Heyho allerseits,
beim Weltenbau haben wir einen Thread "Allgemeine Links zum Weltenbau". Für das Schreiben an sich und das Drumherum um das Hobby / den Beruf Schriftsteller gibt es so etwas bisher in der Form nicht. Ich lese immer wieder irgendwo Artikel, Essays, Kommentare etc. die gut in einen solchen Thread passen würden, daher dachte ich, ich fange einfach mal damit an und schaue, was sich dabei so ergibt.
Ich stelle mir das so vor, dass man immer kurz etwas zu dem Link schreibt, das auch inhaltlich etwas aussagt. Also nicht "Guckt mal, voll cool!", sondern eher so wie unten.
Wenn das Mod-Team oder Forenuser der Meinung sind, dass das auch gut zum Weltenbau passt, dann kann man das auch gerne zusammenlegen.
So, starten wir mit dem ersten Link:
Was ist Sensitivity Reading - tor-online.de
Unter dem Link findet ihr einen Essay über Sensitivity Reading. Für mich fällt das unter das Drumherum bzw. es betrifft vielleicht auch eher nur AutorInnen, die ihre Werke auch tatsächlich auf dem Buchmarkt veröffentlichen (können). Es geht dabei darum, dass ein spezieller Lektor die Geschichte aus dem speziellen Blickwinkel einer Minderheit, Randgruppe etc., die Diskriminierungserfahrungen machen / gemacht haben, liest und dem Autor Tipps zur authentischen Darstellung oä gibt. Konkretes Beispiel: Wenn man als Weißer dunkelhäutige Charaktere einbaut, kann man im Allgemeinen nicht aus eigener Erfahrung wissen, ob man subtile, typisch rassistische Darstellungen verwendet. Es geht also irgendwie darum, dass ein Lektor dem Autor sagt: "Hey, mit dieser Darstellung verletzt du die Gefühle anderer Menschen, schreib das doch an den und den Stellen so und so."
Oder wie es der Artikel formuliert:
Du möchtest Geschichten schreiben, die nicht unabsichtlich Stereotype und Vorurteile beinhalten? Cool – Sensitivity Reader helfen gerne dabei.
Aus meiner Sicht lohnt es sich, mal kurz in den Artikel, vor allem in den Abschnitt, "Was hat das mit Fantasy zu tun? Oder auch: Orcing", reinzulesen. Hier ist der wesentliche Punkt, dass auch Fantasywesen durch die reale Welt inspiriert sind und deren Denkmuster teilweise unbewusst übernehmen. Zwei Beispiele: Einhörner sind eine Kombination aus Pferden und Magie. Elfen sind eine Kombination von Menschen und Magie. Und Orcs?
Orks sind irgendwie menschlich, haben die Grundeigenschaften von Menschen, aber keinen freien Willen, sind aggressiv, barbarisch, dreckig, unzivilisiert und werden bestenfalls versklavt oder getötet.
Das stimmt natürlich nicht für alle Fantasyromane, aber es passt doch häufig zu vielen Fantasywelten. Das Problem aus Sicht des Sensitivity Readings ist, dass diese Eigenschaften genau die gleichen Eigenschaften sind, die man zu Kolonialzeiten dunkelhäutigen Menschen zugeschrieben hat. Dass das problematisch sein kann, brauche ich glaube ich nicht zu erläutern.
Soweit mal die Zusammenfassung. Ich bin mir ehrlich gesagt noch nicht so ganz sicher, was ich davon halten soll. Einerseits kann ich dem oberen Zitat nicht widersprechen. Das klingt einfach sinnvoll. Gleiches gilt ja ohne dass sich jemand darüber aufregt bei Naturwissenschaften: Wenn ich keine Ahnung von Virologie habe, aber im Labor erzeugte Viren die Schlüsselrolle in meiner Geschichte spielen, dann frage ich jemanden, der sich damit auskennt, ob die Darstellung "richtig" oder zumindest "glaubwürdig" ist. Andererseits fände ich es schöner, wenn man sich einfach öfter mal mit Menschen anderer Gruppen unserer Gesellschaft unterhält und dadurch selbst sensibel für die Themen und die Darstellung wird. Ob das so natürlich funktioniert, ist eine andere Frage.
Passend dazu lese ich gerade "Der Berg" von Dan Simmons (ein US-Amerikaner) und da stolpere regelmäßig über eine sehr klischeehafte Darstellung "der Deutschen" als kalt(herzig), militärisch, herrisch, unnahbar, unfreundlich und allgemein halt als "böse Nazis". Egal was deutsche Bergsteiger in dem Buch tun oder wo immer sie auftreten, alles wird mit aus meiner Sicht platten "historischen Schnippseln" aus der (Vor-)Geschichte des dritten Reichs und der NSDAP verbunden. Ganz nach dem Motto:
Wo trifft man sich mit einem deutschen Bergsteiger? Natürlich im Bürgerbräukeller in München.
Was trägt ein deutscher / bayerischer Bergsteiger 1924 typischerweise? Natürlich ein braunes SA-Hemd und eine passende Armbinde.
Was trinkt er? Natürlich hat er schon mindestens ein Maß Bier getrunken, bevor der Engländer ankommt, dann trinkt er nebenbei eine, während der Engländer spricht und dann bestellt er nochmal eine, wenn er mal nach 5 Minuten Gespräch nachdenken muss, bevor er antwortet...
Auf mich wirkt das gerade unfreiwillig komisch, aber es ist nicht die Intention des Buches, humorvoll zu sein. Insofern könnte ein deutscher Leser sich durch die Darstellung auf den Schlipps getreten fühlen (was ich aber eigentlich nicht tue). Bemerkenswert platt und etwas nervig finde ich es aber dennoch.