Antagonisten

Es gibt 18 Antworten in diesem Thema, welches 4.911 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (10. August 2019 um 10:53) ist von Faye.

  • Hey Leute
    Mal so in den Raum gewurfen.

    Was zeichnet für euch einen guten Antagonisten aus ?
    Habt ihr Beispiele für solche und warum findet ihr dass es gute Widersacher sind ?

    Und

    Wie geht ihr vor wenn ihr einen Antagonisten schreibt ?

    LG
    Wanja

  • Im Prinzip versuche ich immer Antagonisten genauso zu schreiben wie Protagonisten, da diese Figuren ja aus denselben Gründen funktionieren oder nicht funktionieren. Der Antagonist muss nur etwas wollen das den Zielen seines Gegners zuwider läuft.

    Ich habe aber auch mal irgendwo den Tipp gehört dass Antagonisten wenn sie den Tiefpunkt ihres Charakter-Arcs erreicht haben, oft scheitern und eben ihren Schwächen erliegen, während Protagonisten üblicherweise an genau der Stelle über sich hinauswachsen und den Tag retten. Aber das kommt natürlich auf die Natur des Konfliktes an.

  • Ich persönlich preferiere in den meisten Fällen Antagonisten, die ein nachvollziehbares Ziel bzw. eine nachvollziehbare Motivation haben und mit denen ich (manchmal auch erst nach ein bisschen drübernachdenken) durchaus meinungsmäßig übereinkommen könnte.
    Beispielsweise Thanos aus dem Marvel Universum hat einen interessanten und nachvollziehbaren Plan, wie er das Universum "retten" kann. Und auch Scar aus König der Löwen hat einen interessanten Ansatz hinter seinen Taten.
    Bei solchen Antagonisten mag ich gerade, dass ich mich wenigstens zum Teil mit ihnen identifizieren kann. Gerade so, dass man nicht verstört aber doch wenigstens fasziniert ist. Sie tun eben (aus unserer Sicht) moralisch Falsches, um teils etwas Gutes dabei herauszubekommen. Meist scheitern ihre Pläne aber eben an den unterschiedlichen Moralvorstellungen.

    In anderen Fällen kann ich mich allerdings auch mit Antagonisten anfreunden, die einfach charakterlich gut ausgebaut, aber eben Arschlöcher sind. Dabei interessiert mich meist, dass ich sie eher selten vernünftig einschätzen kann, weil sie eben völlig anders funktionieren als ich.
    Natürlich sollte jeder Antagonist charakterlich gut ausgebaut sein x) Man sollte ihnen ähnlich viel Aufmerksamkeit bei der Entwicklung schenken, wie dem/den Protagonisten.

    Was ich echt gar nicht haben kann, sind Antagonisten, die ganz stumpf und flach einfach Böses tun. So funktioniert das einfach nicht, denn irgendeine Motivation muss einfach da sein. Wenn jemand nur deshalb so handelt, weil er es kann, wird er langweilig und charakterlich unsympathisch für mich und das kann mir auch im schlimmsten Fall durchaus die ganze Story verderben.


    Wenn ich an einem Antagonisten arbeite, dann stelle ich mir zunächst einmal die Frage, welchen Hintergrund die Person hat. Wie ist die Person aufgewachsen, was für Entscheidungen hat sie getroffen und was ist passiert bis zu diesem Punkt? Daraus entscheidet sich dann, wie die Person charakterlich ausfällt, ob sie wirklich "böse" ist oder eigentlich "gut" oder ob sie sich mehr in der Grauzone dazwischen befindet. Demnach kann ich mir dann auch vorstellen, ob es in der Vergangenheit einen Wendepunkt in der Enwicklung gab oder sich schon vorher solche Züge ausgeprägt haben und wie sich das auf die Entscheidungen in der Geschichte auswirkt.
    Wenn ich ungefähr eine Ahnung habe, wie die Person sein wird, frage ich mich, was genau ihr Ziel ist, wie es mit der Geschichte der Person zusammenhängt und (meiner Meinung nach auch recht wichtig) ob die Person Alternativen und Kompromisse zulassen würde oder ob sie sich vollständig auf ihr Ziel versteift.
    Das Wichtigste ist aber, dass nichts (vor allem nicht der Antagonist) nur schwarz und weiß ist. Deshalb halte ich es auch für zwingend notwendig, sich auch viel Zeit für seine Entwicklung zu nehmen.


    Hikari

    Keen to the scent, the hunt is my muse
    A means to an end this path that I choose
    Lost and aloof are the loves of my past

    WAKE THE WHITE WOLF, remembrance at last

    Chaos hat gesagt, dass ich "süß und flauschig" bin :love:

  • Für mich müssen Antagonisten gut strukturiert und aufgebaut sein, wie die Protagonisten.

    Einer meine liebesten Antagonisten ist Holland aus A Darker Shade of Magic. Er und der Protagonist besitzen die gleichen Fähigkeiten, aber nutzen sie natürlich für vollkommen andere Zwecke.
    Als Leser erfährt man sehr viel über Holland und seine Gefühle, seine Kindheit und auch was ihn zu dem gemacht hat, was er heute ist.
    Obwohl er eigentlich ein Handlanger der bösen Seite ist, ist sein Leben und sein Charakter so gut und nachvollziehbar gestaltet, dass man manchmal, obwohl man auf der Seite des Protagonisten steht, irgendwie ebenfalls auf der Seite von Holland steht. (jaja, moralisch gesehen nicht die beste Idee xD)
    Er ist ein Monster und ein Mörder, keine Frage, aber er hat etwas. Etwas was ihn verletzlich macht, ihn menschlich macht.

    Ein Antagonist muss für mich, trotz seiner boshaftigkei,t menschlich zu fassen sein. Dies ist meiner Meinung nach mega schwer dazustellen ist.

    Fly

    "Ein Schloss ohne Gruft, das wäre wie, wie ein Einhorn ohne Horn!"

    Eigenes von Fly
    Schatten unter London

    3 Mal editiert, zuletzt von 97dragonfly (28. Juni 2019 um 11:47)

  • @Hikari

    Scar ist ein Antagonist der aus reiner Habgier handelt. Was will er? Er will einfach nur die Macht besitzen. Die Hyänen kommen ihm da genau richtig. Sie wollen am liebsten Nichts tun und sich von den Löwen versorgen lassen. Was sie ja auch machen.... Die Löwen haben zu wenig futter und können auch nicht mehr jagen. Ihnen geht es schlecht.
    Oder man sieht es anders. Scar handelt aus Nächstenliebe und tötet Mufasa der dann der Böse in der Geschichte wäre. Jemand der Grundlos die Hyänen ausschließt weil sie nicht dazu passen. Also ist Scar der wahre Held. Da es am Ende wie vorher ist würde das bedeuten das Disney uns sagen will das es gut ist nur auf sich selbst zu achten und andere zu verstoßen weil sie anders sind... Disney sind als die wahren Bösen...

    Jetzt zu Thanos... ist der Typ dumm? Der hat nen Handschuh mit dem er das ganze Universum kontrollieren kann und verwendet ihn um die halbe Bevölkerung auszulöschen... weil die Ressourcen knapp werden... irgendwann. Ja klar würd ich auch machen... Nö.. nicht wirklich... warum verdoppelt oder verzehnfacht er nicht einfach die Ressourcen? Mit dem Handschuh dürfte das kein Problem sein. Der Große ist einfach nur ein Tyrann der Spaß daran hat Irgendwas zu töten ist ja wurscht was es ist. Das ist doch nur ein Psychopathischer Irrrer der seine Taten herunterspielen will um als irgendwas an ihm ist ja doch ganz Gut und Nett.
    Oder es ist ganz anders. Natürlich hätte Thanos die Ressourcen vertausendfachen können, aber das würde nicht das eigentliche Problem beseitigen. Er erzählte davon das sich seine Rasse selbst ausgelöscht hat. Entweder seine Rasse hat Planetenausderabahnwerf-Kanonen und die haben sich einfach selbst damit beschossen oder es ist etwas ganz anderes passiert. Etwas das Thanos aufhalten muss. Der Planetenfresser Galactus. Ein Wesen das bereits vor den Infinity Steinen existierte und somit nicht von ihnen beeinflusst wird. Er kommt wenn ein Planet eine gewisse Menge an Population aufweist und erntet diesen dann... also zerstört ihn und frisst das Leben darauf komplett auf. So wären Thanos Ziele unumgänglich und er kämpft ja auch immer wieder mit seinen Taten, aber er ist es der dies machen muss. Er kann es schaffen.

    Übrigens ist das alles nicht ernst zu nehmen ^^

    Ein Ich-bin-einfach-Böse-weil-ich-Böse-sein-will-Typ funktioniert manchmal auch :P

  • Ein Ich-bin-einfach-Böse-weil-ich-Böse-sein-will-Typ funktioniert manchmal auch

    Das gibt's aber gar nicht so oft, oder täusche ich mich da? Ich meine, es gibt genug Antagonisten / Bösewichte, die fast grundlos böse sind bzw. wo das eben nicht erklärt wird. Ein Charakter, der aktiv und bewusst "der Böse sein will", ist mir noch nicht untergekommen :hmm:
    Oder wenn dann nie in Reinform. Er / Sie verfolgt dann immer noch ein anderes Ziel, etwa Macht zu erlangen.

    Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr ist es für mich naheliegend, dass ein solcher Charakter eher ein Anti-Held ist und als Protagonist für mich besser funktionieren würde. :hmm:

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • Er / Sie verfolgt dann immer noch ein anderes Ziel, etwa Macht zu erlangen.

    Ja, aber das ist irgendwie auch häufig so eine Ausrede. Ganz ehrlich, was will denn z.B. jemand wie Voldemort erreichen? Was macht er mit der ganzen Macht? Oder Sauron - will der vielleicht, dass es überall so aussieht wie in Mordor und dann darüber herrschen, na Herzlichen Glückwunsch, mein Bester :rofl: Okay, Spaß beiseite, ich weiß schon, was du meinst. :)

    Ich hätte auch schon gerne einen zumindest nachvollziehbaren Antagonisten. Selbst, wenn ich seine Ansichten nicht teile, können sie mir ja trotzdem einleuchten. Aber dazu gehört dann häufig irgendwie auch, dass dem Protagonisten die Absichten des Antagonisten erst mal nicht logisch erscheinen - er muss ja irgendwie Distanz zu ihm bekommen und für sich rechtfertigen, warum seine eigenen Mittel angemessen sind, die des Antagonisten aber nicht. Damit schafft er auch die Distanz zwischen Leser und Antagonist.

    Es ist eben niemand der Bösewicht seiner eigenen Geschichte.

    :hmm: Meine eigene Geschichte spielt im Drogen- und Schmugglermilieu und hat drei Hauptakteure: der erste ist ein gewissenloser Schmuggler, die zweite eine gewissenlose Drogenhändlerin und der dritte hat am Anfang der Geschichte noch moralische Vorstellungen, die im Laufe der Zeit irgendwie über Bord geworfen werden ;) Der Antagonist kommt so eigentlich gar nicht vor, sondern schwebt so als gemeinsamer Feind über der ganzen Mission - aber der einzige Unterschied zwischen Protagonisten und Antagonist ist, dass der Antagonist einflussreicher und noch skrupelloser (und menschenverachtender) ist :D Was ein Bösewicht ist, ist irgendwie definiert von dem, was der Autor uns vorsetzt. In dieser Geschichte ist der einzige Grund, dass meine Protagonisten als die Guten durchgehen, dass ich den Leser an ihrem Abenteuer teilhaben lasse.

    Eigentlich mal ein interessantes Gedankenexperiment: wenn ich aus der Sicht des Antagonisten schreiben würde - wie würde sich die Sicht des Lesers auf ihn ändern und würde er nicht vielleicht sogar als der Held der Geschichte darstehen, weil der Leser sich ihm näher fühlt und seine Handlungen nachvollziehen kann?

  • Eigentlich mal ein interessantes Gedankenexperiment: wenn ich aus der Sicht des Antagonisten schreiben würde - wie würde sich die Sicht des Lesers auf ihn ändern und würde er nicht vielleicht sogar als der Held der Geschichte darstehen, weil der Leser sich ihm näher fühlt und seine Handlungen nachvollziehen kann?

    Ich denke schon.

    Erstens ist bei der Schwarzen Goettin ja wirklich nicht allzu viel Unterschied in der Moral der Protagonisten und ihrer Gegenspieler (deren Geschichte ist nur langweiliger weil die eher beim Planen sind) - und zweitens denke ich macht z.B. 'Er ist wieder da!' (Timur Vermes) das Experiment in dem man Hitler als Protagonisten folgt - und ihn eben auch sympathsch findet :S

    Gibt literarisch viel her die Idee, finde ich :)

  • Ich will euch wirklich nicht den Spaß nehmen oder so, aber laut Defintion ist ein Protagonist die Hauptfigur und der Antagonist dessen Gegenspieler.
    Wenn man jetzt aus Sicht des Antagonisten schreiben will, schreibt man damit automatisch aus Sicht des Protagonisten.

    Wenn man jetzt noch bedenkt, dass ein Mensch (psychologisch gesehen) immer ein positives Weltbild von sich hat, würde sich im Endeffekt nicht viel ändern.

    Man hätte (im schlimmsten Fall) einen äußerst unsympatischen Menschen/Psychopaten mit dem der Leser sich überhaupt nicht identifizieren kann,- und dann werden die Leser in Scharen das Buch beseitelegen.

  • Wenn man jetzt aus Sicht des Antagonisten schreiben will, schreibt man damit automatisch aus Sicht des Protagonisten


    Ich glaube die Idee (so wie ich sie verstanden hatte) war - Du schreibst die ganze Geschiche nochmal so dass der vorherige Antagonist der Protagonist wird.

    Also - kein Grund den Spass zu verlieren, das macht schon Sinn.

  • Das ist eben meine Theorie, @Schreibfeder, dass das vielleicht gar nicht mal so wäre. ;)

    Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass meine Geschichte auch funktionieren würde, wenn ich aus der Sicht des Antagonisten schreiben würde (ja, der wäre dann per Definition der Protagonist). Aber wie du selbst schreibst, rechtfertigt der Mensch seine Handlungen (auch seine schlechten) ja vor sich selbst (niemand meint von sich, der Böse zu sein) und wenn ich das glaubhaft in einer Geschichte darstelle, kann der Leser sich trotzdem mit dem Charakter identifizieren. Das geht vielleicht nicht mit jedem x-beliebigen Charakter: ein Psychopath ist da vermutlich schwer, weil er per Definition schon mal nicht tickt wie der "normale" Mensch. Aber einfach ein moralisch verdorbener Protagonist - mit dem krieg ich schon auch Leser, das schaffe ich schon jetzt (meine Leser finden das sogar sehr amüsant wenn meine Protagonisten moralisch verwerfliche Dinge tun!)

  • Vielleicht ist das ein guter Test für das Schreiben von eigenen Geschichten: Was passiert, wenn ich die Geschichte aus Sicht des Antagonisten denke?
    Wenn sie genauso gut (oder zumindest ähnlich gut) funktionieren kann, habe ich vermutlich einen glaubhaften Antagonisten, dessen Verhalten nachvollziehbar und unter bestimmten Annahmen logisch ist :hmm:
    Wenn das irgendwie nicht funktioniert, dann... spielt der Antagonist vielleicht keine so große Rolle oder wirkt dadurch in der Geschichte, dass er als drohender Schatten nur aus der Ferne betrachtet wird oder so. Ich glaube, hier gibt es sehr viele Möglichkeiten, wie man das ausgestalten kann.

    Ich bin mir da gerade selbst nicht sicher, ob das sinnvoll ist. :hmm: :pardon:

    Gedanklich versuche ich das gerade mal auf Der Herr der Ringe anzuwenden, daher die zweite Einschränkung. Eine Geschichte muss ja nicht davon leben, dass der Antagonist genauso realistisch und nachvollziehbar ist wie der Protagonist. Sie kann natürlich so funktionieren, muss aber nicht. Sauron muss nicht unbedingt nach menschlichen Maßstäben nachvollziehbar und charakterisierbar sein, weil er (für mich zumindest) weniger eine pseudo-reale Person (bzw. Maia) ist als vielmehr eine nicht greifbare Bedrohung in der Ferne, dem keiner der Protagonisten von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht. Das passt natürlich sehr gut dazu, dass Sauron in Form eines brennenden Auges auch (noch) keinen Körper hat.

    Ich stelle gerade fest, dass ich mir gar nicht sicher bin, wann man eigentlich von einem Antagonisten sprechen sollte :hmm: Irgendwie scheint mir das nur dann sinnvoll zu sein, wenn tatsächlich zwei Personen um das gleiche Ziel kämpfen bzw. sich die jeweiligen Ziele gegeneinander komplementär verhalten - wenn der Prota sein Zeil erreicht, dann kann es der Anta nicht mehr und umgekehrt. Das wiederum könnte man nun als Baustein mehrfach in einer Geschichte mit unterschiedlichen Personenpaaren einbauen (z.B. in A Song of Ice and Fire). Dann wird es schnell unübersichtlich und komplex und das erfordert mMn auch komplexe Charaktere, die in der einen oder anderen Rolle dargestellt werden können.

    Sorry für mein Geschwurbel, ich hör besser mal auf und denke nochmal in Ruhe drüber nach ^^

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • Ich glaube, hier gibt es sehr viele Möglichkeiten, wie man das ausgestalten kann.


    Ich glaube Du hast die zwei sinnvollsten genannt

    1) Ein schemenhafter Antagonist in der Ferne der nie so richtig in Erscheinung tritt - Sauron ist ein gutes Beispiel, wenn wir ihn wirklich beim Fruehstueck sehen wuerden, wuerde das der Story nicht gut tun, Voldemort am Anfang ist ein anderes, aber das geht meiner Meinung nach schief weil Rowling ihn am Ende von nahem zeigt ohne dass er ausgearbeitet ist

    2) Ein Antagonist der detailliert ausgestaltet ist, im Prinzip Protagonist sein koennte und dann auch von nahem gezeigt wird - und wie Du sagst, das faellt schnell aus dem Schema raus weil halt Personen uebrig bleiben die ihre Interessen verfolgen die sich ueberschneiden - die koennen im Prinzip auch faktisch alle Protagonisten sein die verschiedene Handlungsstraenge zeigen

    High Fantasy hat eher den Antagonisten als Scheme, Low Fantasy eher nicht glaube ich.

  • Der Antagonist einer Geschichte muss nicht einmal eine Person sein. Es können auch widrige Umstände oder meinetwegen das Schicksal sein.
    Der Antagonist könnte auch eine ganze Gruppe von Leuten sein.
    Natürlich verstehe ich das Bedürfnis nach einem greifbaren Gegenspieler mit einem Gesicht (das man hassen kann ^^ ) und tatsächlich leben ja viele Geschichten gerade im Fantasy-Bereich von einem Konflikt, der nach Möglichkeit eine persönliche Ebene hat.

    Vielleicht ist es wichtig sich klarzumachen, was ein Antagonist für einen Zweck in der Geschichte erfüllen soll.
    Antagonist steht ja wörtlich für Gegenspieler.
    Es wird also eine Art Spiel konstruiert, das nur funktioniert, wenn es einen Gegner gibt.
    Dann hat es da Regeln oder einen Rahmen.
    Manche Rahmen erfordern eine Persönlichkeit, der man Face2Face entgegentreten kann.
    Manchmal ist es aber auch schlicht sinnvoller, das nicht zuzulassen, vielleicht weil man als Autor gar nicht will, dass der Prota Mano-a-Mano in einer direkte Konfrontation das Spiel gewinnt. (angenommen, er soll überhaupt gewinnen!)

    Zu sagen, jemand hätte einen schlechten Antagonisten erschaffen, weil der womöglich gar nicht in Erscheinung tritt, ist daher oft unfair.
    Auch vermeintlich blasse Gegenspieler (meine Finger wollen immer Gegenspiegel schreiben, ob das was zu bedeuten hat?) werden gerne als schlecht gemacht bewertet. Gerade wenn das ein Roman ist, der von einem der größeren Verlage kommt, darf man aber getrost davon ausgehen, dass ein Lektor sich genau diesen Gedanken auch gemacht hat. Vielleicht gab es gute Gründe den Gegenspieler nicht so stark herauszuarbeiten?


    Was am Ende des Tages eigentlich nur bedeutet, dass man bei der Wahl und Ausarbeitung wahrscheinlich fast genauso viel falsch machen kann, wie beim Protagonisten.
    Das Spiel braucht nun mal den (die) richtigen Gegenspieler, um nicht langweilig zu werden.
    (und ja, ich weiß, das ist irgendwie eine offensichtliche Erkenntnis ...)

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

  • . Gerade wenn das ein Roman ist, der von einem der größeren Verlage kommt, darf man aber getrost davon ausgehen, dass ein Lektor sich genau diesen Gedanken auch gemacht hat. Vielleicht gab es gute Gründe den Gegenspieler nicht so stark herauszuarbeiten?


    Muss ich laipdar sagen - wenn mir das Buch halt nicht gefallen hat wie es war, dann ist es mir egal ob der Lektor sich Gedanken gemacht hat oder nicht. Vielleicht waehre es ohne Lektor dann noch schlechter geworden - weiss ich ja nicht - aber ich kann nichts unfaires daran erkennen ein Buch zu kritisieren weil mich der Gegenspieler nicht anspricht und mir zu blass vorkommt.

    Also - jedenfalls ist es nicht unfairer als Literaturkritik generell - ob mich ein Buch anspricht oder nicht ist eine ziemlich subjektive Wahrnehmung, was ich mir von einer Geschichte erhoffe ist manchmal nicht das was sich andere erhoffen oder was der Autor reinlegen will.

  • Vielleicht ist das ein guter Test für das Schreiben von eigenen Geschichten: Was passiert, wenn ich die Geschichte aus Sicht des Antagonisten denke?
    Wenn sie genauso gut (oder zumindest ähnlich gut) funktionieren kann, habe ich vermutlich einen glaubhaften Antagonisten, dessen Verhalten nachvollziehbar und unter bestimmten Annahmen logisch ist

    Kommt natürlich drauf an (siehe oben), was du dir von dem Antagonisten erhoffst, also welche Rolle er erfüllen soll. Wenn du tatsächlich das Ziel hast, einen glaubhaften und nachvollziehbaren Gegenspieler (mit menschlichen Handlungsweisen etc.) zu erschaffen, lohnt es sich ganz bestimmt, die Geschichte mal gedanklich dahingehend umzustülpen. Sich also mal Gedanken zu machen, warum der Antagonist so handelt wie er handelt, wie er seine Handlungen vor sich rechtfertigt etc. Es ist ja immer wichtig, dass der Autor mehr Hintergrundwissen hat, als er vermutlich im Endeffekt preisgeben wird, dazu gehören mE auch die Beweggründe des Gegenspielers (wenn er, wie gesagt, menschlich agiert und kein Psychopath ist). Wenn mein Protagonist z.B. unter der Herrschaft eines tyrannischen Königs lebt, fände ich es unbefriedigend und eher klischeebehaftet, wenn der König halt einfach nur "böse" ist, z.B. Menschen foltert, zu hohe Steuern nimmt, wahllos Leute einsperrt usw., einfach weil er es kann. Selbst wenn es für den Protagonisten (der vermutlich keine Ahnung hat, was so ein König tatsächlich macht) nach Willkürherrschaft aussieht, kann der König ja gute Gründe für sein Vorgehen haben (ob die dann moralisch vertretbar sind, ist eine andere Frage). Es lohnt sich also meiner Meinung nach immer, mal darüber nachzudenken und sich auch zu vergegenwärtigen, dass viele dieser Handlungen, selbst für einen empathielosen Menschen, unsinnig sind. Ein König ist darauf angewiesen, dass seine Untertanen Geld und Essen haben, es macht also langfristig keinen Sinn, es ihnen aus den Taschen zu ziehen. Ein König, der sinnlos viele Gefangene hält, hat mehr Mäuler zu stopfen und weniger, die für ihn arbeiten. Steuererhöhungen wirken für den Einzelnen vielleicht unfair, damit werden aber möglicherweise Dinge fürs Gemeinwohl finanziert usw. Wenn der König tatsächlich "böse" ist, braucht er also möglichst ein paar mehr Gründe dafür (sonst wirkt er eher unfähig als tyrannisch - aber auch ein unfähiger König funktioniert ja als Antagonist :) ). Selbst wenn der Autor die Beweggründe des Antagonisten nie ausführlich offenbart, kann er aber an geeigneten Stellen immer mal wieder Hints durchschimmern lassen, so dass auch der "Bösewicht" ein wenig an Farbe gewinnt. Vorraussetzung ist hier aber natürlich, dass der Autor diese Beweggründe selbst gut kennt.

    Die Geschichte des Antagonisten als Protagonist sollte in einem solchen Fall (also wenn der Gegenspieler authentisch sein soll) meiner Meinung nach also zumindest glaubhaft sein, auch wenn sich hier natürlich der Fokus verschiebt. Die Geschichte wird also zwangläufig eine andere sein! Und sie wird häufig vermutlich weniger spannend, denn ansonsten würden wir ja aus der Sicht des Antagonisten schreiben ;)

  • Ich glaube die Idee (so wie ich sie verstanden hatte) war - Du schreibst die ganze Geschiche nochmal so dass der vorherige Antagonist der Protagonist wird.

    Wow, das nenne ich mal ehrgeizig. Ich habe ja schon Probleme auch nur eine von meinen Geschichten einfach abzuschließen. =O

    Voldemort am Anfang ist ein anderes, aber das geht meiner Meinung nach schief weil Rowling ihn am Ende von nahem zeigt ohne dass er ausgearbeitet ist

    Jup, der Charakter ist eher ein Beispiel wie man keinen Antagonisten gestalten sollte. Er bleibt unglaublich blaß und eine Bedrohung ist für den Leser zu keinem Zeitpunkt nachzuvollziehen. Zudem ist er ein Psychopath oder zumindest Soziopath.
    Allerdings hat J.K.Rowling so viele Autorenfehler gemacht (vor allen die ständigen Logiklücken) dass das auch nicht mehr groß ins Gewicht fällt.

  • Ich präferiere den Antagonisten, der sich langsam vom ambitionierten Helden, oder jemandem der die Welt verbessern will, langsam selbst zum Antagonisten entwickelt. Jemand der gar nicht bemerkt, dass er zu dem geworden ist, was er niemals sein wollte. Bis er nur noch ein Schatten, ein dunkles Zehrbild seines einstigen Selbst ist.

    Sowas empfinde ich als menschlich, tragisch und gut nachvollziehbar.
    Denn die Welt ist voller Idealisten, die irgendwann sich selbst aus den Augen verlieren. Und ihre Ideale vergessen.
    Und ehe man sich versieht, ist der Held selbst zum Bösen geworden.

    Und ganz wichtig, bitte kein Klischee Dunkler Herrscher, ala Sauron. Bitte nicht falsch verstehen, Sauron funktioniert super im Der Herr der Ringe, so wie er konzipiert und umgesetzt ist. Aber dass liegt auch einfach an der Umsetzung, und dem Aufbau der Geschichte an sich.

    Da mag ich lieber realistische Antagonisten. Die keine Überwesen sind, und auch ihre menschlichen Seiten haben.
    Vielleicht mag der, auf dem Schlachtfeld unbarmherzige Kriegsherr, seine Hunde über alles. Und ist sehr gut zu ihnen.
    Oder er interessiert sich für Philosophie, Geschichte. Eventuell ist er ein sehr guter, romantischer Liebhaber. Der in seiner Gegenwart keine Gewalt gegen Frauen und Kinder duldet. Vielleicht sind seine Ziele sogar nachvollziehbar, wenn auch sein Weg dahin moralisch verwerflich, aus Sicht des Protagonisten.

    Wenn du dir Sorgen darüber machst, was andere von dir denken.
    Dann lebst du dein Leben falsch.