Der folgende Text ist eine Fan-Fiktion Kurzgeschichte im Setting von Vampire die Maskerade, meinem Lieblings Horror-Drama. Die Story selbst ist ein paar Jahre alt, aber ich überarbeite sie gerade, da ich in der Zeit natürlich weniger schlecht im Schreiben geworden bin und das gerne auch zeigen möchte.
Wie auch bei „Fluch der Kerze“ ist das genau meine Komfort-Zone, mit Zimmerservice, Whirlpool und Blick aufs Meer. Einfach purer, miserabler Spaß.
Es ist diesmal so verfasst das man der Handlung folgen kann ohne das Spiel zu kennen. Ich hoffe es gefällt, scheut euch aber auch nicht mich zu kritisieren wenn ihr möchtet.
Schrecklich Schön
Ich erwache jede Nacht in einem Raum ohne Fenster und das erste was ich sehe, wenn ich meine Augen öffne, ist das Gesicht des Mannes der mich ermordet hat. Dennoch lege ich meine Stirn zurück an seine Schulter und klammere mich fest an seinen Arm bis auch sein Schlummer endet.
Der Zustand indem er jetzt ist hat nichts mit dem Mann gemeinsam der er in einer halben Stunde sein wird. Seine Haut ist bleich wie Kreide und ich weiß wenn ich sie berühren würde wäre sie kalt. Er liegt friedlich da, ganz so als hätte er die Zeit und die Natur niemals betrogen.
Solange bis die Sonne den Horizont passiert hat und ihr Licht uns nicht mehr erreichen kann, sind wir wahrhaft tot; starre, leblose Körper, in den Kellern prunkvoller Anwesen und uralter Burgen vor unseren Feinden und Rivalen versteckt. Aber wir erwachen. Jüngere, wie ich es bin sehr früh und unsere Ältesten kurz nach uns.
Er hat dieses Haus vergrößert als ich her kam und mir eigene Räume angeboten, aber ich bin dort niemals eingezogen. Diese wenigen Minuten in denen er mir ausgeliefert ist, in denen er ein Objekt ist und ich keines mehr, sind alle Freiheit die ich noch habe. Eines Nachts werde ich erwachen, in diesem Raum ohne Fenster, versteckt im Keller dieses prunkvollen Anwesens und ich werde eine Waffe in den Händen halten. Aber nicht heute, wahrscheinlich nicht einmal in diesem Jahrzehnt.
Ich schaue über meine Schulter hinweg zu dem kleinen Wecker auf meinem Nachtisch. Einundzwanzig Uhr und achtunddreißig Minuten. Jeden Moment. Geduldig warte ich ab bis ich fühle wie sich seine Finger um meinen Handrücken schließen. Seine Augenlieder flimmern. Er dreht sich zu mir und der Blick seiner silbrig-blauen Augen trifft den meinen.
„Hast du gut geschlafen?“ Flüstert er. Ich nicke ihm höflich zu. Er fragt das jedes Mal obwohl er weiß dass mein Schlaf traumlos ist und dass mein Bewusstsein ohne Umweg zu dem Moment zurückehrt in dem die Tag-Ruhe Besitz von mir ergriffen hat. Als es das erste Mal passiert ist hat es sich angefühlt als würde ich langsam auf den Grund einer tiefschwarzen Teer-Grube sinken. Als würden mir meine Sinne und mein Verstand mit Gewalt entrissen. Und so ist es bis heute. Alles was sich verändert hat ist dass ich keine Hoffnung mehr habe dagegen ankämpfen zu können. Es ist ein Instinkt dem wir uns fügen müssen wie so vielen Trieben in uns. Manchmal glaube ich dass er einfach nur Ehepaar spielen will und dass ich bloß hier bin damit er sich selbst vormachen kann er wäre normal.
Schönheit ist ein zu schwaches und zu gewöhnliches Wort um ein Wesen wie Vincent Darthmoor zu beschreiben. Wenn er einen Raum betritt oder eine Begrüßung äußert ist es als würde sich ein gefeierter Schauspieler auf einer großen Bühne einfinden. Alles an ihm von seinem Erscheinungsbild, über die Art wie er sich bewegt bis zum Klang seiner Stimme ist vollkommen, ein Spiel von atemberaubender, natürlicher Eleganz, Maskulinität und Selbstbewusstsein das einen Betrachter in dem Glauben zurücklässt jede Abweichung von ihm müsse ein Makel sein.
Alle Augen und Ohren richten sich von selbst nach ihm und er schwimmt in dieser Aufmerksamkeit wie ein Fisch im Wasser. Sich in ihn zu verlieben ist unwahrscheinlich einfach auf dieselbe Art und Weise wie der Köder in einer Falle scheinbar immer einfach zu erreichen ist.
Zwischen dem was ich für ihn fühle und dem was ich über ihn denke klafft eine tiefe Schlucht. Es liegt in unserer Macht und der unseres Clans in willigen oder unwilligen Opfern Gefühle von Hingabe, Freundschaft und abgrundtiefer Liebe zu wecken. Eine Faszination so tief das wir uns zum Zentrum ihrer Welt machen, bis wir alles von ihnen bekommen was wir brauchen oder wollen. Ich kann jemandes beste Freundin sein, der man nur zu gerne jedes Geheimnis anvertraut, eine Geliebte für deren Gunst man töten würde oder ein Youtube-Idol das seinem Publikum erzählt welche Sachen sie kaufen oder welche Clubs sie besuchen sollen. Das ist was wir tun.
Ich weiß er manipuliert auch mich. Den Bann zu brechen und diese eingepflanzte Ergebenheit ab zu schütteln ist möglich, aber ich fürchte mich vor dem was zurückbleibt wenn es mir gelingt diese wunderschöne Illusion zu zerstören. An seiner Seite bin ich zumindest sicher vor Jägern und all den anderen Feinden, die uns aus dieser Welt tilgen wollen.
Der Mensch der ich war liegt beerdigt in einem leeren Grab. Sich sterblichen als das zu offenbaren was wir wirklich sind ist streng verboten. Meine leibliche Familie und meine alten Freunde sind Kollateralschäden die nur darauf warten zu passieren. Ich habe sie mir aus dem Herzen gerissen und sie glauben lassen ich wäre bei einem Autounfall gestorben. Niemals wieder wird mich jemand bei meinem richtigen Namen rufen. Das Alias „Jacky“ schützt uns jetzt und verhindert das meine entzückenden Artgenossen sie benutzen um mich zu erpressen oder schlimmer noch: das sie mich wiederfinden und so die Maskerade brechen die wir verzweifelt aufrecht erhalten.
Der einzige der meinen Schmerz versteht ist derjenige der ihn verursacht hat. Aber wo und wie würde ich überleben wenn nicht in seiner Zuflucht? Das was ich bin wird von unseresgleichen „Küken“ genannt, einer von uns der zu jung und zu unerfahren ist um sich sicher zwischen den anderen Raubtieren zu bewegen oder auf Bedrohungen von außen zu reagieren. Man kann von diesem Zustand von unseren Anführern freigesprochen werden, aber ehe es so weit ist sind meine Rechte und Möglichkeiten sehr überschaubar. Man gestattet mir meine Existenz fort zu setzen solange mein Erzeuger es wünscht. Mehr nicht. Diese Gesetze sind in Stein gemeißelt oder viel mehr in die Gedanken Jahrhunderte alter Monster, den Ahnen, die Veränderungen noch weniger schätzen als Sonnenlicht auf ihrer fahlen Haut. Dagegen zu protestieren ist so sinnlos und so schmerzhaft wie seinen Kopf gegen eine Mauer zu schlagen.
Ich stehe auf, kämme mein Haar und tausche mein Nachthemd gegen eine bequeme Jeans, eine weiße Bluse und eine Korsage ein. Früher mochte ich diese Dinger nicht, weil ich das Gefühl hatte darin nicht richtig atmen zu können. Nun habe dutzende davon und schnüre sie mit Wonne so eng ich will.
Wir beide zwingen unser kaltes, dunkles Blut zurück in die feinen Adern unter unserer Haut und stellen den Glanz und die Röte in unseren Wagen wieder her, bis wir unserer Beute so ähnlich sind, das niemand Verdacht schöpft, egal wie nahe sie uns sind. Und sie wollen uns nahe sein, denn wir gehören zum Clan Toreador, personifizierte Leidenschaft, Schönheit und Macht.
Ich lege Make-Up auf das etwas zu hell für mich ist, damit man den Aufwand auch in dunkleren Räumen noch wahrnimmt und wühle in einer Schublade, die bis zum Rand mit geschenktem Goldschmuck gefüllt ist nach den schönsten Stücken.
„Zieh bitte was Nettes an, Liebling. Heute ist Versammlung“, erinnert er mich zum dritten Mal, während er seine Krawatte bindet. Seine Stimme ist sanft und er sagt `Bitte` aber ich weiß sehr wohl das ich dieses Zimmer nicht verlassen werden, bis ihm gefällt was ich trage. Die Jeans landet zielsicher im Mülleimer und ich schlüpfe stattdessen in einen knielangen, schwarzen Rock. Ungerne gestehe ich mir ein dass er Recht hat. Es sieht besser aus. Er legt seine Lieblings-Armbanduhr an und grinst. Er schaut zu mir herüber, als ob er meine Gedanken gelesen hätte, was er wahrscheinlich hat.
Sobald wir fertig sind reicht er mir seinen Arm und begleitet mich durchs Treppenhaus nach oben in einen Flur mit Marmor-Fließen und hohen Fenstern aus kugelsicherem Glas. Mit meinen geschärften Sinnen blicke ich hinauf in meinen geliebten Sternenhimmel und sammle langsam die Kraft die ich brauche um eine weitere Nacht zu überstehen ohne schleichend den Verstand zu verlieren.
Sasha, einer unserer Tagwächter, erwartet uns in der Einfahrt neben einem weißen Mercedes. Sommertage sind hart für unser Gefolge. Man sieht ihnen die Überstunden an und ich bin kaum über die Türschwelle, da kommt mir schon der Kaffee-Geruch entgegen, der ihm aus jeder Pore trieft. Er macht den Rücken gerade als er uns sieht und versucht sich sein Elend nicht anmerken zu lassen. Er hat es fast geschafft. Wenn wir das Haus verlassen kann er sich endlich ausruhen. Sollte jemand dumm genug sein bei Nacht an zu greifen kümmern wir uns selbst darum und halten die weichen Ziele aus der Schusslinie. Es ist ein bitteres Stück Ironie das mein Guhl jederzeit bereit ist sich für mich in eine Kugel zu werfen obwohl nur er sich dabei tödliche Wunde zuziehen kann.
Er verneigt sich höflich vor uns und übergibt Vincent die Auto-Schlüssel und auch zwei Pistolen, die er ein paar Mal in seiner Hand dreht und dann unter dem Mantel verschwinden lässt. Die Bewegung ist so schnell das ich sie nur verschwommen verfolgen kann.
„Ihr seht wundervoll aus, Miss Jacky“. Ich trete einen Schritt näher greife seine Hand und schaue ihm tief in die Augen. Sein korrumpiertes Gehirn wird jedes Wort das ich an ihn richte aufsaugen wie ein Schwamm, also darf ich keinen Interpretations-Spielraum lassen.
„Wir haben in den letzten Wochen viel von dir verlang und ich will nicht das deine Gesundheit leidet. Nimm dir morgen früh den blauen Oldtimer der in der Garage steht, mach den Tank voll und fahr nach Hause zu deiner Mutter. Bleib zwei Wochen da und lass sie sich um dich kümmern.“
Er nickt. „Sehr wohl, Miss Jacky.“ Vincent mustert mich amüsiert, sagt aber nichts. Er hält mir die Beifahrertür auf und ich lasse mich in den luxuriösen Leder-Sitz sinken. Er schnallt sich an, drückt aufs Gaspedal und telefoniert mit seinem Smartphone, während er die kurvige Einfahrt runter lenkt.
„Hey. Bist du zu Hause?“ Meine Augen verdrehen sich bis sie fast unter den Liedern verschwinden. Die Frau am anderen Ende heißt Alice. Er hat sie dazu gebracht ihren Verlobten zu verlassen und diese merkwürdige Hippie-Religion auf zu geben die sie vorher hatte. Eigentlich sollte ich Mitleid haben aber sie hat es ihm so dermaßen einfach gemacht. Und jetzt sitzt sie da, allein in ihrer winzigen Wohnung und tut vermutlich nichts mehr außer auf das Telefon zu starren und sehnsüchtig darauf zu warten dass er sich bei ihr meldet. Diese blöde, naive Kuh steht auf der Speisekarte, sie weiß es nur nicht. Er könnte sie genauso gut gleich zu uns einladen und sie in einem Käfig halten.
Nachdem ich einmal beobachtet habe wie er das jemandem antut, habe ich entschieden niemals so tief zu sinken. „Nicht ganz so grauenvoll zu sein wie du theoretisch könntest macht dich nicht gut“ hat man mir gesagt. Trotzdem klammere ich mich an den schwindenden Rest Menschlichkeit in mir und unternehme zumindest den Versuch nicht mehr Leid zu verursachen als ich muss, auch wenn ich tief im Inneren weiß das es für die Menschheit im allgemein besser wäre ich würde einen von ihnen dazu bringen mich zu köpfen.
Wir fahren in die Innenstadt. Bunte Neonschilder leuchten überall um mich herum und wir sind bald umgeben von Nacht-Clubs und Diskotheken deren Musik bis nach draußen auf die Straße dröhnt. Vincent hat das Fenster runter gekurbelt und lässt seinen linken Arm auf der Tür ruhen. Er liebt schnelle Autos und wenn er könnte würde er vermutlich noch eine Sonnenbrille auf setzen um den Jugendlicher-Millionärs-Look zu vervollständigen. Er fährt rechts ran, lässt den Motor aber weiterlaufen damit Passanten die an uns vorbei gehen nicht hören können was wir sagen.
„Ich schmeiß dich hier raus, Liebling. In einer halben Stunde hole ich dich wieder ab und wir fahren weiter zum Elysium.“
„Liebster?“ Frage ich und versuche ihn mit traurigen Augen weich zu klopfen. „Ich würde lieber nicht mit dir kommen. Die Schwächste im Raum zu sein macht keinen Spaß und du hast Alissa immer noch nicht gebeten meinen Rang zu erhöhen, wie du es versprochen hast.“
Meine Kräfte sammeln sich und ich strecke sie wie eine unsichtbare Klaue nach seinem Verstand aus um auf meine Seite zu ziehen. Wenn ich Erfolg habe wird er kompromissbereiter sein und meine Argumente werden ihm vernünftig und sinnvoll vorkommen, als hätte er von Anfang an selber darauf kommen sollen.
Er lässt seine kalte Hand auf meiner Wange ruhen und schaut für einige Augenblicke nachdenklich aus dem Fenster. Dann kurbelt er die Scheibe hoch und schaut mich mit seinen stechenden blauen Augen an.
„Elysium ist nur der Ort an dem wir mit Worten kämpfen anstatt mit Waffen. Das hat mit Spaß nichts zu tun sondern mit Politik und dem Wunsch mit so wenig Blutvergießen wie möglich nebeneinander zu leben. Dich frei sprechen zu lassen würde nichts ändern, außer dass man höhere Erwartungen an dich stellt und das du allein dafür gerade stehen müsstest wenn du die Regeln brichst.“
Ich komme mir von einer Sekunde auf die nächste unheimlich kindisch vor. Wir müssen uns alle auf dem neutralen Boden gegen andere unserer Art behaupten und ihren Respekt verdienen. Wie konnte ich bloß denken ich bekäme eine Ausnahme? Ich schäme mich, will seinem Blick ausweichen, aber sein Griff wandert von meiner Wange an mein Kinn und er lässt mich nicht los.
„Weißt du meine Hilfe den gar nicht zu schätzen, Jacky? Bin ich so ein schlechter Mentor?“
In dem Moment in dem ich die Fragen sacken lassen, kämpfe ich bereits damit nicht vor ihm in Tränen aus zu brechen. Fast schon automatisch stammele ich eine Entschuldigung. Er nimmt sie an aber der Unterton in seiner Stimme signalisiert deutlich, dass das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen ist. Endlich darf ich aussteigen. Mit quietschenden Reifen lasse ich ihn weg fahren und schaue ihm hinter her bis der Wagen hinter einer Kreuzung verschwindet.
Seit ich aufgewacht bin ist schon viel Zeit vergangen. Ich kann fühlen wie sich Unruhe in mir ausbreitet und wie stark meine Sinne auf die Stimmen, die Bewegungen und den Geruch von Menschen eingestellt sind. Wir nennen es „Hunger“, aber es ist mit dem Mangel an Nahrung, wie Sterbliche ihn kennen, nicht zu vergleichen und auch nicht mit dem Verlangen eines Süchtigen nach seiner Droge. Ich stelle es mir wie ein anderes Wesen vor mit dem ich meinen Körper teile seit ich wiedererweckt wurde. Wenn es seinen Willen zu lange nicht bekommt krallt es sich in meine Eingeweide und in mein Gehirn, überschwemmt meine Gedanken mit seinem Flüstern und versucht die furchtbaren Dinge zu rechtfertigen die wir tun müssen um an frisches Blut zu kommen. Es zerrt jede wache Minute an meinem Geist. Dieses Wesen, dieses Tier kennt kein Mitleid weder mit unseren Opfern noch mit meinem Gewissen und es gewinnt immer. Es will immer mehr egal was die Konsequenzen sind. Wenn es mich mitten auf der Straße überwältigt gibt es keine Maskerade mehr, nur warme, pulsierende Körper in die es seine Zähne schlagen kann.
Oh, seine Stimme ist verlockend! Wenn meine Fänge die Haut durchbohren und ich mich endlich in tiefen Schlucken satt trinken kann durchströmt mich wieder die Wärme des Lebens die ich verloren habe und ich bin frei von der fremden Stimme die versucht mich zu lenken. Ich werde das Tier und es fühlt sich so unglaublich richtig an. Es führt mich zu einen der wenigen Glücksmomente die ich überhaupt noch empfinden kann. Es gibt nichts Wichtigeres für uns.
Jeder Mensch hat in seinem Leben mindestens einmal einen blutenden Finger an seine Lippen geführt um über die Wunde zu lecken und zu sehen wie tief der Schnitt geht. Aber dieser schwache, salzige, metallische Geschmack ist nicht das was wir wahrnehmen wenn wir trinken. Das erste was meinen Gaumen erreicht ist pure Energie, die Lebenskraft meiner Beute die mich durchdringt und erfüllt wie ein elektrischer Schlag. Ich kann alles schmecken was mit dem Blut vermischt ist, Alkohol, Drogen oder Medikamente. Ich kann sogar betrunken werden wenn ich es drauf anlege. Aber auch die Angst die sie fühlen dringt zu mir durch, wenn ihre Organe vor Sauerstoffmangel zu versagen drohen.
Der einzige Weg um keine Spur aus Leichen hinter mir her zu ziehen, wenn ich durch die Nacht streife ist nach zu geben solange ich noch klar denken kann. Wenn ich das tue ist es mir gerade so möglich mich zu zügeln und von meiner Beute ab zu lassen ehe sie ihrem Blutverlust erliegen. Ihre Erinnerungen sind schwammig wenn sie wieder aufwachen. Ich weiß nicht genau warum das funktioniert aber ich vermute das es etwas in meinem Speichel ist das sie benommen macht und auch dafür sorgt das die Bisswunden schnell verheilen. Selbst das alles befriedigt das Biest nur für wenige Stunden. Ich habe keine Wahl als ein oder zwei Nächte später nochmal auf die Jagd zu gehen, von diesem Moment an bis zum Hitze-Tod des Universums.
Der nächste Club zu mir ist das „Rose-Gold“. Er gehört einer von uns, daher kann ich mich darauf verlassen das die Kameras im Untergeschoss großzügige, tote Winkel haben, in die ich mich zurückziehen kann wenn ich etwas tue bei dem ich nicht gefilmt werden will.
Ihr Name ist Darthia. Vincent und sie kennen sich, aber soweit ich es weiß haben sie Streit. Sie hat mir erlaubt hier zu jagen, ihm aber nicht, was mir im Augenblick sehr gelegen kommt. Ohne ihre Zustimmung würde ich nicht wagen einen Fuß in ihr Territorium zu setzen. Zum selben Clan zu gehören ist längst keine Garantie dass man toleriert wird, geschweigenden mit Hilfe rechnen kann wenn man in Not ist. Vertrauen ist rar unter Monstern. Die Schlange am Eingang ist lang und meine Zeit ist knapp also gehe ich direkt zum Tür-Steher.
„Ich bin mit meinen Freunden hier.“
Sage ich lässig und werfe ein Bündel Fünfzig-Euro-Scheine auf das Klemmbrett das er hält. Geld ist wertlos für mich. Ich kann jederzeit mehr besorgen. Er nickt mir zu und findet auf wundersame Weise plötzlich einen blanken VIP-Pass von dem er weiß dass er für mich bestimmt ist.
Drinnen ist es warm und ich kann den Bass der Musik fühlen wie er zwischen meinen Rippen wiederhallt. Es ist Freitagabend und die Leute belohnen sich selbst für die Woche harte Arbeit die hinter ihnen liegt, indem sie ausgelassen feiern und gnadenlos ausnutzen das sie am nächsten Tag nicht nüchtern sein müssen, indem sie tun was auch immer sie zuletzt in einen Jägermeister-Werbespott gesehen haben. Ich lasse den Blick über die Menge schweifen und finde, in einer Ecke sitzend, die armseligste Kreatur im ganzen Gebäude.
Der Kerl steht auf der Brücke zwischen Jugendlichen und Erwachsenem und scheint sich nicht für eine Seite entscheiden zu können. Auf seinem schwarzen T-Shirt steht in roter Druckschrift „You`re going to hell anyway!“ und er trägt eine silbernes Piercing in seiner Unterlippe aber er klammert sich an eine Flasche Mineralwasser und schaut abwechselt zwischen einer kleinen Gruppe feiernder Kollegen und der Uhr auf seinem Handy hin und her. Man muss kein Meister Detektiv sein um zu bemerken dass er gar nicht hier sein will. Seine Freunde haben ihn vermutlich gedrängt mit zu kommen weil er der einzige ist der schon vernünftig Auto fahren kann und der sowieso zu erwachsen für bunte, zuckrige Drinks ist.
Heute ist dein Glückstag, Süßer. Du tanzt mit mir! Meine Anspannung verfliegt und ich schreite in gerader Linie über die Tanzfläche zu ihm. Natürlich werde ich angesprochen, sogar von treulosen Halbstarken die eigentlich mit ihren Freundinnen hier sind. Ich liebe den Moment wenn ich höflich ablehne und ihr blick daraufhin schuldbeladen zu ihrer Herzensdame zurückwandert, die nicht selten durchblicken lässt das sie lieber wieder Single sein will. Manchmal gehe ich auch gleich mit ihren versetzten Dates weg, um Salz in die Wunde zu reiben, aber nicht heute.
Die Rock-Ballade die gerade spielt geht auf ihr Ende zu. Wenn er nicht schüchtern ist haben wir das nächste Lied für uns. Er schaut zu mir auf und sieht sich dann zu den Seiten um, als ob er nicht glauben könnte dass ich ihn meine. Meine Stimme ist leise, fast schon ein Flüstern, aber das spielt keine Rolle. Seine Aufmerksamkeit gehört mir. Kein einziges Wort wird ihm entgehen.
„Wenn ich unter allen Leuten in diesem Club dich auswähle, würdest du meine Hand nehmen und mit mir tanzen?“
Er nickt, stellt seine Wasserflasche beiseite und lässt sich unter den eifersüchtigen Blicken seiner Freunde von mir auf die Füße ziehen.
Das nächste Lied gefällt mir nicht besonders, aber mein Tanz-Partner tut es. Er ist ein durchschnittlicher Tänzer aber ich kann vom ersten Takt an fühlen wie er seine ganze Energie in jede Bewegung legt, völlig gleich ob sie ihm perfekt gelingt oder nicht. Er ist selbstsicher in dem was er tut; ein seltener Fang. Er darf ein paar Selfies mit mir machen, aber der Name und die Nummer die ich ihm gebe sind falsch. Ich brauche keinen weiteren Verehrer, nur sein Blut.
Wenn ich mir sicher bin das es keinen Verdacht mehr erregen wird ihn von seinen Freunden weg zu locken, führe ich ihn an der Bar vorbei in einen ruhigeren Bereich mit ein paar gepolsterten Bänken. Ich setze mich auf seinen Schoss und küsse ihn auf die Lippen, bis auch der letzte Gaffer den Hinweis versteht und sich peinlich berührt abwendet, um uns nicht weiter zu stören. Mit den Fingerspitzen fahre ich sachte durch sein dunkles Haar und ich bringe ihn dazu seinen Kopf auf die Seite zu legen. Nicht ganz eine Minute vergeht ehe ich meine Fänge ausfahre und mir nehme was ich brauche.
Früher als das alles noch neu für mich war hat Darthia mir oft mit frischer Kleidung ausgeholfen, damit die blutigen Flecken an meinem Kragen mich nicht verraten, während Vincent am Telefon energisch mit einem Mann gesprochen hat, dessen Stimme jedes Mal enttäuscht klag. Inzwischen ist mir bewusst dass er damals Leichen für mich beseitigt hat. Aber das wird sich nicht wiederholen.
Als ich ihn auf dem Polster liegen lasse ist er bewusstlos, aber er atmet und er wird sich erholt haben, noch ehe der Club schließt. Seine Freunde werden es auf Überarbeitung oder auf Alkohol schieben. Es ist alles gut.
Eigentlich bin ich auf dem Weg nach draußen, aber meine Nackenhaare stellen sich unangenehm auf. Mein Instinkt sagt mir dass ich beobachtet werde.
(Fortsetzung folgt.)