musste er etwas mehr aufpassen. Als er sich gerade zum zweiten mal hochzog, sah er wie Yvari und Gerth geduckt im Hinterhof liefen. Er musste sich beeilen. Noch ein bisschen höher, dann balancierte er bis zum Dach. Es waren nur zwei Schritte aber er dankte den Göttern, dass er nicht ausgerutscht war.

    Wie heuchlerisch, dachte er sich, während er das Fenster öffnete und einstieg. An Illumy habe ich nie geglaubt. Und selbst wenn, sie ist jetzt eingesperrt und Aebskura ist frei. Und gegen genau diese agiere ich gerade. Welcher Gottheit galt also sein Dank? Er schob die Gedanken beiseite. Dafür war jetzt nicht die Zeit.

    Das Öl glänzte im Licht des aufkommenden Mondes, als er es über einem Schreibtisch, ein paar Schränke und auf dem Boden verteilte. Außerdem warf er alle Blätter die er fand auf den Boden. Deen lief zur Tür, zündete die kleine Fackel an und legte sie ins Öl, welches sich sofort entzündete und sich im ganzen Raum verteilte. Er wich zurück. Heiß!

    Nun tickte die Uhr. Schnell rannte er die Treppe runter, zur brennenden ersten Etage. Aanthon war also auch schon fertig. Rasch eilte Deen weiter. Im Erdgeschoss wischte er sich den Schweiß unter der Kapuze weg. Die drei Gefährten warteten vor der Doppeltür. Während er zu ihnen lief, gab er schon das Zeichen und die Männer traten die Tür ein.

    Hinter dieser hörte man jetzt ein paar aufgeschreckte Schreie und Stühle, die über dem Boden kratzten. Gerth schrie ein paar ältere Damen an. Aanthon warf den Tisch, samt Teeservice, um. Es schepperte, während sich Deen und Yvari in die Tür stellten. Keine der Frauen versuchte abzuhauen, sondern liefen, halb im Schock, zum anderen Ende des Raumes. Ein Stuhl flog gegen die Wand, gefolgt von angsterfüllten Schreien der Frauen. Gerth lachte.

    "Was soll das?!"

    Deen erkannte die Stimme. Es war Reeshas. Sie stellte sich vor ein paar der älteren Damen, zusammen mit zwei Männern und einer weiteren Frau. Warum waren hier Männer? Laut Informanten sollten hier heute nur Frauen sein. Aber es war im Grunde auch egal. Das Haus brannte schon vor sich hin, daran konnte auch Manneskraft nichts mehr ändern. Deen nahm trotzdem seine Armbrust vom Rücken. Sicher war sicher und es war auch seine Aufgabe, die drei Gefährten hier lebendig rauszubekommen. Diese taten es im gleich und zückten ihre Waffen.

    "Wir stellen hier die Fragen!", fauchte Aanthon und stellte sich auf einen umgeworfenen Sessel. Deen beobachtete Reesha, während Aanthon mit Worten wie "Verrat am Licht", "Alte, dumme Weiber" und "Lektion erteilen" um sich warf. Nicht Originell, aber darum ging es heute auch nicht. Allerdings stimmte die Aussage über die "alten Weiber" nicht. Reesha war gerade mal 24 und auch viele der Anderen sahen jünger aus, als erwartet. Nicht, dass es einen Unterschied machte.

    Deens Kehle schnürte sich wieder zu und der Druck in der Brust stieg an. Er blinzelte, überrascht über seine eigene Reaktion. Warum fühlte er sich nur so mies dabei? Er war noch nicht lange im Orden, aber er kämpfte schon seit Jahren gegen Kold. Schon bevor alles aus dem Ruder gelaufen war, wehrte er sich gegen ihn. Deen hatte nie jemanden verletzt - Außer Kold selbst. Er, Reesha und die anderen des Widerstands kamen immer wieder zusammen. Sie schmiedeten Pläne, untersuchten die Geschichte und versuchten, Kolds Pläne zunichte zu machen. Es waren nicht viele Nächte gewesen, in denen er mit Reesha die Bibliotheken nach Informationen durchsuchte, aber sie waren intensiv. Nein, sie waren sich nie näher gekommen. Allerdings konnten schlaflose Nächte über Berge von Büchern auch Menschen zusammenschweißen. Und nach ihrer Niederlage? Wie viele Aktionen hatten sie geplant, sie alle zusammen. Gegen Kold, gegen das neue Regime. Drei Jahre hatten sie gekämpft, ehe Jariel auftauchte. Jariel. Verdammt, Jariel...

    "Wir werden euch alle töten!", schrie Aanthon und riss Deen damit aus den Gedanken. "Alle Mondgläubiger werden bald schon Freiwild für die echten Arkyaner! Überlegt euch besser, auf welcher Seite ihr dann stehen wollt!"

    Deen verdrehte die Augen. So ein Blödsinn. Aanthon war ein verblendeter Idiot. Wenn er weiterhin so ein Müll laberte, musste er einschreiten. Dann bemerkte er, dass die Temperatur schon deutlich angestiegen war. Er sah sich etwas um. Die Decke schien noch feste zu sein, es roch leicht nach Rauch, aber noch nicht so, dass sie fliehen mussten. Die Frauen hatten Angst und versteckten sich hinter Reesha und den anderen Beschützern. Der Auftrag war fast vorbei, aber sie durften erst gehen, wenn sicher stand, dass dieses Gebäude völlig niederbrennen würde. Ein bisschen mussten sie noch warten.

    Reesha antwortete Aanthon schnippisch, woraufhin er nur lachte und mit der Axt ein Fenster einschlug. Gerth hatte sich mittlerweile zu Deen und Yvari gesellt und stützte sich auf seinem Schwert ab. Yvari grinste. Sie schien zufrieden. Deen wusste, dass er bei der Sache bleiben musste. Er musste den Zeitpunkt für die Flucht abwägen. Aber Jariel ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Wie immer.

    Seit er damals, vor fast zwei Jahren auftauchte, hatte sich so viel verändert. Kold wurde ruhiger. Die Oppression in den Randdörfern und die dortige Korruption verschwand fast völlig. In nur zwölf Monaten veränderte sich die öffentliche Meinung zu fast allem. Kold wurde, dank Jariel, verziehen. Das Volk stand plötzlich hinter ihm. Der Widerstand löste sich auf und wurde zu Marionetten und "möchte gern Beratern" eines "Neuen Arkyas". Und er selbst? Er liebte Jariel. Und er würde Kold nie verzeihen, dass er ihn ihm weggenommen hatte.

    Während Deen sich die ängstlichen Frauen ansah, sagte er sich zum zigsten mal, dass er nicht aus Eifersucht handelte, sondern weil Kold ein Choleriker und Massenmörder war. Arkyaner waren liebe, naive Menschen, die Frieden schnell annahmen und alte Sünden vergaßen. Leider begruben sie damit auch ihre Vorsicht, aber Deen würde nicht zulassen, dass Kold irgendwann erneut für Krieg und Zerstörung sorgte. Nein. Dieser Mann musste sterben. Und wenn die Arkyaner nicht mehr auf Logik und Menschenverstand hörten, mussten sie eben anders überzeugt werden.

    Eine kleine Stimme flüsterte ihm zu. Sie versuchte ihm mitzuteilen, dass es keinen Sinn ergab, mögliche Gewalt in der Zukunft, durch tatsächliche Gewalt im Hier und Jetzt zu verhindern. Aber Deen wollte nicht darauf hören. Sein Gewissen war zu kurzsichtig, dem ging es nur um das, was im Moment passierte. Aber was er tat war wichtig für eine sichere Zukunft. Wie so oft ignorierte er also die Stimme aus dem Unterbewusstsein.

    Er vertraute auf Meister Lazaels Plan. "Noch ist es nicht zu spät, um zu deinen Freunden zurückzukehren", sagte die Stimme. Deen schüttelte leicht den Kopf. Selbst wenn das wahr wäre, er wollte nicht zurück. Kold musste aus dem Weg geräumt werden und die Menschen im Orden waren die einzigen, die ihm dabei helfen konnten.

    Es wurde langsam wirklich heiß und man musste sich nicht mal mehr konzentrieren, um das Feuer zu hören. Die Frauen wurden nervöser, wahrscheinlich rochen sie den Rauch. Deen blinzelte. Es war an der Zeit. Er drehte sich zu Yvari, nickte ihr zu. Sie grinste und lief in die Eingangshalle, drehte dann zur Küche ab, wo sie wohl das letzte Feuer entzündete.
    "Wir gehen.", rief Deen seinen beiden Gefährten zu. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Reesha ihn anstarrte. Ohne es wirklich zu beabsichtigen schaute auch er zu ihr. Er konnte genau erkennen, wie sie seinen Namen mit den Lippen formte. Ihre Augen geweitet, ihre Haltung erschüttert. Selten hatte Deen einen so enttäuschten Menschen gesehen. Er konnte nicht leugnen, dass es weh tat, aber er hatte gewusst, was auf ihn zukam.
    In dem Moment, vor einem Monat, als er sich entschied, dass Meister Lazaels Ziele wichtiger waren, als das Leben eines Freundes. Damals hatte er James fallen lassen, obwohl er ihn hätte retten können. Damals hatte er sich für einen Weg entschieden. Und es gab kein zurück mehr, so sehr die Stimme des Gewissens in seinem Kopf auch dafür plädierte.

    Aanthon und Gerth rannten an ihm vorbei. Deen löste den Blick von Reesha und lief auch raus, während die Flammen schon drohten, überhand zu gewinnen. Er ignorierte die Hitze und rannte raus. Draußen atmete er die frische Luft ein, aber das Atmen fiel ihm nicht leichter. Sein Herz beruhigte sich nicht. Es pochte heftig und die Brust fühlte sich noch immer geschwollen an. Obwohl ihm nicht kalt war, zitterte er am ganzen Körper während er den beiden Männern zur Gasse folgte. Dort angekommen schaute er zurück und sah wie die Frauen, hustend und sich gegenseitig stützend, aus dem brennenden Gebäude kamen.

    Er konnte Reesha nicht sehen. Die gut beleibte, blonde Frau, die man sofort zwischen tausenden Menschen erkennen würde, so viel Selbstbewusstsein strahlte sie aus, war nicht zwischen den vielleicht fünfzehn Frauen zu entdecken. Nervös schaute er hin und her, aber sie war nicht da. Er fluchte laut und kletterte wieder die Mauer hoch. Es nieselte zwar nicht mehr, trocken waren die Steine aber noch lange nicht. Vorsichtig lief er auf ihr entlang um wieder den Hinterhof des brennenden Gebäudes zu sehen. Das Feuer loderte schon aus den Fenstern und er musste aufpassen, nicht zu viel Rauch einzuatmen.

    Hinter dem Haus sah er sie. Reesha hatte sich einen Schlauch besorgt und versuchte ihn gerade an die Wasserpumpe dran zuschrauben. Was dachte sie sich? Glaubte sie tatsächlich, das Feuer unter Kontrolle zu bekommen? War ihr nicht bewusst, dass einstürzende Wände sie erwischen könnten? Deen sprang von der Mauer, zog seine Kapuze runter. "Reesha!"

    Sie drehte sich zu ihm. Haare hingen ihr ins Gesicht, ihr Oberteil wirkte zerzaust und ihr Rock war an manchen Stellen zerrissen. In der letzten Minute musste sie ziemlich gerannt sein. War sie durch ein Fenster geklettert?

    "DU!", fauchte sie Deen an. Den Schlauch lies sie auf den Boden fallen. Er konnte durch ihre Brille sehen, dass ihre Augen feucht waren, aber falls sie eben noch heulen wollte, so war jetzt nur noch Wut in ihrem Ausdruck zu erkennen.
    "Deinetwegen liegt James im Koma. Du brennst Häuser nieder und gefährdest unschuldige. Nur weil du ein verdammter, sturer Idiot bist!" Sie trat gegen den Schlauch und kam näher.
    Deen wurde auch wütend. Das stimmte so doch gar nicht.
    "James ist im Koma, weil er sich mit Lazael angelegt hat und weil er nicht auf Warnungen hören wollte." Er musste etwas lauter reden, da das lodernde Feuer seine Worte sonst überspielte. "Und dieses Haus brennt, weil ihr hier versucht, Sonnengläubiger zu konvertieren." Er blieb standhaft, während Reesha näher kam.
    Sie blieb zwei Meter vor ihm stehen.
    "Was? Wir.. wir konvertieren nicht! Wir klären auf. Selbst du hast damals zugegeben, dass die Wahrheit ans Licht kommen müsse. Illumy war eine Schlampe, und alle sollen es wissen."
    "Ihr predigt nicht nur das.", erwiderte Deen. "Wir wissen, dass du auch Kold immer ins gute Licht rückst."
    Reesha hob die Hände über den Kopf, schrie sich kurz etwas Frust aus der Lunge und drehte sich etwas weg von ihm, ehe sie wieder, angespannt vor Wut, zu Deen schaute.
    "Du und dein blinder Hass! Du bist mit James eindeutig zu weit gegangen, aber anstatt mal darüber nachzudenken, was du Freunden antust suhlst du dich in Selbstmitleid!"
    "Das ist Blödsinn!"
    "Und, dass Jariel sich für Kold entschieden hat war sein gutes Recht, komm endlich drüber hinweg..."
    "Er hat sich nicht entschieden! Kold hat ihn gezwungen!"
    Reesha machte eine abfällige Handbewegung und wollte etwas sagen, aber Deen unterbrach sie. Er würde nicht zulassen, dass die Wahrheit verdreht wurde.
    "Werte meine Aktionen nicht mit stumpfer Eifersucht ab, Reesha. Du weißt, es steckt viel mehr dahinter."
    Das Feuer loderte immer stärker. Deen fing an zu schwitzen, während er nicht verstehen konnte, warum Reesha sich so arg weigerte, die Wahrheit zu sehen. Er hatte früher so oft versucht, es ihr zu erklären. War denn nichts davon hängen geblieben? Er versuchte es nochmal.
    "Meister Lazael hat bestätigt, dass... "
    "HA!Lazael. Dieser dreckige Verräter." Unterbrach sie ihn. Deen starrte sie an. Sie hatte kein Recht, so über den Meister zu sprechen. Sie sprach weiter.
    "Dein toller Meister hat nicht nur Kold, sondern uns alle Jahrelang belogen. Dass du ihm auch nur ein Wort glaubst ist traurig." Das Feuer spiegelte sich auf den Gläsern ihrer Brille. Es schien dabei direkt von ihr zu kommen. Sie stand selbstsicher da, die Hände zu Fäuste geballt. Sie würde nicht nachgeben. Kein bisschen.
    Deen zwang sich, ruhig zu bleiben.
    "Meister Lazael ist anständig. Und Gütig. Du musst ihm nur vertrauen und... " Reesha verdrehte die Augen.
    "Deen, hörst du dir eigentlich zu?"
    "Ja. Aber IHR hört MIR nicht zu. Bis es zu spät sein wird. Reesha, ich flehe dich an. Komm mit, lerne ihn doch überhaupt mal kennen. Er wird dafür sorgen, dass du im Orden aufgenommen wirst. Du kannst doch Kolds Grausamkeiten nicht ernsthaft vergessen haben!"
    Deen war irritiert. Die Wut schien sich bei ihr zu verflüchtigen und Trauer trat an ihre Stelle. Reesha schüttelte den Kopf, wand sich von ihm ab, schaute zum Feuer. Das Haus war nicht mehr zu retten. Und sie sah aus, als ob sie dachte, dass auch er selbst nicht mehr zu retten war.
    "Deen... Du warst mal ein guter.", sagte sie so leise, dass er es kaum hören konnte. Sie schaute ihn wieder an." Du könntest wieder einer sein. Wirf diese scheiß Kutte ins Feuer. Stell dich. Du weißt, dass Jariel sich noch immer um dich sorgt?"
    "Lass Jariel da raus."
    "Mensch, Deen! Komm zur Vernunft. Dein Meister Lazael ist ein herzloses Monster. Kold hat sich verändert. Denk nicht mehr an vergangene Taten, sondern an die, die DU heute und jetzt begehst! Und an die, die dein verdammter Meister morgen begehen wird!"

    Etwas im Haus explodierte und Reesha schrie vor Schreck. Sie schaute zum Dachboden und wich ein paar Schritte zurück. "Wir müssen hier weg... bald stürzt das Gebäude ein..."

    Deens Gedanken drehten sich im Kreis. Sie wollte einfach nicht verstehen. Alle waren geblendet. Kold hatte mehr Menschen auf dem Gewissen, als der Orden jemals töten könnte. Er war eine tickende Zeitbombe, befreundet mit einer Göttin, die am liebsten das Land zerstören wollte.
    Keiner wollte ihm zuhören. Niemand nahm ihn ernst. Das mit James war damals ein halber Unfall gewesen, deswegen traute Meister Lazael ihm noch nicht hundertprozentig. Und deswegen dachten seine Freunde noch immer, er würde nicht hinter seinen Taten stehen.

    Aber er hatte sich damals entschieden. Und nun mussten Taten folgen. Noch immer fühlte sich seine Brust zugeschnürt an, noch immer fiel es ihm schwer, zu atmen. Aber sein Herz schlug nicht mehr wie wild. Als er die Hände hob und mit der Armbrust auf Reesha zielte, zitterte er nicht mehr. Es ging hier um mehr als um Einzelschicksale. Wegen Eifersucht würde er niemals seine Freunde töten. Aber er musste endlich ernst genommen werden. Sonst war er wirklich wie ein kleiner Hund, der nur bellte und nicht zubeißen konnte.

    Reesha wollte etwas sagen und wand sich zu ihm. Sie stockte, als sie sah, was Deen vorhatte. Wieder wich sie zurück, hob die Hände. "Deen... was hast du vor?"

    Er musste nur einmal mit dem Finger gegen den Auslöser drücken. Er sah ihr in die Augen, als er es tat. Ein kurzes klicken war zu hören. Der Pfeil flog schnell und Präzise und traf sie in der Brust. Sie schrie nicht, sondern starrte ihn nur mit weit aufgerissenen Augen an. Zwei Schritte taumelte sie zurück, ehe sie die Hände auf den Pfeil legte und zusammensackte. Sie war noch nicht tot.

    Deen lief zu ihr. Der Druck in seiner Brust war weg. Er fühlte sich betäubt, als liefe er durch Wasser. Langsam kniete er sich zu ihr runter.
    "Deen...", keuchte sie. Die Brille war ihr runter gefallen. Ihre Augen spiegelten noch immer das Feuer wieder, aber die Kraft von davor war weg, die Farben wirkten Matt und verloren.
    "... elender... Verräter." Ihre Brust hob und senkte sich ruckartig. Sie musste Schmerzen haben. Ob sie spürte, wie das Leben aus ihr wich?

    Der Nieselregen fing wieder an und Deen kam nicht umhin, sich der Absurdität der Szene bewusst zu werden. Wie in einem schlechten Theaterstück.
    "Ich bin kein Verräter. Ich habe weder dir noch Kold je die Treue geschworen. " Seinem Meister Lazael schon. Außerdem hatte der Widerstand zuerst deren Ziele betrogen. Nur Deen war diesen Zielen treu geblieben, als Einziger. Die Sicht wurde verschwommen und er musste sich die Tränen aus den Augen reiben. Er nahm seinen Dolch aus dem Stiefel, legte ihn an Reeshas Hals an.

    "...Mör... der..." Flüsterte sie. Es sollte ihr letztes Wort sein.
    "Darauf können wir uns einigen.", erwiderte er, drückte den Dolch tief in ihr Fleisch und schnitt ihr die Kehle auf.

    Zwei, drei mal keuchte sie auf, ehe sie den Blick gen Himmel richtete und starb. Der leichte Regen fiel ihr auf die Augen und färbte den Boden und ihr Oberteil rot. Deen sah sich ein paar Sekunden die Leiche seiner einstigen Freundin an. Bis er wieder anfing zu zittern. Bis sein Herz wieder anfing wie wild zu pochen und der Druck in der Brust wieder kam. Am liebsten hätte er geschrien, irgendwas kaputt gemacht. Aber er zwang sich ruhig zu bleiben. Es war getan und er konnte es nicht mehr rückgängig machen, selbst wenn er gewollt hatte.

    Deen blinzelte sich die Tränen aus den Augen, nahm tief Luft und riss ihr den Pfeil heraus. Dann stand er auf und rannte davon, über die Mauer, durch die Gasse und zur Kutsche. Der Kutscher wartete schon und rief ihm etwas zu, was er nicht verstand. Deen riss die Tür auf und noch während er sich setzte fuhr das Gefährt los. Er schloss die Tür und lehnte sich zurück.

    "Wo. Warst. Du?!" Yvari war wütend, Deen aber ignorierte sie. Als sie ein zweites mal nachfragen wollte, hielt Gerth sie zurück. Er zeigte auf den noch immer blutigen Pfeil in Deens Hand.
    Die drei Gefährten sahen sich an. Da ihr Gruppenleiter nicht in der Stimmung zu sein schien, irgend etwas sagen zu wollen, schwiegen sie lieber auch.

    Es sollte eine lange Fahrt werden. Irgendwann schliefen Deens Kameraden ein, er aber zwang sich wach zu bleiben. Er wusste, dass Alpträume ihn plagen würden, sobald er zur Ruhe käme. Innerlich stieß er wieder ein Gebet gen Himmel. Er wusste nicht an wen, aber er betete dafür, tatsächlich das Richtige zu tun.

    Ende ... ?

    Liebes Wesen! Danke, wenn du es tatsächlich gelesen hast XD
    Ich habe ein paar fragen...
    Versteht man, warum Deen am Ende so gehandelt hat?
    Kommt rüber, wie er sich fühlt? Was glaubt ihr, geht in ihm vor?
    Waren es viel zu viele Informationen oder gar zu wenig?
    Was haltet ihr vom Orden und von Kold?

    Ganz liebe Grüße. ^^

    Genesis: Sie ist Azathoth, das amorphe Chaos in der zentralen Leere
    Josh: Meine Prophetin!

    Einmal editiert, zuletzt von Aztiluth (1. März 2019 um 11:58)