Hallo ihr,
ich möchte euch eine meiner Geschichten zeigen.
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Kristallsklaven Kapitel 1 Ende und Anfang 1.1 Kristallschlange Lian[/u]
Lian stapfte durch die Dunkelheit. Eisiger Wind blies in sein Gesicht und kalte Schneeflocken verfingen sich in seinen Wimpern, sodass er immer wieder blinzeln musste und nur schemenhaft erkennen konnte, wie die wild tanzenden Flocken im Licht der Parklaternen glitzerten. Die Rosensträucher versteckten sich unter einer dicken weißen Decke. Die kleinen Hügel der Büsche wurden von einer ebenen weißen Fläche abgelöst. Uralte Kastanienbäume trotzten mit ihren kahlen Ästen der Kälte. Steinsarkophage, die letzten Zeugen des einstigen Friedhofs, stachen schwarz aus dem Weiß. Ebenso wie die winzige Kapelle. Keine Fußspuren zeugten von Leben auf dem kleinen Spielplatz und ebenso der Skaterbahn. Lian zog seinen Schal etwas weiter über die Nase und schloss auch die letzten Zentimeter des Jackenreißverschlusses. Er folgte dem Weg um eine Kurve, vorbei an weiteren Gräbern und direkt auf einen großen Springbrunnen zu. Nur wenige Meter vor ihm, hinter dem Ausgang des Parkes, war ein Räumfahrzeug dabei, die weiße Pracht in Match zu verwandeln. Durch einen Seiteneingang schlüpfte er in den Bahnhof und ging zu seinem Gleis. Seufzend ließ er seinen Rucksack auf den Boden fallen. Dank der Überdachung lag hier kein Schnee. Wenig später fuhr sein Zug auf dem Bahnhof ein, zum Glück war er pünktlich. Ein leises Quietschen begleitete den Bremsvorgang und mit einem Ruck kam der Zug zum Stehen. Zischend öffneten sich die Türen, um die Fahrgäste aufzunehmen. Lian packte die zwischen seinen Beinen stehende Tasche und betrat wie einige andere den Zug, der ihn zur Berufsschule bringen würde, wie schon die ganze vergangene Woche. Als Kochlehrling hatte er Blockunterricht, das hieß eine Woche Schule, zwei Wochen im Restaurant. Lian gefiel diese Regelung eigentlich ganz gut. So hatte er eine Woche, in der nur die Schule zählte. Außerdem begann heute Nachmittag sein freies Wochenende. Im Inneren des Zuges empfing ihn eine angenehme Wärme. Er stellte seine Tasche auf den Sitz, streifte seine Handschuhe ab, lockerte den Schal und zog die Mütze vom Kopf. Seinen Platz fand Lian am Fenster. Die Türen schlossen sich und der Zug setzte sich in Bewegung. Lian lehnte den Kopf an die Scheibe und ließ sich von sanften Schaukeln und Rattern des Zuges davon tragen. Nach einer Weile döste er ein. An jedem Bahnhof, an dem der Zug hielt, öffnete er kurz die Augen. Auf diese Art hatte er noch nie seinen Bahnhof verpasst. Unvermittelt schienen sich die Bewegungen des Zuges zu ändern, dass sanfte Schaukeln verwandelte sich in ein starkes Schwanken. Der junge Mann öffnete die Augen, die wenigen anderen Fahrgäste schienen nichts zu bemerken. Das konnte doch nicht sein? Der Waggon begann, sich vor seinen Augen zu drehen. Niemand im Zug schien Lians Schreie zu hören oder mitzubekommen, was passierte. Ging dieses Problem etwa von ihm aus? Wurde er krank? Die Formen verschwammen, lösten sich auf, die Farben flossen ineinander, mischten sich neu. Alle Geräusche verstummten. Er konnte den Sitz nicht mehr spüren, seine Kleidung schien zu verschwinden. Die wirbelnden Farben wurden dunkler und schließlich wurde alles schwarz …
… Ganz langsam kämpfte sich Lians Bewusstsein an die Oberfläche. Sein Kopf, seine Schultern und Arme schmerzten. Warme Luft streifte seinen Körper. Warum konnte er das spüren? Er war doch dick angezogen! Wo war seine Kleidung? Warum fror er nicht, es war doch Winter? Er hob den Kopf und öffnete seinen Augen einen winzigen Spalt, hell stach das Licht in seine Augen. Mit Blinzeln versuchte er, den schmerzhaften Stichen zu entgehen. Mit jedem Lidschlag wurde es besser und aus hellen Schemen wurden Wände, Fenster und eine Tür. Seine Füße berührten Holzboden. Metall umschloss seine Handgelenke, scheuerte an seiner Haut und hielt ihn aufrecht. Er begriff, dass sein eigenes Gewicht schmerzhaft an seinen Armen und Schultern zog. Er blickte nach oben und tatsächlich umschlossen Fesseln aus Metall seine Handgelenke und zwangen seine entblößten Arme nach oben. Egal wie sehr er versuchte, sich zu bewegen, seine Muskeln verweigerten den Dienst. Er blickte an sich herab und musste feststellen, dass er noch nicht einmal Unterhosen trug. Tränen rannen über seine Wangen. Wo war er nur hineingeraten? Wer hatte ihn an diesen Ort gebracht? Nach unzähligen Versuchen gehorchten seine Muskeln endlich und er schaffte es, sich auf seine Füße zu stellen. Endlich hing er wenigstens nicht mehr an seinen Armen. Schwerer süßer Blumenduft erreichte seine Nase, doch ebenso konnte er einen hauch von verrottenden Pflanzen wahrnehmen. Doch auch andere Gerüche waren dabei, sie erinnerten ihn an exotische Kräuter und Gewürze. Nicht einen Duft dieses wilden Mixes hätte er bestimmen können. Das Fenster vor ihm stand offen und ließ den warmen Wind in den Raum. Lian konnte in dem Raum keine elektrischen Lampen, keine Kabel oder Steckdosen entdecken. An welchem Ort befand er sich? Er griff in die Ketten und zerrte daran, laut rasselten die einzelnen Glieder. Wütend knurrte er und schrie schließlich seine Wut hinaus, aber die Fesseln hielten stand. Die Klinke knarrte, als sie sich senkte und sich quietschend die Tür öffnete. Ein fetter älterer Mann betrat, in eine blaue Robe gekleidet, den Raum. Der Kerl sagte etwas, in einer sonderbaren Sprache. „Was hast du gesagt? Ich verstehe dich nicht“, entgegnete Lian. Kalt stand der Mann da, reagierte nicht, murmelte etwas. „Wo bin ich? Was wollt ihr von mir?“, fragte Lian leise. Er sah, wie der Kristall sich in die Länge zu ziehen begann. Der Stein wurde länger und dünner. Wand sich wie eine durchsichtige Schlange mit blauen, violetten, grünen und roten Flecken. Erschrocken riss Lian die Augen auf und wich einige winzige Schritte zurück, soweit es die Ketten zuließen. Er keuchte, als die Kristallschlange sich windend durch die Luft auf ihn zu zuflog. So wie der Mann grinste, drehte sich ihm fast der Magen um. Der Kristall bewegte sich unaufhaltsam weiter, schlang sich um Lians Hals. Lian keuchte, riss an seinen Ketten und versuchte, das Ding loszuwerden. „Du bist ein Sklave und ich werde dir beibringen, wo dein Platz ist. Deinen Herrn wirst du mit Gebieter ansprechen! Du wirst in ganzen Sätzen antworten und Personen, die höher gestellt sind, Respekt erweisen. Ob und welche Kleidung du trägst, bestimmt dein Gebieter! Was du isst, bestimmt dein Gebieter! Du wirst jeden Befehl ausführen!“, legte der Mann fest, drehte sich um und verließ den Raum. Einen Moment starrte er dem Kerl nach. Warum verstand er den Kerl jetzt? Verdammt, ich will meine Klamotten, wollte er rufen. Doch kein Ton verließ seinen Mund. Er trat um sich, bis ihn die Kraft verließ. Keuchend stand er mitten ihm Raum. Was war hier los? Das war doch verrückt. In dem Halsband musste irgendeine Technik verborgen sein! Wie sonst sollte das Ding fliegen können? Erst als sich dieses seltsame Gerät um seinen Hals gelegt hatte, war seine Stimme verschwunden. Ein kleines Wunder der Technik schmiegte sich um seine Kehle, Lian war sich so gar nicht sicher, ob er wissen wollte, was das Ding noch alles konnte.