Es gibt 390 Antworten in diesem Thema, welches 81.020 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (22. März 2021 um 16:28) ist von Kiddel Fee.

  • Ihr Lieben!

    Ich bin jetzt einfach mal mutig und wage es, den Beginn meines aktuellen Projektes zu posten. Freu mich über konstruktive Kritik & neugierige Fragen ! :thumbsup:

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    Elemental



    Der junge Mann drehte sich im Halbschlaf auf die Seite. Sein Arm fuhr träge über die kratzige Decke, abwesend tasteten seine Finger über den löchrigen Stoff, bis sie schließlich unangenehm über die Wand schrammten.
    Alarmiert schlug er die Augen auf.
    Die schmutzige Matratze neben ihm war leer, die ehemals khakigrüne, jetzt aber nahezu farblose fadenscheinige Decke beiläufig zurückgeschlagen und ausgekühlt.
    Eine eiskalte Hand fasste sein Herz und drückte es fest zusammen.
    “Ivy!”
    Seine Stimme, noch heiser vom Schlaf, hallte durchs Zimmer, doch sein Ruf blieb unbeantwortet. Noch bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte, fuhren seine Füße aus dem Bett. Fiebrig huschte sein Blick durch den muffigen halbdunklen Raum, doch sie war nicht hier.
    “Ivy!”
    Er sprang auf, getrieben von unsäglicher Angst, und riss die Tür zum Wohnzimmer auf.
    Rett, der auf dem Sofa genächtigt hatte, fuhr hoch. “Was zum - ”
    “Ivy ist weg!”
    Retts braune Augen, kaum erkennbar unter der wilden Haarmähne, wurden für einen Moment riesengroß, dann riss er sein schmuddeliges blaues Hemd von der Lehne des einzigen Stuhles und warf es sich über.
    Er hämmerte inzwischen an Kays Tür.
    “Kay! Kay, bitte sag mir, dass Ivy bei dir ist.”
    Für einen bangen Moment herrschte Stille.
    “Nein, Nate, leider nicht. Ich komme.”
    Die letzten Worte der Frau gingen an Nate vorbei, denn mit Entsetzen war sein Blick an der offenen Wohnungstür hängengeblieben. Jetzt drang der Lärm des neuen Tages langsam in ihre Bleibe, wabernd wie der Staub, der im Licht der funzligen nackten Glühbirne im Flur tanzte. Auf dem Boden, im Schmutz des Vorabends, sah man deutlich die kleinen Kindertapsen, die aus der Wohnung hinaus führten.
    “Ivy … nein!”
    Er stürzte aus dem Haus und landete in der winzig kleinen Gasse, die sein Wohnviertel in The Downs bildete. Links und rechts erstreckte sich ein etwa zwei Meter breiter Weg aus undefinierbarem Matsch, der meist höllisch stank und in dem nicht selten Gegenstände lagen, die man besser nicht genauer betrachtete. Die Häuser, Wand an Wand, mehrere Stockwerke hoch und das meiste Tageslicht schluckend, waren angelaufen, schimmelig und fensterlos. Kabel zogen sich über den Köpfen der abgestumpft dreinschlurfenden Menschen dahin, tropfende Rohre, nicht selten defekte Leitungen, die bei dem häufigen Regen munter Funken sprühten.
    Nate stand heftig atmend vor seiner Tür und versuchte zwischen den armseligen Gestalten, die grußlos vorüberzogen, Ivy zu entdecken. Wohin war sie nur verschwunden? Allein? Rechts? Links? Den Fußabdrücken von eben konnte er nicht mehr folgen, zu viele kaputte Schuhe und ausgeleierte Stiefel, dreimal geflickt, hatten jede Spur zunichte gemacht. Doch Nate wusste, wenn er eine falsche Richtung einschlug, würde das für Ivy fatale Folgen haben.
    In diesem Moment sprang Rett an ihm vorbei, schlug ihm auf den Rücken und verschwand nach rechts in die Wohngasse. Auf den Freund war Verlass. Nate sah ihm noch einen Moment nach, wie dieser erhobenen Hauptes durch die grauen Massen hechtete. Dann wandte er sich nach links und rannte los.
    Während er sich zwischen den Menschen und diversen Müllbergen hindurchschob und jeden kleinen Winkel nach Ivy absuchte, rasten seine Gedanken. Die Kleine war allein unterwegs. Allein. Wieso nur? Noch nie hatte sie die Wohnung allein verlassen. Sie konnte sich unmöglich zurechtfinden. Hier ging es hart zu. Jeder war sich selbst der Nächste. Niemand würde einer Vierjährigen helfen, im Gegenteil, das Risiko, hier einfach auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden, war unheimlich hoch - schon allein wegen dem, was man am Leibe trug. Alles konnte auf dem Schwarzmarkt in Nahrung eingetauscht werden. Nahrung war das Einzige, was zählte. Und so ein hübsches kleines Mädchen wie Ivy -
    Er brüllte wie ein verwundeter Stier. Erschrocken zuckten die Gestalten vor ihm zusammen und wichen an die Hauswände zurück. Seine Hand wanderte an seine Hose, während er weiter hastete. Im Gegensatz zu den meisten Menschen in The Downs trug er eine Waffe. Und er würde sie gegen jeden einsetzen, der Ivy anrührte.
    Die anderen machten ihm Platz, zogen ihre kapuzenbedeckten Köpfe ein und ließen ihn passieren, nur um langsam und ziellos weiterzuziehen. Die meisten hatten keinen Ort, an den sie gehörten und keinen Ort, an den sie gehen mussten. Sie wandelten im Morast auf der ewigen Suche nach Essen, bis sie irgendwann kraftlos zusammensackten und sich zu den Müllbergen der Straßen gesellten ...
    Er jedoch raste weiter, an drei, vier weiteren Gassen vorbei, immer gehetzt von Horrorvorstellungen, doch beim letzten Häuserspalt bremste er so heftig, dass er eine Spur tief in den Matsch zog und sich seine Hose bis zu den Knien ruinierte. Aber das war im Moment egal.

  • Hey @Kiddel Fee
    Ich finde den Auftakt der Geschichte gar nicht mal schlecht. Deine Ausdrucksweise klingt ziemlich gut und man kann der Handlung gut folgen, da es sich auch flüssig lesen lässt. Auch wenn der Abschnitt etwas kleiner war, fand ich das du die Spannung und die Atmosphäre gut aufgebaut hast. Und ich bin jetzt auch zieich gespannt, ob Ivy gefunden wird. Der arme Nate muss ja wirklich verrückt sein vor Sorge.
    Könnte mir auch gut die wohnsituation der Charaktere vorstellen, die hast du gut beschrieben. Dazukommt noch das sich die beschrieben lässig in den Text mit einbinden wie ich finde.
    Das einzige Problem für mich war, daß du manchmal Sätze geschrieben hast, die sich so lesen als wäre dazwischen statt einem komma, ein Punkt. Z. B direkt der zweite Satz. Der erste Teil, wo sein Arm träge über die kratzige Decke Strich fungiert als alleiniges Satz, weil ich finde das das was nach dem komma kommt, nicht zum Satz passt. Also indem sinnne das es ein ganzer Satz ist. Das hast du an ein zwei Stellen nochmal. Da bin ich beim Lesen immer ins stocken geraten. Sorry konnte die zitierfunktion grad nicht nutzen da ich über Handy Grad kommentiere.
    Naja alles in allem ein gelungener Auftakt für eine neue Geschichte, die auch auf meine lese list kommt.

    LG Sora

    "Niemand weiß, was er kann, wenn er es nicht versucht." Zitat von Publilius Syrus


    "Und so verliebte sich der Löwe in das Lamm."
    "Was für ein dummes Lamm."
    "Was für ein kranker, masochistischer Löwe."
    Zitat aus dem Buch "Biss zum Morgengrauen"

  • Hallo @Kiddel Fee,

    so insgesamt gefällt mir der Einstieg in die Geschichte ganz gut. Vor allem das düstere, dreckige Umfeld der The Downs klingt spannend.
    Ein paar Stellen zum darüber Nachdenken:

    Spoiler anzeigen

    Retts braune Augen, kaum erkennbar unter der wilden Haarmähne, wurden für einen Moment riesengroß, dann riss er sein schmuddeliges blaues Hemd von der Lehne des einzigen Stuhles und warf es sich über.
    Er hämmerte inzwischen an Kays Tür.

    Rein grammatikalisch bezieht sich das letzte er auch auf Rett. Ich vermute mal, dass du aber Nate damit meinst. Da kommen wir gleich zum ersten Satz...

    Der junge Mann drehte sich im Halbschlaf auf die Seite.

    Später erfahren wir, dass der junge Mann Nate heißt. Warum nennst du ihn nicht von Anfang an so? Wenn es darum geht, zu erklären, dass es sich bei Nate um einen jungen Mann handelt, dann hätte ich da einen Vorschlag: du könntest bei der Beschreibung der Gasse / The Downs kurz darauf eingehen, dass Nate hier sein ganzes Leben, vielleicht 20 Jahre, verbracht hatte oder so in der Art. Nur so ein Gedanke. Ich finde einfach immer, dass es einen guten Grund geben sollte, wenn eine Information (wie hier der Name) erstmal zurückgehalten wird.

    Nate sah ihm noch einen Moment nach, wie dieser erhobenen Hauptes durch die grauen Massen hechtete.

    Das passt irgendwie in meiner Vorstellung nicht so ganz zusammen: erhobenen Hauptes drückt für mich aus, dass er vielleicht stolz ist, vielleicht trotz einer Niederlage seine Würde behält oder sich eben nichts anmerken lässt, sich vielleicht nicht unterkriegen lässt. Wenn jemand irgendwohin hechtet, dann stelle ich mir eher einen Sprung vor, bei dem der ganze Körper eher in Flugrichtung gerade ausgerichet ist, also gerade nicht mit erhobenem Haupt, sondern stromlinienförmig. Weißt du, was ich meine?
    Du könntest hier auch versuchen, die beiden Charaktere zu charakterisieren: Nate könnte z.B. der hektischere sein und wild hin und hergucken, mit rasenden Gedanken etc., während Rett eher ruhig und besonnen ist und in jeder Situation einen kühlen Kopf bewahrt. Dann würde gut passen, dass Rett mit erhobenem Haupt sich durch die Menge zwängt und zügig, aber ohne dass man ihm Eile unterstellen würde, nach Ivy sucht.

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • “Ivy!”
    Er erkannte die kleine Gestalt, die ganz hinten in der Gasse hockte und die Hand auf ein unförmiges Bündel gelegt hatte. Das Schultertuch, das Kay ihr gestrickt hatte, hielt sie mit einer Hand fest umklammert, während die andere vorsichtig über das Etwas am Boden strich. Ein Tier? Ein Toter?
    “Ivy, was machst du hier?”
    Nate schwankte zwischen unendlicher Erleichterung und unglaublichem Ärger. Er hockte sich neben sie und nahm ihre Hände. Ein Lächeln glitt über das kleine Kindergesicht.
    “Nate!”
    “Ivy! Du kannst doch nicht einfach weglaufen! Wir haben uns Sorgen gemacht!”
    Sie machte ein schuldbewusstes Gesicht und senkte den Kopf. Ihre blonden Haare rutschten aus dem losen Pferdeschwanz hervor und in ihr Gesicht. “Das wollte ich nicht”, flüsterte sie leise und die Kinderhand umklammerte seine Finger fester. “Aber Nate, guck mal …”
    Mit der Linken machte sie eine vage Bewegung auf das Bündel vor ihnen.
    Auf den ersten Blick dachte er, es wäre wirklich ein Toter und Ivy hätte ihn angefasst. Ein langer schwarzer Mantel, verblichen, umhüllte die Gestalt am Boden. Sie lag auf der Seite, mit den Rücken zu ihnen, ein Knie leicht angewinkelt, reglos.
    Er zog Ivy zurück.
    “Nate. Sie leuchtet.”
    “Was?!”
    Nate erstarrte. Nicht nur dass die Kleine scheinbar erkannt hatte, dass eine Frau hier lag - was er selbst nicht einmal mit Bestimmtheit sagen konnte. Nicht nur, dass Ivy behauptete, besagte Frau würde leuchten. Nein, was ihn aus der Fassung brachte, war die Tatsache, dass Ivy sah.
    “Ivy, du …”
    “Sie leuchtet, Nate. Hier ist der Kopf, und hier die Beine und hier der Bauch.” Ihre Finger wanderten an der Person entlang. “Warum leuchtet sie, Nate?”
    Er versuchte den dicken Kloß in seinem Magen zu ignorieren und streckte vorsichtig die Hand aus. Die Schulter der Frau fühlte sich fest und kalt unter seiner Berührung an, aber definitiv real. Zögernd verstärkte er den leichten Druck seiner Rechten und drehte die Liegende halb auf den Rücken.
    Die dunkle Kapuze rutschte ein Stück nach hinten und enthüllte ein derart weißes Gesicht, dass Nate zurückzuckte. Hätte sie nicht in diesem Moment einen leisen Laut von sich gegeben, wäre er mit Ivy auf dem Arm geflüchtet. Doch die Augenlider flatterten- sie lebte.
    Fassungslos starrte er sie an. Ihre Haut war so hell, dass sie förmlich strahlte, und nahezu makellos. Keinen Schmutz, keine Schrammen, keine Narben. Sie konnte unmöglich aus den Downs stammen … was bedeutete, dass sie ...
    Er stand auf und zog Ivy auf die Füße. “Komm.”
    “Wohin?” Sie blieb stehen und ignorierte den Zug seiner Hand. “Was ist mit ihr?”
    “Sie ist nicht aus den Downs. Wir kriegen nur Ärger, wenn wir uns mit ihr abgeben. Hoffentlich hat uns noch keiner gesehen.”
    “Lässt du sie liegen?” Er konnte hören, dass sie das unmöglich glauben wollte.
    “Ivy, hier sterben jeden Tag Menschen. Du weißt es. Das können wir nicht ändern.”
    “Aber sie leuchtet, Nate.”
    Er seufzte angesichts dieser vernichtenden Logik.
    “Wenn sie leuchtet, ist sie vielleicht gefährlich.” Was auch immer dieses Leuchten bedeuten mochte, dachte er unbehaglich. “Wir kennen keinen, der leuchtet. Deshalb ist es besser, wir gehen jetzt. Das ist mein letztes Wort."

  • Ok @Kiddel Fee
    Ich hab bis zum zweiten Post gewartet, bevor ich mich aus der Deckung wage. Also ich finde es gut. Du hast eine sichere Schreibe. Im zweiten Post hattest du mich, der erste war schon irgendwie spannend. Aber jetzt bin ich neugierig ,was es mit der leuchtenden Frau auf sich hat und dem kleinen Mädchen. Ein sehr schöner Start.
    Ich mag auch, dass du die Welt im Vorbeigehen einführst, ohne unnötige lange Erklärungen. Dadurch erfahren wir gerade soviel wie wir brauchen und bleiben gespannt auf das, was da kommt.

    Nate erstarrte. Nicht nur dass die Kleine scheinbar erkannt hatte, dass eine Frau hier lag - was er selbst nicht einmal mit Bestimmtheit sagen konnte. Nicht nur, dass Ivy behauptete, besagte Frau würde leuchten. Nein, was ihn aus der Fassung brachte, war die Tatsache, dass Ivy sah.

    Dann ist Ivy blind? Das hat sich im ersten Abschnitt nicht angedeutet. Oder?

  • Da ich ja ein blaues Alien bin und das hier als SciFi gekennzeichnet ist, habe ich mal reingeschaut und es mir durchgelesen. :alien: Ich fand es bisher gut geschrieben. Die Welt war gut beschrieben, obgleich ich es persönlich mehr gestreckt hätte. Auf zwei drei Sätze mehr aufgeteilt, denn stellenweise waren es mir doch zu viele besondere Umgebungsdetails, um alles sofort perfekt wahrzunehmen. Gerade weil es der erste Part war, empfand ich das Tempo recht stramm. Du wolltest den Cut als Cliffhanger machen. Aber der Part hätte für mich ruhig noch ein paar Zeilen länger sein können bis zum Cliffhanger.

    Zuerst dachte ich, Ivy wäre eine erwachsene Frau, dann hast du erwähnt, dass sie ein Mädchen ist. Da dachte ich, sie sei so um die 15 und dann erfahre ich, dass sie erst 4 Jahre ist. Da fragte ich mich, warum Ivy abgehauen ist. Oder besser gesagt frage ich mich, warum man es überhaupt zugelassen hat, dass sie abhauen konnte.
    Wenn das natürlich in dieser Gegend/Welt Gang und Gäbe ist, dass die Menschen bereits in so jungem Alter so auf Zack sind, dann finde ich das verständlich. Aber die Welt klingt nicht gerade rosig und stark von Kriminalität beeinflusst. Mir fehlte da irgendwie der Bezug zu Ivy selbst. Ja, ich bin ein Meckerfritze. Aber ich konnte um ehrlich zu sein im ersten Part keine Empathie für irgendjemanden empfinden, da ich Ivy so absolut nicht einschätzen konnte. Ich hatte außer dem Alter keinerlei Wissen über sie und mir war sie quasi egal. Denn du musst dir ja etwas dabei gedacht haben, dass sie verschwunden ist, es aber anscheinend keine Entführung war. Somit musste Ivy aus eigenen Stücken zu der Entscheidung gekommen sein, dass sie meinte, sie könnte einfach so abhauen. Was war ihr Anlass dazu?
    Keine Ahnung, ob meine Gedanken dazu berechtigt sind, hat ja bisher keiner angemerkt. :ninja: Vielleicht könntest du das im ersten Teil durch ein paar Sätze noch etwas klären, dass die Tür eventuell zuvor abgeschlossen war, falls sie es tatsächlich gewesen sein sollte. Und ob das für Ivy untypisch ist.

    Im zweiten Teil hab ich das auch so verstanden, dass sie eigentlich blind sei. Vielleicht könntest du das auch schon im ersten Part erwähnen, dann hat man noch mehr Bezug zu Ivy und könnte sich vielleicht noch besser in die angespannte Situation einfühlen. Das mit der leuchtenden Frau fand ich sehr spannend. Obgleich ich jetzt nicht ganz verstanden habe, on Nate auch das Leuchten gesehen hat. Es klang nicht so. :hmm:
    Oder ist das eine besondere Gabe von Ivy? :hmm:


    Ich versuche mal, mit dran zu bleiben. :alien:

  • Hallo , @Sensenbach , danke fürs Lesen und die Kritik. Es freut mich, wenn die Story andere interessiert ^^

    Ok @Kiddel Fee
    Ich hab bis zum zweiten Post gewartet, bevor ich mich aus der Deckung wage. Also ich finde es gut. Du hast eine sichere Schreibe. Im zweiten Post hattest du mich, der erste war schon irgendwie spannend. Aber jetzt bin ich neugierig ,was es mit der leuchtenden Frau auf sich hat und dem kleinen Mädchen. Ein sehr schöner Start.
    Ich mag auch, dass du die Welt im Vorbeigehen einführst, ohne unnötige lange Erklärungen. Dadurch erfahren wir gerade soviel wie wir brauchen und bleiben gespannt auf das, was da kommt. Ich bin kein Freund von langen Erklärungen, weil ich dann immer denke, dem Leser brennt es unter den Fingern, wie es weitergeht, der will nicht jedes Fenster und jeden Stein genau beschrieben haben. Ich gehe immer ein bisschen von mir aus, was interessiert mich als Leser und was - naja, eher weniger :rolleyes:


    Dann ist Ivy blind? Ist sie ... ist sie nicht ...? Da musst du wohl weiterlesen :D Das hat sich im ersten Abschnitt nicht angedeutet. Oder?

    Hallo @Zarkaras Jade , danke fürs Lesen und kritisieren!

    “Ivy!” Kay zitterte vor Erleichterung, als Nate mit dem Mädchen nach Hause kam. Sie brachte den Duft nach Instantkaffee und gekochtem Reis in den Flur. Ihre fast schwarzen Augen schimmerten und die Sorgenfalten in ihrem schmalen Gesicht schienen noch tiefer als sonst.
    “Ach Blümchen, was machst du - was ist das denn?!”
    Die ältere Frau hatte sich gerade zu Ivy hinunter bücken wollen, erstarrte aber mitten in der Bewegung, als sie Nate und dessen Fracht erblickte. Ihr Blick wanderte zwischen Ivy und Nate hin und her.
    “Sie leuchtet, Kay.” Das Kind hatte seine tastenden Finger in ihre Hand geschoben und blieb leise lächelnd neben ihr stehen.
    Fragend zog Kay eine Augenbraue hoch, doch Nate zuckte demonstrativ mit der freien Schulter. Er wusste immer noch nicht, was Ivy meinte. Aber dafür war jetzt auch keine Zeit.
    “Ich pack sie dir aufs Sofa, Kay. Kein Essen für mich, ich bin eh schon spät drän. Lass niemanden rein, verstanden? Wenn Rett kommt, soll er den Code klopfen, ansonsten bleibt die Tür zu, bis ich wieder da bin.” Seine entschlossene Stimme erlaubte keine Widerworte. Den zweifelnden Blick der Älteren ignorierend, steuerte er ins Wohnzimmer und legte die Frau auf die fleckige Couch. Ivy sprang hilfsbereit mit dem einzigen Kissen im Raum herzu. Kay stand noch einen Moment wie erstarrt da, scheinbar billigte sie Nates Tat überhaupt nicht. Doch dieser war der Verantwortliche, also ging sie in die winzigen Küchenspalte, um die Hände unter dem trübbraunen Wasserstrahl zumindest grob zu reinigen.
    Die Kleine zog an dem schwarzen Mantel und enthüllte wieder dieses makellos blasse Gesicht und ihre Haare. Solches Haar hatte Nate noch nie gesehen. Es war sehr lang, zu einem akkuraten Zopf geflochten und hochgesteckt. Und so hell, dass man es fast als weiß bezeichnen konnte. Nicht das Weiß altgewordener Menschen, die es hier mittlerweile gar nicht mehr gab. Ein leuchtendes Weiß, wie frisch gefallener Schnee unter einem strahlend blauen Himmel …
    “Musst du nicht los, Nate?”
    Kay kam ins Wohnzimmer und trocknete sich die Hände an einem speckigen Lappen ab. Dann band sie sich ihre ungebändigten dunklen Haare im Nacken zusammen. Sie trug schon wieder ihr Dienstgesicht, die Augenbrauen zusammengezogen, der Mund ein schmaler Strich. Natürlich hatte sie recht.
    “Ivy, komm her.”
    Die Kleine rutschte vom Sofa und kam mit ausgestreckten Händen zu ihm herüber. Er nahm ihre Finger und kauerte sich vor sie.
    “Du wirst nie wieder allein raus gehen, Ivy. Wir hatten alle Angst um dich.” Seine Stimme war leise, aber eindringlich und sie nickte hastig.
    “Wie bist du nur auf die Idee gekommen, einfach zu gehen?”
    “Sie leuchtet doch, Nate.” Ivy klang, als würde diese Tatsache alles erklären. “Ich habe sie gesehen.”
    “Nie wieder, Ivy.” Der junge Mann drückte ihre Hände, um ihr den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Erneutes Nicken, ihre blonden Strähnen wippten.
    Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, dann erhob er sich. “Bis nachher!”
    Kay hob die Hand, als Zeichen, dass sie ihn verstanden hatte, doch ihre Aufmerksamkeit galt bereits ihrem Besuch. Sie hatte nicht einmal gesagt, dass er sich eine frische Hose anziehen sollte.


    Nate lief schnellen Schrittes durch die Downs, folgte den trostlosen Gassen, ohne dem Elend einen weiteren Blick zu schenken. Im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen hier hatte er eine feste Anstellung, die ihm und denen, die zu ihm gehörten, das Überleben ermöglichte. Sein Lohn bestand aus Nahrung. Es reichte knapp aus, weil Kay verflixt gut wirtschaften konnte und seine Ausbeute immer sofort sichtete und verplante. Sicher, seine Arbeit war hart und er hatte schon beizeiten erfahren, dass er dafür den Kopf am besten ausschaltete und sein Gewissen gleich dazu. Und dass er niemals die Waffe aus der Hand legen sollte. Es gab immer verzweifelte Menschen, die in Wut und Trauer auf den einschlugen, der ihnen das Elend eingebrockt und ihre Familie vielleicht sogar zum Tode verurteilt hatte.
    Denn das tat Nate, Tag für Tag. Er war einer der Sicherheitsleute, die täglich bei der “Scheune” die Essensausgabe überwachten. Aus den Speicherstädten kamen jeden Tag Lebensmittel für all die hoffnungslosen Menschen, die in riesigen Ghettos wie The Downs vor sich hinvegetierten. Die gelieferten Mengen waren stets zu wenig, das wussten die Wartenden. Doch trotzdem quälten sie sich zu jedem Sonnenaufgang erneut vor die massiven Tore, in der Hoffnung, vielleicht dieses eine Mal etwas zu erbeuten, was ihnen einen weiteren Tag Überleben sichern würde. Abgerissene Gestalten mit entzündeten, leeren Augen. Kriegsverletzte. Schmutzige kleine Kinder, die winzigen Hände bettelnd erhoben. Sie bekamen meistens nichts, denn in der Masse hatten sie keine Chance. Die Nahrung ging nach Schlägereien immer an die großen und starken Menschen. Er, Nate, hatte die Aufgabe, die Verteiler zu beschützen vor all den drecksstarrenden Händen, die nach Brot verlangten und dafür zu sorgen, dass die Reihenfolge eingehalten wurde . Anfangs hatte ihn dieser Job alles gekostet und er war abends hemmungslos weinend auf sein Lager gesunken, weil er all dieses Elend nicht mehr ertragen konnte.
    Doch jetzt musste er es. Er hatte eine Familie zu versorgen. Ivy würde niemals in dieser Menge stehen, das war sein Schwur gewesen, und um diesen zu befolgen, schaltete er Kopf und Herz aus und tat nichts, was seinen Job irgendwie gefährdete.
    Bis jetzt.
    Heute hatte er etwas getan, was ihn diese Arbeit kosten konnte und diese Fremde mit in seine Wohnung gebracht. Alles an ihr schrie förmlich Ich gehöre nicht hierher. Sie würde Ärger bedeuten. Doch er hatte es nicht übers Herz gebracht, Ivy von dieser Gestalt am Boden fortzuziehen, während aus den blinden Kinderaugen Tränen flossen.
    Sie leuchtet, geisterte es ihm im Kopf herum. Weder im Dunkel der Gasse noch im Wohnzimmer hatte er etwas davon erkennen können. Ivy jedoch musste irgendetwas gesehen haben, schließlich hatte sie die Fremde gefunden. Allein. Und ohne ihre Augen nutzen zu können …
    Nate bog auf die Hauptstraße ein. Menschen strömten auf ihr entlang, hasten, humpelten so schnell sie konnten auf das große Lagerhaus zu. Er selbst hielt sich am Rand, dann verschwand er in einer unscheinbaren Seitentür und klopfte einen bestimmten Rhythmus. Die Tür ging auf und wortlos trat er in den schmalen Gang dahinter, der ihn über mehrere verwinkelte Ecken und schmale Treppen zur “Scheune” brachte. Dort nahm er sich aus seinem Spind die rote Armbinde und das Stirnband in der gleichen Farbe, die ihn als Sicherheitsmann und Waffenträger kennzeichneten. In diesem Pfuhl aus Dreck war das leuchtende Rot klar und deutlich zu erkennen. Die Leute hielten Abstand. Bis auf die völlig Verzweifelten. Ihm selbst war es zum Glück noch nicht passiert, doch zwei seiner Kollegen waren von den Wartenden bereits angefallen worden, die in ihrer Ausweglosigkeit den Tod durch eine schnelle Kugel vorgezogen hatten.
    Kurz wanderte sein Blick in die Spiegelscherbe, die er sich an die Tür geheftet hatte. Dunkle Augen starrten ihm aus einem maskengleichen Gesicht entgegen. Er sah definitiv älter aus als achtzehn Jahre, dachte er sich. Aber das kam wohl davon, wenn man in solch einer Welt aufwuchs. Nachdenklich musterte er seine eher sehnige Gestalt, die so gar nicht für seinen Job passen mochte. Nun ja, er hatte andere Qualifikationen. Doch auch die machten es nicht einfacher für ihn ...
    Was immer die folgenden Stunden bringen würden, er musste es durchstehen - für Ivy.

    Wissen ist Macht. Glauben ist mächtiger.

    Meine Geschichte

    Elemental (abgeschlossen)

    Der Rote Sturm (in Arbeit)

    Einmal editiert, zuletzt von Kiddel Fee (6. November 2019 um 16:05)

  • Guten Abend @Kiddel Fee,
    Die leuchtende Frau finde ich sehr interessant, auch die Tatsache, dass Ivy, die blind ist, die Frau sehen konnte und ohne einen Unfall zu bauen zu der am Boden liegenden Frau kam, ist sehr geheimnisvoll.
    Schon komisch, das niemand sonst sehen kann, dass die Frau leuchtet. das weckt mein Interesse nur noch mehr und ich will unbedingt wissen, wie es weiter geht. Normalerweise lese ich nichts in diesem Genre, aber man soll ja auch mal neue Dinge probieren.
    Deine Stil, das du gar nicht viel drumrum redest, bzw. beschreibst, finde ich erfrischend. Zwar bin ich ein Fan von ausgiebigen Beschreibungen, aber so wie du sie beiläufig in den Text mit einfließen lässt ist schon eine coole Art bzw. Stil. Nur weiter so.

    Was ich am letzten geposteten Abschnitt komisch fand, ist das Kay gar nichts weiter dazu sagt, das Nate eine Frau mitbringt und einfach aufs Sofa legt. So wie ich das jetzt verstanden habe, kann es für die Leute gefährlich werden, wenn sie einfach so eine wildfremde Frau mit nehmen. Da hätte ich gedacht das da ein bisschen mehr Sorge bei rum kommt.

    Ansonsten versuche ich weiter dran zubleiben. Da du sehr schnell neue teile postest, muss ich schauen wie ich da mit komme, aber ich werde weiter lesen.

    LG Sora :rolleyes:

    "Niemand weiß, was er kann, wenn er es nicht versucht." Zitat von Publilius Syrus


    "Und so verliebte sich der Löwe in das Lamm."
    "Was für ein dummes Lamm."
    "Was für ein kranker, masochistischer Löwe."
    Zitat aus dem Buch "Biss zum Morgengrauen"

  • Sora

    Hallo @Sora, danke für deine Kritik! Ich habe mit Entsetzen festgestellt, dass meine Charaktere machen , was sie wollen, und sich die Story momentan in eine völlig andere Richtung als geplant entwickelt :O - moment, mein Kind nascht gerade Katzenfutter -
    Eigentlich dachte ich, Kay ist die Herrin im Haus, aber offenbar trägt Nate die Verantwortung und seine Taten werden akzeptiert.
    Ich poste deshalb so schnell, weil ich den Anfang halt schon fertig habe, je näher wir dem aktuellen Bearbeitungsstand kommen, desto sporadischer wird es wohl werden^^
    Aber es freut mich, dass es dich interessiert und ich hoffe, du bleibst dran!

    LG Kiddel Fee :)

  • Müde wankte er durch den Regen nach Hause. Einen Teil des Lohns für diese Woche hielt er sorgfältig unter seiner zerschlissenen Lederjacke verborgen. Einen Beutel Trockenobst, drei Packungen Reis, in den Ärmeln versteckt lagerten jeweils zwei lange luftgetrocknete Würste aus Hundefleisch. Mehr konnte er nicht transportieren. Das Risiko, dass er unterwegs überfallen und ausgeraubt wurde, war so schon viel zu groß.
    Liebend gern hätte er sich seine Kapuze über den Kopf gezogen, schon allein, damit der stete Regen nicht seinen Nacken hinab bis zu den kostbaren Reispackungen rann. Doch er konnte die Arme nicht heben, ohne seine wertvolle Fracht ungewollt in den Dreck der Straße rutschen zu lassen. Und schneller laufen wollten seine Füße auch nicht. Zu übel nahmen sie ihm die zehn Stunden, die er heute an der Scheune zugebracht hatte. Samstage waren immer schlimm, die Ausgabe dauerte doppelt so lange, weil am Sonntag kein Essen kam. Er hatte zwar dafür den nächsten Tag frei, war aber meist völlig fertig. So wie heute. Also schlurfte er weiter, vollkommen unauffällig jetzt zwischen den anderen Gestalten.
    Als er an der Wohnung ankam, klopfte er einen schnellen Rhythmus. Leise genug, um Ivy nicht zu wecken, die sicher schon im hinteren Zimmer zusammengerollt auf ihrer gemeinsamen Matratze schlief, laut genug, dass Kay oder Rett ihn hören konnten. Es dauerte auch gar nicht lange, da fuhr der Türriegel mit seinem gewohnten Quietschen zurück. Einen Spalt breit wurde die Tür geöffnet und er erkannte Kays angespanntes Gesicht hinter der Sperrkette. Wortlos löste sie die Verriegelung, schob sie die Tür ein wenig weiter auf und er trat an ihr vorbei in den muffig riechenden Flur.
    Während er ihr die Lebensmittel aushändigte, streifte er die schlammigen Schuhe ab und stellte sie an die Wand, als Kay ins Wohnzimmer verschwand. Für einen Moment bedauerte er die mütterliche Frau, weil diese Unterkunft nie wirklich sauber war. Draußen türmte sich der Matsch, durch jede Ritze fiel roter Staub. Es war immer schmutzig. Notdürftig klopfte er sich den gröbsten Dreck vom Morgen von den Hosenbeinen, doch selbst dies schien aussichtslos. Resigniert betrat er das Wohnzimmer.
    Sie war fort.
    Mit einem Satz sprang er zur Hinterzimmertür und drückte mit zitternden Händen die Klinke herunter. Das schwache Licht der Deckenlampe reichte kaum bis in den winzigen Raum, doch er konnte Ivys schlafende Gestalt erkennen, wie immer eingerollt und die bloßen Füße unter der Decke herauslugend. Die Matratze neben ihr war leer.
    “Kay, wo ist sie?” Nate schloss die Tür behutsam, um das Kind nicht zu wecken. Dann steckte er seinen Kopf in die winzige Küche, in der Kay Geschirr spülte. Ihr Kinn ruckte in Richtung ihres eigenen Zimmers “Sie schläft in meinem Bett. Das Wohnzimmer wäre zu unruhig gewesen und euer Bett kam nicht infrage.” Mit der nassen Hand wies sie auf einen einsamen Teller, auf dem ein einsames Brot wartete.
    Er lehnte sich in den Türrahmen, angelte nach seinem Abendessen und verzehrte es rasch im Stehen.
    “Du hast sie untersucht?”, murmelte er, während er den Teller ins Becken gleiten ließ.
    Kays schmale Schultern spannten sich kurz und die Hände sanken in das trübe Abwaschwasser. Fast schien es, als könne sie nicht glauben, dass er diese Frage wirklich gestellt hatte. Dann ergriff sie den letzten Teller und begann diesen energisch zu scheuern.
    “Natürlich habe ich das.” Grimmig knallte sie das nasse Geschirr auf das obere der beiden Bretter, die ihren Küchenschrank bildeten. “Ihr fehlt nichts. Überhaupt nichts. Außer, dass sie scheinbar völlig am Ende ihrer Kräfte ist.”
    Nate runzelte verwundert die Stirn, doch noch ehe er etwas sagen konnte, hatte sie sich ein grau verfärbtes Handtuch genommen und wischte damit das inzwischen leere Becken sauber.
    “Ihr körperlicher Zustand ist … er ist mir unerklärlich, Nate. Sie scheint nie Hunger gelitten zu haben. Alles an ihr wirkt gesund und vital. Sie hat keine Wunden, keine Narben. Ihre Hände sind makellos.”
    “Aber?”
    Nate kannte Kay schon eine ganze Weile. Er wusste, dass sie gewissenhaft war.
    Sie winkte ihm, ihr zu folgen und führte ihn in ihr winziges Zimmer, das mit dem schmalen Bett beinahe ausgefüllt war. Ihre Besucherin lag auf dem Rücken, die schmalen blassen Hände ruhten neben dem Körper auf der Decke. Kay ergriff eine davon und drehte die Handflächen nach oben.
    “Schau dir die Ellenbeuge an.”
    Er sah, was sie meinte. Eine winzige Einstichstelle, um die sich tentakelartig schwarze Streifen ausbreiteten.
    “Was ist das?” Seine Stimme klang gepresst. Wenn diese Frau eine gefährliche Krankheit hatte …
    “Ich habe keine Ahnung.” Kay legte die Hand behutsam wieder zurück auf das Bett. “Gesehen habe ich so etwas noch nicht.”
    Nate nickte. Kay verfügte über einen riesigen Erfahrungsschatz und auf ihre Aussagen verließ er sich blind. Sie war im großen Krieg Lazarettärztin gewesen und hatte dort nahezu alles gesehen.
    Er überlegte, wie es jetzt weitergehen sollte. Wer war die Fremde? Wie war sie hierhergekommen? War sie auf der Flucht? Wenn ja, vor wem? Hatte er sie alle in Gefahr gebracht, indem er sie mitgenommen hatte?
    “Wo ist Rett?”
    Kay hatte sich auf dem Fußende des Bettes niedergelassen und ließ den Blick nachdenklich über ihre Patientin wandern.
    “Er musste noch einmal los. Hat sie auf meine Bitte hin hier abgelegt und ist dann gegangen.” Seufzend erhob sie sich. “Dir ist klar, dass du sie jetzt unmöglich rauswerfen kannst?”
    Nate trat zurück ins Wohnzimmer, damit Kay Platz hatte. “Ja, das fürchte ich auch … was ist mit Ivy?”
    Leise schloß die ältere Frau die schmale Schiebetür zu ihrem Quartier, damit ihre Patientin nicht gestört wurde. Dann ließ sie sich auf das durchgewetzte Sofa sinken.
    “Ivy sieht diese Frau wirklich, Nate. Sie leuchtet für sie so hell wie eine Lampe. Deshalb ist sie heute früh fortgelaufen. Anscheinend kam deine Dame am Haus vorbei und Ivy ist ihr gefolgt. Sie sieht sie .Als Rett sie in mein Zimmer bringen wollte, ist ihr Arm heruntergerutscht und Ivy hat die Hand ausgestreckt und ihn berührt.” Seufzend fuhr sie sich durch das braune Haar, das sofort wieder nach allen Seiten abstand.
    “Irgendetwas stimmt nicht mit der Frau, Nate. Ich kann es nicht benennen. Aber sie fühlt sich … anders an. Anders als alle Kranken, mit denen ich bisher zu tun hatte. Und das waren viele.” Jetzt stand sie wieder auf, tat zwei Schritte und blieb dann mit nachdenklichem Gesicht vor dem Durchgang zur Küche stehen.
    “Du musst überlegen, wie es jetzt weitergehen soll. Für heute Nacht kann sie in meinem Bett schlafen, ich gehe zu Ivy. Aber spätestens morgen wird sie aufwachen.”
    Nate hatte keine Mühe, die unausgesprochene Aufforderung zu verstehen. Er hatte sie ins Haus gebracht, er trug die Verantwortung für sie.
    Kay wusch sich noch einmal die Hände, dann verschwand sie im Hinterzimmer und ließ ihn allein zurück. Da Rett jeden Moment zurückkommen und die Couch für sich beanspruchen konnte, blieben ihm nicht viele Möglichkeiten. Vorsichtig öffnete er die Schiebetür erneut und stellte den wackeligen Stuhl auf die Schwelle. Mit der Waffe in der Hand nahm er Platz, legte die Beine auf das Fußende des Bettes und war beinahe sofort eingeschlafen.

  • Hi Kiddel Fee :)

    wo Science Fiction mit in der Kategorie steht, da werde ich neugierig und dein Einstieg hat mir bisher sehr gut gefallen. Du verstehst es gut, mir die total dystopischen Zustände nahe zu bringen, in denen Nate und seine...ja, Familie? leben. Ich mag auch den direkten Einstieg und dass man sofort ins Geschehen mitgerissen wird, obwohl man noch keine Ahnung hat, wer Ivy eigentlich ist. Das wird ja relativ schnell klar, wenn man die bisherigen Posts hintereinander weg liest. Ich habe sie jetzt nicht alle am Stück, sondern in den Häppchen gelesen, in denen du gepostet hast und bei dieser Art des Lesens ist es mir etwas schwer gefallen, mir zu merken, wer wer ist. Auch solche Details, z.B. dass Ivy blind ist, sind für meinen Geschmack etwas spät beim Namen genannt worden. Zumindest war mir nicht klar, warum es so etwas besonderes ist, das die Fremde für Ivy leuchtet (abgesehen davon, dass Leute nicht leuchten^^).
    Ich fände es stimmiger und weniger verwirrend, wenn du schon am Anfang im ersten Post, wo Nate mit der Suche beginnt, kurz einstreust, dass sie blind ist. Du beschreibst ja sowieso ein bisschen die Situation und dass niemand der Kleinen helfen wird, ich glaube, da könntest du perfekt in einem Nebensatz erwähnen, dass sie halt nichts sieht.

    Dass wir den Rest der Figuren erst langsam kennenlernen, wenn sich die Situation etwas beruhigt hat, finde ich dagegen ganz gut. So bleibt die hektische Atmosphäre, wenn man nicht mitten in der Suche anfängt, alle Mitbewohner zu beschreiben.

    Eigentlich dachte ich, Kay ist die Herrin im Haus, aber offenbar trägt Nate die Verantwortung und seine Taten werden akzeptiert.

    Das kenn ich :D Da baut man einen Charakter und stellt fest, dass er sich ganz anders verhält in der Geschichte als vorgesehen. Finde ich auch nicht weiter schlimm, nur finde ich dann beim Überarbeiten immer mal Abschnitte a Anfang, die nicht mehr zum Charakter passen. Muss man am Ende halt schauen, dass es von Anfang an stimmig ist.

    Auf jeden Fall bin ich jetzt mal gespannt, was es mit der leuchtenden Frau auf sich hat und was sie tun wird, wenn sie aufwacht!

  • Oriane

    Hallo und willkommen in meiner Story! Danke fürs Lesen. :)

    Das mit Ivys Blindheit haben mir schon mehrere angemerkt, da muss ich wohl nochmal drüber spitzen. Aber ich glaube, mir war am Anfang selber nicht klar, dass sie nichts sieht :O

    Für die Location hat mir übrigens das als Vorlage gedient https://de.wikipedia.org/wiki/Kowloon_Walled_City
    Ich habe bei Pinterest nach engen schmutzigen Gassen gesucht und gesehen, dass es solche Orte tatsächlich bis vor kurzem gab und dass die Zustände wohl ähnlich waren wie bei mir in den Downs.
    Ja, meine Chars machen manchmal, was sie wollen. Oder sie erzählen mir ihre Geschichte, die so gar nicht zu der passt, die ich mir für sie ausgedacht habe. Manchmal rennen sie auch mittendrin einfach fort, wenn ich eigentlich tiefgründige Gespräche niederschreiben wollte....
    Ich freue mich, wenn du dran bleibst, und weiter hilfreiche Kritik lieferst^^

    LG Kiddel Fee

  • Hallo @Kiddel Fee,

    bin jetzt auch wieder auf dem neuesten Stand:

    Spoiler anzeigen

    Inzwischen bin ich etwas zwiegespalten.
    Zum einen ist da die Geschichte, die ich sehr interessant finde und auch die Geheimnisvolle Frau und das blinde Mädchen das die Frau leuchten sieht. Ich finde auch, das deine Art zu beschreiben und eine Atmosphäre zu schaffen, eine gute Sache ist. Deine Beschreibungen lässt du quasi einfach so locker leicht mit in den Text einfließen und man kommt gut mit und es macht Spaß deine Geschichte zu lesen.
    Mein Problem ist gerade aber, dass es sehr schnell voran geht in deiner Geschichte.
    Erst wird eine Frau in einer Gasse gefunden, die sofort mitgenommen wird nach Hause und ohne das jemand große Sorge dazu sagt, das sie eine wildfremde Frau bei sich im Haus haben, in einer Zeit die wohl so schon sehr gefährlich scheint, wird sie einfach da gelassen.
    Nate geht zur Arbeit und schwupps gehts wieder nach Hause, wo die eine bereist gesehen hat, das die Fremde ein Einstichloch in der Armbeuge hat, wo sich drumrum schwarze Striche bilden. Sie wissen nicht was das ist oder ob es z.B. ansteckend ist, aber keiner Sorgt sie wirklich darum, sondern sie wird einfach da gelassen wo sie ist.
    Das geht alles sehr schnell und alles ohne große sorge oder so, da fehlt mir einfach das sich wenigstens einer darüber gründlich beschwert und seine sorge preisgibt.

    Lg Sora

    "Niemand weiß, was er kann, wenn er es nicht versucht." Zitat von Publilius Syrus


    "Und so verliebte sich der Löwe in das Lamm."
    "Was für ein dummes Lamm."
    "Was für ein kranker, masochistischer Löwe."
    Zitat aus dem Buch "Biss zum Morgengrauen"

  • Hi Sora! Schön, dass du am Ball bleibst.

    Sora

    Ich hab ne Weile überlegt, ob ich einen Absatz "Nate auf Arbeit" einfüge. Aber ich hatte keine Lust auf das Elend und da Nate dabei eh Herz und Hirn ausschaltet und einfach funktioniert, gibt es dazu auch nicht viel zu sagen, denk ich.
    Was deinen - berechtigten - Einwand mit der Sorge angeht, ich denke schon, dass sie sich ihre Gedanken machen. Kay lässt die Fremde in ihrem eigenen Zimmer schlafen, so weit wie möglich weg von Ivy. Ich denke, die Frau beunruhigt sie schon, andererseits ist sie Ärztin und kann einen Patienten nicht mit ruhigem Gewissen wieder auf die Straße setzen. Nate und Rett, die sicher gerne aufpassen würden, müssen arbeiten gehen, damit die Familie am Abend was zu essen hat. Jeder der Erwachsenen wird sich auf seine Art und Weise sorgen, aber ... vermutlich können sie selber nicht erklären, warum sie trotzdem helfen.

    Ich hoffe, du bleibst trotzdem dran, um das Geheimnis des Leuchtens noch rauszukriegen :)

    LG Kiddel Fee

    Er schrak hoch, als sich die Decke unter seinen Füßen regte. Mit einem Mal hellwach sprang er auf und packte seine Waffe fester. Polternd fiel der Stuhl um. Rett, der inzwischen nach Hause gekommen und gleich aufs Sofa gesunken war, murmelte etwas, erwachte aber nicht.
    Nate holte tief Luft, griff nach dem Stuhl und stellte ihn lautlos ins Wohnzimmer. Dann schloss er die Schiebetür hinter sich, schaltete die schwache Lampe an und drehte sich langsam um, die Waffe im Ansachlag.
    Sein Gast saß mit angezogenen Beinen und darauf verschränkten Armen im Bett. Kay hatte ihr die meiste Kleidung ausgezogen und nur mit dem dünnen Hemd bekleidet wirkte die Frau verletzlich. Sie war noch jung, vielleicht sogar in seinem Alter. Der weiße Zopf fiel über ihre Schulter hinab bis auf die Matratze. Ihre tiefblauen Augen, silbern gesprenkelt, ließen Nates Waffe nicht aus den Augen.
    „Danke“, meinte sie leise. Ihre Stimme war überraschend voll und warm, er hatte eher mit einer hohen, dünnen Mädchenstimme gerechnet. Trotzdem wies seine Miene keinerlei Regung auf.
    „Wofür?“
    Sie neigte den Kopf zur Seite, als müsste sie ihn genauer anschauen.
    „Das Letzte, woran ich mich erinnere, war ein Sturz in den Matsch in irgendeiner düsteren Ecke, weil meine Beine mich nicht mehr trugen. Nun hocke ich sauber und ausgeruht in einem Bett.“
    „Du kannst dich später bei Kayleen bedanken. Sie hat dich versorgt.“ Ohne sie aus den Augen zu lassen, setzte er sich an das Fußende des Bettes.
    „Hör mir gut zu. Ich habe dich in unser Haus geholt, weil du Hilfe gebraucht hast. Dafür erwarte ich, dass du mir meine Fragen ehrlich beantwortest, damit wir überlegen können, wie es weitergeht.“
    Sie nickte. „Das ist dein gutes Recht.“
    „In Ordnung. Dann sag mir deinen Namen.“
    „Astra.“
    „Woher stammst du?“
    „Vom Hort des Wissens.“ Ihre Antworten kamen ohne zu zögern. Sie log nicht, das ahnte er. Und es passte zu ihrem Erscheinungsbild. Der sagenumwobene Hort des Wissens, der intellektuelle Teil der Weltregierung, die Schmiede für Genies und der Speicher aller Informationen. Dort lebten die weisesten der Weisen, welche die Geschicke der Menschheit lenkten.
    „Und warum bist du hier ?“
    „Ich musste fliehen.“ Sie sah nicht ängstlich aus bei diesen Worten. „Ich konnte dort nicht bleiben, weil sie mich auslöschen wollten.“
    Das war schlecht. Er hatte befürchtet, dass sie nicht zufällig hier gelandet war, aber wenn sie sich als gesuchte Verbrecherin erwies und er ihr ein Versteck gegeben hatte...
    „Was hast du getan?“
    Sie seufzte. „Nichts. Es liegt eher daran, was ich bin. Welche Fähigkeit ich habe.“
    Nate stand auf. Seine Gedanken flogen. Sie kam aus dem Hort, wusste der Himmel, wessen sie mächtig war. Doch er würde sich verteidigen, falls sie auf dumme Ideen kommen sollte. Er war schneller. Noch immer umklammerte seine Rechte die Waffe.
    „Ich hole dir jetzt etwas zu essen und deine Kleidung. Und dann gehen wir. Du kannst mir erzählen, was du für nötig hälst, aber nichts davon wird meine Familie in Gefahr bringen.“

    Er nahm sie mit auf seinen Trainingspfad. Ein paar Türen von der Wohnung entfernt stand ein Haus, in dem sich lediglich eine Treppe befand. Vierzehn Stockwerke ging es hinauf, rechts und links zweigten die Durchgänge zu den Nachbarblöcken ab, ebenso dunkel wie sein eigenes Wohnhaus mit ebenso winzigen Unterkünften. Nate hatte es vor drei Jahren durch Zufall entdeckt und wusste die andere Welt, die hier oben lag, sehr zu schätzen.
    Die Treppe mündete in einer windschiefen Feuerschutztür und führte auf ein Flachdach, umgeben von löchrigem Maschendraht. Von hier aus hatte man ungehindert Ausblick auf The Downs in all ihrer Hässlichkeit. Doch wenn man sich hier auf den Rücken legte und nur in den Nachthimmel sah, konnte man das alles fast vergessen.
    Nate kam gerne hierher. An schlimmen Abenden, wenn ihn der Job alles gekostet hatte. Er brachte Ivy ins Bett und dann verschwand er, lag hier ausgestreckt auf dem Dach und verlor sich in der Unendlichkeit des Alls über ihm. Und wenn er sich sattgesehen hatte und wieder Kraft in sich fühlte, trainierte er noch eine Runde. Selten machte ihm der Regen einen Strich durch die Rechnung, eher der Staub der Straßen, der durch den heißen Ostwind nach oben flog.
    Er ließ seinen Blick über das vertraute Panorama schweifen und sah dann zurück zu Astra.
    Sie trug wieder den schwarzen Umhang. Wortlos blickte sie auf The Downs herab, die Augen leicht verengt.
    “Fragst du dich gerade, wie du hier gelandet bist?”
    Sie schnaubte belustigt. “Ehrlich gesagt frage ich mich, warum du mich hier herauf gebracht hast. Obwohl ich zugeben muss, dass es ziemlich beeindruckend ist. Das Elend zu deinen Füßen, die Ewigkeit über dir.” Sie legte den Kopf in den Nacken und schwieg andächtig.
    Nate setzte sich mit dem Rücken an einen der rostigen Zaunspfeiler und beobachtete, wie sie seine Heimat von oben entdeckte. Hier war es wirklich anders als unten in den engen schmutzigen Gassen. Die Luft schien reiner, der Platz weiter und man hatte wieder Raum zum atmen.
    “Ist das dein Versteck hier oben?”
    “Leider nicht. Ich muss es mir mit einigen anderen teilen, aber die meisten sitzen auch nur da und schauen. Und wenn es zuviele werden, laufe ich los.”
    Jetzt lachte sie. “Laufen? Wohin denn?”
    Er schlug mit der Faust an den Zaun hinter sich. “Über die Dächer. Sie sind der perfekte Hindernisparkour. Absätze, Mauern, Häuserschluchten, Zäune - mehr braucht es nicht.”
    Sie machte ein zweifelndes Gesicht. “Zeig es mir.”
    Mit leichtem Bedauern schüttelte er den Kopf. “Jetzt nicht mehr. Es ist mitten in der Nacht, ich kann nicht erkennen, wohin ich springe. Zu gefährlich.”
    Ihre Miene war nicht zu deuten. Sie kam zu ihm herüber, dann hockte sie sich vor ihn hin. Instinktiv rutschte Nate zurück und seine Finger tasteten das kalte Metall seiner Waffe. Langsam glitt ihr Blick zu seiner Hand. Dann sah sie ihn wieder direkt an.
    “Zeig mir, was du kannst. Und ich zeige dir, was ich kann.”
    Für einen Moment fesselte ihn ihre Augen. Wie der Sternenhimmel über ihm … wortlos starrten sie sich an. Dann drehte sie sich herum und legte die schmalen Hände auf den Boden.
    Licht glomm auf.
    Eine dünne Linie aus reinem weißen Licht verband ihre beiden Handflächen. Astra holte tief Luft und als sie diese wieder ausstieß, schoss das Licht wie ein Pfeil über die graue Betonfläche. Erst am Maschendrahtzaun kam es aprupt zum stehen und schwebte dort, leicht pulsierend, wie ein kleiner…
    “Stern”, murmelte Nate. Astra.
    Fassungslos starrte er die kleine Leuchtkugel an. Sanft glühend bewegte sie sich sachte auf und ab.
    Astra war aufgestanden und hatte ihrem Geschoss nachgeblickt. Jetzt hob sie die Hand und das Licht kehrte zu ihr zurück, wie ein Ball an einer dünnen Schnur. Sie schien es regelrecht aufzufangen, dann drehte sie sich zu dem jungen Mann am Zaun um und ging wieder in die Hocke. Ihre Rechte, gefüllt mit weißem Leuchten, hielt sie ihm hin.
    Zögernd streckte er die Finger aus. Er fühlte die streichelnde Wärme, wie Sonnenlicht. Es war so hell, dass er die kleinen Härchen auf seinen Unterarmen erkannte. Doch als er es berühren wollte, spürte er nur Astras kühle Haut. Das Licht umfloss seine Finger, diese warfen dunkle Schatten, aber anfassen konnte er es nicht.
    Sie gab ihm Zeit, zu begreifen, was er sah. Dann tippte sie ihm mit zwei Fingern an die Stirn und als sie diese fort zog, war das Licht aus ihrer Hand auf ihn hinübergewechselt und erhellte Astra vor ihm wie eine Lampe.
    “Jetzt wirst du alles erkennen.” Beinahe spitzbübisch lächelte sie. “Zeig mir, was du kannst.”

    Wissen ist Macht. Glauben ist mächtiger.

    Meine Geschichte

    Elemental (abgeschlossen)

    Der Rote Sturm (in Arbeit)

    Einmal editiert, zuletzt von Kiddel Fee (6. November 2019 um 16:10)

  • Hey @Kiddel Fee :)

    Spoiler anzeigen

    Ich habe jetzt erst mal nur die ersten beiden Posts gelesen. Die anderen haben ja aschon einiges angemerkt und ich habe gerade erst gesehen, dass Asni auch schon den Bezugsfehler am Anfang angemerkt hatte. (s.u.) Der war mir nämlich ebenfalls aufgefallen...überhaupt fiel es mir manchmal etwas schwer zu folgen, was eventuell daran liegen kann, dass der Bezug nicht immer klar war. Vielleicht liegt das jetzt aber auch an der fortgeschrittenen Uhrzeit, denn ich bin schon ziemlich durch.

    Trotzdem wollte ich dir zumindest mal ein kurzes Feedback da lassen: Den Start in die Geschichte finde ich gut gewählt. Man wird quasi ins Geschehen reingeschmissen, erfährt, dass das Kind weg ist, nebenher erhält man erste Einblicke in diese Gesellschaft und ihre Probleme...und zu guter Letzt treffen sie auf die leuchtende Frau, die da ma Boden liegt. Ich hätte nicht gedacht, dass Nate sie mitnimmt, aber es spricht irgendwie für ihn, dass er es getan hat ^^

    Ich bin gespannt, wie es weitergeht und werde versuchen, dranzubleiben. Hier noch ein bisschen Kleinkram und Gedanken:

    , Retts braune Augen, kaum erkennbar unter der wilden Haarmähne, wurden für einen Moment riesengroß, dann riss er sein schmuddeliges blaues Hemd von der Lehne des einzigen Stuhles und warf es sich über.
    Er hämmerte inzwischen an Kays Tür.
    “Kay! Kay, bitte sag mir, dass Ivy bei dir ist.”
    Für einen bangen Moment herrschte Stille.
    “Nein, Nate, leider nicht. Ich komme.

    Hier ist der Bezug nicht ganz klar. Erst sprichst du von Rett, dann hämmert "er" an die Tür und man denkt im ersten Moment, dass damit Rett gemeint ist, doch stellt es sich heraus, dass es Nate war.

    “Kay! Kay, bitte sag mir, dass Ivy bei dir ist.”
    Für einen bangen Moment herrschte Stille.
    “Nein, Nate, leider nicht. Ich komme.”
    Die letzten Worte der Frau gingen an Nate vorbei,

    Hier war ich zum zweiten Mal erstaunt, weil ich bei dem namen Kay nicht mit einer Frau gerechnet hatte :hmm:

    Sie machte ein schuldbewusstes Gesicht und senkte den Kopf. Ihre blonden Haare rutschten aus dem losen Pferdeschwanz hervor und in ihr Gesicht. “

    und fielen ihr lose in die Stirn...(oder sowas)


    Was auch immer dieses Leuchten bedeuten mochte, dachte er unbehaglich. “Wir kennen keinen, der leuchtet. Deshalb ist es besser, wir gehen jetzt. Das ist mein letztes Wort."

    Trotz des Ernstes der Lage musste ich hier lachen..."Wir kennen keinen, der leuchtet!" Sehr geil! :thumbsup:

    LG,
    Rainbow

  • Zehn Minuten später ließ er sich ausgepumpt erneut an den Zaun fallen. Nur eine kurze Runde, doch er war nicht aufgewärmt gewesen und trotz Astras Licht mehrmals beinahe gestürzt. Außerdem zerrte die Müdigkeit an ihm.
    Die junge Frau mit der außergewöhnlichen Fähigkeit stand in der Mitte des Daches, gleich neben dem Eingang zur Treppe. Von hier aus hatte sie ihn beobachtet und nun, da er seinen Lauf beendet hatte, kehrte das Leuchten zu ihr zurück. Er sah, wie sich ihre Finger um die schmale Kugel schlossen und der Schimmer plötzlich verschwand.
    “Wenn ich dich frage, wie du es anstellst, erklärst du es mir dann?”
    Sie schüttelte den Kopf, ein wenig bedauernd, aber entschlossen.
    “Ich werde dir nichts sagen, was euch in Gefahr bringen würde. Es ist wahrscheinlich schon schlimm genug, dass du es gesehen hast.”
    Er schloss die Augen und lehnte den Kopf zurück.
    “Warum hast du es mir dann gezeigt?”
    Sie schwieg, lange. Beunruhigt sah Nate auf. Astra blickte verwirrt zu Boden. “Ich weiß es nicht. Vielleicht … weil ich dir vertraue.”
    Er dachte an Ivy, an Kay und Rett, die irgendwo da unten im Dunklen schliefen. Sie hatten sich ihm anvertraut. Doch wenn er jetzt dieser Frau Zuflucht bot, was würde das für seine Familie bedeuten?
    Astra streifte die Kapuze ab und er sah ihr helles Haar schimmern, als wäre dieses selbst aus Licht gemacht.
    “Hör mir zu, Nate. Ich brauche einen, vielleicht auch zwei Tage, um mich zu erholen. Dann verschwinde ich und niemand wird wissen, dass ihr jemals etwas mit mir zu tun gehabt habt. Aber ich … bitte dich solange um ein Versteck. Einen Ort, an dem mich niemand vermuten würde, weil es von solchen Orten Tausende in The Downs gibt.”
    Er rieb sich mit der Hand über die Stirn.
    “Ich kann das nicht allein entscheiden, Astra. Für heute Nacht hat Kay dir ihr Bett überlassen. Also schlage ich vor, du nutzt es und dann sehen wir weiter.”

    Er erwachte, weil sich ein warmer Körper neben ihm regte und Haar seine Nase kitzelte. Beruhigend brummend strich er mit der Hand darüber, in der Hoffnung, dass Ivy einfach noch einmal einschlief. Doch dann fiel ihm ein, dass er ja gar nicht in seinem Bett lag, sondern -
    Er riss die Augen auf und fand sein ganzes Blickfeld von Silberhaar ausgefüllt. Astra hatte ihm den Rücken zugewandt und sich wie eine Katze zusammengerollt. Ihr Atem ging ruhig. Seine Hand ruhte auf ihrer Seite, doch jetzt zog er sie hastig zurück.
    Scheinbar war er irgendwann vor dem Bett kniend eingeschlafen.
    Gerade rechtzeitig, denn in diesem Moment wurde die Tür aufgeschoben und Kay steckte den Kopf herein. Verwundert musterte sie einen Moment die beiden Menschen , dann setzte sie ihr “Dienstgesicht” wieder auf. “Es gibt Frühstück.”
    Nate nickte und wartete, bis sie wieder verschwunden war. Dann rüttelte er Astra behutsam an der Schulter. “Astra. Wach auf.”
    Sie murmelte etwas und drehte sich im Schlaf. Unter ihren geschlossenen Lidern zeichneten sich Augenringe ab. Die unterbrochene Nacht hatte nicht viel zu ihrer Erholung beigetragen.

    Nate beschloss, sie erst einmal weiterschlafen zu lassen und verließ Kays Schlafraum. Im Wohnzimmer waren die restlichen Mitbewohner schon auf dem großen Teppich versammelt, der ihnen als Esstisch diente. Ivy hockte bei Rett auf dem Schoß und hatte ihren kleinen Kopf vertrauensvoll an seine breite Brust gelehnt. Rett berührte ihre Finger, nahm jeden einzelnen in seine immer schmutzigen Hände und übte mit ihr Zählen. Doch als das kleine Mädchen Nate hörte, schoss sie hoch.
    “Nate!”
    Jedes Mal, wenn sie seinen Namen rief, tat sie dies mit einer Freude, als hätte sie ihn ewig nicht gesehen. Lächelnd kam er ihr entgegen, nahm Kay unterwegs das Kaffeetablett ab und stellte es just in dem Moment auf den Boden, als Ivys Arme fordernd ausgestreckt wurden. Er hob sie hoch und drückte einen Kuss auf die kleine Stirn. “Guten Morgen , Kleines.”
    Kay brachte die Büchse mit Brotschreiben und einen Teller mit akribisch dünn geschnittener Wurst. Rett steuerte zwei Äpfel bei, ebenfalls in winzigen Spalten.
    “Hier. Mit besten Grüßen vom Chef.”
    Kays Augenbraue wanderte skeptisch nach oben. “Weiß er, dass er uns gegrüßt hat?” , fragte sie spitz und reichte ihm einen Becher Kaffee.
    Der Fünfunddreißigjährige schüttelte den Kopf. “Mit Sicherheit nicht. Aber da er uns mal wieder den Lohn verweigert, war ich einfach so frei.”
    Rett arbeitete in der einzigen Werkstatt in The Downs, die so ziemlich alles reparieren konnte, das man dort vorbeibrachte. Schon im Großen Krieg, der vor sechs Jahren sein wenig ruhmreiches Ende fand, hatte der gelernte Mechaniker Panzer wieder in Gang gesetzt, Radare fixiert und verstummte Uhren zum Leben erweckt. Jetzt nutzte er sein Talent weiter. Allerdings war sein Chef, für den der bärtige Mann mit der wilden Haarmähne nicht selten Kraftausdrücke fand, der Meinung, er würde nicht arbeiten, sondern eher einem Hobby nachgehen. Weshalb Rett jede Woche erneut für den Lohn streiten musste und nicht selten eigene Gerechtigkeit walten ließ.
    “Du sollst das doch nicht machen”, meinte Ivy jetzt bekümmert. “Kay sagt immer, wenn der alte Sack dich rauswirft, dann gehst du kaputt.” Sie wandte den Kopf in Retts Richtung, der ihr beruhigend über den blonden Schopf strich und Kay dabei einen bösen Blick zuwarf.
    Diese zuckte ungerührt die Schultern und drückte Ivy eine Scheibe Brot in die Hand. “Hier Blümchen, damit du groß und stark wirst.”
    Die Kleine widmete sich fröhlich ihrem Frühstück. Auch die Erwachsenen genossen es, ungestört essen zu können. Der Sonntag war etwas besonderes. Unter der Woche, wenn die Männer arbeiten gingen, gab es kaum eine gemeinsame Mahlzeit. Retts Arbeitszeiten hingen von der Laune seines Chefs ab. Manchmal kam er zum Mittagessen heim, manches Mal auch erst spät in der Nacht. Und Nate musste so lange Dienst schieben, bis die Scheune für diesen Tag geleert war, was gerade am Samstag bis zu zwölf Stunden dauern konnte. Doch heute hatten sie frei - theoretisch zumindest.
    “Ich muss noch einmal zur Scheune”, teilte Nate mit. “Einige Sachen sind noch im Spind und ich will sie nicht länger als nötig dort lassen.” Kay verzog den Mund, nickte aber. Es gefiel ihr nicht, dass Nate nie länger zuhause bleiben konnte, doch es war nötig.
    “Was ist mit dieser Frau?” Ihr Blick verriet dem jungen Mann, dass sie den nächtlichen Ausflug der beiden sehr wohl mitbekommen hatte und es nun zu klären galt, was sie mit dem Schlafgast anstellen sollte.
    Ivys Kopf ruckte hoch. “Sie ist gerade aufgestanden.”
    Wie auf Kommando flogen die Blicke der Erwachsenen zur Schiebetür, die noch immer geschlossen war. Doch man konnte das Geräusch von nackten Füßen auf den alten Holzdielen hören. Gleich darauf betrat Astra das Wohnzimmer.
    Ihr Haar war offen und floss ihren Rücken hinab wie ein silberner Wasserfall. Sie trug ein weißes Top und die schwarze Hose, von der Kay den Dreck notdürftig heruntergebürstet hatte. Als sie sich mit den Blicken der Frühstücksrunde konfrontiert sah, blieb sie stehen.
    Ihre Augen huschten hin und her und blieben an Kay hängen.
    “Mein Name ist Astra. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mir Obdach gewährt haben.”
    Dankend neigte sie den Kopf.
    Kay musterte sie schweigend, dann ruckte sie mit dem Kinn auf den freien Platz neben sich.
    “Setz dich doch.” Wortlos goss sie Kaffee ein und schob eine Brotscheibe herüber.
    Ivy rutschte von Nates Schoß, umrundete vorsichtig den Teppich und blieb direkt vor dem Gast stehen. “Ich bin Ivy!” Sie streckte die kleine Kinderhand aus und Astra drückte sie herzlich. “Freut mich , Ivy.”
    Das Mädchen blieb lächelnd stehen. “Warum leuchtest du, Astra? Ich kann dich nämlich sehen.”
    Die junge Frau schaute die Kleine verdutzt an, dann blickte sie verwirrt zu Nate.
    “Ivy ist blind”, half der ihr weiter.
    “Und trotzdem kann sie…?”
    Nate nickte und berichtete von ihren Erlebnissen am gestrigen Morgen. Astras Miene wurde immer finsterer. Schweigend erhob sie sich und lief ein paar Schritte hin und her.
    “Das ist schlecht”, flüsterte sie schließlich tonlos. “Wenn sie mich sieht, dann vielleicht auch…” Abrupt wandte sie sich um. “Nate, ich muss gehen. Sofort.”
    Seine Hand mit der Kaffeetasse erstarrte auf dem Weg zum Mund. Kay und Rett wechselten einen misstrauischen Blick.
    “Was? Wieso?”
    Astra schüttelte leicht den Kopf. “Wenn sie herausfinden, dass es jemanden gibt, der mich sehen kann, selbst wenn ich mich verstecke …” Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. “Nate, ich muss JETZT fort. Ich bringe euch alle in Gefahr.”
    Der junge Mann machte ein finsteres Gesicht. Er hatte es gestern selbst gesagt, wenn sie den Seinen gefährlich wurde, würde sie verschwinden müssen. Doch da wusste er noch nicht, welche Fähigkeit sie besaß und dass sie selbst in Gefahr war. Er konnte sie jetzt nicht rauswerfen.
    “Nate …”, begann Kay, doch sie wurde von Rett unterbrochen.
    “Du kannst nicht einfach vor die Tür gehen, Mädchen.”
    Astra runzelte die Stirn bei dieser Anrede, doch der Mann mit den klugen Augen nahm davon keine Notiz.
    “Du fällst da draußen auf. Man sieht sofort, dass du eine Fremde bist. Jeder, der dich gesehen hat, wird sich an dich erinnern, wenn jemand nach dir fragt. Wo willst du hin? Wovon leben?”
    “Das ist doch erst einmal unwichtig …”, sie rang nach Worten. “Wenn meine Verfolger hier landen und herausfinden, dass Ivy mich sehen kann, obwohl sie blind ist, werden sie sie mitnehmen. Sie werden sie fort schleppen. Sie werden an ihr forschen und sie auseinander nehmen. Und sie werden nicht zimperlich sein!” Ihre Stimme war immer lauter geworden.
    Ivy hatte hilfesuchend die Hände ausgestreckt und klammerte sich an Rett, während sie Astra mit bangem Blick lauschte. Was die Frau sagte, machte ihr Angst und sie barg das Gesicht an Retts Schulter. Der erhob sich und tätschelte sanft über den blonden Kinderkopf.
    “Keine Sorgen, Blümchen, wir passen auf dich auf …”, murmelte er und brachte das Kind ins Hinterzimmer.
    Astra sah ihnen kurz nach, dann wandte sie sich an die beiden, die mit versteinerten Mienen noch immer auf dem Teppich hockten.
    “Ich weiß, ich habe keinerlei Anspruch auf eure Hilfe. Und ich danke euch von Herzen für eure Gastfreundschaft. Wenn ich es jemals wieder gut machen könnte …. aber ich … ich hoffe für euch, dass wir uns nie mehr wiedersehen.” Hilflos hob sie die Hände, ließ sie dann aber wieder sinken.
    Kay trank ihren Kaffee aus, nahm Astras unangetastete Brotscheibe und erhob sich seufzend. Auffordernd hielt sie der jungen Frau das Frühstück hin und zog sie mit sich.
    “Dann wollen wir dich wenigstens ordentlich tarnen.”

    Wissen ist Macht. Glauben ist mächtiger.

    Meine Geschichte

    Elemental (abgeschlossen)

    Der Rote Sturm (in Arbeit)

    2 Mal editiert, zuletzt von Kiddel Fee (6. November 2019 um 16:16)

  • Liebe @Kiddel Fee
    Die letzten Abschnitte haben mir gut gefallen. Gut geschrieben.
    Mir geht es allerdings etwas zu glatt ab. Da kommt eine Fremde ins Haus und dann geht alles recht unkompliziert weiter. Es gibt zum Beispiel keinen Konflikt über die Vorgehensweise.

    Sie seufzte. „Nichts. Es liegt eher daran, was ich bin. Welche Fähigkeit ich habe.“
    Nate stand auf. Noch immer umklammerte seine Rechte die Waffe.
    „Ich hole dir jetzt etwas zu essen und deine Kleidung. Und dann gehen wir. Du kannst mir erzählen, was du für nötig hälst, aber nichts davon wird meine Familie in Gefahr bringen.“

    Hier offenbart sie ihm, dass sie "Fähigkeiten" hat. Und er reagiert da garnicht drauf "Ich hole dir erstmal was zu essen …"
    Es könnten ja gefährliche Fähigkeiten sein und dann geht er mit der Frau an seinen geheimen Ort, wie mit einer alten Freundin. Vertrauen ist ja gut, aber deine Welt fühlt sich nicht an, als wäre Vertrauen leicht zu erlangen.
    Ein kleiner Absatz über seine widerstreitenden Gedanken wäre nicht schlecht. Vielleicht fühlt er sich ja auf rätselhafte Weise zu ihr hingezogen. Irgendetwas, das sein Vertrauen für den Leser erklärbar macht.

  • Hallo @Sensenbach , danke für deine Kritik, da werde ich auf jeden Fall nochmal drüber schauen. Ich hab ehrlich gesagt selber keine Ahnung, warum Nate sie überhaupt mitgebracht hat, weil der Schutz seiner Familie eigentlich bei ihm an höchster Stelle steht.

    Würde mich freuen, wenn du trotzdem dran bleibst^^

    LG Kiddel Fee

    Als Astra aus Kays Zimmer trat, hätte Nate sie beinahe nicht mehr wiedererkannt. Das silberne Haar, eben noch in einem geflochtenen Zopf bis über die Hüfte fiel, war nur halb so lang, dunkelbraun und irgendwie dünn. Ihre strahlende Haut wirkte schmutzig und um das Ganze perfekt zu machen, hatte Kay es irgendwie geschafft, Astra Schrammen ins Gesicht zu zaubern. In einer alten Jacke, welche die ältere Frau Astra geliehen hatte, sah ihr Gast völlig verändert aus.
    “ Ich denke, so können wir sie ziehen lassen.” Kay machte ein zufriedenes Gesicht und wusch sich in der Küche die Hände. Dann brachte sie Astra einen abgewetzten Beutel. “Hier. Ein Stück Brot, eine halbe Wurst und ein Becher. Leider habe ich keine zweite Flasche, ich kann dir nicht einmal Wasser mitgeben.” Sie schnürte den Beutel zu und hängte ihn der Jüngeren über die Schulter. Auf einmal wirkte sie wieder müde.
    Nate sah wortlos zu den beiden hinauf, dann erhob er sich.
    “Ich bringe sie zum Letzten Tor. Vorher gehen wir an der Scheune vorbei, damit ich die restlichen Vorräte noch einsammeln kann. Einiges davon wirst du brauchen.”
    Astra nickte. Ihr Gesicht war ernst, doch er erkannte, dass sie jetzt Angst hatte. „Ich würde mich … gerne verabschieden.“
    Kay nickte und ging ins Hinterzimmer, um Rett und Ivy zu holen. Der Mann mit der verwaschenen Jeans kam barfuß zu ihnen herüber, mit der Kleinen auf dem Arm. Behutsam stellte er Ivy auf den Boden und blieb gleich hinter ihr stehen.
    Astra hockte sich zu ihr. „Danke, Ivy. Du hast mich gefunden und mir damit vielleicht das Leben gerettet. Ich hoffe, dass du eine wunderbare und starke Frau wirst.“ Sie fuhr dem Kind sanft über den Kopf.
    Ivy lächelte. „Kommst du mal wieder?“
    Verhalten biss sich Astra auf die Lippen, froh, dass die Kleine sie nicht sehen konnte. „Nein, Ivy, das geht leider nicht. Ich muss weit fort.“ Mit einer bedauernden Miene erhob sie sich.
    Dann drückte ihr Kay wortlos die Hand und Rett reichte ihr seine schwielige Rechte. „Alles Gute, Astra. Ich hoffe, wir sehen uns mal wieder. Wenn alles besser ist.“
    Ihr Lächeln verrutschte ein wenig. Sie trat einen Schritt zurück und zog die Schnur des Beutels noch einmal fest.
    „Ich danke euch allen.“ Dann blickte sie zu Nate, der nickte und ihr wortlos zur Tür folgte.

    Die beiden liefen stumm nebeneinander her. Nate führte Astra, doch sie kamen nicht so schnell voran, wie er sich das wünschte. Es regnete wieder, die junge Frau hatte sich die Kapuze über den dunklen Schopf gezogen und folgte ihm mit gesenktem Kopf. Doch immer wieder blieb sie fassungslos stehen und musterte die Gassen, die Menschen, den Schmutz. Er merkte, dass ihr der Anblick zusetzte. Und dass ihr der Abschied vorhin schwer gefallen war, obwohl sie Rett, Kay und Ivy eigentlich gar nicht richtig kannte.
    Er blieb stehen und berührte sie am Arm, sodass sie verwundert aufblickte. “Wenn du dich nicht mehr verstecken musst - dann komm wieder. Versuche es zumindest. Ivy würde sich sicher sehr freuen.”
    Astra lächelte traurig. “ Sie ist ein ganz besonderer Mensch.”
    Nate nickte leise, dann gingen sie langsam weiter.
    “Ist sie deine Schwester oder deine … ?” Die zögernd gestellte Frage hätte er beinahe überhört, so laut pladderte der Regen auf seine Kapuze. Doch dann schüttelte er den Kopf und seufzte.

  • Hey :)

    Im Prinzip haben mir die neun Abschnitte gut gefallen. Vom Stil und vom Lesefluss her wirklich sehr angenehm. Auch wie du mit den Charakteren umgehst, finde ich schön. Alle, die bisher eine größere Rolle bekommen haben, kann ich mir sehr plastisch vorstellen und sie fallen auch nicht aus ihrer Rolle. Nur bei Rett weiß ich noch nicht, wie er so tickt, aber er stand ja bisher nur so daneben.

    Ein paar Sachen sind mir noch aufgefallen.

    Doch dann fiel ihm ein, dass er ja gar nicht in seinem Bett lag, sondern -

    Wieso schläft er direkt mit ihr in einem Bett? Es hieß doch, Kay hätte ihr Bett für Astra hergegeben, soweit so gut, aber ich würde nicht mit einer merkwürdigen, wildfremden Person, die ich aus dem Schlamm gezogen habe und gerade erst kennengelernt habe, so vertrauensvoll in einem Bett schlafen. Ich weiß, es läuft direkt sehr gut zwischen den beiden, sie scheinen quasi sofort eine Vertrauensbasis aufgebaut zu haben, aber mir persönlich geht das etwas zu schnell.

    “Wenn sie herausfinden, dass es jemanden gibt, der mich sehen kann, selbst wenn ich mich verstecke …”

    Puh, ja, das kann ich mir vorstellen. Und so wie ich mir den weiteren Verlauf vorstelle, wird Astra natürlich NICHT einfach unbemerkt verschwinden können, ohne Ivy in Gefahr zu bringen^^
    Außerdem bin ich gespannt, wieso Ivy Astra sehen kann, das muss ja einen Grund haben.

    In einer alten Jacke, welche die ältere Frau Astra geliehen hatte, sah ihr Gast völlig verändert aus.

    Hier dachte ich mir auch wieder, dass alle der merkwürdigen Fremden sehr viel Vertrauen schenken. Gut, sie hat sich sehr vernünftig benommen, aber die Leute dort scheinen nicht viel zu haben, vor allem auch wenig Essen und Astra wird direkt rundherum versorgt mit allem nötigen. Ich hätte es glaubhafter gefunden, wenn Kay die Sachen nur mit großem Widerwillen rausrückt.

    Das silberne Haar, das eben noch in einem geflochtenen Zopf bis über die Hüfte fiel gefallen war, war nur halb so lang, dunkelbraun und irgendwie dünn.

    Und in dem Satz stimmen ein zwei Dinge nicht :)

    Insgesamt mag ich das Setting sehr, gefällt mir wirklich gut, was du uns hier erzählst ^^