Es gibt 1 Antwort in diesem Thema, welches 942 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (31. Oktober 2019 um 16:16) ist von Kleiner Liki.

  • Hey, Leute :)
    Ich wollte mal wieder ein Gedicht mit euch teilen, ich hoffe es gefällt euch :)


    Polarmeer


    Teil I: Euphorie
    Ich stehe in der Dunkelheit
    mein Blick im Nichts verweilt
    allein an Deck eisigglatt
    Die einzig Lampe leuchtet matt
    wirft meinen Schatten zitternd
    hinaus in die Witterung
    Mein Kutter alt und gebrechlich
    Er überlebt das, hoffe ich

    Um mich herum knarzt das Eis
    schimmert düster weiß
    schiebt sich an Buch und Heck
    hungrig es am Schiffe leckt
    die Zähne in das Holz schlägt
    Hab die Umkehr nie erwägt
    Jetzt ist die letzte Chance vertan
    Bin des Meeres langer Veteran

    Endlose Stille bis auf den Wind
    und das Knarzen vom Eis, es nimmt
    sich immer mehr von mir
    Doch ich gebe nicht auf, nimmermehr!
    Die Welt treibt den Tod an mich heran
    Doch eisern Wille treibt mich voran
    Ein alter Plan, ich führe ihn aus!
    Niemand beendet meinen Lauf

    Es war die Idee meiner Vorväter,
    mit dem Schiff ins Eis steuern, später
    friert das Boot fest, mit dem Eise wandert
    bis man am and‘ren Ende des Pols landet
    am Ende der Polarnacht die Reise vollbracht
    Von den Göttern gesteuert, in ewiger Wacht
    Nie hätte es jemand gewagt zu versuchen
    Doch mein Wagemut trieb mich dazu

    So präparierte ich meinen alten Kahn
    Die Berechnungen verfielen dem Wahn
    Ich sah nur noch das Ziel und den Frust
    Ein Kampf ohne Rücksicht auf Verlust
    Ich begann ihn und ich werde ihn austragen
    Vor mir wollt‘ es nie jemand wagen
    Meine Mannschaft an Bord fiel der
    Einsamkeit zum Opfer, doch ich bin hier

    Teil II: Dysphorie
    Ich stehe in der Dunkelheit
    Mein Blick im Nichts verweilt

    Habe alles schon verlor‘n
    An Bord kaum noch Ration
    Letzter Überlebender aus Horden,
    in ewiger Nacht des hohen Nordens
    Mein treuer Gefährte, mein Boot
    macht es nicht mehr lange, Not
    Der Wind singt ein grausig Lied
    von Angst, Verzweiflung und Tod

    Um mich herum knarzt das Eis
    schimmert düster weiß

    Jedes Zeitgefühl längst verschwunden
    ob der Schwärze und den Wunden
    tief in mir, die nicht mehr heilen
    Grausige Gedanken in mir verweilen
    Würde meine Mannschaft noch leben
    Würde es für mich noch reichlich Essen geben
    Ich ekel mich vor mir selbst, doch
    das bin nicht ich, sondern das Nichts

    Das Eis, es nimmt sich immer mehr von mir
    Es zehrt, doch ich leide an des Sieges Gier

    Die Reise nimmt kein Ende
    Mich erwartet keine Wende
    Ich gehe unter Deck und esse schwach
    den allerletzten, trockenen Zwieback
    Als die Sonne das letzte Mal
    im tiefen Meer verschwunden war,
    und das ist bereits Wochen her,
    war mein Herz bereits völlig leer

    Teil III: schicksalslos
    Eisern Wille trieb mich vorn
    Das Eis fraß ihn in einer Nacht

    In einer Nacht, die Wochen dauert
    Die Trostlosigkeit in Dir lauert

    Die Trostlosigkeit saugt am Licht,
    am Leibe, am Geist und am Gesicht

    Ich stehe wieder in der Dunkelheit
    Das Nichts weit und breit
    An Deck bleibe ich stehen
    werde nicht mehr von der Stelle gehen
    Was bringt mir der Gewinn
    wenn ich dann nicht mehr am Leben bin?
    Das Eis zerrt an meinen Knien
    Ich möchte hier festfrieren.

    Die einzig Lampe leuchtet nicht mehr lang
    Vor Angst und Kälte wird mir bang.


    __________________
    LG
    Thráin

    Auch uns're Leiber baumeln hoch an einem Baum

    Wir hängen nicht am Leben, doch an einem Traum

    Wir hängen nicht am Galgen und an keinem Strick

    Sondern am Glauben an Gerechtigkeit und Glück

    Saltatio Mortis - »Nur ein Traum«

  • Ich finde das sowohl Teil 1 als auch 2 eine spezielle Stimmung entstehen lassen, die ein wenig düster und geheimnisvoll zugleich ist.

    Gefällt mir gut, auch von den Reimen her, habe ich nichts anzumerken, aber da bin ich auch nicht so der Profi.

    Die Strophe hat mir am Besten gefallen, aufgrund des Inhalts, von dem letzten Überlebenden der nur noch mit dem Boot an seiner Seite übers Polarmeer schippert.


    Die Trostlosigkeit saugt am Licht,
    am Leibe, am Geist und am Gesicht

    Gefällt mir gut, mit den hier gewählten Formulierungen :thumbsup:

    Gerne mehr davon :)

    LG

    :chaos::smoker: