Es gibt 35 Antworten in diesem Thema, welches 13.165 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (3. November 2019 um 13:22) ist von Kyelia.

  • Teil 8


    Mana war verschwunden, aber der Kommandant blieb noch vorgeladen und wurde nun intensiver von der Tashi'Ara unterwiesen. Die Unzufriedenheit mit ihm war ihr deutlich anzusehen in der strengen Mimik. Wie ein wildes Tier knurrte sie ihn an: „Wir hatten eine Vereinbarung.“
    „Wir hätten es schaffen können, wäre Manas Ego nicht gewesen.“
    „Ich will nicht hören, dass Ihr es hättet schaffen können!“, äußerte sie harsch und schlug hart mit der Faust auf die Lehne. „Ich will hören, dass Ihr es geschafft habt!“
    Puru wich einen Schritt zurück. „Wir konnten zumindest einen Kubus ausschalten...“
    „Einer von dreien“, spottete sie augerollend. „Das befriedigt mich nicht.“
    „Mehr war kaum möglich ohne Fregatten...“
    „Wisst Ihr überhaupt, wieviel uns dieser Misserfolg kosten wird?!“, fauchte sie argwöhnisch und hielt ihm die Murmel aus Unam vors Gesicht. „Schon zu oft musste unsereins miterleben, wie die Hyru unsere Erzquellen ausbeuteten! Wenn wir sie nicht mal in unserem Territorium vernichten können, dann können wir es im freien Gebiet erstrecht nicht! Und ich will nicht wissen, was die Ych uns entgegensetzen werden! Denn was meinereins von dieser Spezies mitbekommen hat, bereitet sogar meinen Tentakeln ein verdächtiges Zucken.“
    Schweigen folgte, in der Puru eingehend über ihre Worte nachdachte.
    „Eigentlich ist unsere Vereinbarung nichtig geworden, aber ich weiß dennoch Eure Erfahrung zu schätzen. Darum werde ich Euch dieses Mal nicht bestrafen.“
    Verwirrt schaute er sie an. „Oberste?“
    „Unzufrieden?“, fragte sie gleichsam verwirrt wie er. Da aber keine Resonanz kam, sprach sie weiter. „Ich gebe Euch noch eine zweite Chance. Oder soll Euer Sohn doch nicht meine Tochter heiraten?“
    „Selbstverständlich soll er das“, kam wie aus der Pistole geschossen, jedoch auch etwas zweifelnd. „Ich befürchte aber langsam, dass Eure Forderungen unerfüllbar sind, Oberste.“
    „Befürchtet nichts“, summte sie fies lächelnd und rieb sich neckisch über das Lippengold. „Das macht Euch das Leben einfacher.“

    Mit gemischten Gefühlen stieg Mana die lange Treppe wieder hinauf. Sie wusste nicht genau, was sie denken sollte. Eigentlich stimmte sie der Bestrafung vollkommen zu, aber andererseits wollte sie das Argument mit Sono kritisieren. Zumal sie nicht begreifen konnte, wie die Allwissende darauf kommen konnte.
    Natürlich rief sie ihn an und war auch nicht negativ drauf eingestimmt, dass er sie abholen würde. Aber sie wollte nicht, dass irgendjemand ihnen beiden mehr als nur platonische Freundschaft andichten würde. Denn für die junge Tashi war er auch nicht mehr, als nur der engste Vertraute.
    Treffpunkt war die Cocktailbar im ersten Stock. Während sie auf ihren Drink wartete, schaute sie sich heimlich etwas um. Und da fiel ihr die deutlich jüngere und sehr bunt gekleidete Tashi auf, die ein paar Hocker weiter saß. Neidisch starrte Mana ihr auf ihre übertrieben langen Tentakeln, die mindestens einen halben Meter auf dem Boden lagen. Mit tiefem Grummeln stopfte sich Mana einen Lutschkiesel von der Schale vor sich in den Mund und verharrte intensiv mit dem Blick auf der Frau.
    Aber allem Neid zum Trotz, wusste sie, dass ihr Leben um einiges interessanter war, als das der Fremden. Was nützte Mana schon ein noch attracktiveres Aussehen, wenn sie dafür umso weniger als Kapitänin ernst genommen werden würde?
    Andererseits würden noch präsentere Argumente vermutlich die Chancen, Dere zu bekommen, deutlich erhöht werden.
    Nein! Mana wollte sich nicht rein auf das Äußere reduzieren lassen! Dafür war sie charakterlich viel zu stark.

    Keine viertel Stunde hockte sie am Tresen, noch immer mit ihrem ersten Drink beschäftigt, da kam auch schon Sono. Zielstrebig ging er auf sie zu und setzte ein dezent verhaltenes Gesicht auf. Mana bemerkte sein Kommen nicht und starrte nur gedankenlos auf ihren neongrünen Becher.
    „Und wie war's?“, ertönte seine Stimme gedämpft durch die höhenlastige Musik.
    Sie schreckte kurz auf, drehte den Kopf leicht ihm rüber und machte leichte Pausbacken. „Anstrengend.“ Tiefes Schnaufen. „Aber immerhin wurde Puru auch heftig kritisiert.“
    „Was hat sie denn gemeint?“
    „Nicht hier“, meinte sie nur und kippte sich in einem Zug den kompletten Cocktail hinein. Und es folgte die Erkenntnis, dass die Allwissende eben doch keine Hellseherin war, denn sonst hätte sie Mana auch davor warnen können. Benzol mit purem Kaktussirup war eben doch nichts für Jederfrau. Die Lippen wie ein Bleistift angespitzt und mit kratzigem Räuspern versuchte sie das brennend-stechende Gefühl aus dem Mund- und Rachenraum zu kriegen. Das war für beide -Sono und den Barkeeper- leicht verstörend, aber Mana erklärte sich gleich: „Ich habe dafür bezahlt, also trinke ich es auch aus, egal, wie mies es schmeckt...“
    Irgendwie verstehend zuckte Sono mit den Schultern und nahm es mal so hin.
    „Wie wär's?“, fragte er und setzte sein schönstes Lächeln auf. „Ein entspannter Abend zu zweit bei mir? Vielleicht einen Film schauen?“
    „Ist mir egal“, erwiderte seine Vorgesetzte nahezu unbeeindruckt. „Solange ich dabei nicht an die nächsten drei Monate denken muss.“
    Für Sono war das Zustimmung genug. Und es wäre auch nicht er gewesen, wenn er diese Antwort nicht schon geahnt hätte. Sie war ihm schon von Anfang an für direkte und oftmals auch provokante Sprüche bekannt. Und im Laufe ihrer fünfjährigen Zusammenarbeit wurde es für ihn schon zur Routine. Schwer zu sagen, ob er genau das an ihr so sehr mochte, aber negativ trug es zumindest nicht bei.

    Also machten sie einen kurzen Umweg von guten drei Stunden durch die Markthalle unweit des Fassali-Anwesens, um bei den hunderten Ständen und Einkaufsläden alles für das Abendessen zu besorgen. Mana und Sono gehörten zu der großen Mehrheit der Bevölkerung, die sich nicht aussuchen konnten, in welcher Unterschicht sie hausen wollten. Zumindest noch nicht.
    Sieen war vorerst an ihre Apartments im von Mana scherzhaft bezeichneten „Viertel
    der Spießer“ gebunden.
    Witzigerweise befand sich Sonos Wohnung im Nachbargebäude zwei Stockwerke höher als ihres. Besucht hatte sie ihn dort bisher noch nie, was ihr umso mehr ein leicht mulmiges Gefühl bereitete. Trotz aller Kühle ihm gegenüber verspürte sie dennoch ein spontanes Interessese an seinem privaten Lebensstil.
    Als sie vor dem gigantischen Wolkenkratzer standen und beide einen flüchtigen Blick an der Hauswand empor wagten, wurden sie nur knapp von der durch die dicht gestellten Gebäude hervorblitzenden Sonne geblendet. Auch für sie beide, als nicht architektonisch Versierte, waren die pompösen Bauten ihrer Spezies ein faszinierender Anblick. Selbst bei guten Wetter und klarem Himmel waren die Turmspitzen mit dem bloßen Auge nicht zu erspähen. Teilweise überragten sie sogar die an den Docks aufrecht stehenden Flaggschiffe.
    Da seine Wohnung im einhundertachtzigsten Stock war, nahmen sie natürlich den Magnetfahrstuhl, der die Streckenzeit auf wenige Sekunden reduzierte. Von der rasanten Fahrt war nichts zu spüren. Lediglich die schnell ratternden Zahlen des LED-Panels deuteten auf eine enorme Geschwindigkeit hin.
    Oben angekommen schritten sie gemütlich Seite an Seite den Flurgang entlang und blieben auf halber Strecke stehen. Dann öffnete Sono über den Iris-Scanner die Tür zu seiner bescheidenen Junggesellenbude.
    Als hochrangiger Militär verdiente er natürlich nicht schlecht und konnte sich somit einiges anschaffen, was andere als überflüssige Staubfänger bezeichnet hätten.
    Sobald man die Wohnung betrat, begrüßte einen die wärmende Sonne durch die raumhohe abdunkelbare Fensterfront gegenüber. Angrenzend der Balkon.
    Ein weißgolden gefliester Fußboden auf dem ein diagonal ausgerichteter schwarzgrau gestreifter Veloursteppich lag, dessen Ecken passgenau an die Bodenkanten anstießen.
    Links neben der Tür war eine zwölfteilige Bilderserie der Molekularmalerei angebracht.
    Doch Manas Blick fiel als erstes auf die mitten im Raum stehende zwei Meter große Lavalampe, die mit buntem Farbenspiel diffuse halbschattige Sphären an die schneeweiße Decke zauberte.
    Daneben standen ein violettes Plüschsofa und zwei Plüschhocker. Davor ein kreisrunder schwarzer Glastisch mit Sockel aus fünf goldverspiegelten ineinander gesteckten Pyramiden.
    Die linke Zimmerwand war mit einer schwarzen mattgeschliffenen Glasplatte bedeckt -der Fernseher- und seitlich jeweils eine Tür fürs Bad und Schlafzimmer.
    In der anderen Raumseite befand sich die Küche, die nur durch den aus Gelbmarmor gefertigten Tresen optisch vom Wohnzimmer abgegrenzt wurde. Auf dem Tresen stand neben allerlei Küchenutensilien noch ein holographischer Blumentopf. Als letztes entdeckte sie das komplett leere Spirituosenregal rechts neben der Eingangstür.
    „Ihr müsst das mal wieder auffüllen.“
    Er summte zustimmend und stellte sogleich die gekaufte Schleimschorle hinein, auch wenn sie dort etwas verloren wirkte. „Besser?“
    Mana bedeutete ihm ihr geringes Interesse mit einem Schulterzucken und sah sich lieber weiter in der Wohnung um.
    „Ich gehe schon mal in die Küche“, führte er den kargen Dialog fort, da er ohnehin schon mit einem Bein in jener stand.
    Sie schlupfte mit neutraler Miene zum Sofa rüber, während er im Schrank Töpfe, Pfannen und Schüsseln durchwühlte und unter lautem Klirren auf die Arbeitsfläche poltern ließ.
    Etwas störte sie der Lärm schon, aber dies zu kritiseren wäre so, als würde man sich über die Entscheidungen der Tashi'Ara aufregen. Einfach überflüssig.
    Mit großer Vorsicht befummelte sie den watteweichen Plüschstoff des Sofas, bevor sie sich langsam hinsetzte und ihre trägen Füße von den weichgelaufenen Turnschuhen befreite. Unter sanftem Druck massierte sie dann ihre knubbeligen Zehen durch.
    Sono hantierte währenddessen unermüdlich weiter mit den Nahrungsmitteln und Küchengeräten herum und kreierte eine Geräuschkulisse wie in einer Industriewerkstatt.
    Das bereitete der jungen Tashi dann schon leichtes Kopfzerbrechen, ob auch wirklich alles in Ordnung war.
    Den Kopf in starke Schieflage gebracht linste sie zu ihm rüber. „Soll ich wirklich nicht helfen?“
    „Nein, ich koche für Euch!“, stellte er klar mit abwinkender Geste und wühlte dabei lautstark im Besteckfach herum. „Ruht Euch einfach aus, schaut etwas Fernsehen oder hört Musik.“
    Das ließ sich Mana natürlich kein weiteres Mal sagen und rieb sich stattdessen nachdenklich über die Lippen. „Dann gehe ich erstmal duschen, wenn Ihr nichts dagegen habt.“
    Dies haute ihn spontan um, da rutschte ihm glatt das Messer aus der Hand. Aber eigentlich begrüßte er es sogar, denn sie roch schon etwas nach Schweiß.
    „Ihr könnt machen, was immer Ihr wollt, solange Ihr mir nicht beim Kochen helft.“

    Während sie sich frisch machte und gleichzeitig ihren Anzug mit wusch, tobte er sich in der Küche aus. Töpfe, Pfannen und Becher wurden wortwörtlich jongliert, Messer und Löffel geschwungen und allerlei kulinarische Zutaten kombiniert. Für seine Vorgesetzte hatte er sich etwas ganz Besonderes aber zugleich Einfaches einfallen lassen, das jedem Tashi schmecken sollte, aber trotzdem nicht zu plump wirkte.
    Wärend der Ofen vorgeheizt wurde und die Soße langsam vor sich hin köchelte verschenkte Sono Gedanken an sie. Was sie wohl gerade trieb und ob sie dabei auch zurecht kam. Zu gern hätte er einen Blick ins Bad geworfen, aber der Abstand behielt die Oberhand. Er hätte es sich auch niemals verzeihen können, hätte sie es dann mitgekriegt.
    Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, beschloss er, das Tisch Eindecken vorzuziehen.
    Mana kam auch nur wenige Minuten später wieder angezogen aus dem Bad, um die Tentakeln ein großes, flauschiges, blaues Badetuch gewickelt. Ein strahlendes Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, als sie die Gerüche exotischer Gewürze einatmete. „Wenn es auch nur halb so gut schmeckt wie es duftet, bin ich schon zufrieden!“
    „Aber noch dauert es ein paar Minuten“, merkte Sono hektisch an, während er das Besteck und die Becher abermals nachpolierte.
    „Ist mir ganz recht“, entgegnete sie beiläufig und öffnete die Balkontür. „Wollte eh nochmal die Sonne begrüßen.“
    Im noch leicht feuchten Anzug auf dem Balkon stehend, fiel ihr Blick auf den gegenüberliegenden Wohnblock, in dem auch ihre Wohnung war. Plötzlich überkam sie die Erkenntnis, dass Sono von hier aus direkt in ihren Wohnbereich sehen konnte. Da lief es ihr spontan eiskalt den Rücken runter und sie fragte sich, ob er das gelegentlich ausnutzte.
    Ein törichter Gedanke! Als wenn Sono so fanatisch wäre und sich schlimmstenfalls noch mit Fernglas hier hinsetzen würde, um sie zu beobachten. Um seine Gefühle für sie wusste sie ja nun seit der Äußerung der Tashi’Ara besser Bescheid. Aber er kam der jungen Frau trotzdem nicht wie ein Stalker vor.
    Von Sonos aktueller Lage her gefiel ihm der Anblick natürlich sehr, sie auf dem Balkon zu sehen. Da fiel es ihm nicht leicht, sich ausreichend auf das Kochen zu konzentrieren.
    Ein flüchtiger Gedanke zu viel an sie und schon wäre es beinahe passiert, dass er den Soßentopf samt Inhalt unter die Schnellspüle gestellt hätte.

  • Teil 9


    Zu Tisch schenkte Sono ihr gleich Schleimschorle ein, während sie mit großem Auge auf das optisch köstlich anmutende Essen starrte und es kaum erwarten konnte, ihren Hunger damit zu stillen.
    Mit Messer und Stäbchen zepflückte sie das seidig zarte und mit frischen Kräutern gewürzte Slazwasserasselfleisch und schwebte für einen kurzen Moment in anderen Sphären, als dieses ihren Gaumen regelrecht küsste. Auch der fruchtige Kaktus-Salat war nach ihrem Geschmack. Doch das Beste war die zähflüssige Karamellsoße, die dem ganzen die perfekte Süße verlieh.
    „Wärt Ihr nicht mein erster Offizier, würde ich Euch glatt als Koch einstellen.“ Lang hatte sie nicht mehr so gut gegessen. „Das ist wirklich gut.“
    „Och, das ist ein ganz einfaches Gericht.“ Sono winkte ab. Dass er das Kompliment aber nur allzu gern annahm, war ihm anzusehen. „Das ist keine wirkliche Kochkunst...“
    Mana war da anderer Meinung. „Ich bin eine miserable Köchin. Eigentlich reicht es mir schon, dass ich mir meinen Tee selbst aufbrühen kann.“
    Sono nickte nur und schenkte ihr neue Schorle nach, was ihr einen schiefen Blick entlockte. „Ihr wollt mich doch nicht abfüllen oder?“
    Räuspernd erwiderte er: „Sagt bloß, Ihr vertragt nicht mal ein zwei Becher Schleimschorle.“
    Die aus echter Humuserde gemachten Humustörtchen zum Dessert rundeten das Gericht dann komplett ab und verhießen ihr, dass ihr Gastgeber mit seiner Aussage, er könne ganz passabel kochen, keinesfalls zu hoch gegriffen hatte.

    Nachdem sie mit dem Abendessen durch waren und alles abgeräumt hatten, holte Sono eine der beiden vorbereiteten großen Karaffen voll aufgeschäumter Fruchtbowle, deren Alkoholgehalt mehr als offensichtlich zu hoch angesetzt war, aus dem Kühlschrank und den Eimer gesalzener Kaktus-Chips.
    So bewaffnet stand einem langen Fernsehabend nichts mehr im Wege. Sie machten es sich auf dem Sofa gemütlich und Sono schaltete leicht gelangweilt durch das Abendprogramm. Mana starrte dabei nur gedankenvertieft auf die flimmerndern Bilder.
    Nach einer Weile bemerkte auch Sono es, dass sie immer passiver wurde und irgendwann gar nicht mehr auf die Umgebung achtete.
    „Denkt Ihr immer noch an morgen?“
    Leicht aufgeschreckt zuckte sie zusammen und fixierte ihn anschließend mit gestochenscharfen Blick. Die Pause nach seiner Frage wurde langsam peinlich, bevor sie mit einer Gegenfrage reagierte. „Ihr etwa nicht?“
    Tiefes Schnaufen. „Es sind doch nur drei Monate. Und außerdem sind wir doch zusammen.“
    Da kassierte er prompt einen schiefen Blick von ihr, unterstützt durch ein lautes Räuspern.
    Verlegen strich er sich über die Lippen und senkte den Blick. „Also ich meine, wir arbeiten zusammen.“
    „Kommt denn nun irgendwas Interessantes auf dem Panel?“
    „Definiert interessant.“
    Genervt verlangte sie nach der Fernbedienung, die er ihr natürlich ohne Zögern aushändigte. Und mit grummeligem Stöhnen und Schniefen bewertete nun sie die Kanäle, bis ihr eine vertraute Szene ins Auge sprang. Nach kurzem Verweilen und Grübeln legte sie die Fernbedienung neben sich auf das Sofa und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Sono war hart irritiert, denn er kannte diesen Film auch. Er trug den Titel „Die Töchter der Cibi“ und galt als der schnulzigste und kitschigste Liebesfilm aller Zeiten. Produziert und gespielt von Latacai, die ohnehin als die Meister des Dramas galten.
    Das lag voll in ihrem Interesse, mal keine Komödie, Dokumentation oder schlimmer noch Action sehen zu müssen. Nach diesen anstrengenden Tagen war ihr etwas Theatralisches ganz recht.
    So vergingen die nächsten dreieinhalb Stunden voller Freude, Tränen und Freudentränen. Gemeinsam knabberten sie sich durch den Eimer und schlürften einen Becher nach dem anderen leer. Dass sie währenddessen immer näher aneinander rückten, war kaum verwunderlich, wenn auch nicht beabsichtigt.
    Irgendwann kündigte sich dann ein leichtes Magengeschwür an und sie fragte sich, ob das Grummeln im Bauch Liebeskummer war, oder sie sich nur überfressen hatte.
    Aber nach zwei weiteren Bechern des spritzig erfrischenden Getränks ging es Mana wieder besser. Dafür schlich sich nun ein lähmendes Gefühl in ihr Auge ein, das es ihr schwerer machte, aufmerksam zu bleiben. Die Uhr war auch kurz davor, den neuen Tag einzuläuten.
    „Es ist Zeit“, murmelte sie, schlug die Handflächen neben sich auf das Sofa und riss sich gequält hoch. „Ich bin müde.“
    Perplex starrte er sie einen Moment an, bevor er ihre Aussage realisierte. Fast schon ferngesteuert antwortete dann Sono: „Ihr könnt auch hier schlafen.“
    Nun schaute sie ihn perplex an. „Ist das Bett nicht etwas zu klein für uns beide?“
    Sono musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Käme halt drauf an, wie sehr man sich aneinander schmiegen würde.
    Er wollte aber nicht zu aufdringlich wirken und meinte: „Ich werde selbstverständlich hier auf dem Sofa schlafen.“
    „Das kommt nicht in Frage“, entgegnete sie wie aus der Pistole geschossen und winkte ab. „Ihr braucht genauso erholsamen Schlaf wie ich. Ich gehe nachhause.“
    Sie war gerade auf dem Weg zur Tür, da griff er unbedacht nach ihrer Schulter und bewegte sie zum Umdrehen.
    „Ihr braucht Euch nicht nachhause quälen, wenn Ihr so sehr müde seid.“
    Mit schlaffen Wangen und das Auge eng zusammengekniffen versuchte sie ihn krampfhaft anzuschauen, ohne dabei einzudösen. Die Tentakeln fühlten sich an wie Blei. Mana hatte schwer zu kämpfen, den Kopf im Gleichgewicht zu halten, ohne eine Genickstarre zu riskieren. „Ich war schon mal schläfriger und der Weg länger...“
    Vorsichtig wich er zurück und hob beschwichtigend die Hände. „Alles in Ordnung. Wenn Ihr schlafen wollt, dann werde ich Euch nicht davon abhalten.“
    Sie wollte nicht länger hier verweilen und sich mit irrelevanten Ausflüchten abgeben. Doch ihre von Müdigkeit und Alkohol gelähmten Beine wollten eben nicht gehen und stellten sich quer. Sie kippte vorn über und konnte sich geradeso mit einer Hand am Türrahmen festhalten.
    Geistesgegenwärtig griff ihr Kollege ein und schlang seine Arme um ihren Bauch.
    „Sono!“, mahnte sie und befreite sich von seinem Griff. „Lasst mich los! Das ist ein Befehl!“
    Er wich zögerlich zurück. „Aber ich wollte...“
    „Glaubt nicht, ich wäre blind oder dumm. Ich liebe Euch nicht. Und darum fände ich es falsch, wenn ich bei Euch schlafen würde.“
    Sono nickte nur verstehend und wich einen großen Schritt von ihr zurück. Er erkannte, dass sie gerade nicht seine Traumfrau sondern nur seine Vorgesetzte war. Und mit dieser wollte er sich nicht anlegen.
    Mana war zu paralysiert, um ihre eigenen harrschen Worte zu begreifen und setzte vielmehr sein Nachgeben in Relevanz.
    Sie richtete sich mit unterdrücktem Stöhnen auf, hielt ihm nur die winkende Hand hin und stakste ohne weitere Beachtung langsam davon. Dafür schenkte er ihr einen letzten flüchtigen Blick, bevor er die Tür schloss und in Gedanken versank. Nur Momente später flossen auch schon die ersten Tränen über sein mimikloses Gesicht.
    Was für ein Idiot er war! Wie konnte er nur denken, Mana würde ebenso etwas für ihn empfinden? Schon immer ließ sie ihn abblitzen. Er kam sich vor wie der letzte Trottel.
    War er etwa zu forsch gewesen? Drängte er sie zu sehr? Fand sie ihn nicht attraktiv genug?
    Er hoffte inständig, dass sie aus ihrer Sturheit erwachen und zu ihm zurückkommen würde. Aber andererseits entwickelte er bereits einen gewissen Hass gegen sie.

    Mana derweil kam tatsächlich nicht weit. Gerade mal bis zur übernächsten Wohnungstür trugen sie ihre wackeligen Beine, bevor sie gänzlich auf die Knie rutschte und mit an die Wand angelehnten Kopf das Auge schloss.
    Sie drohte einzuschlafen und versank in Selbstzweifel.
    Warum war sie so stur? Wieso sträubte sie sich so vehement dagegen, bei Sono zu übernachten? Selbst wenn er in sie verliebt war, änderte dies auch nichts daran, dass sie einfach zu müde war, um ihm auch nur einen flüchtigen Nackenbiss zu verpassen. Er war zu vernünftig, um ihre eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit auszunutzen.
    Mit letzten Reserven schleppte sie sich wieder zurück zu seiner Wohnung und klingelte.
    Zögerlich öffnete er die Tür und starrte sie leicht grimmig an. Wütend war er nicht auf sie, aber sehr gekränkt.
    Dennoch war es für Mana ungemein peinlicher als für ihn. „ICH schlafe auf dem Sofa und IHR im Bett. Und keine Widerrede!“

    *

    Währenddessen am anderen Ende der Galaxis.
    Die geflohene Fregatte hatte gerade die Sternenbrücke passiert, als etwas geschah, das man sich hätte nicht erträumen lassen. Eine kleine Schiffsflotte der Ych hatte sich schon lange Zeit zuvor auf der Sternenbrücke abgewandten Seite des 2E-Systems Lumo-Arc versteckt und führte nun ihren Plan weiter aus. Zwar zählten die Raumschiffe der Ych mit zu den größten, dennoch wiesen sie einen ungewöhnlich kleinen Radarquerschnitt auf und konnten sich somit besonders gut in den Verwinkelungen und Nieschen der gigantischen Anlange versteckt halten.
    Zwei Kreuzer und jeweils ein Verseucher, Träger und Kanonenboot zählten sie zu ihrer Flotte. Und jedes einzelne dieser Kampfschiffe war deutlich größer als alle anderen bekannten Schiffstypen aller bekannten Spezies in Polisa.
    Sie hatten es bereits geschafft, die Latacai auf dieser Seite zu erpressen, ohne dass die Latacai auf der anderen Seite etwas davon erfahren hatten. Dies war zum einen möglich, da die Latacai eine friedfertige Rasse war und lieber auf Diplomatie aus waren.

    Die Ych nahmen knappe fünfzig Kilometer vor der Sternenbrücke Stellung. Das Kanonenboot mit allen Läufen und Hauptgeschütz Richtung silbrigen Ereignishorizont gerichtet und ein Kreuzer, der jenes Schiff im großen Bogen umkreiste. Sie wussten, dass in der Regel Schiffe nur einzeln die Sternenbrücken passieren würden. Und jedes einkommende feindliche Schiff würde auf der Stelle vernichtet werden. Ein strategisch wichtiges Ziel für die Ych, durch welches sie ganze Sektoren mit wenig Aufwand unter Kontrolle halten konnten.

    Gut eine Stunde, nachdem die Tashi-Fregatte die Sternenbrücke benutzt hatte, reiste der Verseucher mit dem zweiten Kreuzer vorweg nach Dox.
    Kaum tauchte dort der wie ein Hammerkopf geformte Bug des ersten Schiffes auf, wurde den Latacai und anderen Spezies, die dort ein Zuhause hatten, mulmig zu Mute.
    Noch ehe sie auch nur an einen Erstschlag denken konnten, eröffneten die Ych das Feuer und zielten auf die vielen kleinen Frachter und Shuttles, die wie aufgescheuchte Bienen umherschwirrten. Den Aggressoren war es dabei egal, dass die meisten dieser Passagierschiffe unbewaffnet waren. Tausende wehrloser Opfer konnten die Ych binnen Minuten verbüßen. Zusätzlich blockierte der schwere Kreuzer mit seinen gigantischen Störsendeanlagen den gegnerischen Funkverkehr und spionierte sie zusätzlich darüber aus. Dies war der erste Schritt ihrer Verhandlungsstrategie.
    Und als dann wenige Minuten später der über und über mit Tanks, Rohren und Schläuchen bestückte Verseucher Dox erreichte, leiteten sie Schritt zwei ein.
    Wie schon auf Lumo-Arc nahmen sie Kurs zur abgewandten Seite und nachdem sie mittels Enterhaken und Bohrfräsen an der Station angedockt hatten, begannen sie, die hoch ätzenden exotischen Giftgase in die Stationen zu pumpen. Selbst das sofortige Einschreiten der Latacai, die das Belüftungssystem großräumig abschalteten, half nicht genügend, um die Verbreitung aufzuhalten. Unter schwersten Qualen erlitten abermals tausende Individuen grausame Tode. Die Körper wurden regelrecht zersetzt und boten den zuvor in den Tanks stark mutierten Mikroben und Viren neuen Nährboden, um sich schneller zu verbreiten.
    Nachdem ein Gebiet gesäubert worden war, setzten sie einen kleinen Trupp gepanzerter Kampfeinheiten ab und flogen einen neuen Bereich an, um dort dieselbe Prozedur durchzuführen. Der schwere Kreuzer gab ihnen dabei Begleitschutz und fing die wenigen Shuttles ab, die zu fliehen versuchten.
    Den Latacai war nur eine Option geboten: Die Kapitulation.

  • Guten Abend @Zarkaras Jade :hi1:

    Feedback

    Und eh sie sich versah, war sie auch schon auf dem Stuhl eingeschlafen. Den Kopf auf die verschränkten Arme abgelegt, erschlaffte ihr Körper langsam und sie tritt in das Reich der Träume ein.

    Im ersten Satz bist du in der Vergangenheit & im zweiten in er Gegenwart "tritt". Ist das so beabsichtigt oder sollte das eher "trat" heißen ?


    Darum zeigte er ihr die wichtigsten Sterne, unter anderem den Nullstern Cekó, Hypernova Yale und Zolotis.

    Mir gefallen die Namen der Sterne.^^ Sie passen dazu!


    Nach einer gewissen Weile platzierten die Hyru-Cri dann eine dieser taktischen Bomben und drosselten langsam die Geschwindigkeit.
    Kurz bevor die Tashi jenes todbringende Objekt erreichten, schalteten die Hyru sofort sämtliche Beleuchtung an und offenbarten somit ihre Position. Ein riskantes Unterfangen, denn die Detonationsexpansion war zu träge, um die schwarzen, speerartigen Raumschiffe in voller Fahrt zu treffen.

    „Feind gesichtet!“, rief der Navigator. „Wir sind auf Kollisionskurs.“

    Mit diesem Absatz hat sich mehr und mehr Spannung aufgebaut fand ich. Hat Spaß gemacht zu lesen, da mal ein bisschen Action war. :thumbsup:


    An Bord der Dere dagegen wirkte das Durcheinander fast harmlos, obgleich auch hier in vielen Sektionen Panik ausgebrochen war. In nahezu völliger Dunkelheit stachen nur kläglich kleine Lichtkegel der Handlampen hindurch und verschaffen minimale Sicht auf die Umgebungen. Das Ausmachen von Karas Anwesenheit bedurfte dagegen keinem Licht, sie brüllte laut genug. Zum Leidwesen aller anderen.
    Und bis auf ein paar gelegentliche Querschläger bekamen sie von außerhalb nichts mit. Solange sie blind waren, konnten sie keinen gezielten Gegenschlag ausführen.

    Muss für die ja nervig gewesen sein mit Kara... X

    Diesen Part empfand ich als mit einer der Besten (auch wenn es erst 4 waren die ich gelesen habe ja)… Hauptsächlich einfach wegen der spannenden Szene.^^

    Bin gespannt darauf wie sich die Story noch entwickelt und werde bei Gelegenheit mal weiterlesen. :)

    Rechtschreibfehler habe ich keinerlei gefunden... Vom Stil her war es auch gut, da du eine gute Mischung aus kurzen und langen Sätzen benutzt hast.^^

    Weiter so :D

    LG; Liki

    :chaos::smoker:

  • Danke, @Kleiner Liki , für das Feedback und die Anmerkungen! Ich weiß, aktuell zieht es sich mit neuen Parts, aber ich habe mir vorgenommen, nach dem Off-Treffen noch viel mehr Zeit meiner Geschichte und dem Forum zu widmen! :alien:

    Mir gefallen die Namen der Sterne.^^ Sie passen dazu!

    Das höre ich gerne! :alien: Ich habe extra ein paar der wichtigsten und einprägsamsten Namen aufgelistet, zu denen ich mir auch schon kleine Geschichten ausgedacht habe. Insgesamt habe ich ja 99 "Sterne" namentlich im Weltenbauthread aufgelistet, von denen aber ein Großteil vorerst nur wenig Bedeutung haben.
    Anbei der nächste Part.

    Teil 10


    *

    Ein neuer Tag auf Mila hatte begonnen, Mana und Sono hatten ihren ersten Strafarbeitstag bei den Wartungsdocks. An sich wäre es auch nicht schlimm gewesen, wäre ihr Einsatzziel nicht makabererweise ihr eigenes Schiff gewesen. Dies war eine besondere Überraschung der Tashi'Ara, denn sie hatte ihnen diese Information erst spät in der Nacht zukommen lassen. Manas Kopf war so schon extrem vernichtet vom letzten Becher Schleimschorle, umso heftiger traf sie dann dieser Schock. Da halfen weder Sonos tröstende Worte, die auch nicht gerade überzeugend klangen, noch der pure bittere Kaktussaft.
    Im Schnellzug erkundigte sie Sono über die Morgennachrichten auf seinem Kommunikator, Mana dagegen schlüfte unter stillem Protest ihren Tee und starrte grummeliger als die hässlichste Schwefelsumpfkröte durch das Fenster auf die Stadt.

    Angrenzend an der gestrigen Landeplattform befand sich die zuständige Wartungshalle.
    Ein riesiger Schlot, mit zahllosen Arbeitsplattformen über hunderte Meter tief gestapelt und über Treppen und Lifte miteinander verbunden. Jede dieser Anlagen bot Platz für jeweils drei Fregatten, zwei Kreuzer oder ein Flaggschiff, die in aufrechter Position mittels Kränen auf die Schienenwagen bugsiert wurden und somit nach Belieben umher manövriert werden konnten. Von den ausschwenkbaren Plattformen aus konnte man jede Stelle eines Schiffs mühelos erreichen.
    Durch die offene Decke drang gestreut das Tageslicht hinein und bot einen ersten Eindruck der Komplexität dieses Areals, welche man aber nicht mal ansatzweise im Detail begreifen konnte. Für ein ungeschultes Auge wirkte alles etwas unfertig und chaotisch, doch das Gegenteil war der Fall. Eine logistische Meisterleistung, dieses filigrane Zusammenspiel verschiedenster Fachbereiche zu einem funktionierenden Getriebe zusammenzufügen und reibungslos am Laufen zu halten.

    Gerade hatten beide die oberste Halle betreten, wurden sie regelrecht erschlagen von den gewaltigen Sinneseindrücken dieser vielschichtigen Kulisse.
    Jede Ebene war durchzogen von einem eng verzweigten Schienennetz, auf deren Gleisen abertausende Waggons unterschiedlicher Größen Güter durch die Gegend transportierten. Die Arbeiter an den Stellwerken hatten alle Hände voll zu tun, den nicht endenden Güterstrom in die richtigen Bahnen zu lenken, um Staus zu verhindern.
    Automatisierte Roboter und Magnetförderbänder versorgten die niemals erlöschenden Heizöfen mit frischer Nahrung, um aus dem gewonnenen Erzmetall neue Schiffsbauteile herzustellen.
    Ein beißender Bezingeruch lag in der so schon vom aufgewirbelten Dreck eingegrauten Luft und unter ihren Füßen ein mit klebrigem Machinenöl benetzter Boden, der sich dadurch bei jedem Schritt wie weiches Gummi anfühlte.
    Aus allen Richtungen drangen unterschiedlichste Geräusche zu einem hindurch und trugen mit jeder weiteren Minute, die man hier verbrachte, mehr zu chronischen Kopfschmerzen und Schwindelgefühlen bei. Ob das klirrende Scheppern metallener Ambosse, kreischende Sägeblätter, bei denen ein Tröpfchen mehr Öl nicht geschadet hätte oder knirschend-quietschende Fräsgeräusche, die einem den puren Schauer über den Rücken gleiten ließen.
    All das wurde mit Elektrizität gespeist aus den gigantischen Transformatoren von der Größe eines Hauses, deren herabhängende Kabelbündel sich wie eng gestrickte Spinnennetze durch die einzelnen Etagen wunden. Die Luft war wie elektrisiert von den hohen Spannungen und dort, wo die Kondensatorspulen besonders eng zusammen standen, bildeten sich Entladungen in Form von grellen Blitzen.
    So gerne sie auch noch dort oben geblieben wären, um jeden Winkel und jede Ecke zu erkunden, mussten sie leider ihren vielversprechenden Arbeitstag antreten. Über einen Lift ging es rasant hinab bis zum Boden. Je tiefer sie waren, umso lauter und stickiger wurde es. Manas sonst so eng geschnürtes Nervenkostüm begann nun kurzzeitig von ihr zu fallen, als sie im Vorbeiziehen die in dicke Metallrüstungen und mit Atemmasken bestückten Arbeiter schuften sah. Einen Blick nach unten wagte sie noch weniger, schon allein wegen des Schwindelgefühls.
    Als sie beide unten schweißgebadet unten angekommen waren, blieb jedoch keine Zeit zum Verschnaufen, denn schon wurden sie vom untersetzten, muskelbepackten Abteilungsleiter in seinem vom gelben Maschinenöl und glitzerndem Metallstaub beschmutzten schwarzen Ganzkörperanzug empfangen. Dass er sich beim Berühren seiner Schläfe mit weiterem Öl einschmierte, schien ihn nicht zu stören. Erst, als Mana ihn daraufhin angewidert anschaute, griff er in seine Seitentasche und holte ein Putztuch hervor, an dem er sich die Hände grob abwischte.
    „Chefmechaniker Kuzu“, stellte er sich kurz und knapp vor. „Ihr müsst der Neuzugang sein, von dem die Allwissende gesprochen hat.“
    Sie stimmten zu, obwohl es nicht selbstverständlich war. „Kapitän Mana und mein erster Offizier Sono.“
    Als er diesen Namen hörte, war er kurzzeitig wie paralysiert und starrte sie nur erstaunt an, bevor er hinter sich zeigte. „Ach, dann ist das Euer Schiff?“
    Und wieder bestätigte die junge Tashi nickend.
    Auf dem Weg zu ihrem Schiff übermannte Mana dann doch die Neugier, woraufhin sie fragte: „Woher wusstet Ihr eigentlich, dass wir es im Lift waren?“
    „Jeder andere Arbeiter wäre pünktlich erschienen“, räusperte er sich knurrend und geleitete sie weiter zu seinen Kollegen, dessen Stand vergleichbar mit Sonos zu Manas war. Ein ebenso muskulöser aber dafür um einiges höhergewachsener Tashi, der gerade einen großen Presslufthammer durch die Gegend schleppte. Kuzu brauchte nur laut pfeifen, da wusste sein Kollege schon bescheid und kam ihnen entgegen. Bei näherer Betrachtung seines Körpers fiel Manas Blick besonders auf sein vernarbtes Gesicht und die verstümmelten Tentakeln.
    Hinweise auf die Brutalität der schwerkörperlichen Arbeit, die hier tagtäglich verrichtet wurde.
    Und dagegen Mana mit ihrem fast schon makellosen Körper, der bei einem regulären Arbeitstag maximal von verschütteten Tee beschmutzt worden wäre.
    Goro hieß er -Techniker- und der Name klang mindestens genauso brutal wie seine Stimme war. Viel konnte Mana nicht von dem Gebrabbel verstehen, aber was sie verstand, genügte ihr allemal, um sich ein Bild von seiner Mentalität zu machen. Schon allein, wie vorurteilsvoll er sie anblickte, als wäre sie nicht mehr als eine generische weibliche Tashi, die man zumeist in versifften Absteigen antraf.
    Kuzu bemerkte sofort die gewisse Spannung zwischen ihnen beiden, weshalb ihm die folgenden Worte umso schwerer über die Lippen glitten. „Kapitän Mana und ihr erster Offizier Sono. Ihr werdet heute zusammen arbeiten … müssen.“
    Mit völlig entgleisten Gesichtszügen, nahe eines geistig Zurückgebliebenen, glotzte er sie fragend an. „Echt jetzt? Dass Ihr Euch hierher traut...“
    Während sie in geschlossener Gruppe weiter zum Kreuzer gingen, unterbrach Goro die nahezu gänzliche Stille aller Anwesenden mit einer verblüffenden Aussage, die er indirekt an Mana richtete: „Mir ist kein einziges Schiff bekannt, das von einer Frau befehligt wurde und im Kampf zu Bruch ging.“
    Das imponierte Sono sehr. Unter verlegenem Schmunzeln entgegnete er: „Das liegt vermutlich daran, dass nur die wenigsten Kapitäne weiblich sind.“
    „Schwachsinn!“, spuckte Goro, verbal wie auch sichtbar. „Das liegt daran, dass Frauen zu verweichlicht sind und sich niemals für andere opfern würden!“
    Mana war empört! War er auch wieder so ein Kandidat wie Puru, der vorzugsweise nur ohne Hirn dachte?
    Dennoch, sie blieb ruhig und spielte den Ball gleichwertig zurück. „Zählt das dann für euren Beruf auch so? Oder habt Ihr einfach nur Angst, dass wir das besser können?“
    Und dann schritt der Chef persönlich ein und quetschte sich zwischen die knisternden Fronten. „Das sollten wir doch lieber die Mutter darüber entscheiden lassen.“

    Als erstes stand der Brenntest an. Die ganze Nacht hindurch wurde damit verbracht, die abgefackelten und spröden Kacheln auszutauschen, auf Anweisung der Tashi'Ara.
    Um ihn durchzuführen, mussten alle den Bereich verlassen und in die feuerfesten Schutzräume gehen. Denn auch, wenn der Antrieb erst mit weniger als einem Prozent Leistung gefahren wurde, wurde dabei soviel Schubkraft erzeugt, dass sich das Schiff einige Zentimeter vom Boden wegdrückte. Allein die unzähligen Sicherungsbolzen und Hydraulikspangen hielten den Koloss davon ab, komplett abzuheben. Das gesamte Areal war in tosende Flammen und brennenden Rauch eingehüllt und das Thermometer zeigte einen raschen Anstieg der Temperatur. Binnen Sekunden war die Luft auf über tausend Grad erhitzt worden.
    Nach exakt vier Minuten und zweiundzwanzig Sekunden war das Spektakel vorbei und der Antireb wurde wieder abgeschaltet und der Raum mit Wasser abgekühlt. Die zuvor bronze glänzende Keramik war nun dunkelviolett.
    Den beiden Strafarbeitern blieb jedoch keine Zeit, sich weiter damit zu beschäftigen, denn schon wurden sie von Kuzu anderen Tätigkeiten zugewiesen. „Sono geht Munitionsmagazine reinigen und wieder auffüllen! Und Mana, Ihr reinigt die Geschützrohre!“

    Für Sono hieß das wieder zum Lift gehen und drei Etagen höher aussteigen. Dort dann über eine Plattform zum Schiffsrumpf und durch eine der Schleusentüren.
    Da konnte er zum ersten Mal heute erleichtert aufatmen, als er diese ihm vertraute Umgebung wahrnahm. Bis auf ein paar mit Flatterband und Warnschildern abgesperrte Bereiche waren die Räumlichkeiten unverändert geblieben.
    Ohne weitere Ausschweife folgte er dem verdächtig flackernden Lichtschein durch die Räume bis zu seiner Quelle hin. Erst nach einer Weile erkannte er, dass es ohnehin nur einen Weg dorthin gab, da die meisten anderen Gänge und Schotts aus Sicherheitsgründen abgeriegelt worden waren. Durch die schweren Schäden an der Elektronik wurden folglich auch die Schwerkraftgeneratoren sektorenweise zu stark beschädigt, um sie bedenkenlos laufen zu lassen.
    Der Schweißer nahm schon früh mit seinem geschulten Gehör die staksenden Schritte des ersten Offiziers wahr, schaute instinktiv zu ihm rüber und unterbrach die Schweißarbeiten.
    Sono schaute sich immer noch geblendet mit halb zugekniffenem Auge um und hoffte, dass jene Silhouette zu einem Tashi gehörte.
    Sein Instinkt wurde nicht betrogen, denn schon klappte der Tashi mit dem klobigen Lederhandschuh das Visier hoch. Darunter verbarg sich zu Sonos Erstaunen ein markant weibliches Gesicht. Der tiefschwarze mit Metallstaub gespickte Ruß wirkte dabei fast wie Make-up. Zumindest wirkte es sich nicht negativ auf ihre Schönheit aus.
    „Tala?“, traute er sich kaum zu fragen, aber weit und breit war niemand sonst in voller Schweißmontur zu sehen.
    Wie befürchtet oder zu seinem Erstaunen bestätigte sie und schaute ihn daraufhin fordernd an.
    „Mir wurde gesagt, ich soll mich bei Euch melden“, verkündete er sein Anliegen, von ihr abermals mit Skepsis getadelt.
    Er wurde deutlicher. „Munitionsmagazine!“
    Und nun verstand auch sie, obgleich ihr musternder Blick auf seine Statur weitere Fragen aufwarf. „Ich habe jetzt eigentlich eine Frau erwartet.“
    „Und ich einen Mann“, konterte Sono gleichsam enttäuscht.

    Im angrenzenden Schacht war das Einsatzziel. Er maß kaum drei Meter im Durchmesser. Die Verkleidung war bereits demontiert worden, was einen genaueren Blick auf die Förderketten und Patronenlager ermöglichte. Wie eine Spirale windete sich die klobige Kette, teils noch mit leeren Patronenhülsen bespickt, durch die gut geschmierten Transportrillen und über unzählige Getriebelager geführt, durch den röhrenförmigen Raum. Ringsum, wo man hinschaute, sah man nur Glied an Glied gereiht.
    Mit äußerster Vorsicht balancierten beide auf dem schmalen Steg aus dünnen Stahlblechen umher. Nur einen Schritt daneben und der Fuß würde zwischen all dem Metall steckenbleiben, und im schlimmsten Fall nur noch mit roher Gewalt wieder herausgezogen werden können.
    Talas angespannte Lippen und das glucksende Brummen signalisierten eine starke Unzufriedenheit, als sie mit geschultem Blick die Bestandsaufnahme machte. „Die Ketten schlackern!“
    In diesem Fall sogar sehr extrem, denn sie konnte diese ohne großen Kraftaufwand mit nur einer Hand bewegen. Fast schon chirurgisch tastete sie sich durch die einzelnen Segmente und machte sich bereits gedankliche Notizen. Sie murmelte und nuschelte leise vor sich hin, schnaufte und stöhnte leise. „Kettenspanner defekt!“
    Da wusste selbst Sono, der eigentlich kaum Ahnung von solcherlei Dingen hatte, dass eine Reparatur dringend notwendig war.
    Sie kramte in der Werkzeugkiste wild herum und reichte ihm Brecheisen und Spreizzange.
    Bevor sie die Kette spannen konnten, mussten alle Hülsen entfernt und jedes Kettenglied geölt werden. Eine schweißtreibende Arbeit, die man mal nicht nebenher machte. Zumal jede dieser Ketten länger als das Schiff war.
    Kurz überschlug er in Gedanken die voraussichtlich benötigte Zeit und fragte dann skeptisch: „Geht das nicht einfacher?“
    Stures Kopfschütteln. „Wenn Ihr es leichter wollt, dann benutzt die Waffen mal vorschriftsmäßig!“
    „Wie bitte?!“, hoffte er sich verhört zu haben und warf ihr einen tadelnden Blick zu. „Ich bin nicht dafür zuständig. Ich habe hier gar nichts kaputt gemacht!“
    „Mir doch egal!“, blaffte sie vorwurfsvoll, obgleich es weniger aggressiv gemeint war, weshalb sie dann auch mit weicherem Ton fortfuhr. „Würdet ihr eure Schiffe nicht zerbomben lassen, hätten auch wir weniger Stress damit.“
    „Aber dafür sind es doch Kriegsschiffe“, merkte Sono verwirrt an.
    Sie wurde deutlicher, in der Annahme, so ihren Standpunkt klarzustellen. „Das nächste Mal bitte das Schiff aufgeben und Euch zerstören lassen..! Totalschaden! Keine Reparatur möglich! Kein unnötiger Stress! Oder am besten gar keinen Krieg mehr führen.“
    „Sagt das den Hyru und nicht mir! Ihr könnt sie ja fragen.“
    „Fragen bringt nichts“, knauschte sie. „In deren Sprache gibt es kein Fragezeichen.“

  • Teil 11


    Derweilen quälte sich Mana mit einem schweren Vorschlaghammer ab, den sie auf die Gerüstplattform zwei Etagen höher tragen musste. Leider war der integrierte Aufzug gerade defekt.
    Als Kapitän war sie noch nie in die Situation gekommen, in der sie sich intensiv mit Werkzeug und Maschinen beschäftigen musste. Dafür gab es schließlich extra geschultes Personal.
    Und die spezielle Schutzkleidung, die einem Ganzkörperpräservativ gleichkam, zusammen mit der Atemmaske, unter der es sich ironischerweise dezent schwer atmen ließ, machten es zusätzlich anstrengend, den 30Kg-Hammer zu bewegen.
    Mit Schnaufen und Stöhnen erklomm sie Stufe um Stufe das wackelige Stahlgerüst, sichtlich in ihren Bewegungen eingeengt, zum Leidwesen Goros, der ungeduldig unten im Führerhäuschen des Rüttlers wartete. Zwar vergingen nur wenige Minuten, aber für ihn war es eine gefühlte Ewigkeit, die er sich das Elend antat. Und da offensichtlich eine sehr niedrige Reizschwelle hatte, reichte es ihm schnell mit dieser vermeintlichen Zeitschinderei. Wie vom Kaktus gestochen sprang er aus dem Fahrzeug und sprintete mit deutlich angeschwollener Halsschlagader zu ihr hin.
    „Weg da!“, brüllte er und riss ihr den Hammer im Vorbeigehen aus den Händen und schleppte ihn seinerseits einhändig im Eiltempo weiter die Treppe hoch. „Scheiß Ofiizierin! Zu schwach, um einen Hammer zu schleppen!“
    Nur gedämpft drang sein beleidigendes Murren an ihr Gehör, was ihr aber vollkommen ausreichte, um spontanen Groll gegen ihn zu entwickeln.
    Mit verschränkten Armen stapfte sie ihm nun noch lauter als er es schon tat hinterher und murrte ebenso zurück. „Ranziger Kaktus!“
    Als beide oben angekommen waren, stellte er den Hammer direkt vor ihren Füßen ab und ging in die Hocke. Dann klatschte er gegen den Hammerkopf und anschließend gegen das Schiff. „Damit hier draufhauen! Verstanden?!“
    Ihre Reaktion darauf wartete er nicht ab, er stampfte zähneknirschend wieder die Treppe hinunter und knurrte weiter seine beleidigenden Wortfetzen.
    Der jungen Tashi gingen auch viele unschöne Begriffe durch den Kopf, die sie ihm zu gern zugerufen hätte, aber ihre Lippen brachten nur ein einziges Wort hervor. „Neidkonserve.“
    Man möge denken, sie hätte genügend Zeit gehabt, den schweren Prügel endlich aufgehoben zu haben, aber ihrer genetisch angeborenen Zickigkeit und zierlichen Statur verschuldet war dies nicht geschehen. Dem Techniker fingen daraufhin auch die Finger an zu jucken
    Ein erbärmlicher Anblick. Da half es sogar nichts, wenn er sie sich legerer bekleidet vorgestellt hätte. Sie war nicht für schwerkörperliche Arbeit geschaffen und somit auch nicht für ihn.
    Er musste einfach seine angestaute Wut über die geballten Fäuste direkt auf das Armarturenbrett entladen und haute eine ordentliche Delle ins Blech. Er verdrehte das Auge so hart im Kopf, dass es sich fast verknotet hätte.
    „Kuzu, hol' die da weg!“, gluckste er wild gestikulierend, als hätte er autistische Krämpfe erlitten. „Die taugt nichts!“
    „Nein! Sie macht das jetzt!“ Mit bitterernster Miene schielte der Chefmechaniker zu ihm rüber und zeigte mit der sich kräuselnden Unterlippe, dass jedes weitere Wort einen Hieb mit dem über seine rechte Schulter balancierten Schraubenschlüssel von der Größe seines muskelbepackten Armes bedeuten könnte.
    Und Goro lief aufgebend die Arme schlaff fallen. „Das dauert doch den ganzen Tag...“
    Natürlich waren auch fern seines Arbeitsbereichs seine instinktiven Ausdrucksschreie nicht zu überhören. Und irgendwann hatte auch Mana genug vom übertrieben weinerlichen Getue des misogynen Proleten.
    „Wenn Ihr weiter meckert, dann dauert es garantiert den ganzen Tag!“ Mit einem kräftigen Schwung hievte sie den massiven Hammer hoch und suchte mit schwerfälligem Ausfallschritt festen Stand. „Weniger reden und mehr arbeiten!“
    Dann holte sie weit aus und schlug ihn mit aller Kraft gegen den verrußten Lauf.
    Und nun begriff sie auch, warum sie dort in Schutzkleidung und Atemmaske stand und den schweren Hammer in ihren Händen gegen den Lauf donnerte.
    Wenn Goro auch sonst diese Arbeit sehr genoss, so bereitete es ihm an diesem Tag umso mehr Freude. Wann schon hatte man mal jemanden bei sich, der die Drecksarbeit verrichten musste und eigentlich von der Autorität her deutlich über einem stand?
    Sein gehässiger Gesichtsausdruck zeigte Anzeichen von Selbstbefriedigung, als er mit dem Rüttler alles zum Vibrieren brachte und sie in dunkle Rauchschwaden feinen Rußes einhüllte. Nahezu blind schlug sie weiter gegen den geschmiedeten Stahl, während er ihr mit größtem Vergnügen ein unvergessliches Dröhnen in den Kopf prügelte.
    Erleichtert atmete sie auf, als das penetrante Brummen des Rüttlers aufhörte und sich die körnigen Rauchwolken langsam absenkten. Mit angewidertem Blick schaute sie an sich herab, über und über mit tiefschwarzem Staub bedeckt, und stellte vorsichtig den schweren Hammerkopf auf dem Gitterrost ab. Eine Verschnaufpause wurde jedoch nicht eingelegt, denn schon wurde sie zum nächsten Geschützrohr gefahren, wo die Prozedur vom Neuen begann.
    Immerhin eine gute Sache hatte diese stressbehaftete undankbare Arbeit. Niemand konnte ihre verbalen Wutausbrüche hören. Die meisten Schimpfwörter waren eindeutig gegen die großkotzigen proletenhaften Mechaniker und vor allem gegen Puru gerichtet, der in ihrem Auge noch niederere Arbeit als diese hätte verrichten müssen, um bei ihr Sympathiepunkte neu zu erhalten.
    Volle vier Stunden wurde sie damit beschäftigt, von denen Sono die letzte ihr indirekt zuschauen konnte, während er beim Lackieren der Außenhülle mithalf.

    Die nächste Aufgabe war dann endlich etwas, wo Mana und Sono gemeinsam und unter sich arbeiten konnten und sollten. Der Chefmechaniker, so schon mies gelaunt von ihrer trägen Unfähigkeit, drückte ihnen einfach nur eine Papierrolle in die Hand und verabschiedete sich mit einem erleichterten Schnaufen in den Feierabend.
    Offiziell war nun seine Schicht zuende, er versprach aber, was man auch quasi als Vorwarnung auffassen konnte, dass er später noch einmal nach ihnen sehen würde. Der eiskalte und bedrohliche Hauch der Tashi'Ara in seinem Nacken war dabei deutlich zu spüren.

    *

    Völlig verwirrt starrten beide auf die Blaupausen, vor ihnen zwei Rollwagen voller Maschinenteile und Werkzeug. Zahnräder, Nockenwellen, Schnecken und Federn. Bolzen, Schrauben und Muttern.
    Mit welcher
    hatten sie es verdient, auch noch diese Strafarbeit aufgehalst zu bekommen?
    Nicht nur, dass sie einen Getriebeblock zusammenbauen sollten, sondern das auch noch in enger Zweisamkeit.
    Fast drei Stunden verbrachten sie mit Klopfen, Treten und Dübeln, Stemmen und Ölen. Mit Schweiß und Speichel übergossen, die Anzüge triefend von Fett und Schmiere. Die Knochen schmerzend, Gelenke knackend. Obwohl immer weniger Teile einzubauen waren, war kein Ende in Sicht. Und es war für beide ein Rätsel, ob die Arbeit an sich anstrengender war, oder doch eher das Zusammensein. Keinen Freiraum zu haben, um sich einfach mal den Frust aus dem Leib zu schreien.
    Das Schlachtfeld lichtete sich und Mana wollte gerade aufatmen, da hielt Sono plötzlich ein Zahnrad in der Hand. „Wo kommt denn das jetzt her?“
    Sie schnappte sich die Blaupausen und betrachtete diese analytisch eindringlich. Das erwartete Stöhnen folgte wenig später. „Ich hab's doch gesagt, dass da noch ein Zahnrad rein muss!“
    Sono schwenkte überrascht zu ihr um. „Wo? Wann?“
    „Da!“, brüllte sie und tippte spitz mit dem Finger darauf. „Hauptantriebswelle!“
    „Was weiß ich?!“, meinte er nur. „Ich bin halt kein Ingenieur!“
    Wutentbrannt riss sie ihm das Zahnrad aus der Hand und schleuderte es quer durch den Raum.
    Und just in diesem Moment hallten Schritte durch die Gänge in ihre Richtung.
    Es war Kuzu, der verdutzt mitten im Schacht stehen blieb und sich runterbeugte, um das Zahnrad aufzuheben. Sein Zorn, den er zuvor größtenteils verdrängt hatte, wollte sich wieder bemerkbar machen, aber Kuzu konnte ihn vorerst noch unterdrücken. Dennoch war es ihm anzusehen, dass er über diese Aktion nicht glücklich war.
    Aufrecht mit starkem Hohlkreuz stand er vor ihnen, beäugte sie misstrauisch und zeigte seinen Fund vor. „Irgendwas nicht in Ordnung?“
    Mana war so hart angefressen, dass es sie kein Bisschen interessierte, war er von ihr hielt oder
    stampfte sie auf ihn zu, drückte ihm die Blaupausen in die Hand und keifte ihn an. „Der Bauplan ist scheiße!“
    Dann lief sie schnurstraks weiter und brüllte beim Verlassen des Raumes noch hinterher: „Und Sono auch!“

    *

    „Langsam ist das nicht mehr amüsant!“, murrte sie entnervt unter ständigem Schnaufen.
    „Es soll ja auch nicht amüsant sein“, entgegnete Sono mit spitzen Lippen.
    „Sicherlich, es soll Disziplinarstrafe sein“, meinte sie weiter, stoppte mit ihrer undankbaren Arbeit und nahm divenhafte Pose ein. „Aber die Wände mit einem Besen abschrubben?!“
    Sono riss sich zusammen und verdrängte seine aufkeimenden Mordgedanken. Manchmal konnte sie echt anstrengend sein, gar unausstehlich! „Macht einfach weiter! Immerhin sind wir nicht fürs Bad eingeteilt...“

  • Kleine Information!

    Ich habe im Teil 7 den Dienerinnen jetzt Namen verpasst! Sie heißen Tefe und Jeje!

    Teil 12


    *

    Einen Tag später hatte die Tashi'Ara am Abend ein Bankett veranstalltet. Eingeladen waren hochrangige Offiziere, Schiffskapitäne und natürlich ihre Verwandten und Bekannten. Was genau gefeiert wurde, wusste niemand so richtig. Es war mal wieder eine dieser Veranstaltungen, bei denen es vorrangig ums Bespaßen der Tashi'Ara ging.
    An alles war gedacht, um jegliche Sinne zu befriedigen. Eine prunkvolle Dekoration der Tische, eingedeckt mit handgeklöppelten Spitzendecken und neongelben Glasvasen, gefüllt mit buntem Kristallkies und pompösen Blumensträußen aus exotischen Pflanzen, die wie aufgedunsene Meeresschwämme herausquollen.
    Und die Wände waren geschmückt mit mit Glasperlen verzierten Teppichen und Wimpeln aus purer Seide, die natürlich neben abstrakt-expressionistischen Landschaftsmotiven auch ihre Erhabenheit selbst illustrierten.
    Für das leibliche Wohl wurde auch gesorgt mit einem Catering, das ein üppiges Angebot an verschiedenen regionalen Edelspeisen hatte.
    Umrahmt wurde alles von instrumentaler Livemusik.
    Und jeder Gast wurde mit einem kleinen Geschenkpaket beschert, deren Inhalt dem Jahreseinkommen jenes Beschenkten entsprach.
    Für die Fassali nicht der Rede wert.
    Und ironischerweise nahm das Adelshaus dabei immer mehr Geld ein, als es ausgegeben hat.

    Ein Großteil der Gäste hatte sich schon Stunden vorher eingefunden und vertrieb sich die Zeit bis zum Einlass in den oberen Etagen des Hauses.
    Natürlich stand allein die Tashi'Ara im Mittelpunkt, so auch beim Empfang. Denn wie es sich für den Gastgeber gehörte musste sie jeden einzelnen begrüßen. Die Besucher verführten dazu die tashitypischen Geste. Ihre Exzelenz wiederum erwiderte es nur mit einem angedeuteten Nicken und einem flapsigen Handwisch. Auch wenn es recht arrogant wirkte, so war es keinesfalls so gemeint. Vielmehr drückte sie damit die Reinheit ihres Körpers aus. Wer hatte schon Lust, sich zur Begrüßung jedes Gastes jedes Mal extra an die Schläfe zu fassen?
    Wie immer war sie das bestgekleidetste Wesen auf dem Fest. Neben ihrem roten, bunt beschuppten Anzug trug sie noch ein champagnerfarbenes, grobmaschiges und mit Sternenmuster reich verziertes Kleid mit zwei Meter langer Schleppe. Und zusätzlich noch an jedem Finger noch einen chromatischfarbenen Metallring.
    Bei Tefe und Jeje wurde nichts verändert, die behielten ihre goldenen befransten Netzkleider.

    Je mehr Stunden vergingen, desto mehr sah man die Hemmschwelle bei den Leuten immer mehr abfallen. Aber trotz allem kam es zu keinen übertriebenen Ausschweifungen, die Beteiligte nachhaltig bereuen würden.
    Und mittendrin schlenderte sie durch die Reihen, dabei in ihrer Hand locker ein Gläschen eisgekühlte Schleimschorle haltend. Bisher schien sie noch nichts ausreichend zu amüsieren, um sich damit länger als ein paar Minuten zu beschäftigen. Sie war gelangweilt.
    Eigentlich war das immer der Fall bei jeder ihrer Feiern, dass sie grundsätzlich die ersten paar Stunden ziellos herumstolzierte und sich von allen Seiten mit verschiedensten Eindrücken berieseln ließ, bis sie etwas gefunden hatte, das ihr spontan zusagte. Nur war es immer sehr schwer zu erraten, was sie begeistern würde. Durch das wiederholte Aufrufen abertausender Erinnerungen entwickelte sie mit der Zeit eine gewisse Überempfindlichkeit oder starke Abstumpfung ihrer Wahrnehmungsfreudigkeit. Eine der schwersten Bürden, die eine Tashi'Ara zu tragen hatte.

    Als Kommandant Puru nach einer Weile den Saal betrat und Tefe es bemerkte, da sie ohnehin immer ein halbes Auge zu den Türen gerichtet hielt, informierte sie die Oberste gleich von ihrer Entdeckung. Bestmöglich unauffällig lehnte sie sich an ihren Hals und flüsterte ihr zu.
    Dennoch schenkte sie ihm vorerst keine Beachtung, sondern wich eher zum Tresen aus.
    Selbst für ihn erniedrigte sie sich nicht.
    Er nahm sofort die Verfolgung auf, was sie spontan anfing zu nerven.
    Oder vielleicht doch zu amüsieren?
    Kaum am Tresen angekommen, verließ sie ihn genauso schnell wieder, wie sie ihn aufgesucht hatte und scheuchte ihre Dienerinnen von einer Ecke zur anderen. Und Puru ließ einfach nicht locker.
    Sie fragte sich, wie lange er dieses Spielchen mitspielen würde.
    Sie war auf der Flucht und er verfolgte sie.
    Allmählich waren die anderen Gäste auch am Grübeln, was die Oberste nun schon wieder für Ideen im Kopf hatte. Immerhin trug sie ein nicht zu übersehendes Dauerschmunzeln auf ihren goldverzierten Lippen.

    Irgendwann wurde es ihr dann aber zu langweilig und sie lehnte sich an eine Säule, der Gesellschaft den Rücken zugekehrt, und starrte gedankenlos an die Wand vor sich. Ganz unerwartet bat sie ihre Dienerinnen, einen Moment alleingelassen zu werden. Für diese war das eine immense Erleichterung, was sie auch mit entspanntem Durchatmen zeigten, als sie sich unabgesprochen gemeinsam zu den Toiletten begaben.
    Dies war die Gelegenheit für Puru, sie zu erhaschen und als er sie endlich erreicht hatte und sie begrüßen wollte, drehe sie sich auch schon um und sprach überraschend unüberrascht: „Ich habe Euch schon vermisst, Kommandant.“
    „Wie ..?“
    „Wie ich das erahnt habe, dass Ihr exakt in diesem Moment mich ansprechen wolltet, wollt Ihr wissen?“, ergänzte sie mit zynischem Grinsen.
    „Nein ...“
    „Ich bin allwissend, schon wieder vergessen?“ Sie bot ihm die Hand an, doch diese Geste erwiderte er zuerst gar nicht. Selbst für ihn war es ungewöhnlich, solch eine angehaucht intime Einladung von ihr zu erhalten. Erst beim zweiten Mal Auffordern ergriff er diese zärtlich und war hin und weg über die Erkenntnis, wie sanft und glatt ihre Haut sich anfühlte. Dann animierte sie ihn mit einer schwungvollen Armbewegung dazu, sie ein Stück über die Tanzfläche zu begleiten. Sie zogen sofort alle Blicke auf sich, was ihm ungemein vor lauter Peinlichkeit bleiche Schlieren ins Gesicht zeichnete. Er wurde sprachlos und versuchte durch dezentes Räuspern passende Worte zu finden.
    Sie griff daraufhin schon vor und meinte: „Mana ist nicht hier. Aber ich weiß nicht, ob sie noch kommen wird.“
    „Ich brauche die nicht!“
    Sie brachte ihm nur sarkastisches Kichern entgegen. „Abwarten, Kommandant. Abwarten.“
    Noch während er sich über ihre Worte zu wundern schien, kamen sie in der Mitte des Saals zum Stehen. Verwirrt sah Puru in das Gesicht eines fremden Tashi, dessen Uniform ihn als Kapitän auswies. Die Tashi'Ara war erheitert.
    „Darf ich einander vorstellen? Kapitän Roro. Der, der sein Leben Manas selbstloser Tat zu verdanken hat.“ Dann deutete sie auf ihn. „Kommandant Puru. Der, der Euch in den Tod schicken wollte.“
    Deren geschockte Blicke waren zu köstlich. Und deren Gedanken ebenso. Mit welcher Dreistigkeit sie das herauszwitscherte, sodass man ihr die Lächerlichkeit dahinter regelrecht ansehen konnte.
    Und zu aller Peinlichkeit hob sie feierlich ihr Glas in die Runde und sprach mit gespitzten Lippen: „Ich bin mir sicher, ihr habt euch viel zu erzählen.“

    Mana erschien erst sehr spät zum Bankett, wobei zuerst gar nicht hingehen wollte. Alleinig Sonos Überredungskunst war es zu verdanken. Die Türsteher wollten sie schon fast nicht mehr reinlassen. Es war ihr peinlich, sich hereinzuschleichen, aber gerade sie fühlte sich gezwungen, die Oberste zu begrüßen und sich für die Einladung zu bedanken.
    Einige verdutzte Gesichter, die sich aber hauptsächlich über so verspäteten Besuch wunderten und minder über ihrer Person. Und nicht anders zu erwarten kassierte sie wieder abfällige Blicke der beiden Stummelköpfe, die sich aber mit Worten diesmal zurückhielten.
    Sie hätte es ihnen auch nicht empfohlen. Sie war zu gereizt von der schweren Arbeit, um sich nun noch mit derartigem Mitläufergesocks abzugeben.
    Die ehrwürdige Mutter freute sich erstaunlich sehr über ihr Erscheinen und stellte sogar eine Frage zu ihrer Strafarbeit ohne sarkastischen Unterton.
    Mana blieb dabei natürlich skeptisch und antwortete erst gar nicht, jedoch auf erneutem Nachfragen ihrer Majestät schon mit kurzen Worten. Mit der Ehrlichkeit blieb sie aber weit hinter dem Berg und meinte nur, dass die Strafe gewiss angemessen sei.

    Die Feier war voll im Gange, Mana hatte auch eine Ecke gefunden, wo sie willkommen war, da betrat plötzlich ein Offizier niederen Ranges aufgeregt den Saal. Einer der Türsteher verfolgte ihn auf Schritt und Tritt, aber trotzdem wirkte es eher so, als würde er ihn nicht aufhalten wollen. Die verwirrten Blicke der geladenen Gäste waren zu auffällig, um sie ignorieren zu können. Getuschel ging um.
    Beide zwängten sich hektisch durch die Massen, ohne Rücksicht auf die Leute zu nehmen. Zum Leidwesen der Obersten. Ihr Blick wandelte sich immer mehr vom vergnügt angeheiterten Lächeln zu einem empörten Zähnefletschen. Ihre Dienerinnen waren ebenso ratlos und ersuchten wortlosen Rat mittels Augenkontakt. Aber sie war in dem Moment zu überrumpelt, um gezielte Gedanken zu fassen. Um die Situation noch irgendwie zu retten, ergriff Jeje dann auf eigene Faust die Offensive, schnappte sich ein Tablett voller Gläser und mischte sich unter die Gäste. Mit gekünsteltem Lächeln und lockeren Sprüchen versuchte sie die kippende Stimmung wieder aufzufrischen.
    Voller Aufregung schnaufend stellte der Offizier sich vor die einzige Wahre und legte eine flüchtige Begrüßung hin. „Ehrwürdige, ich muss Euch sprechen! Privat!“
    Analytisch musterte sie ihn, bevor sie zum Türsteher schaute.
    Er nickte einvernehmlich und bestätigte. „Es ist wirklich wichtig.“
    Wortlos und quasi mit Scheuklappen vor dem Auge stakste sie geradewegs zum Thronsaal hin, die drei Tashi in Begleitung.
    Auch auf die Fragen der Gäste reagierte sie mit keiner Miene. Sie blieb kühl.
    Jede darauffolgende Minute fügte weiteres Unbehagen dem trübseligem Trauerspiel hinzu.
    Es wurde unruhig.
    Immerzu gingen einzelne Kapitäne in den Thronsaal, um nur Minuten später wiederzukommen. Und allesamt wirkten sichtlich angespannt.
    Die Stimmung drohte dann sogar gänzlich zu kippen, als einige von ihnen auch noch das Bankett verließen.
    Manas analytischem Blick entging nichts davon. Zwar konnte sie sich noch keinen Reim draus machen, aber dass etwas im Argen lag, war für sie offensichtlich.
    Und es kribbelte ihr auf den Lippen, einige von ihnen darauf anzusprechen.
    Als dann Jeje zu ihrer Clique rüberkam und ihrem linken Mann etwas zuflüsterte, wusste Mana, dass dies ihre beste Chance sein würde, wichtige Details darüber zu erfahren. Wie sie auch vermutet hatte, wurde er von der Stummelköpfigen entführt. Sie nahm ihm das Getränk ab, während er die gesellige Runde mit einem Schulterzucken diskret vertröstete.

    Als der Tashi nach einer Weile wiederkam, fing Mana ihn frühstmöglich ab und und bombardierte sie ihn regelrecht mit Worten. „Kommandant, Ihr wirkt angeschlagen. Was ist passiert? Wird wer vermisst? Ist ein Fassali gestorben? Verzeiht mir, es geht mich nichts an.“
    Verwirrt und genervt von ihr deute er zum Schweigen an. „Eines ihrer Schiffe wurde von den Cri überfallen. Ihre Tochter ist an Bord.“
    „Wo?!“
    „Irgendwo bei Lumo-Arc“, meinte er nur, ausladende Handbewegungen unterstrichen dabei die Freiinterpretation des Begriffes ‘irgendwo‘.
    Sie nickte verstehend mit gekräuselter Unterlippe. „Und Ihr kümmert Euch drum, nehme ich an.“
    „Ich?“, stutzte er empört. „Garantiert nicht! Das ist mir zu heikel!“
    „Welches Schiff?“
    „Dere glaube ich.“
    Es dauerte einige Augenblicke, bevor die Worte in ihrem Kopf klare Bilder erzeugten. Dafür aber umso heftigere. Eine gewisse Skepsis blieb übrig, die der Hoffnung der Fehlinterpretation eine Restchance zusprach.
    Mana musste sich verhört haben, oder der Kommandant sich falsch ausgedrückt. Unter keinen Umständen kam ihr in den Sinn, Dere in Gefahr zu sehen.
    Aber sollte es doch stimmen und sie würde nichts in der Sache unternehmen, würde sie sich das niemals verzeihen werden. Ein Gefühlschaos, das ihre Wahrnehmung so enorm trübte und ihre Gedanken schärfte, dass nur noch er im Fokus stand. Nur schwer konnte sie die Tränen unterdrücken, zumal sie damit niemanden unnötig beunruhigen wollte. Zahllose Fragen stellte sie sich, unter anderem, ob sie die Einzige war, die in ihn verliebt war. Irgendwas musste sie tun! Sie konnte nicht unbeteiligt herumstehen und auf das Glück hoffen.

  • Teil 13


    Die Dienerin Jeje versperrte ihr den Weg, obgleich ihre Stärken eher in der Autorität lagen und weniger im Muskelanteil.
    „Ich will zu ihr!“
    Verweigerndes Kopfschütteln. „Ihr könnt zu ihr, wenn sie Euch verlangt!“
    „Das dauert mir zu lange!“ Störrisch hielt sie die Arme vor der Brust verschränkt und tippelte aufgeregt auf der Stelle. „Ich will jetzt zu ihr! Jetzt sofort!“
    Erneutes Kopfschütteln und Abwinken.
    Ungeduldig wie Mana war, wollte sie aber nicht den Zufall entscheiden lassen und nahm es in die eigene Hand. Ohne Vorwarnung packte sie die Untergebene am Hals, stellte ihr ein Bein und warf sie um. Die schnelle Überwältigung war größtenteils dem Überraschungsmoment geschuldet, verletzen wollte Mana sie dabei nicht. Aber es reichte aus, um der Kapitänin genügend Zeit zu verschaffen.
    Nur kurz überlegte sie, wie sie der Obersten entgegen treten sollte, bevor sie zu dem Entschluss kam, dass wohl die direkte Konfrontation am besten wäre. Sie atmete kräftig durch, schob all ihre Ängste und Zweifel für diesen Moment beiseite, riss die Tür auf und rief: „Ich melde mich freiwillig!“
    Nur Augenblicke später drehten die Anwesenden sich zu ihr um und verstummten sofort.
    Als Mana im Eilschritt näherkam, hob die Oberste mahnend die Hände und brüllte mit solch einer wutgeballten Inbrunst, dass sie so manches Gemüt zerschmettern würde. „Ich habe Euch nicht vorgeladen! Verschwindet wieder! Sofort!“
    Doch Mana ignorierte sie und lief stur weiter. Dennoch hinterließen ihre Worte einen furchentiefen Nachklang, der ihre Knie mit jedem Schritt weicher werden ließ.
    Die Erhabene wimmerte weiter mit einer stimmlichen Sturmgewalt, die der jungen Tashi regelrecht eine Druckwand entgegenschleuderte. „Bleibt stehen oder ich muss drastische Maßnahmen ergreifen!“
    Und sie konterte so laut sie konnte: „Dann werdet Ihr niemanden finden, der ihn retten wird!“
    „Ich habe bereits einen Anwerter“, beteuerte die Allwissende mit Verweis auf den bereits vorgeladenen Gast, der alles andere als erfreut aussah. „Ich weiß Euer Angebot zu schätzen, aber Ihr seid garantiert eine der letzten, die ich darum bitten würde ...“
    Plötzlich wurde die Tür erneut aufgerissen. Es war Puru und er schaute sehr grimmig.
    Nun reichte es ihr komplett. Er hatte es geschafft, dass sie sich leicht aufbäumte, dann aber den Widerstand am Hinterkopf spürte und nur ihre Beine neu umschlug. Sie ruckte unruhig auf dem Thron umher, als wäre er spontan unbequem geworden oder ihr Hintern auf Kakteen platziert. Wie eine Schlange keifte sie, mit hart angespannten Halsmuskeln und gefletschten Zähnen, als würde sie jeden Moment Gift spucken wollen.
    Für den Vorgeladenen war es nun sichtlich Zeit zu verschwinden, bevor das schwarze Ungeheuer sich zeigen würde und ihre Zähne dem nächstbesten Opfer in den Hals rammen würde.
    Alle drei Frauen fauchten ihn an. Er ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen und stolzierte sieges- und selbstsicher weiter zum Thron. Als er direkt neben ihr stand, knurrte sie ihn herausfordernd an. Da ihre Hände aber gesenkt blieben, war es offensichtlich, dass es nur gespielte Aggressivität war.
    Ungestüm packte er sie am Hals und wickelte seinen anderen Arm um ihre Tentakeln und hielt diese am Ansatz fest. „Ich werde sie unverzüglich entfernen!“
    Sein Griff saß fest, fast schon perfekt, um einen ungeübten Tashiruhig zuhalten. Aber die junge Tashi wusste sehr wohl, sich aus dieser Lage zu befreien und wollte gerade zum Konterangriff auf seine Fliegerbrille ansetzen.
    Tefe sprang sofort auf und ging dazwischen, um den unnötigen Kampf vor der Eskalation zu bewahren.
    Auch die Allwissende versuchte den Streit zu schlichten, aber weil sie am Thron mehr oder weniger gefesselt war, mussten Worte reichen. „Hört auf damit! Sie bleibt!“
    Auf diesen Befehl hin ließen sie sofort voneinander ab, spätestens als die Dienerin sich zusätzlich noch zwischen sie drängte.
    Mana legte sich unter leisem Raunen ihre Tentakeln über die von ihm abgewandte Schulter und klemmte sie sich beschützend unter ihre verschränkten Arme.
    Puru wollte sich gleich rechtfertigen und zeigte abfällig zu ihr hin. „Aber Oberste. Eben wolltet Ihr sie noch ...“
    „Da wart ja auch Ihr noch nicht hier“, grimmte sie.
    „Wie?“, stutzte er und wischte sich etwas Speicheln aus dem Mundwinkel. „Was habe ich denn damit zutun?“
    „Schweigt!“ Gefolgt von einem harten Schlag, einem Dampfhammer gleich, auf die Armlehne. „Es gibt Wichtigeres als Eure kleingeistigen Fragen! Außerdem vertragt Ihr die Antwort darauf eh nicht, drum nehmt es so hin!“
    Das Absenken ihrer Stimme veranlasste Mana dazu, selbst wieder los zu preschen: „Ich würde mich sofort freiwillig melden, wenn Ihr mir die Chance geben würdet.“
    Purus fragender Blick sprach ganze Enzyklopädien. Wenn er schon Jejes Unfall nur semi verstanden hatte, verpasste ihm das hier komplett Verwirrung. „Worum geht es eigentlich genau? Für was will sich Mana freiwillig melden? Ich habe garantiert Vorrang!“
    „In diesem Fall habt Ihr zu Eurem Bedauern keinen Vorrang, Kommandant“, korrigierte die Mutter mit ablehnendem Fingerwisch und trug im selben Atemzug das Anliegen vor. „Dere, mein Sohn, wurde hinterhältig von den Cri angegriffen und ist nun verschollen bei Lumo-Arc.“
    Es war Puru anzusehen, dass ihm gewisse Worte auf der Zunge brannten, die er liebend gern ausgespuckt hätte, aber wie schon zuvor kam ihm Mana zuvor und machte erneut ihren Standpunkt klar.
    „Ich will den Auftrag!“ Alles war besser als die Wartungsdocks. „Niemand will es machen! Nehmt mich doch einfach, wenn ich mich schon anbiete! Jede Minute zählt! Ihr könnt Euch auf mich und meine Crew verlassen!“
    „Bei allem Respekt, aber sie ist eben nicht zuverlässig!“, setzte Puru mit verbalem Seitenhieb nach und zeigte im selben Atemzug mit dem Daumen auf sich. „Gebt mir diese Aufgabe und Ihr werdet nicht enttäuscht.“
    Zum Bedauern merkte die Thronfrau, dass das Gespräch sich so nur im Kreis drehen wird. Schickte sie die junge Tashi raus, was diese auch ohne Anstalten tat.
    Wieder folgte ein Gespräch mit ihm unter zwei Augen, worauf sie an diesem Abend noch immer keine Lust hatte, aber nun unabdingbar war. Sie steckte ihr vollstes Vertrauen in Tefes seelische Unterstützung, sollte es eskalieren und sie keine Worte mehr finden. Was aber bisher noch nie geschehen war.
    Spielerisch kramte sie ihre Kette hervor, stützte sich gelassen mit den Ellenbogen auf die gespreißten Beine ab und schwang die Kette wie ein Pendel vor sich. Der Kommandant nahm Haltung an und versteinerte seine Mimik. Mit tiefem Augenkontakt sprach sie nun eingehender zu ihm und fühlte auf den triefenden Zahn. „Mir wurde gesagt, dass es nur ein Schiff sei, das die Dere überfallen hat. Wollt Ihr wirklich behaupten, Mana könnte selbst das nicht bewerkstelligen? Traut Ihr Eurer Kollegin wirklich so wenig zu?“
    Es folgte der ungesagte Aufruf zum Nachdenken, was er mit störrischem Schweigen erwiderte.
    Ihr verführerisches Unterarmstreichen und Händekneten verfehlte nicht die Wirkung und brachte ihn sichtlich in Verlegenheit. Er begann zu grübeln. Immer krampfhafter versuchte er eine Antwort zu finden, bevor die in ihm gesähte Einsicht sein stählernes Gemüt komplett zerfressen würde. Er fühlte sich von den Frauen mit fordernd-verführerischen Blicken durchbohrt. Für die Tashi'Ara mit ihrem atemberaubenden Aussehen war es umso leichter, ihm die schmutzigen Tentakeln zu zeigen und dabei kühl zu bleiben.
    Aber als Tefe noch ein Räuspern dazumischte, zog er einen fetten Schlussstrich!
    Wild mit den Armen gestikulierend brauste er auf wie ein aufgestauter Geysir und stieß fontänenartig seine Worte heraus. „Auf mich wirkt das wie eine Finte! Sie will nur eine Gelegenheit ergreifen, um sich ihrer Strafe zu entziehen.“
    Mit geballten Fäusten präsentierte der gezeichnete Befehlshaber bitteren Zorn, als wäre Mana der ärgste Feind in seinem Leben. „Ich will nichts beschwören, aber das schreit geradezu nach Desertion!“
    „Puru!“, ermahnte sie, zupfte an der Kette, sodass der Schmuckstein in ihre Hand schnappte, und verbarg diesen in der Faust. Dann schnippte der Zeigefinger hervor. „Wählt Eure Worte mit Bedacht.“
    Seine störrisch ansgespitzen Lippen waren Antwort genug. Sich nicht mehr zu äußern war zwar nicht nach ihrem Geschmack, aber immerhin besser, als ihr Gehör mit verbalen Ausflüchen zu beleidigen.
    „Bitte geht jetzt!“, entfleuchte aus trockener Kehle. Tefe sprang auf und wollte ihn hinausgeleiten. Die Oberste rief sie zu sich und wies sie an, Mana erneut hereinzubitten.
    Ein fliegender Wechsel. Er ging und sie kam.

    „Euer Entschluss steht fest?“
    Wie zuvor nickte sie.
    „Seid Ihr Euch über die Konsequenzen klar?“
    Konsequentes Nicken.
    „Wenn Ihr versagt oder vorhabt zu fliehen, werde ich Euch und Eurer Crew die Höchststrafe geben.“ Dann zeigte sie den gläsernen Speicherchip hervor. Und da wurde selbt Tefe immer kleiner auf ihrem Sitz, denn ihr wurde es auch schon mal angedroht. „Es wird unvergessen bleiben.“
    Und obwohl es sie zum Nachdenken hätte bringen sollen, blieb sie entschlossen wie zuvor und stimmte allem zu. Kaum etwas hätte Mana davon abbringen können, sich auf dieses Unterfangen einzulassen. In manchen Dingen vielleicht nicht mehr freiwillig, aber immer noch enthusiastisch.
    „Alle weiteren Dinge erfahrt Ihr zu späterer Stunde.“
    Somit war das kurze, abklärende Gespräch schon wieder beendet und ein erneuter fliegender Wechsel stand an. Sie ging und er kam.

    „Ich habe mich festgelegt. Mana wird den Auftrag übernehmen.“
    „Ihr begeht einen fatalen Fehler!“
    „Akzeptiert es!“
    Voller Arroganz begannen seine triefenden Lippen zu zucken und das Gurgeln im Kehlkopf ließ seine Worte verschwimmen: „Mit einem Kreuzer schafft sie es eh nicht.“
    Doch für die Allwissende blieben sie glasklar, was ihr das korrekte Antworten leicht machte. „Wer hat denn was von Kreuzer gesagt? Sie ist jetzt Flaggschiffkapitän.“

  • Hi Jade coole Story zunächst einmal, wobei diese sich ja im Gegensatz zu Helios Richtung Fantasy bewegt.
    Mir ist eine Lücke bzw. Unstimmigkeit in Deinem Worldbuilding aufgefallen, nämlich, dass Du in der Einführung schreibst, die Tashi wären ein kriegerisches Volk. Zwar merkt man, dass Militärs hoch im Ansehen der übrigen Bevölkerung stehen, jedoch fehlt mir etwas die Disziplin im Militär, die ja bei jeder ernsthaften Armee unabdinglich ist. Die Szene in der Mana die Befehle ihres Vorgesetzten verweigert meine ich hier nicht, schließlich sind sie ja beide Offiziere und es wäre ja noch vertretbar, dass diese die Entscheidungen kritisieren können. Ich meine die Unterhaltungen zwischen den Offizieren und der eigentlich gottgleichen Königin (beide scheinen ihr gegenüber recht respektlos aufzutreten, es sei denn Puru ist Teil ihres Generalstabs, den sie aber bei ihrer Erfahrung aber anscheinend nicht zu brauchen scheint), sowie das Gespräch von Mana mit einem ihrer Soldaten (Matrose oder ein anderes Wort, wie Astronaut fände ich hier besser, um zu betonen, dass es sich um die Flotte handelt).
    Bei dem letztgenannten Gespräch wage ich es zu bezweifeln, dass ein kriegerisches Volk, welches wahrscheinlich Soldaten schon von Anfang an hart drillt Platz für solche "Weicheier" bieten würde. Du kannst Dich auch gerne an der realen Geschichte orientieren, indem Du schaust, wie beispielsweise die Spartaner gelebt haben (nur mal ein Vorschlag).

    Was mir außerdem ein bisschen Bauchschmerzen bereitet ist die Bezeichnung "Flagschiffkapitän", ist Dir etwa Admiral zu unkompliziert? Mir persönlich hat das Wort immerwieder Probleme bereitet, weil ich fast immer Fregattenkapitän lesen wollte.

    Sonst aber wie gesagt coole Story und ich werde sie bestimmt weiterverfolgen ;)

  • Einen großen Dank an dich, @MieszkoVI, dass die Geschichte dir im Großen und Ganzen gefällt. Ich weiß, ich habe mir extremst viel Zeit gelassen, dir zu antworten und auch hier weiterzuschreiben, aber ich bin da etwas eigen und mache das am liebsten immer gleich zusammen (antworten und neuen Part reinstellen), weil ich das gerne sehr übersichtlich halten möchte und dann oftmals die Gefahr besteht, wenn man einen Part editiert, dass der nicht nochmal gelesen wird.
    Im Spoiler ein paar Dinge zu deinen Anmerkungen. Nach dem Spoiler dann direkt der neue Part.

    Spoiler anzeigen

    Mir ist eine Lücke bzw. Unstimmigkeit in Deinem Worldbuilding aufgefallen, nämlich, dass Du in der Einführung schreibst, die Tashi wären ein kriegerisches Volk. Zwar merkt man, dass Militärs hoch im Ansehen der übrigen Bevölkerung stehen, jedoch fehlt mir etwas die Disziplin im Militär, die ja bei jeder ernsthaften Armee unabdinglich ist

    So auch zwischen den rivalisierenden Parteien des eigensinnigen Volkes der Tashi, deren Engstirnigkeit allein durch deren Kampfeslust übertroffen werden kann, und den Hyru, welche trotz der Digitalisierung ihres Bewusstseins nicht an Individualität eingebüßt haben.

    Ich nehme an, du hast dich auf das von mir weiß markierte bezogen. Also das Wort "kriegerisch" habe ich natürlich nicht niedergeschrieben. Das klingt jetzt vermutlich nach Haarspalterei, aber ich will damit ausdrücken, dass die Tashi zwar gerne zu Kämpfen und Waffengewalt bereit sind, aber eher im Defensiven Fall und weniger in der Offensive. Sie beschützen lieber ihre Systeme und erobern ungern, wenn es mit ausartenden Schlachten zusammenhängen würde. Sie können sich keine totale Niederlage leisten. Dass die Flotte nun bei Oz (Anfangsszene) so extrem einstecken musste, hing dann eher mit Purus Überheblichkeit zusammen. Denn im Normalfall hätten die Tashi das auf längere Zeit gewonnen.

    Ich meine die Unterhaltungen zwischen den Offizieren und der eigentlich gottgleichen Königin (beide scheinen ihr gegenüber recht respektlos aufzutreten, es sei denn Puru ist Teil ihres Generalstabs, den sie aber bei ihrer Erfahrung aber anscheinend nicht zu brauchen scheint), sowie das Gespräch von Mana mit einem ihrer Soldaten (Matrose oder ein anderes Wort, wie Astronaut fände ich hier besser, um zu betonen, dass es sich um die Flotte handelt).
    Bei dem letztgenannten Gespräch wage ich es zu bezweifeln, dass ein kriegerisches Volk, welches wahrscheinlich Soldaten schon von Anfang an hart drillt Platz für solche "Weicheier" bieten würde.

    Wegen des weiß markierten Parts: Meintest du generell alle Szenen bei der Tashi'Ara oder vorrangig die Situation auf dem Bankett? Denn an sich wollte ich schon eine gewisse Abneigung der Militärs gegenüber der Allwissenden darstellen. Eben dass die Militärs ab und an nach ihrer Pfeife tanzen müssen, es ihnen aber nicht immer in den Kragen passt. Sie verstehen natürlich den Sinn und Zweck hinter der Allwissenden, aber fühlen sich manchmal stark eingeschränkt in ihrem Handeln. Wobei ich dir bei der Situation auf dem Bankett schon recht geben muss, die find ich auch nicht ganz gelungen. Da hätten sich die beiden Streitköpfe wirklich etwas mehr zurückhalten können.

    Zu dem gelb markierten: Bestimmt meinst du die Szene kurz nach der Anfangsschlacht auf ihrem Schiff, wo sich die Leute über die miserablen Zustände beschweren. Es ist ja nicht so, dass grundsätzlich Jeder voll am Austicken war. Eher waren das nur ein paar Quertreiber, zu denen sich halt ein paar anderen Tashi dazugesellt haben, um ihren Unmut, der sich schon unter Purus Fuchtel aufgestaut hat, loszuwerden. Und da Mana eine Frau ist und wie bekannt nicht Purus Liebling ist, hatten diese Soldaten eh schon einen kleinen Hass auf sie. Wer nur Torten und Braten gewöhnt ist, gibt sich mit Krümeln und Knochen nicht mehr zufrieden.

    Was mir außerdem ein bisschen Bauchschmerzen bereitet ist die Bezeichnung "Flagschiffkapitän", ist Dir etwa Admiral zu unkompliziert? Mir persönlich hat das Wort immerwieder Probleme bereitet, weil ich fast immer Fregattenkapitän lesen wollte.

    Wegen den Namen "Flaggschiffskapitän" und "Admiral" werde ich nochmal schauen. Es spricht tatsächlich nichts dagegen, dass die dann als Admirale angesprochen werden. :hmm: Vielleicht wird am Ende aus dem Flaggschiff auch eine ganz andere Bezeichnung. Die Geschichte ist (noch) kurz genug, um das noch schnell abändern zu können.

    Teil 14


    *

    In der Zwischenzeit auf der Dere hatte sich die Lage deutlich verschlechtert. Die letzten Tage waren sehr anstrengend gewesen. Niemand hätte gedacht, dass sie auch nur eine Stunde überleben würden, bei den massiven Schäden, die das Schiff erlitten hatte. Einige Sektoren waren starken Gravitationschwankungen ausgesetzt, andere wiederum mit giftigem Rauch überflutet. Ein Großteil der Waffen und Munition aus den Hauptlagern waren entweder bei Bränden detoniert oder wurden tonnenweise ins All geschleudert.
    Zugerümpelte Wege, lose Geländer und herabhängende Kabelbündel, die provisorisch mit Ketten und Gurten an den Stützstreben fixiert wurden. Die Mechaniker waren rund um die Uhr damit beschäftigt, die Wände mit zusätzlichen Stahlblechen und Nieten zu stabilisieren, um einem plötzlichen Hüllenbruch entgegenzuwirken.
    Obwohl von dem Schiff nur noch knapp die Hälfte übrig war, blieb der Energieverbrauch verhältnismäßig hoch. Sie waren gezwungen, drastische Energiesparmaßnahmen einzuleiten, was unter anderem auch die Drosselung der Heizungen bedeutete. Eisige zehn Grad Celsius herrschten nur noch. Das Schiff kühlte langsam aus.
    An den Wänden war bereits der Wasserdampf der Atemluft kondensiert, welcher normalerweise von den Luftentfeuchtern aufgefangen wurde. Ein ernsthaftes Problem, was schon für einige Kurzschlüsse und Frostschäden gesorgt hatte.
    Sogar in der Kombüse waren die Köche gezwungen, kaltes Essen zuzubereiten.
    Und selbst die Krankenstation war von den harten Erschütterungen nicht verschont geblieben und zählte nur mit zu den dreckigsten und verkeimtesten Räumen auf dem Schiff. Behandelt wurden die Verletzten daher in den Fluren und Sanitäranlagen. Nahrungsknappheit, überbelastete Luftfilter und temporäre Stromausfälle erschwerten zusätzlich die Bedinungen auf dem so schon völlig zerstörten Schiff.
    Untermauert wurden all diese Eindrücke von der ständigen Anspannung, nicht zu wissen, ob vielleicht doch der Feind eher als die eigene Unterstützung eintreffen würde. Ein Kampf im Kopf aller Tashi, der dem Wahnsinn von Stunde zu Stunde mehr Stärke verlieh.
    Sogar dem Kapitän, dem wohl kühnsten an Bord, brachte es langsam zum Rand der Verzweiflung. Es gab keine rosigen Aussichten auf irgendeine Rettung und er war sich sicher, dass bald ein weiterer Notfallplan anstand, um einen finalen Verzweiflungsakt anzuordern. Das bewusste Ermorden seiner Crew, um das Überleben der Natii länger zu gewährleisten.
    Zwar konnte man die Sensoren wieder in Gang bringen, aber großartig ändern tat es nichts. Unzählige Funksprüche wurden abgesetzt, aber bisher kam keine Antwort zurück. Weder von Lumo-Arc noch von irgendwoher.
    Bisher war es ihnen nur gelungen, einige der übrigen Waffen wieder in Betrieb zu nehmen. Aber ohne Antrieb und Steuerdüsen konnten sie die Hyru nicht ins Visiert nehmen. Zumal sie eh zu dicht dran waren.
    Aber am Ende würden die Hyru den Kampf gewinnen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Nahrung und Wasser komplett aufgebraucht sein würden und die Tashi sich wirklich entscheiden mussten, die Vorderungen der Hyru zu akzeptieren.

    Mit Handtuch um den Hals und perlenförmigen Kopfhörern eingesteckt lief er im Schnellritt durch die Gänge und lauschte der leisen basslastigen Musik. Er kam gerade vom Reaktorraum und war auf dem Weg zu seinem Quartier. Auch wenn er stets ein optimistisches Lächeln auf den Lippen hatte, trügte der Schein. Auf ihm lastete nicht nur die schwere Bürde eines Kommandeurs, sondern auch eines Motivators, durch positives Auftreten die Truppenmoral aufrechtzuerhalten. Ein starker innerer Konflikt, der ihm schlaflose Nächte bereitete und ihn unterbewusst gespaltener stimmte. Depression und Selbstzweifel fraßen sich allmählich durch seine steinernde Fassade und drohten, ihn immer mehr unzurechtnungsfähig zu machen.
    Und Sport und Musik halfen ihm nunmal, sich genügend abzulenken, um den emotionalen Druck abzubauen. Das kam nicht bei jedem gut an, aber seine Offiziere standen hinter ihm.
    Einige Korridore weiter kam Kele sein erster Offizier völlig erschöpft zu ihm und setze eine flüchtige Begrüßung hin.
    Dere verlangsamte seinen Gang und Kele passte sich zusätzlich seiner Geschwindigkeit an. „Wir haben gerade einen Soldaten tot in seinem Quartier aufgefunden. Offenbar Selbstmord.“
    Verbittert erstaunt schaute Dere ihn an. Mit vielem hätte er gerechnet, aber damit am wenigsten. Er schluckte die Gedanken herunter und fragte flüsternd: „Wieviele wissen bereits davon?“
    Kele hob die Schultern an und gab grübelnd eine unsichere Antwort: „Eine Hand voll vielleicht?“
    Dere nickte verstehend. In diesem Fall war eine vage Aussage akzeptabel, schließlich konnte man in so einer Situation nicht immer einen klaren Kopf behalten.
    „Sorgt dafür, dass es auch so bleibt. Ich kümmere mich später darum.“
    Kele nickte.
    Aber Dere merkte, dass da noch mehr war. „Sonst noch was? Hat sich inzwischen jemand gemeldet?“
    Dies wurde aber verneint.
    Dere glotzte ungläubig. „Wirklich niemand? Ignorieren die uns?“
    „Allen Anschein nach“, theoretisierte Kele und fügte an: „Offenbar scheinen auch keine Schiffe mehr Lumo-Arc zu verlassen.“
    „Seid Ihr Euch sicher?“
    Wieder ein verhaltenes Nicken. Vielmehr, als die wenigen einkommenden Daten, konnte er nicht anbieten.
    „Viel bedenklicher finde ich das hier.“ Er überreichte dem Kapitän seinen Kommunikator, auf dem stark überstrahlte Bilder von der Sternenbrücke zu sehen waren und deutete auf das Objekte zentral der Silberscheibe. „Wir informierten die Hyru darüber, aber sie stritten ab, dass es zu ihnen gehört.“
    Wie ein erstaunter Frosch glubschäugelte er darauf und runzelte hart die Stirn.
    Zu sehen war ein sehr breitgezogenes, rhombusförmiges Gebilde, das ungewöhnlich große Maße aufwies. Über vier Kilometer!
    Mit gewissen Bedenken tippte er darauf und fragte: „Ist das die geschätzte Größe?“
    Unfreiwillig bestätigte der Offizier, räumte aber gleich ein, dass die Messungen durch einige Faktoren stark ungenau sein konnten.
    Dies versuchte Dere auch zu berücksichtigen, aber dennoch meinte er: „Mir ist kein einziges Schiff von irgendeiner Spezies bekannt, das dieser Größe und Form entspricht.“
    „Ein neues Schiffsmodell vielleicht?“, fragte Kele erstaunt, woraufhin der Kapitän entgegnete: „Oder ein illegales Modell.“
    „Ich kümmere mich später darum“, sagte Dere mit lauer Stimme und drückte den Kommunikator wieder in die Hand seines Kammeraden. „Geht Ihr zum Reaktorraum und schaut nach dem Rechten.“
    Nach dieser kurzen Unterbrechung setzte er den Gang zu seinem Quartier fort. Zu gern hätte er auch noch vielen anderen Tashi auf dem Weg dorthin geholfen, aber er konnte die eine Sache nicht länger aufschieben.
    Kurz schaute er sich noch einmal um, um sich zu vergewissern, dass kein Notleidender in der Nähe war und ging dann hinein. Sein Blick musste nicht lange suchen, um seinen Besuch zu erspähen.
    „Seid Ihr also auch schon da?!“, kam es sofort schnippisch, ehe er auch nur die Tür geschlossen hatte. Es war Kara, die mit ihrem schwarz-grün-gestreiften Anzug lässig auf seinem Bett lag, die Tentakeln auf ihren Brustkorb drapiert und daran herumspielend. Ihr strenger Blick zum Bruder hätte mieser nicht sein können. „Ist denn endlich Hilfe eingetroffen?“
    Mit zuckendem Finger winkte er sie aus dem Bett, behielt dabei einen ebenso grimmigen Ausdruck bei. „Kara …“
    Augerollend schwang sie ihren grazielen Körper in eine sitzende Position, zog sich das Netzoberteil zurecht und hielt ihm provokant die geknickte Hand entgegen.
    Aber er machte keine Anstalten, diese zu ergreifen und stielte sie weiter böse an. „Ich habe zur Zeit Wichtigeres zutun, als ständig auf Euch aufzupassen, Schwester.“
    „Ich brauche keinen Aufpasser“, erwiderte sie bissig und erhob sich von selbst. Ihre Wade war noch leicht gereizt von der Verletzung und zuckte etwas, was ihr anfänglich einen unsicheren Stand bescherte. Nur auf Zehenspitzen konnte sie das Bein absetzen. Sie rückte ihre violette Brille zurecht.
    „Mein Auge ist aufmerksam genug“, sprach er und korrigierte seine ebenso. „Für Eure Langeweile ist hier weder die richtige Zeit noch der richtige Ort. Und tut nicht so, als wüsstet Ihr nicht, wovon ich spreche.“
    Sie verschrenkte bockig die Arme vor der Brust, kniff ihr Auge fest zusammen und schüttelte sich heftig, sodass ihr Tentakelstrang wie eine Peitsche umherschwang. Anschließend stieß sie ein grässlich kratziges Surren aus. Ein seltenes Phänomen, das bei sehr starker Unzufriedenheit auftreten konnte. Wer einen Tashi dabei erwischen sollte, konnte sich entweder sehr glücklich oder traurig schätzen. Es war quasi ein Hilferuf, der im Normalfall unbedingt erwidert werden sollte. Eine Tashi in solch einem Zustand war unzurechnungsfähiger als ein Stein.
    Aber ihr Bruder blieb konsequent und tat nichts. Er sah es nicht ein, sie zu trösten. Zumal bei ihr immer die Möglichkeit bestand, dass sie es absichtlich tat. Und bevor er ihr noch unbedacht in die Karten spielen würde, ließ er sie lieber wie einen Schlickwurm zappeln.
    Immerhin schrie sie nicht um sich. Das hätte ihm noch den letzten Nerv geraubt.

    Nach einigen Minuten der völligen Verausgabung war sie so erschöpft, dass sie beinahe das Gleichgewicht verlor und mit ihrem Arm schnell die rettende Tischkante suchte. Das nervöse Bein schleifte sie leicht hinter sich her.
    Erst jetzt zog Dere es in Erwägung, einen Schritt auf sie zuzugehen. Aber dieser Gedanke verpuffte schnell, als sie sich seufzend auf die Tischkante setzte und ihm störrisch den Rücken zuwandte.
    „Wisst Ihr überhaupt, was Ihr von mir verlangt? Als Erstgeborene der Tashi’Ara bin ich darauf gedrillt worden, immer und überall etwas zu lernen und ständig zu anderen Systemen reisen, um alle Eindrücke und Informationen wie ein Schwamm aufzusaugen. Ich kann nicht einfach nichts tun.“
    „Es ist aber zu gefährlich für Euch“, veräußerte er und versuchte, etwas Mitleid in seine Stimme zu legen. Seine Haltung wurde lockerer. „Ich kann es nicht verantworten, dass Ihr auf dem Schiff herumschleicht.“
    „Und wenn ich die ganze Zeit im Quartier bleibe, werd' ich verrückt!“ Gesagt, drehte sie sich um, fauchte ihn an und wischte sich im selben Moment den Speichel vom Mund. Die Wangen eingezogen züngelte sie: „Außerdem, wenn die mich sehen, wissen die, dass ich noch nicht tot bin.“
    „Wenn die Euch sehen“, konterte Dere mit langem Finger auf sie gerichtet: „werden sie zu sehr abgelenkt. Vorallem die Jüngeren.“
    Stark angewidert presste sie die Zunge in die Unterlippe und fuhr ihre Hand hart über den Hals. „Die wollen auch mal ein wenig Abwechslung haben.“
    „Wenn die Abwechslung haben wollen, dann gehen die schlafen“, brachte ihr Bruder angewidert entgegen und verstärkte es noch mit einem gepressten: „Allein!“
    Mochte die Oberste persönlich die Natii bestrafen für solche Gedanken.
    Entnervt rollte sie ihr Auge und wollte erneut das Wort ergreifen, aber Dere unterband das mit: „Also, bleibt Ihr nun im Quartier, oder soll ich Wachen aufstellen? Weibliche Wachen … Aber eigentlich ich hab' Euch nicht deswegen hergebeten. Ich soll Euch beschützen …“
    Plötzlich erschütterte das gesamte Schiff, gefolgt von einem lauten rasselnden Knall, der durch die Gänge ratterte und den Stahl zum Ächzen brachte. Schrauben und Nieten platzten heraus, LED-Lampen zerbarsten. Lose Stahlgitter erhoben sich, tänzelten über den Boden und fielen wieder hinab. Die Besatzung auf den Gängen stoplerte reihenweise über die eigenen Füße und fand sich kurz darauf kriechend am Boden wieder. An einigen Stellen lösten sich wieder die provisorisch befestigten Kabelstränge und hingen wie Lametta herab, zischend und fauchend vor Elektrizität.
    Auch Deres Zimmer traf die Erschütterung mit voller Wucht. Kara wurde regelrecht vom Tisch geworfen, ihr Bruder fiel mehr durch Zufall in ihre Richtung und fing ungelenk ihren Sturz mit umher schlackernden Armen ab. Sie fing an zu schreien, kreischte ihrem Gegenüber panisch ins Gesicht, spuckte und geiferte. Dere fauchte zurück, wollte sie davon abbringen, ihn weiter anzuschreien. Mit Armen, Beinen und Tentakeln zu einem Seemannsknoten verwickelt lagen sie beide am Boden und funkelten sich mit schmerzgeplagtem Auge an. Das, was Kara zuvor unterdrückt hatte, brach nun aus ihr heraus. Zusätzlich kam das Ziehen von ihrer vergangenen Wadenverletzung dazu und entlud sich in wilden Beschimpfungen und fäkalen Kraftausdrücken. Sie brüllte lauter und schiefer als die Alarmsirenen und der Knall zusammen. Ein Kreischen, so gepresst, dass man damit hätte Glas zertrümmern können.

  • Teil 15


    Irgendwann konnte Dere seine Hände befreien und presste sie sofort gegen ihren speichelverschmierten Mund. Ihr Heulen wurde gedämpft, aber blieb trotzdem unerträglich schrill. Mit gutem Zureden und sanften Worten versuchte er sie wieder zu beruhigen, merkte dabei an, dass es keine weiteren Erschütterungen gab. Was darauf schließen ließ, dass es nur ein einmaliges Ereignis war. Und tatsächlich war außer den Sirenen und vereinzelten Rufen, sowie übliche Maschinengeräusche nichts Ungewöhnliches zu hören.
    Seine Schwester fasste sich ihr Herz und versuchte, sich von ihm zu lösen. Das anfängliche Ziehen in der Wade verschlimmerte sich und wurde zu einem Krampf. Reflexartig krümmte sie sich und krallte ihre Finger in die Wade. Dann fiel ihr Blick auf die große Schürfwunde an ihrer Hand und sie realisierte, woher dieser brennende Schmerz kam. Weitere Schreie wurden aber diesmal unterdrückt.
    Dere holte seinen Kommunikator hervor und rief sofort auf der Brücke an. Es dauerte einen Moment, viel zu lange für seinen Geschmack, bevor man sich meldete.
    „War das bei uns?!“, forderte er harsch eine Antwort.
    „Scheint nicht so …“, kam unsicher zurück.
    „Findet heraus, was das war …“
    Kaum den Satz zuende gesprochen, wurde er auch schon von Kele kontaktiert. „Ist alles in Ordnung bei Euch?“
    Kurz schaute er zu seiner Schwester rüber, die sich hektisch ihr Bein massierte.
    „Kara hat sich wieder beruhigt, also scheint es ihr auch gut zu gehen …“
    Argwöhnisch grimmte sie ihn an. Er verdrehte höhnisch sein Auge.
    „Ich war nahe der Explosion. Soweit ich das beurteilen kann, war sie nicht auf unserem Schiff …“
    Und als hätte man's geahnt, wurde er schon wieder unterbrochen. Diesmal rief die Brücke zurück.
    Leicht angesäuert raunte er ein „Ja“ heraus.
    „Kapitän, das Epizentrum lag auf dem Hyru-Schiff. Offenbar waren es Gastanks.“
    Für ihn trotzdem keine Nachricht, die ihn zum Aufatmen brachte.
    „Beschädigungen? Verletzte?“
    „Ja …“, keuchte seine Schwester. „Ich bin verletzt …“
    Dere überhörte es gekonnt und missachtete ihr gespieltes Leiden.
    „Keine gravierenden Beschädigungen. Ein paar Leichtverletzte in unmittelbarer Nähe des Epizentrums.“
    Eine Sache, der Dere unbedingt mehr Aufmerksamkeit schenken musste. Aber dies ging schwer vom Boden aus. Und abgesehen von der Ungemütlichkeit wurde es auch langsam kalt dort unten. Genug Gründe, der Natii auf die Beine zu helfen sie zum Bett zu führen. Ihr Humpeln war schlimmer geworden und die große Schürfwunde an ihrer Hand blutete auch immer mehr. Aber für ihn war es keine Sache, wegen der man ein Theater mit dreißig Akten veranstalten müsste.
    Für ihn als Militär galten erst Verletzungen mit Gliedmaßenverlust als Grund zur Aufregung. Doch weil es seine Schwester war und dazu noch die Erstgeborene der Ehrwürdigen, musste er seine Messlatte stark herabsetzen und es ihr irgendwie recht zu machen.
    Er versprach ihr, sofort eine Handvoll Ärzte zu ihr zu schicken, die ihr jedes Wehwehchen kurieren sollten. Aber ihr waren seine Aufmunterungsversuche egal. Für sie war das alles wie ein Weltuntergang. Eine Tochter der Tashi'Ara, verletzt auf einem zertrümmerten Schiff, ziellos treibend im Weltall. Wieviel schlimmer konnte es noch werden? Für sie war es schon kurz vorm Abgrund, es fehlte nur noch ein kleiner Tritt und sie würde vor Hysterie in Ohnmacht fallen. Eine Sache, die Dere in gewisser Weise befürwortet hätte.
    Erneut wurde er von Kele kontaktiert.
    Aber dieses Mal wirkte er anders. Viel hektischer und angespannter. Er hatte große Schweißperlen auf Stirn und Wangen und seine Lippen zitterten wie elektrisiert. Unruhig hastete sein Auge umher und auch das Bild wackelte mit. „Kapitän, die Hyru planen irgendwas. Kommt schnell zum Kesselraum zwölf.“
    Dere war angefixt. Er spürte, dass sein erster Offizier es bitterernst meinte. Grundlos würde er nicht so aufgebracht sein. „Was genau planen sie?“
    „Schwer zu sagen.“ Ungewiss strich er sich über den Nacken. Die Ansicht schwenkte um zur Wand, die stark vibrierte. „Es sieht so aus, als wollen sie einen Durchgang fräsen.“
    „In unser Schiff?“, fragte er von Panik erfüllt bis in die Tentakelspitzen.
    Kele nickte.
    „Ich komme sofort!“, erwiderte er, beendete den Anruf und wandte sich augenblicklich Kara zu, die offensichtlich alles mitbekommen hatte, an ihrem entgleisten Gesichtszügen klar zu erkennen.
    „Ihr bleibt hier“, ermahnte er sie, bevor sie auch nur auf die Idee kam, mitzugehen. „Egal, was passiert, Ihr bleibt hier.“
    Ohne Widerwillen stimmte sie nickend zu und blieb hocken. Das war ihr dann doch zu abenteuerlich. Auch wenn ihre Mentalität es nicht erahnen ließ, sie machte sich große Sorgen um ihren Bruder.
    Bevor er wieder auf unwichtige Gedanken kam, kehrte er ihr den Rücken zu und verließ schnurstraks den Raum. Kaum machte er einen Schritt, legte einen Blick auf den Bereich vor sich, sah er bereits das Ausmaß der schweren Erschütterung. Zuerst trat er ins Leere unter sich. Dort, wo einst ein kiloschweres Eisengitter verschraubt war, offenbarte sich eine knietiefe Trittfurche bis runter auf die Heizungsrohre. Dies zog sich quer durch den Gang wie ein Flickenteppich. Einige Stahlpfeiler hatten sich deutlich verbogen, wodurch sich die Wände leicht verzogen hatten und einzelne Bleche kaum noch von den Nieten gehalten wurden. Ein meterlanger Abschnitt des Luftschachtes hatte sich in die Gangmitte verschoben und hing auch nur noch mit wenigen Schrauben am Deckengerüst.
    Auf dem Weg zu Kele rief er in der Krankenstation an und beorderte einen Arzt zu seinem Zimmer, bevor er anschließend die Brückenmannschaft kontaktierte und befahl, den Alarm auszulösen. Wenige Sekunden später heulten die Sirenen los.
    Sie gingen die wakelige Treppe hinab, deren Geländer seitlich abgeknickt war, um dann auf einem T-Pfeiler entlang zu balancieren, der quer über den offenen Boden lag.
    Ein reines Abenteuer, bei dem er immer mehr begrüßte, es Kara verboten zu haben, mitzukommen. Wenn sie nicht schon an der Treppe gescheitert wäre, bei dieser wackeligen Angelegenheit spätestens.
    Diesen Hindernisparkour bewältigt, bog er bei der nächsten Kreuzung ab und eilte zu einem der Waffenschränke, die dort in den Wänden versteckt waren, und öffnete diesen mittels Handscanner daneben. Die Schränke waren durch ein tashitypisches Symbol gekennzeichnet, da sie keine anderen Merkmale aufwiesen, um sie von der restlichen Wand unterscheiden zu können.
    Mit ihm nahmen sich auch noch andere Tashi ein Plasmagewehr und folgten dem Kapitän im Eilschritt zum Kesselraum.
    Auf halber Strecke wurde er abermals von der Brücke angerufen, mit erschreckenden Nachrichten.
    „Kapitän, offenbar bewirkte die Explosion der Gastanks, dass unser Schiff noch stärker in ihres gedrückt wurde und ihre Hülle sich in unsere schnitt. Dadurch entstand ein schmaler Schacht, durch den sie nun versuchen, in unser Schiff einzudringen.“
    „Wie groß ist der Schacht?“
    „Zu klein für die Hyru. Aber sie schneiden sich bereits einen größeren Weg frei.“
    Sofort beschleunigten sie ihre Schritte, gingen ins Rennen über und legten auf der langen Geraden einen kurzen Sprint hin. Zum Glück waren die Zerstörungen ab diesem Abschnitt überschaubar, vermutlich weil er weiter weg von der Erschütterung lag.

    Als er Minuten später angekommen war, waren die Anwesenden bereits damit beschäftigt, die Wand mit großen Stahlblechen zu verstärken. Eine Verzweiflungstaktik, um die Roboter so lang wie möglich aufzuhalten. Nebendran standen andere Soldaten mit Hochspannungskabeln und setzten die Wand zwischendurch unter Strom. Ob sie damit die Hyru tatsächlich aufhalten konnten, wussten sie nicht. Das markerschütternde Schlagen und Kratzen wurde stets lauter und ein leises Surren mischte sich dazu. Es klang tatsächlich wie ein großer Bohrer, der sich kontinuierlich durch den Stahl fräste.
    „Wie weit sind sie?“, traute sich Dere kaum zu fragen beim Anblick dieses chaotischen Haufens, der zu seiner Crew zählen sollte.
    Und Kele traute sich noch weniger, darauf zu antworten. Unerfreut strich er sich über den Hals und knirschte kleinlaut: „Nur noch dreißig Zentimeter.“
    „W-w-wie lang fräsen die schon?“, stammelte er erschüttert.
    „Erst seit zehn Minuten …“
    „Wie bitte?!“
    Sein erster Offizier hob unschludig die Hände und wich einen großen Schritt zurück. „W-wir haben Euch unverzüglich nach Bemerken informiert …“
    „Aber …“, Dere zeigte zur Wand: „das sind über zwei Meter gehärteter Stahl!“
    „Darum sind wir ja auch so verzweifelt.“
    Ein letztes Mal beäugte der das Geschehen, konnte sich aber auch nicht helfen, die Situation schnell zu retten. Wenn die Cri bereits so weit waren, dann halfen nur noch drastische Maßnahmen.
    „Das wird so nichts! Das ist Zeitverschwendung! Wir müssen den Raum aufgeben …“
    Die Brücke rief zurück. Ein sehr ungünstiger Moment, wie Dere fand.
    Erwartungsvoll waren die Blicke auf ihn gerichtet. Aber er musste die anderen noch kurz vertrösten. Kele nahm kurzerhand den Befehl wieder auf und dirigierte die Soldaten, während der Kommandant sich in eine ruhigere Ecke begab.
    „Wir haben neue Erkenntnisse von Lumo-Arc. Es scheinen Ych zu sein.“
    Er dachte zuerst, er hätte sich verhört und fragte sicherheitshalber nach, in der Hoffnung, dass er sich tatsächlich verhört hatte. „Die Ych? Seid ihr euch sicher? Was wollen dir hier?“
    Aber diese Fragen konnte man nicht klar beantworten. Eigentlich konnte man nichts weiter dazu sagen. Und eigentlich bedurfte es auch keiner weiteren Worte, wenn schon deren Namen so leichtfertig gefallen war. Mit dieser Spezies wollte sich man noch weniger anlegen. Dagegen waren selbst die Hyru-Cri erfreuliche Nachbarn.
    „Nehmt Kontakt mit den Hyru auf!“, befahl er unverzüglich, mit erster Priorität. „Ich will wissen, was die dazu meinen …“
    Das Kratzen war augenblicklich verschwunden, dafür wurde das Surren viel pregnanter. Mit diesem ging ein grelles Licht einher, gefolgt von bläulichvioletten Blitzen, die wie zuckende Flares umher peitschten. Schlagartig wurde die Luft versengt, lautes Knallen ertönte. Entsetzliche Schreie und technotronische Klänge.
    „Sie sind durchgebrochen!“
    Panisch versuchten sie den feindlichen Beschuss zu erwidern. Vergebens. Diesen hochtechnisierten Roboterwaffen, die rein aufs Töten ausgelegt waren, hatten die Tashi aktuell nichts entgegenzusetzen. Gegen Blitzgewehre und Schrapnellgeschosse in solch engen Räumen konnte man nichts ausrichten. Man konnte nur in direkten Nahkampf gehen oder fliehen.
    Zwei Maschinenwesen traten mit schweren Schritten aus dem Staub hervor, ihre Körper fast doppelt so groß wie der Schacht. Von der gebückten Haltung streckten sie sich in die Aufrechte. Die Metallgerippe mit mattgrauen Brustplatten beschlagen, überzogen von Maschendraht, und die angerosteten Eisenfratzen voller Zorn und Hass, mit den rotglühenden Augen. Der Schock zerfraß einen innerlich, beim Anblick dieser schauderhaften Gestalten aus dreckigem Metall und chaotischem Innenleben zerfledderter Kabelage. Eines grässlicher als das andere.
    Aber der dritte Hyru, der nach den beiden Riesen aus dem Schacht gekrochen kam, war noch bedrohlicher. Das grimmige Antlitz eines mit Nieten und Nägeln beschlagenen Gesichtes, das so abscheulich war, dass man sich am liebsten Das Auge ausgestochen hätte. Das, was man als Arme bezeichnet hätte, waren eher Antennen oder Zangen. Messerscharfen Klingen, die wie Scheren zuschnippten. Der halb offene Torso, im Innern ein Gemenge aus filigranen Zahnrädern und komplexer Hydraulik. Sechs spindeldürre Beine hatte dieses Ungetüm, es bewegte sich wie eine Spinne voran. Was es umso fürchterlicher machte.

    Alle anwesenden Tashi zielten auf diesen Hyru und feuerten mehrere Salven ab. Jedem anderen Angreifer hätte es den Lebenshauch mehrmals ausgetrieben. Aber diesem Ding schien es nichts auszumachen. Es drehte seinen Torso samt Kopf um und krabbelte nun rückwärts auf sie zu. Am Hinterkopf, was zuvor wie ein spitzer Dorn aussah, war ein kurzläufiges Gewehr, dessen Infrarotlinse zielgerichtet die Tashi anvisierte. Der Reihe nach wurden sie dann mit Kopfschüssen ausgeschaltet. Ein viel zu grausamer Anblick, wie die Tashi einzeln nach hinten umgeworfen wurden, teilweise mit halb zerfetztem Kopf, und das Blut meterweit verspritzt wurde.
    Schon nach dem ersten Opfer ergriff Dere die Flucht nach hinten. Er war nicht feige, aber wusste, wann ein Kampf nicht zu gewinnen war. Eigentlich wehrten die anwesenden Tashi sich nur, um den Kapitän zu schützen. Er wusste das zu schätzen, aber wollte nicht zulassen, dass sich seine Mannschaft kaltblütig ermorden ließ.
    „Gebt den Sektor auf!“ Einen nach dem anderen zerrte er seine Crew aus der Schusslinie. „Wir müssen uns zurückziehen!“
    Nun begriffen auch die anderen den Ernst der Lage, kamen zur Vernunft und entfernten sich vom Durchgang. Mit vereinten Kräften schoben sie die schwere Eisentür zu und stemmten sich dagegen. Mehrere Projektile prasselten dagegen, sowie auch der Hyru selbst davor rannte. Eilig begannen sie, die Tür zuzuschweißen.

    • Offizieller Beitrag

    Woa, habe ich hier massenhaft Teile ausgelassen. :rofl: Irgendwann mal gelesen, aber nicht kommentiert, nur um mich hier selbst zu verwirren und es mir unnötig schwer zu machen. :D

    So, dann haben wir nun also Mana, die sich auf den Weg machen soll, um Dere und seine Schwester zu retten. Wobei, wenn man es so sieht, hat sie sich der Sache ja ordentlich aufgedrängt, aber hey, es ist besser als am Dock zu arbeiten und Schiffe zu putzen und zu reparieren. xD
    Ich hoffe ja, dass sie sich etwas beeilt, immerhin scheint die Crew es gerade nicht so angenehm zu haben. Ich könnte mir jedenfalls besseres vorstellen, als mit einem Schrotthaufen durchs All zu suppen und angegriffen zu werden. Am Ende ist keiner mehr übrig, um gerettet zu werden. :rofl:
    Und Hut ab, mit diesem Puru werde ich einfach nicht warm. Er ist und bleibt mir ein mega unsympathischer Charakter. XD
    Dafür mag ich die Darstellung der obersten Tashi doch sehr gerne. Sie hat in den wenigen Teilen - wie ich finde - ordentlich Charaktertiefe bekommen, gefühlt sogar mehr als Mana. Ich mag ihre Gedanken und auch dass sie scheinbar immer auf "ruhig" machen muss, weil sie sich mit ihren langen Tentakeln nicht sonderlich bewegen kann. Aber mal ordentlich schreiben und wild herumzufuchteln, darf ja wohl drin sein. Finde ich gut. :D
    Mit dem königlichen Gespann werde ich auch noch nicht so recht warm. Aber vielleicht kommt das mit den folgenden Teilen noch. Bisher haben die beiden Handlungsstränge für mich noch nicht so recht zusammengehört. Durch Mana jetzt bekommen sie eine Verbindung, weil sie sich ja auf den Weg macht, um die Crew zu retten. Aber irgendwie ist das mit dem Krieg auf dem Planeten so "weit" entfernt zu dem, was gerade bei Dere abgeht. Die einen feiern ruhig ein Fest, während der Krieg ja scheinbar aktuell und präsent ist - was du ja mit dem Handlungsstrang von Dere verfolgst und zeigst. Ich sehe den roten Faden, weiß aber noch nicht welche Richtung er nimmt. Vielleicht liegt es nur daran, dass du zu mir meintest, dass die Geschichte nicht sonderlich lang werden wird. Deshalb mache ich mir vielleicht mehr Gedanken als nötig. Wir haben den Angriff vom Anfang, einige Szenen aus der Struktur und dem Leben der Tashi und den Angriff auf die Prinzessin und Dere. Ich kann noch nicht recht fassen, ob die Geschichte lediglich auf deren Rettung abzielt, ein anderes Ziel (Frauen können auch was) verfolgt oder der ganze Krieg näher beleuchtet wird. Ich sehe das (übergeordnete) Ziel nicht(, was es ja meistens in Geschichten gibt, damit man weiß, was die Chars antreibt und joar). Was nicht schlimm ist, meinem Hirn fällt es nur schwer, dem so zu folgen. Wie gesagt, vielleicht mache ich mir da schon zu viele Gedanken. :hmm: Dahingehend lasse ich mich mal mit den nächsten Teilen überraschen. ^^

    Ansonsten schaue ich mal, wie es hier weitergeht. Auch, wenn nicht immer sofort ein Kommi kommt, ich bleibe dran. ^^

    LG, Kyelia

  • Danke, @Kyelia, für deinen Kommentar und deine Anmerkungen/ Analysen. :alien: Es freut mich, dass es dir (weiterhin) gefällt und dir die Tashi'Ara auch so gut gefällt. Ich habe versucht, bei ihr besonders viel Charaktertiefe und Ausdrucksstärke einzubauen, da sie ja quasi diese Spezies repräsentiert. Dass dir Puru unsympatisch bleibt, war natürlich von mir beabsichtigt. Ich weiß auch noch nicht, ob ich ihn irgendwie auch beliebter machen kann. :hmm: Allerhöchstens, wenn ich näher seine Gefühle und sein Privatleben beleuchten würde. Aber das ist, finde ich, in dieser Geschichte zweitrangig.
    Ich weiß, die beiden Geschwister Kara und Dere wirken noch etwas unstimmig. Aber ich denke, besonders Kara werde ich noch mehr Charaktertiefe verleihen und sie etwas mehr ins Geschehen einbeziehen.
    Wegen des roten Fadens habe ich dir ja bereits gesagt, dass mir das immer sehr schwer fällt, wenn ich nicht sofort ein klares Ende vor Augen habe. Aber ich denke, der rote Faden ist hier mehr zu erkennen als bei Helios III. Ich werde die Geschichte erstmal komplett fertig schreiben und am Ende kann man ja noch mal hier und dort am roten Faden stricken, wenn's von Nöten ist.
    Ansonsten wünsche ich viel Spaß beim Weiterlesen. Auch wenn mir der letzte Abschnitt noch nicht so gut gefällt.

    Teil 16


    *

    Mit einer Standardflotte von acht Schiffen, davon ein Kreuzer und ein Flaggschiff, traten sie die Reise an. Für solch eine Mission eigentlich vollkommen übertrieben, aber wegen der Tatsache, dass es Manas erste Eigene war, doch angemessen. Noch anschließend auf dem Bankett hatte sie es kaum erwarten können, bald ihr eigenes Flaggschiff zu besitzen. Natürlich hatte sie es sich nicht nehmen lassen, zugleich ihre engsten Kollegen darüber zu informieren. Sono war geteilter Meinung, aber ließ sich nur die befürwortenden Gedanken anmerken. Einerseits freute er sich für sie über die Beförderung, anderseits befürchtete er, dass dadurch eine noch größere Kluft zwischen ihnen entstehen könnte. Eine Hürde, die für ihn bereits schwer genug war.
    Manas erster Höhepunkt nach der Verkündung der Ehrerweisung durch die Allwissende war zweifelsohne die Übergabe des Reisepasses für die Benutzung der Sternenbrücke. Wenige Stunden vor dem Abflug erhielt sie ihn persönlich von der Obersten überreicht, und wie ein Heiligtum hielt sie den gläsernen Stick in ihren Händen und bewunderte ihn kaum weniger als Deres Antlitz es verdient hätte. Wer diesen Reisepass erhielt, der hatte es quasi in die oberste Liga geschafft. Natürlich war er bisher auf zwei Durchquerungen begrenzt, mehr waren auch nicht nötig. Von den utopischen Preisen ganz abzusehen.
    Es war nur noch eine Stunde bis zum Eintreffen auf Dox. Und bis zur letzten Minute flogen die einzelnen Schiffe regelrecht blind und taub. Denn selbst bei so relativ naher Entfernung zueinander war auf Warp keine Kommunikation möglich, was eine Koordination schwer machte. Nur anhand von starken Signalverzögerungen und extrem langen Intervallen untereinander konnten und mussten sie das Timing bestimmen, damit die Flotte auch geschlossen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort aus dem Hyperraum springen würde. Auch wenn es für Mana durch hochkomplexe Systeme und geschultes Personal nach vielen Jahren schon zur Routine geworden war, durfte es jedoch niemals vernachlässigt werden. Ab und an kam es doch vor, dass Bordcomputer und Navigatoren sich verrechnet hatten und ein Schiff mehrere Millionen Kilometer vom Kurs abgekommen war. Peinlich, wenn dies auf ihrer ersten eigenen Mission ebenfalls passieren sollte.
    Auf der Mana wurden die letzten Vorbereitungen getroffen, um sich auf die Konferenzschaltung unmittelbar nach der Ankunft auf Dox einzustellen.
    Sono hatte allerhand zu tun, seine Vorgesetzte hatte ihm jede Menge Aufgaben erteilt. Einige missions- und andere ausbildungsbedingt. Er war auf dem Rundgang unmittelbar auf dem Weg zu ihrem Quartier zu einem letzten persönlichen Gespräch. Sie hatte es so verlangt vor einigen Stunden.
    Diese Zeit wollte sie wiederum nutzen, um etwas Schlaf zu bekommen. Aber sie war zu aufgeregt und lag stattdessen nachdenklich auf dem Bett und philosophierte still vor sich hin. Ihr quamlte der Kopf von den verrückten Szenarien, die sie sich zurechtsponn und den verworrenen Gedanken an vermeintlich belanglose Dinge. Ruhelos hastete ihr inneres Auge durch das Schiff, die engen Korridore und Räume, bis hinaus ins All, wo es sich in den Weiten des Kosmos verlor und nagende Fragen säte.
    Sono war angekommen und eigentlich hatte er noch massig Zeit, aber er wollte ungern warten. Er wusste auch nicht, was er noch machen sollte, ohne sich dann zu sehr abzulenken und eventuell sogar die Zeit zu verpassen. Bisher war Mana wegen solchen Situationen immer flexibel und nachsichtig gewesen. Aber da sie nun Kommandantin war, fühlte er sich unsicherer denn je. Mehr Verantwortung brachte in der Regel auch mehr Stress und weniger Freizeit mit sich.
    Ungern wollte er sie zu früh stören, aber ebenso nicht zu spät aufkreuzen. Vielleicht wartete sie auch schon ungeduldig auf ihn und wollte das Gespräch umso eher hinter sich bringen.
    Noch eh er sich länger darüber Gedanken machen wollte, schüttelte er die Zweifel von sich ab und schlich sich leise in ihr Zimmer. Doch als er es betreten hatte, machte er erstmal einen halben Schritt zurück und musste kurz schlucken. Seine Vorgesetzte lag auf dem Bett und starrte nachdenklich an die Decke. Ohne Fliegerbrille, Gürtel und Turnschuhe wirkte sie fast schon nackt. Ein Anblick, den Sono gern in anderer Angelegenheit genossen hätte. Er hätte nichts dagegen gehabt, hätte sie ihm angewiesen, sich dazuzusetzen, doch wusste er, dass dies niemals passieren würde. Und anständig wie er war, blieb er in aufrechter Haltung mitten im Raum stehen, den Blick starr geradeaus und die Arme mit Kommunikator hinter dem Rücken verschränkt. Sein Atem war wegen ihrer Schönheit spontan aus dem Takt geraten.
    Sie war weiterhin in Gedanken vertieft und bekam von seiner Beklommenheit nichts mit.
    Mit jeder weiteren Minute in dieser peinlichen Situation fragte er sich mehr, ob sie ihn immer noch nicht bemerkt hatte oder es ihr egal war. Ab und an kam ein seichtes Seufzen oder sanftes Rascheln, was ihn ungeduldig machte.
    Bis dann plötzlich ihre Stimme erklang. „Bin ich wirklich so unbeliebt?“
    Sie beugte sich langsam auf, schüttelte leicht die Tentakeln und zupfte ihrer Ärmel zurecht. Angespannt rieb sich über Hals und Nacken und begab sich in sitzende Position.
    „Was meint Ihr?“, fragte er verunsichert.
    „Ihr wisst schon“, meinte sie weiter und schlupfte mit ihren grazilen Füßen in die Schuhe. „Meine Flotte.“
    Er schwieg, erlaubte sich einen flüchtigen Blick auf sie. Nur geringschätzig suchte er eine passende Antwort.
    Die sie ihm kurz darauf selbst lieferte: „Bis auf Hala und Jizi sind alle wild zusammengewürfelt.“
    „Da-das hat nichts mit Euch zutun, das garantiere ich... Und Roro hatte doch selbst abgelehnt.“
    Mit zugekniffenem Auge linste sie zu ihm hoch, bevor sie die Brille anlegte.
    Er fühlte sich unter Druck gesetzt, seine Tentakeln begannen nervös zu zucken. „Also ich sehe das eher umgekehrt. Also dass er sich Euch freiwillig angeboten hat. Das zeigt mir, dass Ihr sehr beliebt seid ... Also im Vergleich zu manchem Veteran meine ich.“
    „Aber Luju?“, hinterfragte sie skeptisch und ging enttäuscht zum Tisch rüber. „Der musste nun wirklich nicht sein.“
    Obwohl der Offizier sich zu jedem Kapitän und jeder Mannschaft eingehend informiert hatte, gab ihm das auch zu denken. Trotzdem verpflichtete er sich, ihr Mut zuzusprechen. „Gebt ihm eine Chance. Er wird sich schon zurückhalten. Was soll schon passieren?“
    Schief schaute sie ihn an. Nicht sein Ernst, oder?
    Luju war einer der Jahrgangsbesten der Jungkapitäne. Er hatte sein Potential sehr früh erkannt, weshalb er seine taktischen und kämpferischen Fähigkeiten gut ausbauen konnte. Leider schwoll dabei sein Ego so stark an, dass er fast jeglichen Respekt gegenüber weniger Begabten und vor allem den Frauen verlor. Umso ironischer war es nun, dass er unter Manas Tentakeln kuschen sollte.

    „Wie auch immer“, sprach sie und schob die Gedanken an ihn beiseite. Sich darüber aufzuregen, war nicht förderlich für die anstehende Mission.
    Sono nahm ihre Aussage als Aufforderung wahr, sich ebenfalls an den Tisch zu setzen und platzierte seinen gläsernen Kommunikator mittig darauf. Er öffnete die Datei und ein Hologramm mit dem Bericht erschien darüber.
    „Der Statusbericht und meine Vorgehensweisen für alternative Szenarien. Ich hoffe, ich habe nichts vergessen.“
    Da das Hologramm nur für sie seitenrichtig war, konnte auch nur sie es problemlos lesen.

    Einige Minuten vergingen, sie überflog es mehr, als dass sie es las. Aber es reichte aus, dass sie sich einen ersten Eindruck davon machen konnte. „Grundsätzlich zufriedenstellend. Wobei ... Den Todesfall der Natii habt Ihr nicht angeführt.“
    Sonos Blick ging unsicher zu ihr. „Tatsächlich?“
    Sie verneinte kopfschüttelnd und begann zu schmunzeln.
    Verlegen strich er sich über den Hals. „Dann fand ich das offenbar am unwahrscheinlichsten, als dass es jemals eintreffen könnte.“
    „Ist nun auch nicht so wichtig“, merkte sie an, begann zu lächeln und schloss das Hologramm wieder. „Verhandeln müssen wir sowieso.“
    Dann reichte sie den Kommunikator zurück und erhob sich vom viel zu harten Stuhl, der ihr jetzt bereits leichte Schmerzen am Hintern verursachte. Sie hatte eindeutig zu wenig Sitzfleisch. Die Zeit war gekommen, zur Brücke zu gehen und sich auf die Ankunft vorzubereiten. Ungeduldig wartend einige Runden über den Laufsteg.
    Ein roter Signalton, ähnlich einem starken Kribbeln, kündigte zusammen mit einem leichten Ruckeln den Austritt aus dem Hyperraum an. Ein starker Lufthauch durchströmte das Schiff, hervorgerufen von minimalen Zeitverzögerungen. Die Stimmen und Bewegungen waren kurzzeitig verzerrt, wirkten abgekackt und flüchtig. Vollzählig und nahezu zeitgleich trafen Schiffe nur knapp außerhalb der Friedenszone im 2E-System ein. Viel weiter hätten sie nicht reisen dürfen, sonst wäre ein Gerichtsverfahren wegen Provokation nicht weitgewesen. In der Friedenszone einen Warpsprung auszuführen war verboten. Die Flotte wollte keinen Moment vergeuden und flog unverzüglich weiter zur Sternenbrücke. Das Flaggschiff funkte inzwischen die Schiffe an. Nach ein paar Minuten war es dann geglückt und alle Kapitäne waren zur Videokonferenz hinzugeschaltet worden.

  • Kleine Info

    Im Weltenbauthread [-ECLIPSE-DATEN-FAKTEN-TECHNIK-] sind Bilder zu den jeweiligen Ych-Schiffen.

    Teil 17


    „Hala und Jizi, schön euch zu sehen.“
    Stolz grüßten sie rassentypisch zurück.
    Manas Blick schwenkte zur oberen, rechten Ecke der Bildwand, um ihrem guten Bekannten ein fröhliches Lächeln zuzuwerfen. „Ein großes Danke noch an Roro und seine Crew. Euer Kreuzer wird die Hyru ordentlich aufmischten.“
    Er lächelte ebenso fröhlich zurück. „Alles nur Metallschrott!“
    So sehr sie es vermieden hätte, aber auch die weniger beliebten Kapitäne mussten begrüßt werden. “An die anderen: Die Gründe, warum ihr mit mir auf dieser Mission seid, sind trivial. Ich verlange ebenso wie jeder andere Kommandeur Gehorsamkeit und Disziplin! Nur ist mein Toleranzbereich etwas größer.“
    Sie legte eine kurze Pause ein, niemand äußerte sich dazu. Für sie Grund genug, fortzufahren.
    „Zur Mission an sich: Auch wenn sie einigen von euch zu langweilig erscheint“, ihr Blick ging zu Luju: „für mich ist sie aufregend genug. Also macht es mir nicht unnötig schwer mit eurer Leichtsinnigkeit.“
    Inzwischen waren die Latacai kontaktiert worden, die Verbindung war bereits in der Warteschleife. Sie ging noch schnell die Missionsabfolge durch und beendete die Konferenz, um anknüpfend das Gespräch mit der Raumstation zu beginnen.
    In einem kleinen, hell erleuchteten Raum saßen zwei dieser gelbgrünhäutigen, glitschig schimmernden Wesen, mit schlanker Statur und enorm hochgewachsen vor ihren Bedienpulten und tippten munter auf den Displays umher. Überall blinkte es und summte. Es wirkte steril, aber doch einladend. Nicht so dreckig und schetterich wie auf einem Raumschiff. Die beiden Latacai wirkten nicht so, als hätten sie mitgekriegt, dass die Übertragung bereits begonnen hatte. Völlig abgelenkt und kaum den Bildschirm beachtend.
    Es lag wohl an der Flottenführerin, das Gespräch zu beginnen. „Ich, Mana, grüße euch und euer Volk. Wir kommen im Auftrag der Tashi'Ara und …“
    „Geht es um die Fregatte, die letztens Kurs nach Mila nahm?“, fiel ihr unerwartet der eine Latacai ins Wort. Was die Kommandantin sauer aufstoßen ließ. Aber sie blieb noch ruhig, wusste sie doch, dass jene Spezies zu schneller Arroganz neigte.
    Sie beließ es bei einem leichten Nicken. „In gewisser Weise schon. Ich bin mir sicher, ihr wisst bereits …“
    „Die Dere.“
    spitzte sie ihre Lippen und „Exakt … Wir bitten um Freigabe zur Passierung der Sternenbrücke.“
    „Deine Bitte ist vernommen.“
    „Wir werden das Geld sofort überweisen.“
    Das Stichwort für Sono, der sofort den Geldtransfer durchführte.
    Sie wandte sich mit einem saloppen Spruch wieder zurück an die Station: „Ich hoffe doch, wir sind nicht umsonst angereist.“
    Sie schauten sich gegenseitig an,
    und schwenkten wieder zur Tashi um. „Das können wir nicht beurteilen.“
    Stutzig fragte sie nach: „Aber die Dere ist noch existent, oder?“
    Und wieder schauten sie sich an, um danach wieder zu Mana zurückzublicken. „Absolut!“
    Bisher hatte sie nur wenig mit diesen Wesen zu tun gehabt, aber verstand allmählich die Vorurteile gegenüber dieser. Etwas vorlaut, schnippisch und immer nur aufs Geld fixiert.
    Ein kurzer Blick zum ersten Offizier rüber, aber dieser war noch voll beschäftigt mit dem Transfer. Keine Ahnung, wie lang so etwas dauern sollte. Und auch wenn die Zeit drängte, auf ein paar Minuten mehr kam es auch nicht an. Trotzdem war es ihr etwas peinlich.
    Sie versuchte, sie in Gespräche zu verwickeln. „Ich habe bemerkt, dass ihr den Preis für Rhanid erheblich angehoben habt. Gibt es einen Grund dafür?“
    Auch wenn es teilweise in ihrem Interesse lag, es zu erfahren, wirklich wichtig war es ihr nicht.
    Erwartet knapp viel auch die Antwort aus. „Zur Zeit ist wenig Güterverkehr.“
    „Die Hyru?“, versuchte sie die beiden aus der Reserve zu locken.
    „Nur geringfügig.“ Deren Pokerface blieb unverändert. „Andere Umstände, die wir nicht weiter erläutern wollen.“
    Wieder schaute die junge Tashi zu ihrem Kameraden rüber, aber von ihm kam keine Reaktion. Also musste sie sich erneut an die Latacai wenden und das zähe Gespräch weiterführen.
    „Gibt es sonst irgendwelche wichtigen Nachrichten? Irgendwelche Forschungsmissionen in Planung …?“
    Es erklang ein lautes Räuspern auf der Tribüne neben ihr. Es war Sono. „Kapitän, ich habe hier ein Problem.“
    „Inwiefern?“ Noch ohne seine Antwort abzuwarten ging sie zu ihm ans Bedienpult.
    Er tippte wild auf den Tasten und Eingabefeldern rum, aber nichts passierte. „Ist Euer Konto eventuell gesperrt oder das Passwort falsch?“
    Mana verstand nicht, was genau er von ihr wollte, denn beides war so wie immer. Dennoch versuchte sie es auch nochmal, vielleicht hatte er sich ja beim Passwort vertippt. Aber auch nach mehrmaligem Versuchen wollte die Station die Überweisung nicht durchführen.
    Verwirrt und sehr misstrauisch schaute Mana vom Pult auf und direkt zu den Latacai hinüber. „Warum blockiert ihr den Geldtransfer?“
    Im leicht aggressiven Ton antworteten beide: „Wir können euch nicht passieren lassen!“
    „Wie bitte?“, hakte Mana angesäuert nach und richtete drohend den Finger auf sie. „Ich hoffe für euch, ich habe mich verhört!“
    „Nein hast du nicht“, kam nur arrogant zurück, während sich der eine Latacai bereits aus dem Bild schlich. „Wir können es nicht verantworten, euch die Reise gewähren zu lassen.“
    Dann wurde die Videoübertragung abrupt beendet, was die junge Kommandantin spontan aus der Fassung brachte. Den Tashi so frech zu kommen und dann nicht mal bereit sein, ordentliche Argumente vorzulegen. Das galt unter der tentakeligen Edelrasse als schweres Vergehen, das nur mit gleicher Ignoranz beglichen werden konnte.
    „Wir reisen los!“, brüllte sie. „Erstes Schiff losschicken! Die Latacai und deren Bürokratie können mich heute nicht aufhalten!“
    Die Anweisung wurde ausgeführt und die erste Fregatte setzte sich wieder in Bewegung Richtung Ereignishorizont.
    Nur eine Minute später, das Schiff war nur noch drei Schiffslängen entfernt, wurde Mana plötzlich wieder von den Latacai per Bildübertragung kontaktiert. Und als sie den Anruf abermals entgegennahm, wirkten die Gesichter der Gelbhäuter extremst angespannt. Aufgewühlt schauten sie sich panisch um, atmeten hektisch und legten große Verzweiflung in ihre Stimmen: „Ruf bitte euer Schiff zurück.“
    „Nein! Wir müssen eine dringende Mission erfüllen! Wir müssen passieren!“
    „Kapitän, zwei unbekannte Schiffe entdeckt!“
    „Was? Wo?“ Aufgeschreckt wich ihr Blick weg von der Sternenbrücke und Richtung offenem Weltraum, doch sie konnte keine typische Bewegung sehen. „Position bitte!“
    Und eigentlich hätte sie sich bereits denken können, dass die atypische Konstruktion, die sie vorhin am Horizont gesichtet hatte, eben doch nicht von den Latacai stammen konnte. Schnell zeichneten sich vertraute Merkmale für gepanzerte Kriegsschiffe ab, die in Manas Gedächtnis aber keiner Rasse zugeordnet werden konnten. Auch, als sie den Bildausschnitt um ein Vielfaches vergrößerte, konnte sie mit diesen gigantischen Objekten nichts anfangen.
    „Diese Bautypen sind mir unbekannt!“ Leicht in Panik versetzt zeigte sie starr darauf und keifte die Latacai wütend an. „Was treibt ihr hier für Spielchen?! Was sind das für Schiffe?! Warum wurden wir darüber nicht informiert?!“
    Die glitschigen Gelbhäuter hüllten sich in Schweigen und wirkten fast schon eingeschüchtert. Kaum verwunderlich bei Manas cholerischer Stimmfarbe.
    Sono warf zögerlich einen Gedanken ein: „Kapitän, ich spekuliere auf Ych.“
    Und als sie dieses Wort hörte, gingen bei ihr sämtliche Alarmsirenen an. Da kam sogar ihr der Angstschweiß aus dem Hals gequollen. Umso mehr wollte sie die Bestätigung der Latacai dafür haben.
    „Ist das wahr, was mein erster Offizier sagt?! Antwortet!“
    „Es ist wahr“, bestätigten sie kleinlaut. „Es sind Ych.“
    Unverzüglich beendete sie das Gespräch und fokussierte das Bild auf die Fregatte.
    „Ruft die Fregatte zurück! Sie soll wieder umkehren!“
    „Unsere Funksignale werden gestört“, wurde ihr mit leidvollem Schnaufen mitgeteilt. Auch auf abermaligem Versuchen brachte man ihr nur verzweifeltes Kopfschütteln entgegen. „Wir können sie nicht erreichen...“
    Und so geschah es, dass die Fregatte den Ereignishorizont passierte und kurz darauf auf der anderen Seite der Galaxis von den bereits lauernden Ych durch das voll aufgeladene Hauptgeschütz des Kanonenboots in Empfang genommen wurde. Ein mit Antimaterie beladener Torpedo, der mit halber Lichtgeschwindigkeit abgefeuert wurde, jegliche Panzerung durchschlug und im Innern des Schiffes einen Gammablitz freiließ. Dieses wurde dabei unweigerlich zu Staub zermahlen.
    Die Besatzung war bereits atomisiert, bevor auch nur ein Gehirn die Information hätte verarbeiten können.
    Ein gewaltiger Schwall an hochkonzentrierter Strahlung und Metallstaub traf auf den Ereignishorizont und entwich wie ein feiner Nebel auf der anderen Seite.
    Mana war entsetzt! Sie wusste zwar nicht, was genau passiert war, aber sie wusste, dass diese Tashi einen vermeidbaren Tod erlitten hatten. Etwas, das sie sich niemals verzeihen konnte.
    Aber andererseits war ihr bewusst, dass Trauer und Schuldzuweisungen niemandem helfen würden. Der bisher nur schleichende Krieg schwappte nun offenbar auch über ihre Grenzen hinweg.
    Schlecht nur, dass sie nicht darauf vorbereitet waren, sonst hätte die Tashi'Ara eine ganze Armada an Kriegsschiffen losgeschickt.
    Doch an Rückkehr war für Mana vorerst nicht zu denken. Eine weitere Verzögerung von mehreren Tagen hätte ein garantiertes Ende für Dere und seine Crew bedeutet. Zumal die Ych auch schon auf den Riecher gekommen sein konnten, dass sich bei Lumo-Arc ein wertvolles Druckmittel befand. Und die Hyru-Cri nicht zu vergessen. Zwei mächtige Feinde und keinen weiteren Verbündeten in der Nähe.
    Manas Karten standen äußerst schlecht. Umso energischer suchte sie nach pfiffigen Tricks, ihre offene Hand in ein halbwegs gutes Blatt zu verwandeln.
    Weder wusste sie, wie stark die Ych tatsächlich waren noch welche Taktiken sie anwenden würden. So sehr sie auch den kriegerischen Erstkontakt mit ihnen hätte vermeiden wollen, so sehr wusste sie aber auch, dass nur ein Kampf wichtige Erfahrungen bringen würde.
    Über Bildkonferenz übermittelte sie vollster Überzeugung ihre Befehle an alle Kapitäne. „Richtet alle Waffen auf das längliche Schiff! Der Antrieb bietet eine große Angriffsfläche!“
    Die erste Salve wurde losgeschickt, wies aber auf diese Entfernung eine zu große Streuung auf, weshalb die Projektile meilenweit am Ziel vorbeisausten.
    Dem Ych-Kreuzer war das Grund genug, aus dem Kurs auszubrechen und den schwer gepanzerten Hammerkopf wie einen Rammbock auf die Tashiflotte zu richten.
    „Was haben die vor?“, grübelte Mana mit fixiertem Blick auf gemeintes Objekt. „Das ist Selbstmord.“
    Unermüdlich feuerten die Tashi schwere Salven und Raketen ab, doch die Frontpanzerung war zu stark.
    „Kapitän, unsere Waffen scheinen keine Wirkung auf sie zu haben“, äußerte Sono bestürzt.
    „Unsinn!“ Die junge Tashi wollte das nicht akzeptieren. „Niemand kann so einem Beschuss standhalten!“
    Aber die Ych schienen sie eines besseren zu belehren und rasten weiterhin unbeeindruckt auf sie zu.
    „Zielt auf das andere Schiff!“, befahl sie nun von leichter Panik überrumpelt. Aber das erwies sich schwerer als gedacht. Der Ych-Kreuzer schob sich absichtlich in die Schussbahn. Der Verseucher musste um jeden Preis intakt bleiben!

  • Teil 18


    „Ausbrechen! Ausbrechen!“
    Auf allen verfügbaren Kanälen wurde Manas Befehl übermittelt und unverzüglich zündeten alle Schiffe ihren Antrieb und drifteten auseinander. Manas Schiff hatte es am schwierigsten, war sie schließlich umkreist von den Fregatten, die etwas träge waren.
    Doch für eine Fregatte kam die Anweisung zu spät. Mit voller Wucht krachte das Heck auf die geschmiedeten Stahlplatten und wurde dabei weggerissen.
    Das Ungetüm schlitterte ungebremst hindurch und ließ die Tashischiffe fast schon wie Spielzeuge wirken.
    Manas Gedanken sprangen durch unzählige Szenarien, aber alle mit einem ähnlichen Ausgang. Unvermeidbare Kollision mit dem metallenen Monstrum.
    Aber das wollte sie nicht mehr akzeptieren! Nicht, nachdem sie bereits ein Schiff in den Tod geschickt hatte.
    Mit vollem Schub flohen sie vor dem immer näher kommenden schweren Kreuzer, dessen stählerner Frontschild nur darauf wartete, sich in ihren Antrieb zu rammen.
    Der Jäger und seine Beute.
    „Feuert weiter auf das andere Schiff!“, eine letzte Durchsage an die gesamte Flotte, bevor sie die Videokonferenz vorläufig beendete und sich nur noch ihrer eigenen Crew widmete.

    Fast die halbe LED-Wand war vom sie verfolgenden Stahlriesen eingenommen und versperrte die Sicht komplett auf den Stern, wodurch sich ein diffuser Lichtkranz am Rand abzeichnete, während sie selbst im Vollschatten waren.
    Inständig hoffend, dass der hochgerüstete Tashiantrieb leistungsstärker war als die gigantischen Booster des feindlichen Schiffes, versuchte Mana ein waghalsiges Manöver, das sie bisher nur von Purus Glanzzeiten her kannte. Dabei steckte sie vollstes Vertrauen in ihre Leute, die dabei mit Abstand die schwerste Arbeit hatten.
    „Passt unsere beiden Geschwindigkeiten an und verringert dann den Abstand zueinander, bis unser Schubstrahl deren Panzerung trifft!“
    „Ich habe große Bedenken dabei“, streute Sono ein.
    „Zur Kenntnis genommen. Befehl ausführen! Grillt sie!“
    Und tatsächlich schien der gehärtete Stahl unter der Dauerbefeuerung des Schubstrahls weicher zu werden. Das sonst matte Grau verschob sich langsam ins schwimmende Orange.
    Aber die Ych machten keine Anstalten, langsamer zu werden oder abzudrehen. Im Gegenteil, sie beschleunigten sogar! Sie meinten es offensichtlich ernst und feuerten nun auch noch mit den Railguns nach ihnen, auch wenn es nur Sperrfeuer um sie herum war.
    Mana begrüßte diese Geste und erwiderte sie sofort, nur war ihr Ziel zentraler gelegen. Ebenso war es ihr egal, dass jene Geschütze eigentlich nur für Langstrecken gedacht waren.
    Für das kleine Flaggschiff war die Situation äußerst brenzlich. Immer wenn die Ych den Kurs leicht änderten, musste auch die Mana den Kurs neu anpassen. Einmal reagierten sie nur einen Augenblick zu spät und der Bug kassierte einen heftigen Treffer, der das Schiff in leichtes Schlackern versetzte.
    Für die Crew ein Höllentrip, für Mana fast schon ein Vergnügen.

    Unterdessen nahmen die anderen Schiffe wieder Position und versuchten den Verseucher aus sicherer Distanz aufzuhalten. Eine Verfolgung wurde schließlich nicht angeordnet. Solange sie nicht wussten, was dieses verkrüppelte Gebilde ihnen entgegenzusetzen hatte, wollten sie ohne ihre Kommandantin keinen Selbstversuch wagen.
    Als sie dann mehr durch Zufall einige Treffer erzielten, beschädigten sie dabei einen der Haupttanks, woraufhin Unmengen an hochtoxischem Gas ausströmten. Wie der Schweif eines Kometen verschleierte diese Wolke die Sicht auf das Schiff, doch verriet er zugleich ihre Position.

    Die Mana hatte es geschafft. Die Panzerung war durchbrochen und ein großes Loch klaffte inmitten der Front, das immer weiter wuchs. Stahlträger, Getriebeeinheiten und ganze Räume brachen heraus und rutschten in den geschmolzenen Schlot. Vereinzelt waren Ych zu sehen, die erstaunlicherweise der enormen Hitze und den Dauerexplosionen gut standhalten konnten. Sie wirkten im Verhältnis fast schon robuster als ihr Schiff.
    Und langsam wurde auch ihnen bewusst, dass sie diesen Zweikampf nicht gewinnen würden.
    Nun entpuppte sich die Beute allmählich als Jäger und der anfängliche Jäger blutete langsam aus.
    Auf dieser langen Strecke waren sie tatsächlich einen großen Bogen geflogen und kurz davor, den Sichtkontakt zur Flotte zu verlieren. Und just in diesem Moment ließen sich die Ych zurückfallen und drehten schnell ab.
    Jubelschreie hallten durch die Gänge und ließen kurzzeitig die wenigen Verluste aus den Erinnerungen verschwinden.
    Bis die Ych ein Warp-Fenster öffneten und binnen Sekunden verschwanden.
    Erst jetzt realisierten sie, dass die Ych sie ausgetrickst hatten.
    Dennoch, die Kommandantin legte es als quasi Sieg aus. Oder zumindest nicht als Niederlage.
    Aber der Stolz hielt sich in Grenzen, als sie sofort kehrt machten und kaum später eine Nachricht der Flotte erhielten. Denn auch der Verseucher war entkommen und allein die kleine Gaswolke gab einen Hinweis auf das etwaige Reiseziel.
    Unverzüglich rief sie wieder eine Konferenzschaltung mit den anderen Schiffen ein, um ihre neuen Befehle durchzugeben. Alle waren aufgewühlt und fühlten sich auf ihre Tentakeln getreten. Keiner wollte die Schuld bei sich selbst suchen, vielmehr wurde die Kommandantin von einigen stark im Stich gelassen und sogar verbal beleidigt. Mana versuchte es zu überhören und konzentrierte sich mehr auf Roros und Halas Stimmen, die weniger negativ und mehr analytisch ausfielen. Für Luju war es ein gefundenes Fressen, es Mana ordentlich in den Rachen zu schieben, wie sehr er sie verachtete. Eine unfähigere Tashi hätte er sich nicht vorstellen können. Lieber wäre er mit seiner Fregatte als erstes durch den Ereignishorizont gereist, um diese Schmach unter ihrer Peitsche nicht mehr ertragen zu müssen.
    Irgendwann wurde es dann auch Roro zu viel und er sprang für sie in die Schusslinie. „Wenn ich kurz einhaken darf Luju?! Es war eines meiner Fregatten, das wir verloren haben! Und ich akzeptiere diesen Verlust! Ich selbst hätte vermutlich ähnlich gehandelt. Kommandantin Mana hat nichts Falsches getan.“
    Hala stimmte ihm kopfnickend zu. „Lasst uns wieder zum Wesentlichen zurückkehren. Die Situation hat sich geändert, also müssen auch neue Vorgehensweisen gefunden werden.“
    Sie übergab das Wort wieder an die Befehlshaberin.
    Und diese hatte bereits einen Plan. „Roro, Ihr und Eure Fregatten erkundet die Umgebung der Station und ermittelt, ob es noch mehr Ych gibt. Die Zoto soll nach Mila heimkehren, sobald es ihr möglich ist, und Unterstützung anfordern!“
    Sono hatte schwere Bedenken dabei, ihre Flotte nur wegen eines Verdachtes aufzulösen und fühlte sich in der Pflicht, sie in der Konferenz zu unterbrechen und seinen Einwand vorzutragen. „Kapitän, wir wissen nicht genau, wohin die Ych geflohen sind. Vielleicht wollen sie gar nicht nach Mila.“
    „Ich auch nicht“, gab sie offen zu und nahm zähneknirschend ihre Fliegerbrille ab, um ihrem tränenden Auge etwas Entspannung zu verschaffen. Während sie mit gesenktem Kopf das beschlagene Glas putzte, sprach sie gleichgültig weiter: „Aber Quue ist sicher und die Ych würden keine fünf Minuten im Orbit überstehen.“
    Der daraufhin folgende Blick zu ihrem Besten bedeutete ihm, ihr nicht zu widersprechen. Vielmehr fügte er sich und die genannten Kapitäne führten ihren Befehl aus.
    Anschließend ordnete Mana eine kurze Pause an, um allen die Möglichkeit zu geben, die Befehle auszuführen und sich auf die neue Situation vorzubereiten.
    Sie setzte sich derweilen nochmal mit den Latacai in Verbindung, um so viele Informationen wie möglich über die Ych zu erhalten. Und überraschenderweise waren sie nun deutlich redseliger.
    „Eure Schiffe werden in Lumo-Arc vom Kanonenboot sofort vernichtet.“
    „Augenzeugen? Was kann das Ding?“
    „Soweit wir das beurteilen können, ist es unbesiegbar.“
    „Pah!“, spuckte Mana empört. Unbesiegbarkeit? Ein Begriff, der sowohl bei Tashi als auch bei Latacai stark abweichende Bedeutung hatte. „Nichts ist unbesiegbar! Alles hat irgendeine Schwachstelle!“
    „Gut, wir nehmen an, dass sie die anderen Waffensysteme abschalten müssen, um die Hauptwaffe zu laden.“
    „Gibt es ein Zeitfenster? Wie lange dauert dieses Aufladen?“
    „Vierhundert Sekunden“, kam die sehr präzise Angabe, von deren Wahrheitsgehalt Mana wiederum überzeugt war.
    „Das sind keine sieben Minuten“, merkte Sono zweifelnd an, was ironischerweise die Kernaussage der Latacai unterstützte. Für die Gelbhäuter fiel solch ein Schiff mit derartiger Technologie, die alle anderen Rassen alt aussehen ließ, in die verbotene Kategorie.

    Einige Minuten später und um viele Erkenntnisse reicher zogen sich beide stillschweigend in Manas Quartier zurück, um sich einen Schlachtplan auszudenken, der über einen stupiden Angriffsbefehl hinausging. In einer Sache waren sie sich sofort einig: Die Zeit ausharren und auf Hilfe hoffen konnten sie nicht. Dafür waren die zu rettenden Personen zu wichtig und die Feinde zu aggressiv.
    „Nur drei Schiffe?“, presste Sono empört die Frage aus, die er schon die ganze Zeit über unterdrücken musste. „Und deswegen ziehen wir unsere Tentakeln ein?“
    „Bisher haben wir es nicht mal geschafft, auch nur eines zu zerstören!“, brummte Mana gekränkt und setzte sich unter tiefem Schnaufen aufs Bett. „Und wenn die alle so groß sind, wie die beiden vorhin, sehe ich keinen Lichtschweif am Firmament.“
    Er stand weiterhin mit verschränkten Armen bei der Tür und riskierte nur flüchtigen Augenkontakt mit ihr. Gedankenlos flutschte ihm aus Reflex folgender Satz heraus: „Das klingt ganz so, als wolltet Ihr aufgeben.“
    Schlagartig riss sie sich wieder hoch, setzte ein finsteres Gesicht auf und stampfte wie ein Dampfkessel schnaufend auf ihn zu und drängte ihn bis an die Tür. „Ich fasse das mal als Sarkasmus auf, ja?!“
    Er nickte nur kleinlaut.
    Harsch schwenkte sie wieder um und klatschte ihm dabei unbedacht die Tentakeln ins Gesicht. Sofort fühlte sie sich mies deswegen, aber zeigen wollte sie das nicht. Der Zeitpunkt war zu ungünstig für Zärtlichkeiten. Drum konzentrierte sie sich wieder auf das Wesentliche und ging nochmal die wichtigsten Informationen durch. „Beide Parteien haben einen entscheidenden Nachteil. Wir wissen beide nicht, was auf der jeweils anderen Seite vor sich geht …“
    „Aber die haben den Vorteil, dass sie einkommende Schiffe sofort vernichten können.“
    „Nur alle sieben Minuten“, merkte sie besonders betonend an, um die Lächerlichkeit dahinter nochmals hervorzuheben. „Ich glaube nicht, dass die lange zögern werden mit dem Einsatz.“
    Nachdenkliches Schweigen.
    Sie fing an zu rechen, grübeln und zu spekulieren. Auch Sono versuchte sich darin, aber fand keinen richtigen Ansatz, wie er vorgehen sollte.
    Dann, nach gefühlt einer Ewigkeit, fuhr sie um und streckte die Finger entgegen, mit denen sie grob den Plan vorspielte. „Wir machen es so: Wir schicken eine leere Fregatte durch und spekulieren auf deren sofortigen Erstschlag. Zwanzig Sekunden später schicken wir die restlichen Fregatten durch, dann den Kreuzer und wir spätestens nach einer Minute.“
    Für den Offizier klang dies allemal besser als gar nichts und auch sonst sehr durchdacht. Einvernehmlich nickte er. „Dann bleiben uns noch knapp fünfeinhalb Minuten bis zum nächsten Einsatz.“
    „Und wir wissen beide, dass wir das Ziel sein werden.“

  • Teil 19

    Zurück auf der Brücke informierten sie die anderen Schiffe über den Plan und koordinierten gemeinsam den Ablauf. Sie wählten das eh schon halb zerstörte Schiff als köder und bereiteten alles vor. Autopilot, Geschwindigkeitsregler, Kurskorrekturen und vieles mehr. Anschließend verfrachteten sie die gesamte Mannschaft bis auf den Kapitän mit auf die Mana. Sie bot als einziges Schiff noch genügend Mehrplatz und sollte ohnehin am meisten geschützt werden.
    Alle Schiffe gingen in Startaufstellung und gaben nochmal jedes für sich die Reihenfolge durch, in der sie den Ereignishorizont durchqueren sollten. Die gesamte Gefolgschaft war hochgradig angespannt. Dann setzte die fast leere Fregatte den Kurs und kurz vorm Passieren wurde auch noch der letzte Tashi von Bord geholt.

    Nun war die Zeit gekommen, es gab kein Zurück mehr. Jetzt mussten sie ihren Plan weiter durchführen und in ein Gefecht ziehen, deren Ausgang noch weniger als unbestimmt war. Zu gern hätte die frischgebackene Kommandantin die ganze Sache abgeblasen, aber nun einen Rückzieher zu machen, war in vielerlei Hinsicht nicht gut. Sie würde viel Autorität einbüßen, vermutlich sogar einen Großteil ihres Freundeskreis verlieren, Tashi'Aras Zorn auf sich ziehen, Puru in die Karten spielen aber vorallem Dere im Stich lassen.
    Das Schiff verschwand in der silbrigen Oberfläche und tauchte kurz darauf in Lumo-Arc wieder auf. Wie erhofft setzten die Ych sofort ihre Superwaffe ein. Die fehlende Besatzung realisierten sie dabei nicht.

    Manas Plan wurde ausgeführt. Alle hielten den Atem an und hofften innig, beim Eintreffen in Lumo-Arc doch nicht sofort vom Feindfeuer in Empfang genommen zu werden. Vor allem Mana hatte schwer zu kämpfen, ihre Nerven zu behalten. Zu viel Spekulation für sie. Zu viel Verantwortung für den ersten Einsatz als Flottenkommandantin.
    Unter dauerhafter Anspannung verfolgte sie die Bildwand, jeder einzelne Befehl wich flüsternd aus ihren zittrigen Lippen. Und keine Rückmeldung zu erhalten, verschlechterte ihre Laune zusätzlich. Nur Sono bewahrte genug Kühle in seiner Stimme, ihre Worte autoritärer an die anderen Kapitäne weiterzutragen.
    Nun entschied es sich. Die Zeit war gekommen, dass auch sie die Sternenbrücke durchquerten. Kaum wurden sie vom silbrigen Ereignishorizont verschluckt, verließen sie ihn auch schon wieder. Abgesehen davon, dass stets die Gefahr der sofortigen Vernichtung im Raum stand, hatte Mana trotzdem nur wenige Augenblicke Zeit, die neue Situation zu analysieren und richtig zu interpretieren.
    Der erwartete Beschuss durch den Feind war vorhanden und nicht zu knapp. Doch als die Tashi das Feuer erwiderten, wehrte sich das Kanonenboot als Einziges nicht. Stattdessen wandten sie dieselbe Taktik wie zuvor an.
    Mana erkannte dieses Muster sofort wieder. „Wie ich es vermutet habe, der Kreuzer soll erneut als Kugelfang dienen! Zielt alle auf das Trägerschiff, solange es nicht hinter dem Kanonenboot verschwunden ist!“
    „Kapitän, die Superwaffe!“
    Ohne diesen Hinweis hätte sie ihren ersten Befehl stehengelassen und vermutlich einen gravierenden Fehler begangen. Sofort revidierte sie diesen und gab neue Anweisungen. „Aufteilen! Eine Fregatte mit uns und Roro nach Westen.“
    Die Mana und ihre letzte Begleitfregatte Hala drifteten schnell Richtung Äquatorosten ab, während die anderen beiden, Jizi und Luju, einen direkten Angriff starteten. Deren Panzerung war dick genug, um dem brutalen Sperrfeuer des Feindes standzuhalten. Sie begannen das gigantische Kanonenboot in engen Schleifen von wenigen hundert Metern Abstand zu umfliegen und es mit gezielten Treffern auf zuvor ausgewählte Sektoren zu beschießen. Bei jeder Umrundung platzierten sie einige Bomben um die Front, dicht genug, dass die Ych selbst sie nicht beschießen würden. Die Bomben explodierten von selbst aber auch nicht, sondern dienten der Mana zur Verstärkung der Durchschlagskraft.
    Schon nach wenigen Minuten war das Flaggschiff weit genug abgedriftet, um eine freie Schussbahn auf die eingegraute Stahlhülle des Bootes zu haben.
    „Jetzt oder nie!“, schrie die von Wut elektrisierte Tashifrau und hielt sich mit beiden Händen am Geländer fest, denn sogleich begann der schwere Beschuss mit den Railguns. Ein dumpfes Dröhnen ratterte durch das Schiff, während dieses sich leicht rotierend immer weiter gen Osten bewegte. Wie im Tunnelblick fixierte sie ihre Sicht auf das kleine Bildschirmfeld, das als Ziel markiert war. Kaum zu glauben, dass dieser Sektor mehrere Hektar groß war.
    Die ersten Versuche, die Bomben aus sicherer Distanz durch gezielte Treffer zum Explodieren zu bringen, scheiterten. Was an sich nicht weiter schlimm war, da sie ohnehin das Boot trafen.
    Doch nach der zweiten Salve wurden die Geschütze genauer, durch die Wucht der Massentreiberprojektile hatten die Detonationn eine viel größere Wirkung. Und tatsächlich gelang es ihnen, zumindest etwas Schaden am vordersten Oberflügel anzurichten. Aus den kleinen Explosionen gingen Sekundärexplosionen hervor, die sich rasch zum Unterflügel ausbreiteten.
    Für die Besatzung der Mana ein erleichterndes Gefühl, bereits jetzt einen ersten Hoffnungsschimmer zu verspüren. Und jeder weitere Treffer gab ihnen noch mehr Bestätigung, aus diesem Kampf mit einem kleinen Sieg hervorzugehen.
    Mana wollte kurzen Kontakt mit Jizi und Luju aufnehmen, aber irgendwie konnten sie keine gute Verbindung herstellen. Etwas merkwürdig, denn zwischen ihrem Schiff und der Hala herrschte durchweg Funkkontakt. Sie vermutete, dass eines der Ych-Schiffe ebenso wie die Tashi Störanlagen besaß, um die Kommunikation der Feinde zu erschweren. Etwas, was die Tashi ohnehin auch einsetzten, aber gegen die Ych schien diese Taktik nicht hilfreich zu sein. Was es für die einäugigen Aliens bedeuten würde, quasi mit den eigenen Kampftaktiken konfrontiert zu werden, stand in den Sternen.
    Die vermeintlich schweren Schäden an der Außenhülle des Kanonenboots waren tatsächlich aber insgesamt nur ein Kratzen an der Oberfläche. Jedoch wollten die Ych nichts riskieren und so schob sich der schwere Kreuzer wieder dazwischen, um abermals dem wichtigsten Schiff die Sicherheit zu bieten, um sich auf das eigentliche Ziel zu konzentrieren. Die Superwaffe, so mächtig und klobig sie auch aussah, war am Ende doch eine sehr empfindliche Konstruktion, die unter keinen Umständen leichtfertig geopfert werden sollte. Da waren den Ych offenbar sogar die anderen Großkampfschiffe weniger wert. Nur vereinzelte Abwehrgeschütze waren aktiviert, denn es bedarf einen Großteil der Energie, um die Hauptwaffe in Betrieb zu halten. Und die Zeit bis zum nächsten Einsatz wurde immer knapper.
    Durch deren ungeheure Größe nahmen sie so viel Platz ein, dass ein weiterer Parabolflug der beiden Tashi-Fregatten unterbunden wurde und sie quasi gezwungen waren, ihre Route zu ändern, um nicht ständig ins Kreuzfeuer beider Schiffe zu geraten. Natürlich kein Problem für diese, im Vergleich zu den Ych-Schiffen, wendigen kleinen Flitzer, aber trotzdem ein Manöver, das sie bevorzugt nicht getan hätten. Unweigerlich mussten die Tashi zugeben, dass in diesem Raumkampf die Größe sehrwohl etwas zu sagen hatte. Selbst die gesamte Flotte unter Manas Befehl war zusammen gerade mal so groß wie das kleinste Schiff der Ych. Und so ähnlich verhielt es sich auch mit der Kampfkraft. Obgleich die Tashi eindeutig einen Vorteil auf große Distanz hatten.
    Der schwere Kreuzer positionierte sich im rechten Winkel und war so in der Lage, ein paar der besonders großem Kaliber in Manas Richtung abzufeuern, die zwar sehr präzise waren, aber auch verhältnismäßig langsam. Nichtdestotrotz musste das Flaggschiff diesen tonnenschweren Projektilen ständig ausweichen, denn schon ein Treffer hätte mühelos die Hülle durchschlagen können. Dazu mussten sie andauernd ihre Geschwindigkeit und Flugbahn abändern, um dem Feind keine präzisen Vorhersagen machen zu lassen. Und die zwanzig Sekunden Flugzeit waren dabei sehr hilfreich. In diesem Fall war es von Vorteil, ein deutlich wendigeres Schiff zu besitzen. Selbst die Raketen, die staffelweise losgeschickt wurden, waren für die Hala kein Problem. Ganz auf die Abwehr konzentriert missten sie kein einziges Objekt und konnten sogar soweit gehen, dass sie manche Raketen schon kurz nach dem Verlassen der Rampen mit Lasern ausschalten konnten.
    Bisher konnten also die Tashi mehr austeilen und ihre kleinen Stärken besser ausspielen.

    Inzwischen auf der anderen Seite des Schlachtfeldes war Roro damit beschäftigt, sich dem feindlichen Kreuzer von hinten zu nähern und wollte den Antrieb ins Visier nehmen. Da kam plötzlich das Trägerschiff dazu und benutzte ihre Defensivsysteme und Jägerdrohnen, um einen Großteil des Bombardements zu neutralisieren. Mit hochenergetischen Abwehrlasern und mehreren Tonnen Gestein, das in den leeren Raum geschleudert wurde, wurde die kinetische Energie der Railgungeschosse stark genug absorbiert, um den Aufprall ausreichend abzumindern. Die Jägedrohnen waren zusätzlich noch mit Streukanonen ausgestattet, deren Wirkungsweise gigantischen Schrotflinten gleichkam. Teilweise schienen die Drohnen sich sogar selbst zu opfern, um die beiden Großkampfschiffe bestmöglich zu beschützen. Dass die Ych so leichtfertig mit ihren Jägern umgingen, irritierte Roro und seine Crew so sehr, dass sie fast schon Mitleid mit den Piloten hatten.
    Aber in der Realität waren diese Vehikel unbemannt, gar nur Maschinen, deren einziger Zweck es war, sich Massenweise ins Gefecht zu stürzen. Denn sie waren so konzipiert, dass sie im Falle einer Zerstörung kleine Splitterbomben verteilten und großflächigen Schaden anrichteten.
    Dem in die Jahre gekommenen Tashi war dieses Feuerwerk ein Fest fürs Auge, wusste er schließlich, dass er selbst keine Verluste davontragen würde.
    So sehr ihm aber auch eine Schlacht generell gegen den Strich ging, so sehr erfreute er sich an diesem Spektakel und konnte es sich nicht entgehen lassen, ein paar Schnappschüsse der Kriegskulisse zu machen. Von jeder seiner Schlachten hatte er ein paar Fotos gemacht, allein schon der anschließenden Analyse halber.
    Seine spontane Euphorie verflog jedoch genauso schnell, wie sie aufgekeimt war. Denn allen Bemühungen zum Trotz, dieses nahezu wehrlose Ungetüm in die Knie zu zwingen, schien es den Kampf allmählich für sich zu gewinnen. Anstatt, dass die Drohnen weiterhin die Projektile abfangen sollten, nahmen sie eher direkten Kurs auf die Roro und Vereinzelte durchbrachen sogar den Mindestabstand von 20 km, um ebenfalls die abwehrenden Streukanonen zum Einschreiten zu zwingen, was das eigentliche Bombardement erheblich abschwächte.
    Der Kapitän sach sich in der Pflicht, schnell eine aggressivere Vorgehensweise anzustreben und befahl, den Beschuss auf den Träger einzustellen. Er brauchte mehr Energie für den Antrieb
    Er hatte vor, ein neues Manöver auszutesten, das er bisher nur von Manas Theorien kannte.
    Das Aktivieren beider Antriebsdüsen, um quasi zum Bug hin mit brennender Lunte und zum Heck hin mit flammendem Schub durch den Raum zu fliegen. Wie eine übergroße Sturmfackel, die beidseitig eine Feuerfontäne spuckte. Die effektive Schubkraft war dabei zwar gedrosselt, aber ausreichend groß, um den Träger immer noch einzuholen. Die Drohnen trauten sich nun nicht mehr an das Schiff heran, ohne ein Verglühen im Schubstrahl zu riskieren. Im Endeffekt zwar eine starke Belastung für den Antrieb, aber dafür wurde viel Munition eingespart, die man ungern an solcherlei Asselschmeiß verpulvern wollte.
    Sofort zogen sich die Ych-Jäger zurück und steuerten nun auf die Luju zu, die das Kanonenboot umkreiste.
    Roro war sich bewusst, dass es seine Aufgabe war, dies zu verhindern und ließ die Schubkraft neu verteilen. Mehr zum Heck und weniger zum Bug. Der Träger zog noch kilometerweit eine Geröllbarriere hinter sich her und verwehrte dem Verfolger einen direkten Kurs. Im engen Bogen umflogen sie mit rasch ansteigender Geschwindigkeit den löchrigen Gesteinsteppich und gaben zur erstbesten Möglichkeit gezielte Blockadeschüsse auf den Bereich vor dem Träger ab, um diesen vom gewünschten Kurs abzubringen.
    Nun richteten sich auch einige Heckgeschütze des schweren Kreuzers nach ihnen aus und versuchten ebenfalls die Roro mit Sperrfeuer zur Kursänderung zu bringen.
    Das Kanonenboot, das ohnehin wie eine Begrenzungsmauer wirkte, hielt sich weiterhin zurück und fraß mit Freuden die Einschläge und Erschütterungen, als wären es nur sanfte Regentropfen auf heißes Blech.
    Roro versuchte seine neue Vorgesetzte zu kontaktieren, aber er hatte auch Probleme, eine gute Übertragung durchzuführen. Funkstörungen, obwohl sogar Sichtkontakt bestand. Roros gleichsamer Gedanke, dass eines der Ych-Schiffe Breitbandstörsender einsetzte, schien also Manas und Halas Anmerkungen zu bestätigen.
    Etwas, wodurch sich die tentakeligen Wesen aber nicht aus der Ruhe bringen lassen sollten. Dann wurde eben stumm gekämpft.
    Die Drohnen waren auf direkten Kollissionskurs. Sie flitzten nur weniger Meter über dem Deck des Kanonenboots und wurden regelrecht eins mit der Umgebung. Ihre optische Tarnung war perfekt, völlig grau in grau. Die Luju hatte sie zwar noch bemerkt, aber bei so hohen Geschwindigkeiten und mit halbem Auge blind war es nahezu unmöglich, auszuweichen.
    Als würde man mit Schrot frontal auf eine fliegende Rakete schießen, potenzierte sich die Aufprallenergie und perforierte allmählich die dicke Panzerung des kleinen Zigarrenförmigen Objektes. Da half selbst das rotierende Sperrfeuer nichts mehr, um den drohenden Tod abzuwenden. Den unpräzisen Waffen der Großkampfschiffe konnten sie widerstehen, aber gegen zusätzlich tausende kleine Nadelstiche waren sie machtlos.

    • Offizieller Beitrag

    Stolz grüßten sie rassentypisch zurück.

    Bedeutet? Ich habs vergessen :rofl:

    Mana war entsetzt!

    Das will ich auch hoffen. Immerhin ist gerade ein Teil ihrer Leute gestorben. Naja, immerhin haben sie es nicht bemerkt und waren schon tot, bevor das Hirn schalten konnte :pardon:

    „Wir machen es so: Wir schicken eine leere Fregatte durch und spekulieren auf deren sofortigen Erstschlag. Zwanzig Sekunden später schicken wir die restlichen Fregatten durch, dann den Kreuzer und wir spätestens nach einer Minute.“

    Also irgendwie klingt das für mich so absolut überhaupt nicht durchdacht und eher wie ein Verzweiflungsakt. 8| Der Gegner müsste auf solche ähnlichen Szenarien ja vorbereitet sein. Was ist, wenn nicht nur ein Schiff auf der anderen Seite mit dieser Waffe wartet, sondern zwei. Dann feuert das eine und dann das andere :hmm:

    Ansonsten bin ich dann auch mal wieder aktuell und bin mal gespannt, ob die aus dem Chaos wieder rauskommen. Kling ja, als hätte sich Mana mit ihrer Truppe ordentlich in die Nesseln gehockt. :D Aber immerhin hatte sie kurz Zeit sich über ihre Beförderung zu freuen. Sehr kurz. Erstaunlich finde ich es, dass sie Unterstützung von jemandem bekommt, der sie offensichtlich nicht leiden kann und der sich auch noch freiwillig gemeldet hat, um sie dann zu beleidigen und ihr Vorwürfe zu machen? :hmm:

    Ansonsten gute Teile. Du beschreibst die Szenen sehr ausführlich und auch die Kampfszenen sind sehr detailreich. Was ich auch in der Regel immer super finde. :thumbsup: Allerdings ist manchmal weniger auch mehr. Denn dadurch liest es sich stellenweise unglaublich trocken und langatmig. Ich weiß, dass es zu deinem Stil gehört, es ist Sci-Fi, aber irgendwie fehlt mir an manchen Stellen einfach das "Beiläufige". Weil man hat die Tiefgründigkeit zur Technik, aber bei den Charakteren fehlt sie teilweise. :hmm: Dadurch fällt es mir stellenweise ziemlich schwer, mich in die Charaktere und die Situation hineinzuversetzen. :hmm:

    Ich bin aber dennoch neugierig, wie es weitergeht :)

    LG, Kyelia



    Wenn es ein Buch gibt, das du wirklich lesen willst, aber das noch nicht geschrieben wurde, dann musst du es selbst schreiben.
    - Toni Morrison -