- Offizieller Beitrag
Kurzgeschichten aus Erun.
Willkommen in der Halle der Erben. Ich bin der Meister und der Kurator dieser Ausstellung. In diesem Abteil bewahre ich die Pergamente auf, die detailiert auf bestimmte Geschehnisse eingehen. Und da keine Heldentat verloren gehen soll, ist hier nun eine Sammlung zu begutachten die all jene heroischen Taten beinhaltet, die nicht in den großen Büchern des Nidos geschrieben sind.
Die Pergamente, behandeln den Zeitraum von der Gründung Zillest, der ältesten Stadt Eruns, bis hin zum Bau von Gazos Insel, also kurz vor dem Beginn des ersten Buches von Nidos und den Abenteuern des jungen Daisuke Kagayaki. Zur zeitlichen Einordnung, werde ich immer das Jahr vor den jeweiligen Erzählungen schreiben. Zum kurzen Verständnis, im Jahr 116nF startet die Geschichte Daisukes. Zillest wurde im Jahre 6000vF errichtet. Das F steht jeweils für Frühling und bezeichnet das Ende des wohl verherrendsten Krieges auf Erun, sowie dessen wiederaufbau.
(Vor jedem Spoiler, in denen ich die Parts packe, schreibe ich welche bekannten Charaktere Erwähnung in diesen finden. Dies befriedigt zum einen mein Nachschlage Herz zum anderen ist es so ewtas übersichtlicher wie ich finde.)
Pergament aus dem 2. Brüderkrieg (98nF)
Erwähnte Personen: Obersankt Ganto, Major Masao Kagayaki, Captain Kahiko Tazanu, Minister Gareth Loan, König Barlick Anzem, General Thorim Jega, General Venek
Der letzte Tag (Gajeh) 1/4
[spoiler]
Siran, Am Fluss Tiru.
Nahe der Brücke zum Ritttal.
734. Tag des 2. Brüderkrieges
Und schon wieder prallte die Klinge des Soldaten auf das mächtige Schild des Obersankts. Ein beschworenes Schild, das aus purer Seelenkraft bestand und so schwer zu brechen war, wie der Wille seines Trägers selbst. Die, im Sonnenuntergang Gold schimmernde Scheibe trug die Form eines Turmschildes und vermochte es, Ganto perfekt zu beschützen. Mit einem kräftigen Ruck und starken Gebrüll beförderte er sein Gegenüber ins Flussbett und versengte sein Schwert in die Brust des Gegners. Lichtwehe, eine majestätische Waffe, war eigentlich dazu gedacht, Dämonen niederzumetzeln. Doch heute klebte Menschenblut an der verzierten Klinge. Durch die engen Schlitze seines Helmes betrachtete der goldene Ritter das Schlachtfeld. Der Himmel war mittlerweile durch die Flammen des Krieges in ein dunkles Orange getränkt und auch der Fluss, lies sein sonst so sattes Blau vermissen. Mit den vielen Toten, die von ihm davongetragen wurden, hätte man fast von einem letzten Marsch ausgehen können, den die Gefallenen abhielten.
Mühselig kletterte der Krieger wieder das Ufer hoch. Oben angekommen wurde er direkt von einem siranischen Soldaten attackiert, der über die vielen, verstümmelten Leichen auf ihn zu rannte. Sein Blick war leer und wahrscheinlich handelte er nur noch aus Monotonie. Ganto hob im richtigen Moment sein Schild und lies den Angreifer mit voller Wucht dagegen krachen. Benommen ging er zu Boden und blieb liegen. Aus seinem Augenwinkel sah er einen befreundeten Soldaten, der diesem gefolgt sein musste. Jetzt wo sein Gegner vom Obersankt niedergestreckt wurde, nickte er dem alten Krieger kurz zu und rannte dann weiter. Sein Ziel war eine Brücke Fluss abwärts. Ganto konnte selbst aus der großen Entfernung noch sehen, wie um diesen Knotenpunkt erbittert gekämpft wurde. Auch er nahm nun den steinernen Übergang ins Visier und stapfte Meter für Meter über die Opfer des Krieges hinweg. Zwischen seiner schweren Atmung konnte er das Traben eines Pferdes ausmachen. Schnell drehte sich Ganto um, doch es drohte ihm keine Gefahr.
„Obersankt Ganto, General Venek und ich, haben die Siraner am Gebirge zurückgeschlagen. Mein Bataillon steht nun zu Eurer Verfügung“, informierte ihn der Mann auf dem schwarzen Hengst. Auch er trug einen Helm und seine Rüstung war fast so golden wie die des alten Kriegers.
„Ausgezeichnet, Major. Aber wenn ich mich recht entsinne, habe ich Euch zu Eurer Frau geschickt. Kein Kind sollte ohne Vater aufwachsen müssen.“
Der Reiter schüttelte nur den Kopf. „Bei allem Respekt, Sir. Aber ich habe heute an der Seite vieler Väter und Mütter gekämpft. Auch sie kämpften alle für ihre Kinder. Und wenn Celia mir dieses Mal wirklich ein Kind schenkt, dann will ich, dass es in Friedenszeiten aufwächst.“
Ganto schwieg kurz. Er konnte seinen besten Kämpfer wohl nicht vom Kämpfen abhalten. „Na wenn dem so ist … Dann nehmt Eure Truppen und reitet weiter nach Westen“, befahl er ihm.
„Obersankt, bei allem Respekt, aber König Barlick wird jeden Moment diese Brücke passieren.“
„Macht Euch da keine Sorgen“, winkte Ganto ab, als er sich wieder der Brücke zu wandte. „Die Soldaten Anzems, sind stark genug das alleine zu bewältigen. Außerdem haben sie noch mich und meine Männer im Rücken. Die Brücke wird schon bald uns gehören. Deswegen will ich, dass Ihr nach Gajeh reitet.“
Das Pferd des Majors trappelte unruhig auf der Stelle und der Reiter musste es erst kurz beruhigen, ehe er weitersprach. „Gajeh, Sir.? Sie haben es auf unsere Versorgung abgesehen …?“
Ganto drehte sich noch einmal zu seinem Major und zog dem Hengst an den Zügeln zu sich. „Masao, irgendwie hat es General Thorim mit seiner Streitkraft geschafft, über den Fluss zu kommen. In Gajeh, ist eines unserer letzten Lazaretts. Viele Ordensbrüder liegen dort … verwundet und so gut wie schutzlos. Wir müssen in diesem Krieg auch mal an uns denken. Meine Männer haben noch genug Kraft. Und König Barlicks Streiter noch genug Willen, diesen Kampf hier für uns zu entscheiden. Doch Gajeh wird ohne Hilfe untergehen. General Thorim wird alles versuchen, um diese Stadt zurückzuerobern.“
„Ich habe verstanden, Obersankt. Meine Männer und ich werden uns umgehend darum kümmern.“ Mit einem kräftigen zog an den Zügeln, drehte er das dunkle Pferd rum und ritt auf einen Mann mit feuerroten Haaren zu, der unweit auf seinen Major gewartet hatte.
„Kahiko, sammele die Truppen. Wir müssen schleunigst nach Gajeh aufbrechen. Ich reite schon mal vor raus.“
„Zu Befehl!“, gab der Rothaarige nur von sich und beide Ritter gaben ihren Tieren die Sporen.
Nach einer Weile konnte Masao schon die schwarzen Dächer der kleinen Stadt sehen. Immer wieder wanderte sein Blick zu dem Hügel im Norden. Hinter diesem, müssten die Streitkräfte des siranischen Generals lauern. Er würde sicher eine Menge auffahren um die kleine aber wohlhabende Stadt wieder sein eigen nennen zu dürfen. Vor gut drei Monaten schafften es die Truppen von Anzem mit großer Hilfe von Anhängern eines Ordens, dem auch Masao angehörte, die Stadt einzunehmen. Nachdem die letzten feindlichen Kämpfer aus der Stadt flüchteten, zeigte sich Gajehs Bevölkerung sehr entgegenkommend. Der Bürgermeister hielt die Bewohner der schönen Stadt dazu an, die Verletzten beider Seiten zu pflegen und, so gut es ging, zu verarzten.
Wenn es stimmt, was der Obersankt sagt, und sie die Brücke wirklich einnehmen können, dann müssen wir hier nur so lange warten bis König Barlick diese überquert hat. Danach endet unser Pakt mit Anzem und Ganto wird uns hier zur Verstärkung kommen können, dachte Masao.
Als er schließlich die Stadt erreichte, war in den Straßen nur wenig los. Das große Treiben war auf dem großen Dorfplatz anzutreffen. Eine große freie Fläche, dessen Boden aus großen Marmorsteinen bestand. Eine Häuser freie Seite gewährte einen direkten Blick auf den nördlichen Hügel, den Masao gut im Auge behielt. Dem gegenüber lag ein Gotteshaus. Wahrscheinlich zur Anbetung des Gottes Kami, der Gott der Quelle. Man fand, diese Bauten für den blauäugigen Gott oft in der Nähe von Flüssen. Doch Masao hatte jetzt keine Zeit sich dieser Vermutung zu vergewissern. Er stieg von seinem Pferd ab und hob den schweren Helm von seinem Kopf. Mit ihm unter seinem Arm schritt er durch die umherlaufende Menge hindurch in Richtung des Rathauses, vor dessen Tür sich zwei Männer unterhielten. Einen davon, kannte der Major nur zu gut.
„Minister Loan, was machen Sie hier? Sie sollten im Schloss sein und auf die Rückkehr des Königs warten.“
Genervt beendete der schlanke Mann das Gespräch mit seinem Gegenüber und wandte sich dem Ritter zu. Seine langen schwarzen Haare waren zerzaust und auch sonst, wirkte er ziemlich durcheinander.
„Ah, der Major vom Orden der Strahlen. Es ist mir eine Freude Euch zu sehen“, sagte er viel zu hastig, um es ernst zu nehmen. „Ich organisiere gerade mit dem Bürgermeister weiter die Verpflegung der verwundeten Soldaten … auch Ihrer Soldaten.“
„Sehr gut, dann organisieren Sie doch bitte direkt die Evakuierung mit“, gab Masao trocken von sich.
„Wie meinen Sie das?“, wollte nun der alternde Bürgermeister erfahren.
„General Thorim ist auf den Weg. Er will wahrscheinlich seine Stadt zurückfordern und wird schon bald hier sein.“
Der Bürgermeister hielt sich beide Hände vors Gesicht, lediglich seine Augen lies er frei. „Oh nein, Oh nein, Oh nein“, murmelte er ständig vor sich hin, während er sich ins Rathaus zurückzog.
„Nein, Major. Ich werde nicht von hier flüchten. Ich habe Eurer Majestät versprochen in seiner Abwesenheit über sein Land zu wachen“, sagte der Minister und stemmte seine Arme in die Hüften.
Masao beugte sich ein Stück zu ihm herunter, als er im sagte: „Genau genommen gehört dieses Land Siran. Aber darüber könnt Ihr Euch gerne mit Thorim persönlich unterhalten, wenn Ihr wollt.“
„Ich werde diesen fehlgeleiteten Schlächtern nicht weichen. Wenn König Barlick den Mut besaß, sich seinen Bruder zu stellen, dann werde ich den Mut haben, das hier zu Ende zu führen.“
Nun etwas ernster griff Masao den Minister fest an den Schultern. „Gareth … Seien Sie nicht dumm. Der König würde nicht wollen, dass sein engster Berater hier sinnlos stirbt. Ich bin jetzt für die Männer hier verantwortlich. Schließen Sie sich der Evakuierung an.“ Nachdem er ihm dies verdeutlicht hatte, wollte er gerade zu seinem Pferd zurückkehren, als die Stimme des Ministers noch einmal erklang. „Nein, ich bleibe hier. Ich werde nicht ein weiteres Mal flüchten. Diesen Fehler habe ich vor Jahren begangen und ich habe daraus gelernt. Ich werde keinen mehr sterben lassen, solange ich an seiner statt stehen kann. Und wenn es gegen Siran geht, ist mein Wille nur umso stärker. Ich werde die Evakuierung von hier aus leiten. Aber diesen Platz werde ich keinen Meter verlassen.“
Dafür hatte Masao jetzt keine Zeit. Jeden Moment könnte Thorim zum Angriff blasen. „Eins muss man euch lassen. Die Menschen in Anzem haben eine Einigkeit, die ihres Gleichen sucht.“ Der Major griff kurz an seinen Gürtel und zog einen Langdolch aus seiner Halterung. Verdutzt schob der Minister die Augenbrauen zusammen, als ihm die schmale Klinge gereicht wurde.
„Na was?“, fing Masao an. „Wollen Sie Thorim etwa mit Ihren dünnen Ärmchen aufhalten?“
Mit zusammengepressten Lippen nahm er die Waffe entgegen und verbeugte sich kurz. Dann eilte er zu den Verletzten um die Evakuierung einzuleiten.
Lautes klackern auf dem Marmorboden, verriet die Ankunft von mindestens ein Dutzend Pferden. Masaos Bataillon hat sich auf dem Dorfplatz eingefunden und wartete auf weitere Befehle. An ihrer Spitze, der Reiter mit der roten Mähne.
Eilig schritt Masao zu ihm rüber. „Kahiko, seht zu dem Hügel dort. Jeden Moment werden Thorims Mä …“ Masao brach den Satz ab und starrte mit halb offenem Mund dem orangefarbenen Horizont entgegen.
„Major?“ Auch Kahiko schaute nun den Hügel hinauf und verstand sofort das Entsetzen seines Mitstreiters.
„Ehm, Masao. Sind das … Katapulte?“
Schwarze Schatten erhoben sich an der Kuppe und man konnte die Umrisse zweier Schleudern ausmachen.
„Thorim will die Stadt gar nicht zurückerobern … Er will sie zerstören.“
Und als ob der Feind diese Aussage bestätigen wollte, flogen auch schon zwei Felsbrocken durch die Luft.
„In Deckung!“, schrie Masao und hechtete zur Seite.
Eines der Geschosse schlug mitten in den Marmorboden ein und zersplitterte den schönen Stein. Mehrere am Boden liegende Verletzte vermochten es nicht mehr dem weiterrollenden Tod auszuweichen. Der zweite Stein schlug etwas weiter hinten in ein Gebäude und verfehlte nur knapp das Gotteshaus. Die schwarzen Dachziegel schepperten zu Boden und der aufgewirbelte Staub der zerstörten Hauswand, glitt über den Marmor bis zu Masaos Füßen, der sich langsam wieder aufrichtete.
„Thorim weiß, dass er die Brücke verlieren wird … Und damit auch den Krieg. Das hier ist weder ein Akt der Befreiung seiner Bürger noch ein strategischer Gegenangriff. Das hier, … ist simple Rache.“
Kahiko, der das Pferd seines Majors zu ihm führte schaute auf ihn herab.“Thorim will Blutvergießen? Das kann er haben.“
Mit einem Schwung stieg Masao auf sein Pferd und wandte sich den Soldaten zu. Schnell überblickte er die Lage und sah, wer mit der Evakuierung beschäftigt war und wer in den Kampf ziehen konnte. Er zog sein Breitschwert, das am Sattel seines Pferdes hing und hielt es empor.
„Tapfere Ordensritter und Soldaten von Anzem. Ein letztes Mal noch müssen wir unsere Kräfte mobilisieren, um diejenigen zu schützen, die es vor uns genauso getan haben. Oberste Priorität haben die zwei Katapulte. Tut alles, was in eurer Macht steht, um sie zu zerstören und Gajeh einen weiteren Tag in Anzems Händen wissen zu dürfen.“ Er drehte sein Pferd zum Hügel und richtete den schon anstürmenden Siranern seine Waffe entgegen. „Angriff!“