Blutige, tödliche Vergeltung

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 4.347 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (10. Dezember 2019 um 02:19) ist von Tom Stark.

  • An: S. Holmes Baker Street 221b, London, Vereinigtes Königreich
    Von: X. Holmes, Hotel Saint Claire, Blackwater, Vereinigte Staaten

    Lieber Sherlock,

    bedauerlicherweise hat mich Dein letzter Brief erst vor Kurzem erreicht. Die Gefängnisse in der Neuen Welt sind furchtbar schlecht darin, die Post pünktlich oder auch nur halbwegs regelmäßig zuzustellen. Selbstredend hatten meine falsche Angaben zu meiner Person und Herkunft das zusätzlich erschwert.
    Bevor Du nun in Aktionismus verfällst und unsre Eltern oder gar, Gott behüte, Mycroft informieren willst, beruhige Dich wieder. Mir geht es gut. Die neun Monate Zwangsarbeit haben mir zwar deutliches Untergewicht beschert und selbst Du hättest vermutlich Deine liebe Mühe, in der sehnigen, zähen, leicht verwilderten Frau Deine Schwester zu erkennen, aber tatsächlich wird mir mein neuer Habitus in der nächsten Zeit ein willkommener Verbündeter sein.
    Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass ich natürlich an dem Mord an dem aufstrebenden Geschäftsmann LeClerc ebenso unschuldig bin wie mein Mitverurteilter, ein glückloser Fallensteller, der zu jener Zeit in der Stadt sein letztes Bisschen Verstand mit billigem Fusel vernichtet hatte.
    LeClercs Partner besaß so viel Einfluss in Blackwater, dass man sich einfach zwei Schuldige gesucht hat, egal wie passend oder unpassend. Auf die heilige Trinität aus Motiv, Mittel und Gelegenheit hat man daher auch gleich verzichtet. Ich hatte am Abend zuvor den falschen Leuten beim Poker zu viel abgenommen und mein Alibi wäre die züchtige Pastorentochter gewesen, aber zum Glück hat diese ihren Mund gehalten und nicht ihren Ruf für dieses abgekartete Spiel riskiert.
    Warum ich Dir schreibe, dürfte Deinem deduktiven Verstand schon längst klar sein: Ich bin frei, befreit, geflohen, wie auch immer man es sehen mag, sitze in einem Zelt und kleide mich neu ein, bevor mich ein Gentleman mit den Manieren eines Leibdieners, nebenbei auch der Veranlasser der unblutigen Befreiungsaktion, zu meiner noch anonymen Wohltäterin bringen wird. Ich sehe wahrlich verändert aus in diesen abgetragenen Lederhosen, dem Wollhemd, dessen Originalfarbe ich nicht einmal erahnen kann, und dem abgenutzten Waffengurt mit dem schweren Cattleman-Revoler.

    Besonders gefreut habe ich mich über Deinen letzten Brief, in dem Du mir von Deinem neuen Mitbewohner erzählt hast. Dieser John scheint ein Pfundskerl zu sein. Ostindienveteran und Arzt, und vor allem, er hält es offenbar länger als fünf Minuten mit Dir zusammen im selben Zimmer aus! Benimm Dich ihm gegenüber und gib Dir ja Mühe, großer Bruder. Du weißt, wie anstrengend Du für Menschen im Allgemeinen bist. Fast noch schwieriger bist Du für jene, die Dich - aus welchen Gründen auch immer - lieben.
    Sobald ich mehr weiß, lasse ich es Dich wissen, zumal ich Deine Fernexpertise durchaus zu schätzen wüsste, denn selbstredend werde ich versuchen, den wahren Schuldigen am Tod von LeClerc und die dazu gehörenden Hintergründe aufklären. Wäre es nicht die Jagd nach einem Schurken, so wäre schon die bloße Existenz des Rätsels Grund genug für mich, dem nachzugehen. Aber wem erzähle ich das? Die gemeinsamen Erbanlagen sind nun einmal unleugbar.

    Dich liebend,
    Xinestra

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    4 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (28. November 2019 um 07:18) aus folgendem Grund: Eklige Fehler entfernt und gruselige Sätze begradigt. Vielen Dank an Tariq für die Korrektur.

  • Der Titel, mein lieber Mister Stark, erscheint mir zwar arg plakativ, aber der Brief der armen (?) Xinestra hat doch meine Neugier geweckt, so dass ich gerne "Mäuschen" spielen werde in den folgenden Sequenzen...

    Dich lesend,
    Coraly

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • @ Stark
    Ich bin auch ein Sherlock Fan, aber leider nicht in der Lage so zu schreiben, das es nur annähernt autäntisch rüber kommen würde, wie dieser Brief.
    Auch ich freue mich auf neue Scenen und werde es mit einer gehörigen Portion neugierde verfolgen :D

  • An: S. Holmes, Baker Street 221b, London, Vereinigtes Königreich
    Von: X. Holmes, Hotel Salvage, Saint Denise, Vereinigte Staaten

    Lieber Sherlock,

    meine Wohltäterin stellte sich als Jessica LeClerc, die Witwe des angeblich von mir ermordeten Geschäftsmanns in Blackwater heraus. Den Mann, der mich befreit hat nennt sie Mr. Horley, aber ich wette, diesen Namen trug er auch nicht immer. Wenn er sich unbeobachtet fühlt, ist sein Blick kalt und ich bemerkte, dass es seine Entscheidung ist, seiner Dienstherrin zu helfen, auch wenn es gerade wenig opportun erscheint. Seine Moral ist eine Frage des Standpunkts, den er einnehmen will, würde Mycroft sagen. Ich weiß, das gerade Du mich da verstehst, ist diese soziophatische Ader auch in unsrer Familie teilweise sehr ausgeprägt.
    Mrs. LeClerc, eine auf vornehme Weise schöne Frau, hatte mich aber nicht aus Güte befreien lassen, sondern weil sie genau wusste, dass ich unschuldig war und sie will meine Motivation auf Rache für ihre Zwecke einspannen, meinetwegen, solange sich unsre Ziele decken?
    Die Witwe hat vier Personen in Verdacht, die für den Mord an ihrem Mann in Frage kommen, aber sie wollte nicht recht mit der Sprache heraus. Ihre Emotionen schwankten teilweise irritierend zwischen der jammernden, trauernden Witwe und der schäumenden, rachedurstigen Ehefrau und allem was dazwischen liegt. Zwischen den Zeilen lese ich heraus, dass sie sich auch eine Mitschuld am Tod ihres Mannes gibt. Sie muss ihn sehr angetrieben haben, um selbst ein gutes Leben führen zu können, womöglich ließ er sich daher mit den falschen Leuten ein?
    Da sie mir aber noch nicht ganz traut, ich zudem selbst Nachforschungen anstellen wollte, riet mir Mr. Horley mich mit den Sheriffs der Umgebung und mit Marshall Tom Davis im Besonderen gut zustellen. Ich denke, ich werde meine Fähigkeiten nutzen um ein paar der übelsten Strolche aus dem Verkehr zu ziehen und dabei wieder meine Barschaft aufzustocken. Zum Glück stand King George - Du erinnerst Dich an das Vollblut, was ich aus der Heimat mitgebracht hatte - immer noch in seinem Stall, hier in Saint Denise. Es lohnt sich eben doch, die Stellgebühr immer gleich jahrweise im Voraus zu entrichten. Ein gutes Pferd ist hier in den Kolonien nicht mit Gold aufzuwiegen, abgemagerte Klepper oder kurzbeinige Arbeitspferde gibt es natürlich für wenige Dollar.

    Mein erster Weg führt mich nun nach Valentine zu Sheriff Curtis Malloy. Er hat offenbar Schwierigkeiten mit einer Diebesbande und ich will sehen, ob ich in diesem recht einfach erscheinenden Fall nicht beginnen kann einen guten Ruf aufzubauen. Zum Einen will ich gerne auf die Ressourcen der Lawman zurückgreifen um meinen eigenen Fall aufzuklären, zum Anderen dürfte eine zuverlässige Helfern der Gesetzeshüter keinen Verdacht erwecken mit einer gewissen ausgebrochenen Mörderin ein paar unwesentliche körperliche Ähnlichkeiten aufzuweisen.
    Mit Schmunzeln habe ich einen Roman eines gewissen John Hamish Watson gelesen, der beschreibt, wie ein gewisser Sherlock Holmes den Fall des Hundes von Baskerville löst.
    Du trägst doch nicht wirklich diese alberne Deerstalker-Mütze, oder? Falls ja, erwarte ich mit dem nächsten Brief eine Photographie und am besten mit Watson neben Dir.



    Dich liebend,
    Xinestra

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (25. November 2019 um 15:22)

  • Der erste Brief kam Sonntag, heute ist Dienstag: Die amerikanische Post scheint schneller zu sein als DHL und Gelbschnecken-Tours. Ich bin beeindruckt und hoffe auf mehr.

    Der Unterschied zwischen dem, was Du bist und dem, was Du sein möchtest, liegt in dem, was Du tust.
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    Was würdest Du tun, wenn Du keine Angst hättest?

  • An: S. Holmes, Baker Street 221b, London, Vereinigtes Königreich
    Von: X. Holmes, Pension Miller, Valentine, Vereinigte Staaten

    Lieber Sherlock,

    Sheriff Malloy ist ein echtes Original, oder vielmehr ziemlich genau so, wie man sich den Ordnungshüter einer Stadt vorstellt, die ihre wilden Tage zum Großteil hinter sich hat, wo aber Schlägereien und vereinzelte Schießereien nicht völlig ungewöhnlich sind. Mit seinem Deputy Butch taucht er im Saloon auf – so nennt man hierzulande die Pubs – bevor es Tote gibt, und sammelt die Betrunkensten und geistig Beschränktesten ein. Man muss schon ziemlich blöd sein, auf die Beiden zu warten, denn sie schießen am Vordereingang erst ein paarmal in die Luft, zählen dann bis zehn, bevor sie ganz gemächlich reinkommen. Mehr als genug Zeit durch die beiden Hintertüren zu entkommen. Schießereien auf der Straße unterbindet der Sheriff strikt und man erzählt sich, er habe sogar in jungen Jahren ein High-Noon-Duell mit Charles o’Harper gehabt, dem gutaussehenden, aber stets betrunkenen Wortführer der Two-And-A-Half-Gang. Dieser Ruf verhinderte bisher weitere gewaltsame Ausschreitungen von Möchtegern-Gunmen. Zuletzt sorgt er noch dafür, dass die Kirchgänger am Sonntag ihre Messe in Ruhe feiern können und die Dirnen aus dem High-Five-Lady-Salon nicht über Gebühr ihre Geschäftspraktiken auf die ganze Stadt ausbreiten.
    Das war es aber dann. Für alles Weitere setzt er Kopfgelder aus oder vielmehr der Staat, oder aber er vermittelt Bürger in Not an freischaffende Messer, Revolver, Gewehre oder Bogen. Ja, ehrlich, Bogen sind auch unter Weißen eine sehr häufige Waffe. Gerade Trapper, die sich nebenher etwas Bares dazuverdienen wollen, sind damit nicht zu unterschätzen.
    Wir sind zu viert. Ich will nicht sagen, dass meine Mitstreiter auch wie Galgenvögel aussehen, da ich selbst derzeit kaum einen besseren Anblick biete. Ein gewisser Clinton Arndale, ein unsympathischer, offensichtlich wohlhabender Gentleman aus Valentine, wurde beraubt. Auch einen Schuldigen hatte Arndale schon ausgemacht: Bob Crawfish und seine Bande. Malloy hatte festgestellt, dass es erstens keine Beweise gegen sie gab und sie zweitens – für ihn viel entscheidender – nicht in der Stadt waren, er also rein gar nichts tun konnte. Aber er vermittelte uns vieren den Job, die Bande samt Beute zu suchen. Arndale wollte einen fetten Bonus drauflegen, wenn wir die vier Halunken lebend zum Bahnübergang nahe seines Anwesens bringen. Auf meine Frage, warum ausgerechnet eine Banditenbande ihm Dinge wie ein wertvolles Gemälde aus Italien, eine französische Porzellansammlung oder die Schwarzwälder Kuckucksuhr gestohlen hatte, wich er mir wiederholt aus. Auch meine Anmerkung, dass ich erstaunt sei, dass ein respektabler Mann überhaupt solche Halunken mit Namen kenne, ignorierte er geflissentlich. Er sprach auch viel lieber mit meinen drei männlichen Partnern, die schienen mehr am Geld als an der Aufklärung irgendeines Verbrechens interessiert zu sein und waren daher weitaus zugänglicher. Morgen bei Dämmerung wollen wir los. Der Sheriff hat eine Idee, wo die Bande untergekrochen sein könnte, und da wollen wir ansetzen.

    Wie ich aus einer zwei Monate alten London Times erfahren musste, hat man Dir und Dr. Watson eine Audienz bei Ihrer Majestät gewährt. Schande über Dich, dass Du das nicht einmal in Deinen Briefen erwähnst! Verkehrt ihr nun gar in der besseren Gesellschaft? Aber nein, das denke ich eher nicht. Die Gassen und Gossen der Stadt würden Dir zu sehr fehlen.


    Dich liebend,
    Xinestra

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (2. Dezember 2019 um 08:36) aus folgendem Grund: Rechtschreibung begradigt, Dank an Tariq

  • An: S. Holmes, Baker Street 221b, London, Vereinigtes Königreich
    Von: X. Holmes, Pension Miller, Valentine, Vereinigte Staaten

    Lieber Sherlock,

    hasst Du es auch so wie ich, wenn man Dich engagiert, aber Dir zum Einen nur die eine Hälfte der Geschichte erzählt und zum Anderen diese Hälfte selbst nur bedingt wahr ist? Als wir endlich Bob Crafish und seine Leute aufgestöbert hatten, liefen wir geradewegs in eine ganze Bande aus gut einem Dutzend zu Allem bereiten Banditen hinein. Zum Glück konnte ich meine Mitstreiter überzeugen, uns so leise es geht von allen Seiten dem ehemaligen Postkutschenörtchen zu nähern. Außer dem Saloon, von dem auch nur noch der untere Stock stand, hatte nur ein gemauertes Lagerhaus den Brand überlebt, den die winzige Siedlung heimgesucht hatte. Kaum wurden sie uns angesichtig, eröffneten sie das Feuer. Es war offensichtlich, dass man uns, oder Leute wie uns erwartet hatte. Es gelang uns die Gegner auszuschalten oder in die Flucht zu schlagen, doch dann öffnete sich das Tor der Lagerhalle und Crawfisch und drei seiner Männer brachen im Galopp auf ihren Pferden hervor und suchten ihr Heil in der Flucht. »Nehmt die Lassos, wir brauchen sie lebend!«, rief Black Mad Jack, der zumindest von den drei Männern in meiner Truppe stillschweigend als Anführer akzeptiert wurde. Ich sah zwar den Sinn der Anweisung ein, hatte aber weder ein Lasso, noch wusste ich damit umzugehen. Rick, falls überhaupt möglich, der zivilisiertest aussehendste, nahm kommentarlos ein Lasso von einem der herumstehenden Pferde und warf es mir zu, bevor er, ebenfalls im gestreckten Galopp unsrer Beute nachjagte, die sich nun klugerweise aufteilte. King George muss sich jedoch bei keinem Rennen verstecken und selbst als die Banditen einen flachen Fluss überquerten, hielt sich der Hengst wacker. Zwei Wurfversuche später gab ich es auf, mein Ziel mit dem Lasso vom Pferd zu holen, ließ meinen Hengst anhalten, nahm die neue langläufige Flinte und schoss. Ob Können oder Glück, ich erwischte die Schulter meines Ziels und das warf ihn aus dem Sattel. Als wir unsre vier Gefangenen am vereinbarten Ort ablieferten, verlangte Arndale tatsächlich von uns, sie auf die Schienen zu legen und er erpresste die vier Gefangen zu Aussagen. Es stellte sich heraus, dass Arndale die vier Männer kümmerte, sie sogar zusammen die Kunstobjekte erworben hatten. Die Beute lagerte nun bei Arndales Schwester im Keller. Hochinteressante Familienverhältnisse. Und dabei bilden wir uns immer ein, Unsre Familie hätte eine komplizierte Beziehung! Woher sie das Geld hatten oder warum Arndale uns zuvor nichts über die Zusammenarbeit mit Crawfish berichtet hatte, schien außer mir keinen zu interessieren. Als beim nicht allzu fernen Bahnhof von Valentine der Zug einfuhr, zahlte uns Arndale schnell aus mit dem Auftrag, die vier hier liegen zu lassen. Bevor ich noch nachhaken konnte, immerhin war das ein eindeutiger Mordauftrag, war er auch schon davon. Natürlich konnte ich nicht hinterher, denn ich konnte unmöglich die vier Männer so einfach dem Tod überlassen. Selbstverteidigung ist das Eine, völlig normal hier im Westen, kaltblütiger Mord eine ganz andere Sache. Wir ließen sie schließlich laufen, als sie versicherten, mit uns keinen Streit zu haben. Was denkst Du, sollte ich an Arndale dranbleiben, oder soll ich diese Sache lieber die Wölfe unter sich austragen lassen? Ich werde auf jeden Fall erneut Kontakt mit Horley aufnehmen.


    Dich liebend,
    Xinestra

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

  • An: S. Holmes Baker Street 221b, London, Vereinigtes Königreich

    Von: X. Holmes, Hotel Saint Claire, Blackwater, Vereinigte Staaten

    Lieber Sherlock,

    ich habe gerade einen weiteren Fall von Dir durch Dr Watsons Augen in Schriftfform miterlebt. Ich kann unmöglich glauben, dass Du so lange gebraucht haben sollst, um hinter das Geheimnis der Napoleons zu kommen. Selbst mir war schon auf der zweiten Seite klar, was mit großer Sicherheit dahinterstecken musste.
    Für Deine Gedanken und Anregungen bezüglich Horley und der LeClercs bedanke ich mich herzlich, zumal sie mir zeigen, dass ich wohl in die richtige Richtung denke.
    Mich hat es wieder nach Blackwater verschlagen, wo ich mich in dem geheimen Lager mit Horley und Mrs LeClerc getroffen habe. Die trauernde und wütende Witwe war sich mittlerweile sehr sicher, die vier Hauptschuldigen an ihrem Mann herausgefunden zu haben. Sein Partner, dessen Frau und ihr Bruder, sowie einen windigen Anwalt, der auch seit kurzer Zeit als Buchhalter der gemeinsamen Firma tätig ist, sollen sich in verschwörerischer Weise gegen den ehrbaren und gutmütigen LeClerc zusammengetan haben.
    Du wirst den ironischen Unterton in meinen Zeilen bemerken, denn auch wenn ich das alles für durchaus plausibel halte, habe ich inzwischen selbst ein paar diskrete Nachforschungen angestellt. Der kometenhafte Aufstieg der einst kleinen, wenngleich soliden Firma, zu jenem gebietsbeherrschenden Unternehmen, hatte nicht überall mit sauberen Geschäftspraktiken stattgefunden. Konkurrenten waren genötigt worden, deren Warenlieferungen unauffindbar verschwunden und Kredite vorzeitig von der Blackwater-Bank zurückgefordert worden. Undenkbar, dass die so ehrbaren Mr und Mrs LeClerc von all dem nichts mitbekommen haben. Mir ist also inzwischen klar, dass man Mrs LeClercs Racheschwüren durchaus die angekündigte Brutalität zutrauen darf. Mein nicht sehr ausgeprägtes Mitgefühl lobte sie jedenfalls gleich zweimal scheinbar beiläufig. Ich fürchte, die Witwe und ich werden da eines Tages ernsthafte Differenzen bekommen, da sie mangelnde Weinerlichkeit mit fehlenden moralischen Grundsätzen gleichsetzt.

    Wie dem auch sei, es gibt auch erfreuliche, wenngleich skurrile Neuigkeiten. Ich besitze nun einen Angestellten. Sein Name ist Crisp und auf den ersten, zweiten und dritten Blick ist er ein alter Mann, der eine Menge Ideen aber wenig Glück im Leben hatte. Vom Bankräuber bis zum Akrobaten in einem weltweit auftretenden Zirkus, hat der Alte schon fast alles einmal gemacht, aber es schien ihn irgendwo länger zu halten. Ich hatte ihn in einem Saloon vor einer unsanften Abreibung durch zwei Bahnarbeiter bewahrt und er hat mir während oder eher zwischen einem halben Dutzend Bieren und einer deftigen Mahlzeit von seiner Idee erzählt, die wohl schon seit langem in ihm reift. Er will herumziehen und ganze Tiere von Trappern erwerben, um die Einzelteile in einem besonderen Verfahren zu verwerten. Daraus will er Waren herstellen, die er als Zulieferer für die großen Fabriken im Osten für gute Dollar loswerden kann, so sein Plan. Ihm fehlt – natürlich – Startkapital und jemand, der die Waren auch sicher an die entsprechenden Handelsstationen schaffen kann. Und da komme ich ins Spiel. Auch wenn ich nicht weiß, ob das alles kein gewaltiger Reinfall wird, so liefert mir dieses Unternehmen einen plausiblen Hintergrund herumzureisen und in der Geschäftswelt weitere Nachforschungen anzustellen.
    Natürlich halte ich Dich weiterhin auf dem Laufenden.



    Dich liebend,
    Xinestra

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

  • An: S. Holmes Baker Street 221b, London, Vereinigtes Königreich

    Von: X. Holmes, Jahrmarkt, Valentine, Vereinigte Staaten

    Lieber Sherlock,

    hier eine aktuelle Photographie, gemacht von einem reisenden Photographen eines durchziehenden Jahrmarkts.
    Die ständig leicht entrückte Madame Nazar, eine Wahrsagerin desselben Markts, hat mir geweissagt, dass ich sehr bald einen großen dunkelhaarigen Mann treffen werde. Ich war erstaunt von ihrer Klarsicht. Auf meine Frage, ob ich ihn mit dem Gewehr, dem Revolver oder dem Messer treffen werde, hat sie mich allerdings deutlich weniger entrückt aber umso panischer gemustert, mir schnell meine drei Dollar für die Handlesung zurückerstattet und mich gebeten zu gehen.
    Diese Kolonisten sind mitunter seltsame Zeitgenossen.


    Dich liebend,
    Xinestra


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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet