Es gibt 42 Antworten in diesem Thema, welches 11.255 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (25. August 2020 um 09:19) ist von Stadtnymphe.

  • Der erste Satz

    Vom ersten Satz hängt alles ab oder zumindest von den ersten Sätzen. Wird der Leser das Buch interessant finden und es mit nach Hause nehmen?
    Der erste Satz muss sitzen. Er sollte neugierig machen auf die Geschichte. Fragen aufwerfen, die danach drängen beantwortet zu werden, oder einen Konflikt andeuten. Manchmal führt er bereit sein Stück-weit in die Welt ein oder stellt den Protagonisten vor.

    Ich habe mal ohne große Auswahl in mein Bücherregal gegriffen und mir erste Sätze angeschaut. Der Hintergrund ist natürlich, dass ich meine ersten Sätze optimieren möchte.
    Was haltet ihr von ersten Sätzen? Ist euch ein erster Satz in Erinnerung geblieben? Habt ihr auch gelungene oder weniger gelungene Beispiele für erste Sätze?

    Von ihrem Tod erfuhr ich durch einen Freund am Telefon.
    Wilde Schafsjagd
    Haruki Murakami
    : Grandioser Einstieg. Man hat gleich mehrere Fragen
    Wer ist da gestorben? Stand der Erzähler der Toten nahe? Warum erfährt er es von einem Freund.

    Es friert, außerordentliche 18 Grad Celsius, und es schneit. In der Sprache, die nicht mehr meine ist, heißt der Schnee qanik …
    Fräulein Smilas Gespür für Schnee
    Peter Hoeg
    : Hier ist der erste Satz allein eher unscheinbar. Aber dann wird es gut.
    Warum ist das nicht mehr ihre Sprache. Was ist das für eine Sprache?

    John Franklin war schon zehn Jahre alt und immer noch so langsam, dass er keinen Ball fangen konnte.
    Die Entdeckung der Langsamkeit
    Sten Nadolny
    : Der Prota wir direkt mit einer Eigenschaft eingeführt.
    Man fragt sich: Was wird aus dem langsamen Jungen? Dies ist das Thema des Buches!

    Maxim öffnete spaltbreit die Luke, lehnte sich hinaus und blickte zaghaft nach oben. Der Himmel hing hier tief und erschien sonderbar fest…
    Die bewohnte Insel
    Strugatzki
    : Unspektakulärer Anfang
    Immerhin, man fragt sich, an welchem seltsamen Ort er wohl ist. Da er zaghaft blickt, und die Luke nur einen spaltbreit öffnet, scheint der Prota verunsichert. Warum ist er das?

    In der letzten Woche vor ihrem Abflug nach Arrakis, als die allgemeine Aufregung nicht nur zu einem Höhepunkt, sondern beinahe zu einer Unerträglichkeit geworden war, empfing die Mutter des Knaben Paul den Besuch einer Greisin.
    Der Wüstenplanet
    Frank Herbert
    : Gefällt mir richtig gut!
    Was ist Arrakis? Warum sind alle Aufgeregt? Was für ein Aufbruch, eine Reise? Wer ist die Greisin? Was will sie? Wer ist Paul?

    Ich wohne in der Villa Borghese. Hier ist nirgendwo eine Spur von Schmutz; kein Stuhl, der nicht an seinem Platz steht. Wir sind hier ganz allein und wie Tote.
    Wendekreis des Krebses
    Henry Miller
    : Der erste Satz sagt nicht viel, aber dann.
    Ein einsamer trostloser Ort und sie sind wie Tote. Das macht schon mal gute Laune!

    Als erstes ist da der Geruch von Blut und Kaffee.
    Tschick
    Wolfgang Herrndorf
    : Muss ich dazu etwas sagen?
    Da will man natürlich weiterlesen!

    Nennt mich Ismael!
    Wer kennt das Buch zu diesem Satz?

  • Interessanter thread der hier aufgemacht @Sensenbach
    (hat das mit der @ Verlinkung geklappt? Habe noch nicht ganz raus wie das funktioniert hihi)

    Ich muss gestehen mein erster Satz zu meiner Geschichte steht noch nicht mal, weil ich mich genau damit wirklich schwer tue. Ich will natürlich erreichen, daß der Leser sich dann auch weiterhin für meine Geschichte interessiert. Er soll neugierig machen, ein bisschen was verraten aber nicht zu viel und soll den Leser von Anfang an fesseln.

    Ich habe mal ein Buch angefangen, vor Jahren, das so komisch angefangen hat und auch weiter so ging, das ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Buch weg legen musste. Leider weiß ich nicht mehr wie der Titel war aber der Satz lautete so :
    Mit einem letzten Atemzug, fielen sarinas Augen für immer zu. Nach Jahren des Kampfes gegen den Krebs, starb sie nun im beiseien ihrer Familie.
    Dansch ging es irgendwie darum, daß sie sich in einen Vampir verwandelt hat. Keine Ahnung wer sie ist, wo sie ist, oder wer das aus sie gemacht hat. Ich finde der erste Satz fängt gut an aber6direkt im zweiten wird schon erklärt warum sie Tod ist, was meine Neugierde schon abgeschwächt hat. Ich habe um die 150 Seiten ca. Gelesen und ständig wurden neue Fragen aufgeworfen, die aber bis dahin nicht beantwortet wurden. Ich hatte so viele Fragen im Kopf das ich der Handlung schon nicht mehr wirklich folgen konnte und es auch einfach kein Spaß mehr gemacht hat. Ich finde das man zwischendurch auch die Fragen beantworten können muss und wenn sie nur zum Teil beantwortet werden. Aber den Leser so lange hin halten und einfach nicht mal ne Kleinigkeit aufdecken geht gar nicht.

    Ich habe eben auch mal mein lieblings Buch raus gesucht um dort den ersten Satz nochmal zu lesen.
    Das Buch ist von Amanda Bouchet und heißt Tochter der Götter.
    Der erste bzw. Die ersten Sätze lauten wie folgt :
    Ich zupfe an meiner scharlachroten Tunika, um den leichten leinenstoff von meiner Haut zu lösen. Das heiße südsintanische Klima ist nicht direkt mein schlimmster Albtraum, aber es steht auf der Liste ziemlich weit oben. Zusammen mit dicker Schminke auf dem Gesicht, Lederhosen und kniehohen Stiefeln.

    Eige ntlich nichts wirklich besonderes. Außer das man sich fragt was genau das südsintanische Klima ist und in was für einem Land oder auch Zeit man gelandet ist. Trotzdem habe ich das Buch verschlungen.

    Aber wie schreibt man den perfekten ersten Satz, gibt es ihn überhaupt? Sehr guter thread.

    LG Sora

    "Niemand weiß, was er kann, wenn er es nicht versucht." Zitat von Publilius Syrus


    "Und so verliebte sich der Löwe in das Lamm."
    "Was für ein dummes Lamm."
    "Was für ein kranker, masochistischer Löwe."
    Zitat aus dem Buch "Biss zum Morgengrauen"

  • @Sora

    Verlinkung hat geklappt ;)

    Weiterhin würde ich Dir raten mit Deiner Geschichte zu beginnen. Meine hat auch keinen tollen ersten Satz. Aber das kann ja noch werden ;)
    Bei meiner Abschlussarbeit hatte ich meine Einleitung auch ganz zum Schluss geschrieben.
    Ich denke so ähnlich werde ich es auch mit der Startszene meiner Geschichte halten.

    Ich glaube das der erste Satz eine wunderbare Möglichkeit ist Leser zu halten. Und ich denke das eine Geschichte immer mehrere solcher Möglichkeiten bereit halten sollte.
    Und ich kenne ehrlich gesagt keinen, der hin und wieder mal ein Buch ließt und es nach den ersten drei Sätzen wieder weggelegt hat weils ihm nicht gefällt. Und das heißt natürlich nicht das es diese Leute nicht gibt.

    Nachtrag: Und meiner Meinung nach gibt es keinen perfekten ersten Satz. Wie sollte der aussehen? Was sollte der bewirken? Und wie wüsste man ob es nicht doch noch einen besseren als diesen Satz gibt?
    Perfektion ist eine Illusion und oft genug eine Lüge.
    Ich würde mich nicht nach ihr strecken.

  • Ich habe die Sache mit dem ersten Satz früher als unnötig abgetan - heute bin ich davon fasziniert. Manche erste Sätze sind si verdammt gut. D:
    Ich schlage jetzt mal ein paar meiner Lieblingsbücher auf und gucke, was da der erste Satz ist.

    Dies ist das von flackerndem Kerzenschein erhellte Zimmer der Lebensuhren - zahllose Regale, gefüllt mit kleinen Sanduhren, eine für jeden Lebenden.
    Terry Pratchett - Gevatter Tod
    Hier wird sofort das düstere Zuhause von Tod aufgebaut, das man später besser kennen lernen wird. Stimmungsvoll.

    Wind heulte.
    Terry Pratchett - MacBest
    Eigentlich müsste ich die anderen beiden Sätze des ersten Absatzes mit anführen, aber es soll ja wirklich nur der erste Satz sein. :D So eine simple Aussage funktioniert mMn auch gut, besser sogar, als man vielleicht erwarten würde.

    Dieses Buch enthält die uns gebliebenen Aufzeichnungen jenes Mannes, welchen wir mit einem Ausdruck, den er selbst mehrmals gebrauchte, den "Steppenwolf" nannten.
    Hermann Hesse - Der Steppenwolf
    Wem das hier zu verschachelt ist, der kann das Buch gleich weglegen. Wer damit klarkommt, für den ist das Buch vielleicht etwas. Man sortiert am Anfang quasi aus.
    Ja, dieser erste Satz ist wahrscheinlich kein so starker. Hesse wird sich für erste Sätze vielleicht gar nicht so sehr interessiert haben.

    Rumo konnte gut kämpfen.
    Walter Moers - Rumo
    Wieder ein einfaches Statement, das den Leser lockt, weil man die Hintergründe dazu wissen möchte.

    Zuerst die Farben.
    Markus Zusak - Die Bücherdiebin
    Hier wurde im ersten Absatz quasi ein langer Satz in viele kleine, teilweise eliptische Sätze zerhackt. Wie diese Brüche gesetzt sind, bewirkt das quasi einen Rhythmus, es hat eine Wirkung, die ich schwer beschreiben kann. Vielleicht ist es eine Art Pathos, weil man den Teilsätzen so mehr Gewicht gibt. Solche Techniken ziehen sich durch das ganze Buch.
    Habe ich eigentlich schonmal gesagt, das das hier mein Lieblingsbuch ist? :D

    "Fräulein Kawasemi?"
    David Mitchell - Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
    Der unvermittelte Anfang einer Szene. Sowas mag ich auch sehr gern, wenn gleich was passiert und man als Leser erstmal wenig kapiert, was sich dann im Laufe der Geschichte erklärt.

    Wer bläst mir da in den Nacken?
    David Mitchell - Chaos
    Das ist so eine komische Frage, dass der nächste Satz gleich von mir mitgenommen wird.

    Puh, das waren mal die Bücher, die ich grad zur Hand hatte. :)

    Häupter auf meine Asche!

  • ^^

    "Es war Nacht im Haulewald..."

    Ich denke, ein "erster Satz" ist genau dann gut, wenn er mich unvermittelt in die Geschichte zieht. (Deshalb würde ich zum Beispiel den "Steppenwolf" wahrscheinlich nicht lesen...)


    Wenn ich eine Tür öffne und urplötzlich in einer anderen Welt stehe, habe ich die Entscheidung: Schließe ich die Tür wieder oder trete ich hindurch. Diese Entscheidung trifft jeder von uns nach anderen Kriterien. Deshalb gibt es auch für die Welt hinter dem Türblatt kein richtig oder falsch. Es gibt nur: Intressant für A oder Unintressant für A. Wobei A die Variable ist, die uns selber, den Leser bezeichnet.


    Der erste Satz muss sitzen. Er sollte neugierig machen auf die Geschichte.

    Ja, er muss sitzen. Allerdings ist so ein erster Satz soetwas wie ein Kleidungsstück. Das Röckchen, das bei Berta Sonnenschein einfach nur entzückend aussieht, wird an Britta Böhnchen nur lieblos herumschlackern und Babett Schokola wird vielleicht gar nicht hineinpassen.
    Und da wir als Schneider dieses Röckchens nicht wissen, wer dieser drei Mädels (oder welche andre Lady noch so) sich dem Rocke zugeneigt fühlen wird (und vor allem, da wir keine der Ladys persönlich kennen, auch nicht wissen, wen wir uns davon als Träger inniger wünschen sollten)...
    ... da wir das also nicht wissen, müssen wir das Röckchen so schneidern, dass wir es mit gutem Gewissen in den Laden hängen können.
    ... da wir nicht wissen, was der Leser von uns erwartet, können wir nur schreiben, was wir als Leser von einem Buche erwarten würden.

    :rolleyes: Und da ist er wieder, der unvermeidliche Spruch: Der Mensch an und für sich ist unterschiedlich. Du erreichst nie alle...


    Deshalb gibt es kein Gut oder Schlecht. Es gibt immer nur ein Anders für ne andre Zielgruppe.

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
    -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

    • Offizieller Beitrag

    Das mit dem ersten Satz habe ich schon mal im Bezug auf den Klappentext, bzw. die Inhaltsangabe hinten auf dem Buch gehört. Der erste Satz sollte kein "Es war ein schöner Sommertag." sein, sondern den Leser direkt animieren in das Buch reinzulesen, bzw. weiterzulesen. Er soll direkt Spannung erzeugen, neugierig machen, oder den Leser in den Bann ziehen. Der Leser soll erkennen, dass der Autor sich Mühe gegeben und mehr als einmal darüber nachgedacht hat.

    Ich bin ehrlich. Ich habe mir um diesen ersten Satz nie Gedanken gemacht, sondern das Buch einfach gelesen. Und sind wir ehrlich, ich lese im Buchhandel ja auch nicht nur den ersten Satz, sondern etwas mehr und entscheide dann, ob es mir gefällt, oder eben nicht. Klar, spielt der erste Satz da vielleicht eine größere Rolle, weil man direkt sieht, der Autor hat sich etwas dabei gedacht und hat es nicht einfach nur geschrieben. Aber wenn ich dann weiterlese und merke, dass sich mit dem ersten Satz unglaublich viel Mühe gegeben wurde, der Rest aber so ... ist, dann hat mir der erste Satz auch nicht geholfen. :D

    Der eine erste Satz, an den ich mich immer noch erinnere (nicht im genauen Wortlaut, aber entfernt) ist aus "Dancing Jax" von Robin Jarvis. "Stöcke und Steine können Knochen und Beine brechen ... doch Worte können so viel mehr anrichten." Der Satz klingt in meinen Ohren wirklich gut, funktioniert auf mehreren Ebenen und stellt die Frage, welche Ebene das Buch anstreben wird. Aber das hat mich nicht daran gehindert, das Buch nie fertig zu lesen. Ich habe es damals bis zur Hälfte des ersten Bands geschafft, aber nie weiter. Weil mich der Rest des Buches nie fesseln konnte.
    Dahingehend klingt "Das flackernde Blaulicht seines Steifenwagens tanzte über die Fensterscheiben der Tankstelle." deutlich banaler und dennoch habe ich bisher alle 5 Bände der "Ich bin die Nacht"-Reihe von Ethan Cross (jaja, der erste Band gehört zu meinen Lieblingsbüchern und ich kann es nicht oft genug erwähnen xD) gelesen. Einfach weil der Rest gestimmt hat.

    Für mich ist der erste Satz sicherlich nicht ganz unwichtig, aber ich messe ihm jetzt auch nicht mehr Bedeutung zu als der restlichen Aufmachung des Buches :hmm: Und vor allem bin ich der Meinung, dass man sich nicht zu sehr an dem ersten Satz aufhängen sollte. Einfach losschreiben und dieser eine erste Satz kommt dann ganz zuletzt. Zuallerst geht es nun mal um die Geschichte und wenn die nicht stimmt, rettet mich auch der erste Satz nicht :rofl:

    LG, Kye



    Wenn es ein Buch gibt, das du wirklich lesen willst, aber das noch nicht geschrieben wurde, dann musst du es selbst schreiben.
    - Toni Morrison -

  • Ich bin ehrlich. Ich habe mir um diesen ersten Satz nie Gedanken gemacht, sondern das Buch einfach gelesen.

    Richtig. Ich kann spontan von keinem einzigen Buch, das ich je gelesen habe, den ersten Satz rezitieren. Selbst die extrem lustigen, kreativen oder verstörenden ersten Sätze rücken für mich spätestens nach dem ersten Kapitel hinter den restlichen Text. Letztendlich unterscheidet sich für mich als Leser der erste Satz eines Buches nicht vom ersten Satz eines Kapitels, vom ersten Satz eines Aktes oder dem ersten Satz einer Szene. Er muss zur Situation passen und mich an das aktuelle Geschehen heranführen. Und wenn am Anfang des Buches nunmal "der Tag sonnig und der Himmel blau" ist, dann erfüllt das in meinen Augen seinen literarischen Zweck. Nämlich dass ich als Leser weiß, welche Begebenheit ich mir vorzustellen habe.
    Der erste Satz eines Buches kann grandios formuliert sein, was trotzdem kein Garant für die Qualität der ganzen Geschichte ist. Und andersherum kann das neue Lieblingsbuch mit einem völlig banalen, langweiligen Satz beginnen. Vom ersten Satz auf die Qualität des ganzes Textes schließen zu wollen, ist für mich ungefähr dasselbe wie das Buch nach seinem Einband zu beurteilen oder dass der Protagonist Kevin, Chaqueline oder Finn-Ronny heißt :pardon:

  • Ein sehr interessantes Thema, @Sensenbach.
    Ich würde auch nicht zu dem Schluss kommen, dass man dem ersten Satz so eine große Bedeutung zuschreiben sollte. Selbst, wenn ein Buch mit den simplen Worten beginnt: Es war kalt....sagt das ja noch nichts über den Schreibstil des Autors aus, weil kurze prägnante Sätze durchaus bewusst als stilstisches Mittel eingesetzt werden können. Wenn jemand natürlich den ersten Satz schon derart verschachtelt, dass ich ihn dreimal lesen muss, würde ich mich eventuell schon etwas schwerer tun, aber dennoch wäre das für mich noch kein Grund, das Buch direkt zur Seite zu legen.

    Grundsätzlich ist es bei mir so, dass ich mich erst einmal in ein neu angefangenes Buch hineinfinden muss. Meistens hänge ich noch dem alten hinterher und die Geschichte, die ich zuvor gelesen habe, sowie der Schreibstil jenes Autors klingt noch in mir nach. Ich merke dann manchmal, dass es mir schwerfällt, mich auf etwas Neues einzulassen, weshalb es die ersten Abschnitte eines neuen Buches ohnehin schon nicht leicht bei mir haben. ^^

    Nichtsdestotrotz gibt es Bücher, die einen direkt in ihren Bann ziehen und dann gibt es wieder andere, die das eben nicht schaffen. Mit dem ersten Satz hat das allerdings wenig zu tun.

    Aber ich finde es ganz witzig, das trotzdem mal näher zu beleuchten. Also, hier kommen ein paar erste Sätze aus meinen Lieblingsbüchern. (Man merkt an der Stelle, dass ich ein Lynn Raven Fan bin :love: )

    Der Diener verneigte sich tief, als er den Helm mit dem mächtigen Rosshaarschweif entgegennahm, während zwei andere die Türen zur Halle des Herrschers öffneten.
    Lynn Raven-Der Kuss des Kjier
    Man wird direkt reingeschmissen ins Geschehen und kann anhand dieses einen Satzes bereits erahnen, dass es um einen Krieger geht. Die "mächtige Halle des Herrschers" lässt direkt ein Bild vor meinen Augen entstehen...das macht Lust auf`s Weiterlesen.

    Die Kondome knisterten in meiner Gesäßtasche.
    Lynn Raven-Blutbraut
    Obwohl es die gleiche Autorin ist, hat sie hier einen komplett anderen Anfang gewählt. Das liegt vielleicht daran, dass das eine Buch eher im High Fantasy angesiedelt ist und das andere in den Urban-Bereich fällt. In diesem Fall hier ist direkt klar, was Sache ist. Jemand, von dem wir noch nicht einmal wissen, ob es ein Mann oder eine Frau ist, hat klare Absichten... da in jedem von uns ein Voyeur steckt, giert man förmlich danach, zu erfahren, was als Nächstes kommt...(ging mir zumindest so ^^ )

    Ein Oberlicht auf einem Flachdach über Nacht offen zu lassen war, als bettle man um einen Regenguss und die darauffolgenden nassen Böden - oder um einen Einbruch.
    Lynn Raven-Der Kuss des Dämons
    Der erste Satz lässt hier ebenfalls bereits erahnen, worauf die nächsten Zeilen hinauslaufen werden: einen Einbruch.Gleichzeitig entsteht bereits ein Bild in meinem Kopf, denn ich erfahre, dass es Nacht ist und wir uns auf einem Flachdach befinden. Die beinahe scherzhafte Art, mit der wir hier von den Plänen des Protas erfahren, gefällt mir total gut und lockert das Erzählte irgendwie auf. Es fällt einem dadurch leicht dranzubleiben.

    "Du willst mich wohl verarschen", sagte der Türsteher und verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust.
    Cassandra Clare-City of Bones (Chroniken der Unterwelt)
    Herrlich nieveauloser Einstieg. Mit dieser Alltagssituation, wie man sie durchaus an einem Abend in der Stadt erleben könnte, wurde ich sofort angesprochen. Durch die wörtliche Rede wird man unmittelbar in die Geschichte hineingeworfen.

    So, das war`s erst mal. :)

  • In der Tat ein interessantes Thema. Für Romane seh ich es ähnlich wie @Kyelia und @Skadi, da hat der ersten Satz nicht unbedingt die große Bedeutung. Das liegt einfach daran, dass ich einem Roman mehr Zeit zugestehe, in der er sich für mich als Leser als interessant oder lesenswert erweisen darf.
    Bei einer Kurzgeschichte sehe das aber etwas anders. Ohne das ich das im Moment genau begründen oder ausführen kann, würde ich sagen, dass hier der erste Satz eine größere Rolle spielen kann bzw. mehr leisten muss.

    Dennoch kann ein erster Satz sowohl in einer Kurzgeschichte als auch in einem Roman sehr allgemein den Rahmen abstecken und etwas sehr banales beschreiben: "Es war ein kalter Wintertag." Ob der Satz interessant ist hängt ja auch davon ab, was danach kommt. Daher würde ich einen solchen Satz weder als von sich aus interessanter noch als weniger interessant als etwa "In einer Höhle im Boden da lebte ein Hobbit" ansehen (Wenn ich mich richtig erinnere, dann fängt so in der Art der kleine Hobbit an; das ist damit auch das einzige Buch, bei dem ich grob auswendig weiß, wie der erste Satz lautet.). Argumentationen wie "das Wörtchen Hobbit macht neugierig darauf, was ein Hobbit ist" überzeugen mich persönlich wenig. Es kann nämlich auch sehr gut sein, dass mich nicht die Bohne interessiert, was das sein soll, vor allem, weil es sich bei einem Höhlenbewohner offensichtlich nur um ein wenig kultiviertes Lebenwesen handeln kann (Vielleicht fährt Tolkien deswegen fort und beschreibt, dass es sich bei der Höhle nicht um eine Höhle handelt, wie wir sie uns vielleicht vorstellen... und damit macht er das Ganze dann doch irgendwie spannend / interessant / lesens- und vielleicht sogar liebenswert).
    Letztlich liegt es wie @Cory Thain schon sagte an jedem Leser selbst, ob nach dem ersten auch der zweite, der dritte, etc. Satz gelesen wird. Was für den einen funktioniert, schreckt den anderen eher ab. Ist halt so.

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • Ich bin auch die Fraktion die dem ersten Satz eine sehr niedrige Priorität zuordnet. Wenn ich am ersten Satz stehe, habe ich mich schon für das Buch entschieden, sei das wegen einer Empfehlung, dem Autor, einer Rezension oder vielleicht tatsächlich wegen dem Klappentext (was aber eher unwahrscheinlich ist. XD )

    Der erste Satz geht dann in der Menge der nachfolgenden Sätze einfach unter und bleibt mir eigentlich nie in Erinnerung, ganz egal wie toll das Buch ist.
    Das ist allerdings auch etwas was mir selten bis nie auffällt, ich achte beim Lesen komplett auf den Inhalt, die Form der Sprache ist mir dabei meist recht egal...

    Falken haben doofe Ohren

  • ich sehe Geschichten ganz unterschiedlich vor mir. Manche sind farbig, fast wie in Oel gemalt, Manche sind in gedeckten Erdfarben, wie im Kino vielleicht, Manche sind fast farblos, monochromatisch, wie ein Film Noir. Manche sind ganz detaillierte Bilder, andere eher wie ein Manga skizziert.

    Wie die Geschichte auf mich wirken wird, in welcher Farbpalette und welchem Detail, weiss ich normalerweise schon auf der ersten Seite,

    (Jede Art die Geschichte zu sehen ist fuer mich auf ihre Art und Weise reizvoll - das also ohne Wertung).

    Warum genau das so ist weiss ich nicht, aber es scheint mir dumm, anzunehmen dass der erste Satz nichts damit zu tun hat. Jeder der ersten Saetze schlaegt einen Pflock ein aus dem die Szene in meinem Kopf kommen muss. Ob der lakonisch ist oder lang, ob er viele Adjektive hat oder nicht, ob schon was passiert oder nicht - das spielt sicher eine Rolle.

    Aus den Beispielen oben:

    'Dune' zum Beispiel beginnt mit einem Geschehen - da sehe ich keine statische Szene sondern eher Details. 'Fraeulein Smilla' beginnt mit einer Sehnsucht - da sehe ich mehr inneres Erleben vor mir, und der Frost setzt die Farbpalette in meinem Kopf zu einem arktischen Pastell.

    Ich denke schon, einen guten Einstieg in eine Geschichte zu finden ist eine grosse Kunst (die aber am Ende steht - vorher will die Geschichte ja entworfen sein bevor man weiss, was fuer einen Einstieg man braucht...)

  • Ich gehöre zu den Personen, denen der erste Satz nicht wichtig ist. Allerdings denke ich, dass Verleger und Lektoren der erste Satz oder die ersten Sätze wichtig ist/sind. Was mich allerdings stark beeinflusst ist der Titel und das Cover zusammen mit dem Klappentext. Im Zweifel noch die ersten ein bis zwei Kapitel.

    lg Werluchs

  • Vom ersten Satz hängt alles ab oder zumindest von den ersten Sätzen.

    Das trifft meiner Meinung nach dann schon eher zu.
    Die ersten Sätze, wie viele auch immer das nun sein mögen, können durchaus als eine Art "Büchsenöffner" fungieren. Wenn der Klappentext die knallige, neonfarbene Leuchtreklame sein soll, die vor dem Laden hängt und die Kundschaft anlockt, dann sind die ersten Zeilen auf jeden Fall der Eingangsbereich mit Aussicht auf die Theke, wo ich nach kurzem, prüfenden Blick bereits erahnen kann, ob es sich für mich lohnen könnte, hier länger zu verweilen.

    Aber wie auch in jener herbeifantasierten Bar/Kneipe/Lounge kann ich mich entweder von meinem ersten Eindruck leiten lassen oder ich setze mich geduldig hin und lasse mich überraschen. Positiv oder negativ.

    Ist natürlich das Mobiliar heruntergekommen, der Boden schmutzig und auch der Barkeeper schaut eher zwielichtig, denn vertrauenerweckend drein, werde ich mich wohl kaum länger dort aufhalten wollen.

    LG
    Rika

  • Jeder der ersten Saetze schlaegt einen Pflock ein aus dem die Szene in meinem Kopf kommen muss. Ob der lakonisch ist oder lang, ob er viele Adjektive hat oder nicht, ob schon was passiert oder nicht - das spielt sicher eine Rolle.

    Allerdings denke ich, dass Verleger und Lektoren der erste Satz oder die ersten Sätze wichtig ist/sind

    Die ersten Sätze, wie viele auch immer das nun sein mögen, können durchaus als eine Art "Büchsenöffner" fungieren.

    Ich denke, ein gelungener erster Satz kann, wie Thorsten sagt, den Ton für das Buch setzen. Geübte Leser und erst recht Lektoren können, wie Werluchs andeutet, aus den ersten Sätzen einer Geschichte schon ganz gut darauf schließen, um was für ein Buch es sich handelt. Der erste Satz ist sicherlich keine Garantie für eine gute Geschichte und ein nichts-sagender erster Satz kann möglicherweise auch vor einem Meisterwerk stehen.
    Wenn man als Autor eine Geschichte mit 500 oder mehr Seiten schreibt, dann sind da viele Sätze verarbeitet. Trotzdem.
    Der erste Satz ist für mich schon etwas besonderes, denn er nimmt den ersten Kontakt mit dem Leser auf. Er kann ihm leise zuflüstern oder anschreien. Ihn bei der Hand nehmen oder mit sich zerren…

  • Was mich allerdings stark beeinflusst ist der Titel und das Cover zusammen mit dem Klappentext

    Da geht es mir ähnlich. Wobei das Cover nochmal eher zweitrangig ist, aber trotzdem nicht ganz missachtet wird. Ein interessanter Titel lockt mich meistens zum Klappentext und wenn der gut klingt auch weiter in Richtung Kauf. Das Problem ist halt bei den Übersetzungen, die manches leider echt grundlos verhunzen.
    Beispiel: "Assasins Apprentice", im Deutschen "die Gabe der Könige", was irgendwie nicht ganz so zur Handlung passt, wie das Englische, das meiner Meinung nach mit "der Lehrling des Meuchelmörders" schöner übersetzt worden wäre. Vermutlich hat man das aus Gründen der Griffigkeit anders gemacht, aber die ist irgendwie auch hinfällig, wenn einer das Buch dann deshalb nicht kauft :whistling:

    Die ersten Sätze sind mir allerdings auch nicht völlig egal. An ihnen lässt sich schonmal einigermaßen der Stil des Autors abschätzen und ob es überhaupt was für einen ist. Aber je nachdem wie mich halt der Rest, Titel, Cover, Klappentext mitbeeinflusst, kauf ich es manchmal trotzdem.

    Ein schöner aus "der Kampf des Jahrhunderts" von Jan Oldenburg ist: "Wenn Horfax der Dritte von Grymmenstein eines ohne Zweifel nicht war, dann ein netter Kerl."

    Bei dem Buch ist der Titel übrigens Original deutsch und mit der Grund, warum ich es mir überhaupt näher angeschaut habe. Der Klappentext, das Cover und die ersten paar Sätze haben dann vollends überzeugt. Von daher würde ich sagen, ist es allgemein ein Abwägen zwischen diesen vier Hauptfaktoren.

    "Vem har trampat mina svampar ner?!"

  • Geübte Leser und erst recht Lektoren können, wie Werluchs andeutet, aus den ersten Sätzen einer Geschichte schon ganz gut darauf schließen, um was für ein Buch es sich handelt.

    Das stimmt aber auch nur, wenn der Autor die ersten Sätze so geschrieben hat, dass das möglich ist. Andersherum könnte der Autor die Erwartungen solcher Leser, die durch die ersten Sätze geweckt werden, gezielt brechen, d.h. die Leser in die Irre führen.
    Und das ist eigentlich ein spannender Punkt: Wenn man sich "darauf einigt", dass der erste Satz / die ersten Sätze, in stark verkürzter Form darstellen sollen, was insgesamt passiert, dann spielt für den Autor vor allem die richtige Formulierung eine wichtige Rolle. Das geht dann insgesamt etwas mehr in eine künstlerische Richtung, bzw. eine Richtung, die ein paar klare Anforderungen stellt. Dazu fällt mir die Kurzgeschichte "The Fall of the House of Usher" von Edgar Allen Poe ein. Da ist das nämlich genau so, wenn ich mich an mein erstes Semester Anglistik-Studium richtig erinnere. :hmm:
    *Einschub: Ich hab mir gerade mal den Beginn des Textes auf englisch und deutsch angeguckt... Wer kann, unbedingt das Original lesen! Darin kommt die Stimmung viel, viel besser zur Geltung.

    Wichtig ist, dass der Autor natürlich dieser "Schreibtheorie" folgen muss, sonst hilft das auch einem Leser, der genau das im ersten Satz erwartet nix.

    Der erste Satz ist für mich schon etwas besonderes, denn er nimmt den ersten Kontakt mit dem Leser auf. Er kann ihm leise zuflüstern oder anschreien. Ihn bei der Hand nehmen oder mit sich zerren…

    Das ist natürlich ohne Zweifel richtig. ^^
    Spontan fällt mir hier ein: You never get a second chance for the first impression.

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • Für mich persönlich ist der erste Satz in der Tat sehr ausschlaggebend dafür, ob ich eine Geschichte lese oder nicht. Wenn der nicht sitzt, dann lese ich den Rest nicht, es funktioniert dann einfach nicht mehr, weil ich mich den gesamten Text lang daran erinnere, wie enttäuschend der erste Eindruck war :hmm: ich habe auch wirklich nur diese eine Bedingung an den Satz: langweile mich nicht. Soll er mich direkt in die Welt ziehen? Joa, wäre toll, aber wenn der Satz mit sowas anfängt wie "Das Sonnenlicht warf tanzende Schatten über die von Bäumen bedrängten Gestalten..." dann war es das schon für mich. Langweilig, es interessiert mich nicht wirklich, was die Schatten tun oder wie viele Bäume ich da habe. Das Innenleben dieser beiden Gestalten wäre da wesentlich interessanter. Oder ein spitzer Kommentar, der in die Konversation der beiden hineinspringt. :hmm: aber sobald ich irgendwelche standardmäßigen Beschreibungen von irgendwelchen tollen Szenerien sehe, kann ich in den wenigsten Fällen weiter lesen. Das schreckt mich einfach ab.

  • Der erste Satz könnte mir nicht egaler sein.
    Der erste Absatz, die erste Seite allerdings nicht. Diese befinden sich für mich allerdings nicht zwingen am anfang des Buches. Ich mag Geschichten, die Tief sind. Vielleicht etwas verworren, die überraschen. Das alles kommt nicht im ersten Satz, sondern erst später im Buch.
    Wenn ich mir also ein Buch aussuche, lese ich irgenwo im ersten Drittel. Ich schaue mir an wie der Author ein Dialog schreibt, wie "schwer" sich ein größerer Abschnitt ließt. Komm ich mit dem Stil klar? Ist der Klappentext ansprechend, oder wurde es mir empfohlen? Dann hole ich es.

    Ich mache also eher Stichproben. Ein ganzen Buch nur an einem Satz zu (ver)urteilen, finde ich persönlich zu ignorant. Und damit möchte ich niemanden angreifen! Jeder hat so seine Methoden und das ist auch völlig ok.

    Wichtig ist da tatsächlich folgender Punkt:

    Allerdings denke ich, dass Verleger und Lektoren der erste Satz oder die ersten Sätze wichtig ist/sind.

    Als Autor sollte man darauf achten, dass der erste Satz "sitzt". Scheinbar entscheiden viele nach diesem Kriterium und es wäre schade, leser zu verlieren die das Buch hätten mögen können, nur weil sich mit dem ersten Satz keine Mühe gegeben hat.

    Genesis: Sie ist Azathoth, das amorphe Chaos in der zentralen Leere
    Josh: Meine Prophetin!

  • Sitze hier gerade in einer Buchhandlung und schaue so durch die tatsächlich große Auswahl, und nehme mir ein Buch von einem meiner Lieblingsautoren, das ich noch nicht kenne und schlage so die erste Seite auf, hab das Geld auch gar nicht so locker ...

    "Wir saßen vor der Glotze, als wir beschlossen, den Zahnarzt auszurauben."

    ... und werde am Ende vielleicht doch welches ausgeben! :rofl:

    Häupter auf meine Asche!