Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 2.768 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (30. März 2020 um 12:03) ist von AFG.

  • Nocturne

    Nocturne schlief, als der Aufprall geschah. Sicher umhüllt von ihrer Kryostase-Schale, schlief sie tief und traumlos.
    Erst als das Schiff die Eigensicherung abgearbeitet hatte, initiierte es die Notfall-Wecksequenzen...

    Sibell

    Sibell war die einzige im Dorf, die den Stern hatte fallen sehen. Wie immer hatte sie nicht schlafen können und draußen vor der Hütte gesessen, als der Stern aufglühte und dann mit einer zarten, aber gut sichtbaren Leuchtspur zu Boden fiel. Irgendwo hinter den südlichen Wäldern musste er niedergegangen sein.
    Es gab Geschichten von den Alten der Alten, in denen fallende Sterne vorkamen. Sie hatten immer Tod und Zerstörung, Flammeninferno und Düsternis ausgelöst.
    Furchtsam blickte Sibell gen Süden, wartete auf die Feuer, oder was auch immer von dort kommen mochte. Doch es blieb still.
    Sibell erzählte dem Dorfherren von dem fallenden Stern, doch da kein Unheil aus dem Süden heranwehte, vergass der Dorfherr Sibells Geschichte ziemlich schnell. Sibell jedoch vergaß sie nicht...

    Kaddrag

    "Du bist so blöd, dass dich die Ratten fressen müssten!" Der große fette Junge grinste höhnisch, als Kaddrag sich den Mistbatzen aus dem Gesicht wischte. Doch sein Grinsen erstarb, als Kaddrag laut und deutlich erwiderte: "Von Dir lass ich mich lang noch nicht fressen!"
    Und noch ehe der bullige Menschenjunge etwas auf diese unerhörte Frechheit sagen konnte, hatte er den Mist, den Kaddrag soeben von sich gewischt hatte, in seinem eigenen Gesicht. Die Umstehenden gröhlten, wurden aber auffällig still, als sie begriffen, dass sie ihren eigenen Anführer auslachten. Der blickte böse in die Runde und wandte sich dann Kaddrag zu: "Das hast Du nicht umsonst getan, Bastard! Das wird dir noch leid tun!"
    "Sicher doch, Nalik!" sagte Kaddrag betont gleichmütig und wandte sich ab. Eigentlich erwartete er, dass sich die Jungenhorde nun auf ihn stürzen würde, doch es war merkwürdig still hinter ihm. So still, dass er sich umwandte.
    Die Jungen schienen ihn völlig vergessen zu haben. Mit staunend aufgerissenen Augen starrten sie nach Norden gen Himmel. Und als Kaddrag ihrem Blick folgte, staunte auch er: Ein glühendes Stück Himmel raste in hohem Bogen hinab, eine Feuerspur hinter sich herziehend. Irgendwo in den nördlichen Weiten musste das brennende Ding landen...

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

    Einmal editiert, zuletzt von Cory Thain (19. Juli 2019 um 18:51)

  • Liebe @Cory Thain
    Drei Fragmente aus der Sicht unterschiedlicher Personen, deren Schicksale gerade verknüpft werden. Ein Weltraumreisende stürzt auf einen fremden Planeten ab und wird von zwei Bewohnern beobachtet. Ein mittelalterlicher Planet? Willst du hier etwas Fantasy und Science Fiction mischen? Das hat Potential!
    Ich bin super neugierig! Bitte mehr …

  • Danke, @Sensenbach. Danke, @Tariq.
    :friends:


    Nocturne


    Als Nocturne erwachte, blinzelte sie ins Dunkel. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass etwas nicht stimmte. Es sollte nicht dunkel sein in der Schlafkammer. Ein mildes Dämmerlicht war programmiert, um den Schläfern nach dem Aufwachen die Orientierung zu erleichtern.
    Nocturne richtete sich auf und stieß sich den Kopf mit einem lauten Rummser an der Kapseldecke. Auch das sollte so nicht sein, die Schale sollte sich eigentlich öffnen, sobald sich etwas in ihrem Inneren bewegte.
    Doch Nocturnes Sinne waren bereits wieder wach genug, um sich zu erinnern: Die Konstrukteure hatten diese Möglichkeit mit einberechnet und einen mechanischen Öffner angebracht, irgendwo an der Seite. Nocturne tastete seitlich die Kapsel ab, jedesmal, wenn ihre Finger etwas erfühlten, wußte sie sofort, was es war: die Flasche mit dem Proteinkonzentrat, das Scanpad, die Taschenleuchte... Erfreut über den Fund knipste sie die Lampe an und sah sich um: Da war der Handhebel für den Kapselöffner. Er war problemlos zu betätigen und lautlos schwang sich die gläserne Halbschale nach oben. Die Luft war warm und abgestanden. Noch etwas, was nicht programmiert war.

    Nocturne kletterte aus der Kapsel und lauschte ins Dunkel. Der Strahl ihrer Lampe war kurz und beleuchtete nur die Schläfer in den Kapseln nebenan. Die wirkten ruhig und friedlich. War sie die Einzige?
    "Hallo?" rief sie laut in die Tiefe der Halle.
    "Wer ist da?" fragte eine männliche Stimme von sehr weit weg und ein kleiner Lichtpunkt glomm am anderen Ende der Halle auf.
    "Nocturne!" gab sie zurück und bekam ein "Aethan hier!" als Antwort. Weitere Lichtpunkt glommen auf. "Kirila!" "Tobas!" "Maonique!" "Kohn!" "Elea!"
    Dann war einen Augenblick Stille. "Keiner mehr? Captain Sorran, Sir?" fragte Nocturne beunruhigt. Die Notfallweckung, und das war hier definitiv eine, sah 20 Personen vor, um alle Fachbereiche adäquat zu besetzen. Sieben Leute waren zu wenig, um das Schiff zu führen.
    "Captain Sorran schläft hier neben mir, Commander", kam die Antwort von Tobas.
    Commander? Mit unguten Gefühlen wurde Nocturne bewußt, dass sie wohl in diesem Augenblick der ranghöchste Offizier war. Zwar hatten auch Tobas Main und Elea Trin den gleichen Rang, aber sie war die Einzige mit Brückenpatent, was sie automatisch zum Kommandanten des Schiffes machte... oder zu dem, was außerhalb der Schlafhalle noch übrig war.


    Sibell


    Jeden Tag ging Sibell an den südlichen Dorfrand, um Ausschau zu halten, nach dem, was der fallende Stern wohl gebracht haben mochte. Doch es kam nichts aus den Wäldern. Es war bereits ein paar Tage her und ihre Geschichte hatte bereits die Runde gemacht. Doch weil nichts geschah, verblaßte die Sensation ihrer Erzählung nach und nach. Und als der kleine Alekk freudestrahlend auf sie zukam und aufgeregt fragte, ob er mit ihr warten dürfe auf den Drachen, der im Wald gelandet sei, wußte sie, dass ihr Erlebnis zu einem Kindermärchen herabgesunken war.
    Sibell entschloß sich, den Stern suchen zu gehen. Wenn sie hierblieb, würde sie wahrscheinlich irgendwann selber glauben, nur geträumt zu haben. Dieser Stern war vielleicht nur ihretwegen gefallen, um ihr zu ermöglichen, ihm zu folgen. Ja, das war ein guter, ein aufregender Gedanke! Er gefiel Sibell. Sie packte ihre wenige Habe zusammen, ging zum Dorfherren, um ihm Bescheid zu sagen und verließ dann, unter den verständnislosen und manchmal auch mitleidigen Blicken der anderen ihr Dorf.
    Mutig schritt sie aus. Sie würde ihren Stern finden! Und dass sie allein war... nun, sie war nicht der erste Ork, der allein auf Wanderschaft ging.

    Kaddrag


    Kaddrag lächelte. "Glaubst Du wirklich, Du könntest Dich vor mir verstecken, Tillia?" Das Menschenmädchen erhob sich hinter der kleinen Mauer und streckte ihm die Zunge heraus: "Du bist sooooo blöd! Du könntest ja wenigstens ab und zu so tun, als ob!"
    Das verstand Kaddrag nicht: "Aber das wäre nicht wahr!?! Warum sollte ich Dich anlügen? Wir sind Freunde!" Tillia seufzte, kletterte rittling auf das Mäuerchen und klopfte auffordernd auf die Steine neben sich. Gehorsam setzte sich Kaddrag neben sie.
    "Nalik hat gesagt, der Himmel sei eingestürzt, aber er ist noch heile!" begann Tillia. Kaddrag nickte: "Nalik ist ein großer Dummkopf, es ist nur ein Stückchen Himmel abgefallen." "Aber der Himmel ist heile!" wiederholte Tillia nachdrücklich.
    Kaddrag nickte: "Weißt Du, ich glaube, es ist vielleicht ein Stückchen von den Wolkenbergen abgebrochen. Die verändern sich ja dauernd, deshalb sieht man das jetzt nicht mehr."
    Tillia malte versonnen mit dem Finger auf den Steinen herum: "Wie so eine abgebrochene Wolke wohl aussieht? Ich würd das zu gern wissen. Ob sie eine große Regenpfütze gemacht hat? Aber Nalik sagt, sie hat geglüht! Vielleicht ist da jetzt ein See mit kochendem Wasser? Was meinst Du?"
    Auch Kaddrag hatte sich viele Gedanken gemacht, was da wohl geschehen war am Himmel und wie das Stückchen Wolkenberg wohl aus der Nähe aussah...
    Tillias nächsten Worte rissen ihn aus seiner Grübelei: "Ich geh die Wolke suchen! Kommst Du mit?" Noch ehe Kaddrag antworten konnte, stürmte sie davon. Und Kaddrag wußte nichts besseres, als ihr hinterherzulaufen...

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • Hi @Cory Thain :) !
    Das ist wirklich klasse Unterhaltung hoch 3 ^^ ! Alle Abschnitte lesen sich (wie bei Dir gewohnt) super, ohne erkennbare Fehler, und den Spagat zwischen Fantasy und SF hast Du bislang locker rübergebracht. Nur mehr davon!
    Der Reiz dieser Geschichte wird es wohl sein, das Geschehen aus völlig verschiedenen Sichtweisen (futuristischer, mythischer und weiß-noch-nicht-was) zu schildern. Und die große Schwierigkeit...
    Was hassen Polizisten am meisten? Richtig, Zeugenvernehmungen. Denn jeder interpretiert das Gesehene anders, je nach persönlicher Wahrnehmung und Ansicht. Und hier werden die Unterschiede wohl GEWALTIG sein. Bin wirklich gespannt wie Du es deichselst :) .
    Also von mir ein klares :nummer1: .

    Adler erheben sich in die Lüfte
    aber Wiesel werden nicht in Flugzeugturbinen gesogen

  • Dank auch Dir, @Formorian :)

    Nocturne


    Sie hatten lächerlich lange gebraucht, um die Tür der Schlafhalle zu öffnen. Nocturne war den Leuten nicht böse darüber. Sie war wütend auf den Schiffscomputer, so sinnfrei das auch war. Der Rechner wählte immer die optimale Variante für seine Aktionen. Was allerdings "optimal" daran sein sollte, bei einer so komplexen Störung zwei Leute der medizinischen Abteilung, zwei Kommunikations-Fachleute, zwei Exo-Biologen und eine Psychologin zu wecken, blieb wohl sein Geheimnis.
    Aethan hatte halbernst gescherzt, dass das nicht nach Schiffsreparatur aussähe, sondern wie ein Erstkontakt-Kommando. Es war aber äußerst kompliziert, eventuelle Kontakte zu knüpfen, wenn man im Schlafzimmer eingeschlossen war...

    Der Weg zur Brücke war genauso dunkel und mit abgestandener Luft gefüllt wie die Halle. Doch kein Scan ergab irgendeine direkte Gefährdung durch Strahlen oder eingedrungene Bio-Materie. Und die Tür hinein war genauso schlecht zu öffnen. In der Halle hatte Nocturne noch ein schlechtes Gewissen gehabt, weil der Türmechanismus irreparabel geschädigt worden war. Hier auf der Brücke, oder besser kurz davor, war sie schon gleichgültiger. Sie mussten hinein, denn von hier waren alle Systeme ansteuerbar... sobald sie wieder Energie haben würden. Auch das Energienetz war auf der Brücke verschaltet...

    Sibell


    So lang war sie noch nie allein gewesen. Sie kannte die Geräusche des heimatlichen Waldes, aber hier schrien selbst die Tiere in fremden Tönen. Seit drei Tagen war sie unterwegs. Immer nach Süden, dorthin, wo ihr Stern hingeflogen war. Doch nichts deutete darauf hin, dass hier etwas Ungewöhnliches geschehen war. War der Stern verglüht wie ein Funken der heimischen Feuer? Hatte er sich im Fallen aufgelöst in tausend winzige Bröckchen?
    Sibell wußte es nicht. Aber sie wollte nicht glauben, dass etwas so Wundersames geschehen war, nur um hinterher einfach so zu verschwinden. Vier Tage! Vier Tage gab sich Sibell noch für die Suche, dann würde sie ihr schwindender Proviant wieder nach Hause zurückführen. Und wenn sie ehrlich war, auch das Heimweh...

    Kaddrag


    Sie waren gelaufen, gesprungen, hatten einander lachend und kreischend wie kleine Kinder gejagt, bis Tillia sich müde ins Moos sinken ließ. "Ich möcht heim, Kaddrag", murmelte sie und schloß die Augen.
    Kaddrag hockte sich neben sie und sah sich um. Hier war er noch nie gewesen. Suchend schickte er seine inneren Augen in die Gegend. Doch es gab nur wenig, was sie erkannten: ein paar Rehe ästen in der Nähe, ein Fuchs schlich durchs Unterholz, auf der Suche nach Futter, Mäuse gab es unzählige und auch Vögel... Doch nichts, was Kaddrag ermöglichen könnte, den Weg zurückzufinden. Er hatte sich hoffnungslos verlaufen. Er wußte nicht mal mehr, in welche Richtung sie vom Dorf aus weggelaufen waren.
    Kaddrag setzte sich aufrecht hin, um Wache zu halten, und Tillia zu beschützen. Doch der Wald war friedlich und Tillias gleichmäßige Atemzüge holten auch Kaddrag in das Dunkel des Schlafes...

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • Hi @Cory Thain :) !
    Viel geschieht ja hier noch nicht, was man ansprechen könnte. Die Charas scheinen aufeinander zuzusteuern. Bin gespannt, ob Nocturne es schafft das Schiff selbst zu öffnen, oder ob sie dabei auf Hilfe von außen angewiesen sein wird.
    Handwerklich wie immer sauber und sehr flüssig, absolut null Beanstandungen. Teil Zwo: Check :) !

    Adler erheben sich in die Lüfte
    aber Wiesel werden nicht in Flugzeugturbinen gesogen

  • Hallo@Cory Thain

    Ich finde die Geschichte sehr spannend und würde mich über weitere Kapitel freuen

    Ps: Deine Geschichte erinnert etwas an die Bücher Die Töchter des Drachen und Der Thron der Libelle von Wolfgang Hohlbein

    (Bei dir spielt die Story jedoch auf einem Fremden Planeten was die Sache nochmal spannender macht ?)