Schnappschüsse

Es gibt 24 Antworten in diesem Thema, welches 7.448 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (20. März 2025 um 08:53) ist von Tariq.

  • Kann es sein, dass das lyrische Du (also du Person, die der Erzähler anspricht) tot ist und sich an das "du" erinnert? :hmm:

    :golly: Ich hatte schon befürchtet, meine eigentliche Idee wäre tatsächlich nicht rübergekommen! :hail: Sehr tolle Analyse! Das gibt mir Hoffnung, dass ich eben doch in der Lage bin, auch ohne konkrete Nennung bestimmte Dinge zu vermitteln. :alien:

    Keine genaue Ahnung warum, aber ich <3 die Story. Kam mir durch die vielen Details so vor, als wäre ich da gerade dabei gewesen an der Bahn. Echt gut! :thumbup: :thumbup: :thumbup:

    ich habe zwar letztlich nicht wirklich geschnallt, was das für seltsame Gestalten sind in deinem Kollektiv 43, aber die Geschichte fühlte sich so echt an und gleichzeitig die ganze Zeit sehr schräg ... obwohl die sich gleichzeitig absolut realistisch verhalten haben. Also es ist schwer zu beschreiben, aber du hast das echt toll getroffen und es hat Spaß gemacht zu lesen. Ganz große Klasse!

    Dann habe ich mein Ziel erreicht! :thumbup: Ich empfinde es immer als Lotterie, wenn ich eine neue Geschichte "ohne großen Inhalt" ins Forum stelle. Aber solange es Leser gibt, die es nicht bereut haben, sie gelesen zu haben (vielleicht sogar mit einem zufriedenen Gefühl rausgehen), bin ich auch happy. :loveyou:

  • Zum Hintergrund der Geschichte: Dies ist mein eintausendenster Beitrag im Forum! Was mir den Status eines Superusers verleiht! Nur durch Zufall (Sicherlich, Jade und Zufall! :rolleyes: :ninja: :pillepalle:) habe ich es mitgekriegt, dass ich bei 999 Beiträgen stand und mein innerer Monk verlangte, dass ich mir für meinen tausendsten Beitrag etwas "Besonderes" einfallen lasse. kalkwiese und Chaos Rising brachten den Vorschlag, diesen doch für eine Kurzgeschichte zu nutzen. Es war ein sehr steiniger und zäher Weg, bis ich endlich eine Idee im Kopf hatte und nochmal eine halbe Weltreise, diese Idee auch zu einer Kurzgeschichte umzuwandeln.
    Des Weiteren hat die reine Geschichte (ohne Titel und Datum) exakt 1000 Wörter!
    Wie auch sonst bin ich natürlich nie wirklich zufrieden mit meiner Geschichte, aber noch länger kann und will ich mich nicht mit dieser Herausforderung auseinandersetzen! Zumal ich mit dieser Geschichte auch einen immer wiederkehrenden Gedankenfetzen verbinde. Ob die Geschichte diesem Gedanken überhaupt gerecht wird, mag ich nicht entscheiden wollen. Aber es muss ja auch kein Meisterwerk werden. Vermutlich interessiert es die anderen Forenmitglieder auch nur halb so viel wie mich. Und vermutlich interessiert es mich doppelt so viel, wie es tatsächlich nötig ist. :pardon:


    1000

    Stanville: 17.7.2021

    Weiß.
    Matt und trocken.
    Muschelweißer Sand, ich spüre ihn zwischen meinen Zehen. Er ist kühl, erfrischt mich. Es ist mitten am Tag, die Sonne brennt auf mich nieder. Sie bringt den Sand zum Glänzen wie feinen Perlmuttstaub. Die wenigen Wolkenfetzen, die gemächlich über den satten, blauen Himmel ziehen, geben ihm einen unverkennbaren Anstrich. Wie vermischte, frische Blaubeer-Eiscreme mit warmen Früchten in einer flachen Glasschale.
    Eine einsame Möwe stakst flügelschlagend am Ufer entlang, pickt sich aus dem feuchten Sand Würmer und anderes Getier, völlig unbeirrt von den vielen Menschen um sie herum.
    Die kleine Sandburg zwischen mir und dem weiten Meer. Die Gischt, mit jeder weiteren Welle umspült sie sie und trägt etwas Sand von ihr ab. Ein Graben entsteht, erste Teile der Burg brechen in sich zusammen und werden vom Salzwasser hinfort getragen. Wie feiner Goldstaub schweben die Sandkörner im flachen Wasser umher und verwirbeln sich.
    Ich halte meine gespreizten Finger gegen die grelle Sonne und schließe die Augen. Ich spüre das wärmende Licht mein Gesicht kitzeln. Reflexartig rümpfe ich die Nase, um ein Niesen abzuwenden. Eine seichte Prise weht mir um die Haut. Allein wahrzunehmen an den vereinzelten Sandkörnern, die mir ins Gesicht fliegen. Ich versinke in Gedanken, blende den Trubel um mich herum aus. Die anderen Menschen am Strand, die Surfer in den tosenden Wellen.
    Ich tauche ein in diese neue Welt und gebe mich der Gelassenheit hin. Mein eigener Kosmos. Grenzenlos, atemberaubend, ermutigend. Ich fühle mich frei von Zweifeln, frei von Leiden.

    Salziger Geschmack.
    Sattes Orange.
    Tausend Momente.
    Endlosigkeit in jedem Augenblick.
    Abseits von jeglichen Sorgen.
    Hinter mir die Stadt, der Alltag, die Zeit.
    Vor mir das offene Meer, die Ruhe, die Freiheit.

    Ich schicke meine Seele auf die Reise, löse sie los von irdischen Befindlichkeiten, die mich Tag für Tag heimsuchen. Ein buntes Feuerwerk in meinem Kopf, eine zäh fließende Substanz, gespeist aus tausend Quellen. Glasklares Rauschen im tiefen Klang des Universums.
    Eine einzelne Träne sammelt sich in meinem Auge und rinnt mir schließlich die Wange hinab. Sie fühlt sich unecht an auf meiner Haut, fast wie ein Fremdkörper. Doch ihre Bedeutung dagegen kann echter nicht sein. Ist sie ein Zeichen für die unterdrückte Sehnsucht nach dir?
    Denn just in diesem Moment verändert sich das Licht.
    Es ist deine Präsenz. Als wärst du auf Wunsch erschienen.
    Ich öffne die Augen und blinzle die stechende Helligkeit weg.
    Aus den Augenwinkeln nehme ich dich wahr, sehe deinen Schatten neben mir.
    Im Schneidersitz nimmst du neben mir Platz, stillschweigend. Mit inniger Ruhe streifst du dir die Sonnenbrille von der Nase und legst sie behutsam in den Sand.
    Mein Blick schwenkt kurz zu dir rüber. Du trägst wieder dein luftiges, limonengelbes Shirt. In dem grellen Sonnenlicht hebt es sich kaum von der Sandfarbe ab.
    Du nimmst meine noch immer ausgestreckte Hand und unsere Finger greifen ineinander. Langsam senken wir die Hände auf deinen Oberschenkel und du lehnst dich an mich. Dein Kopf liegt auf meiner Schulter.
    Dein Atem fügt sich ins Geschehen ein, als wäre er ein wichtiger Teil davon. Als würde die Welt ohne ihn nicht mehr existieren können. Und sei es augenscheinlich nur ein unbedeutender Lufthauch, der aus deinen Mund strömt. Aber oft sind es die kleinen Dinge, die entscheidend sind.
    Das sparsam aufgetragene Parfüm, der Duft nach wildem Mohn und süßem Honig, es ist dasselbe, das du auch damals bei unserem ersten Treffen getragen hast.

    Gänsehaut.
    Kribbeln im Herzen.
    Tausend Berührungen.
    Tausend Begegnungen.
    Tiefe Zufriedenheit.

    Ein winziger Käfer krabbelt vor uns entlang. Er geht seinen Weg durch die zerklüfteten Sandwellen und trockenen Grashalme. Frech schlendert er auf uns zu, trotzt flauen Böen und herab kollernden Kieseln.
    Du legst deine Hand vorsichtig in den aufgeheizten Sand und lässt das unscheinbare Insekt auf deine Finger klettern. Ein Lächeln zeichnet sich auf deinen Lippen ab. Gekonnt lässt du ihn über deine Fingerknöchel laufen und drehst dein Handgelenk, um ihn am Herunterfallen zu hindern. Deine haselnussbraunen Augen strahlen eine kindliche Faszination aus.
    Auch ich beginne zu lächeln.
    Du reichst den Käfer an mich weiter. Trotz seiner winzigen Größe schafft er es, mir ein Kribbeln zu bescheren. Bei näherer Betrachtung erkenne ich das silbern-blaue Schimmern seines Panzers im gleißenden Licht.
    Für ihn müssen wir Giganten sein, aber vermutlich gleichsam unbedeutend, wie er es für viele von uns ist.
    Noch eine Weile beehrt er uns mit seiner Anwesenheit, bevor er davonfliegt und aus unserem Blickfeld verschwindet.

    Die Welt wandelt sich.
    Zeit verliert ihre Bedeutung, sie verliert uns.
    Unsere gemeinsame Reise beginnt hier.
    Losgelöst vom Hier und Jetzt, schwebend zwischen Traum und Realität.
    Gemeinsam schauen wir zu, wie die Sandburg allmählich eingeebnet wird und sich zu einem homogenen weißen Hügel verwandelt. Für uns ist es nur ein Augenblick, ein unbedeutend kurzer Zeitraum. Ebenso wie der Wechsel zwischen Ebbe und Flut für uns nur ein Wimpernschlag ist.
    Wir bauen Schlösser und Kathedralen, fliehen vor dem Unbekannten, suchen nach dem Sinn.
    Sind einsame Wanderer in der ewigen Wüste des Seins und Nichtseins.
    Wir haben uns gefunden.

    Die Abendsonne, ein unstetes Flackern am Horizont. Violette Wolkenbänder hüllen den Himmel ein wie ein Seidentuch, durchbrochen von ersten Flecken nächtlichen Sternenhimmels. Das Wasser, schimmernd wie flüssiges Gold. Letzte Winde warmer Luft fegen über den bereits menschenleeren Strand. Nur wir beide sind noch hier, verharren weiterhin in rebellischer Ruhe an derselben Stelle.

    Ich atme tief ein und nehme das pure Leben in mich auf. Ein eisiges Kribbeln ergreift meine Lungen, bringt meinen Brustkorb zum Beben. Mit jedem weiteren Atemzug fließt es weiter durch meinen Körper und verwandelt sich in einen bunten Funkensturm.
    Mir ist kalt und heiß zugleich. Meine Seele bricht aus dem Käfig in meinem Kopf, schreit ungehört sie ihre Dankbarkeit in die Welt hinaus. Allein du kannst ihren bittersüßen Klang vernehmen. Allein du kannst ihn verstehen.

    Finsternis bahnt sich ihren Weg durch die letzten Lichtstrahlen und vertreibt endgültig die wenigen Farbtupfer in der Ferne. Flüsternde Stille durchdringt das Endlose, ein kühles Knistern in der Ewigkeit. Wir können sie sehen, die pure Ehrlichkeit der Nacht, im tiefschwarzen Spiegel.

    Kaltes Schwarz.
    Tausend Sterne am Firmament.
    Tausend Momente zu jeder Zeit.

    Sky and Sand

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  • Moin Jade! Meinen Glückwunsch zum 1000sten Beitrag. :D

    Mal sehen, was ich so aus dieser Momentaufnahme mitnehme. Ich sehe da ein Leben im Moment (auch weil im Präsens geschrieben), eine Verbundenheit mit allem drum herum und dadurch einen Moment des Friedens. :hmm: Ich denke, das erreicht der Text sehr gut. Um die Plotlosigkeit weißt du ja, deswegen lassen wir das einfach. :) Es ist eine Liste von gleichzeitigen Eindrücken, die ins Unendliche reichen könnten, und das, was literarisch der Unendlichkeit am nächsten ist - ist eben eine Liste. Ziel erreicht. :thumbup:

    Die wenigen Wolkenfetzen, die gemächlich über den satten, blauen Himmel ziehen, geben ihm einen unverkennbaren Anstrich. Wie vermischte, frische Blaubeer-Eiscreme mit warmen Früchten in einer flachen Glasschale.

    Ich stelle mir Blaubeereis sehr dunkel vor, und die Früchte, wahrscheinlich weil die Blaubeeren vorher genannt wurden, auch, also wirklich als tiefes Rot. Das hätte dann mehr etwas von einem Weltuntergangshimmel für mich. ^^' Vielleicht findest du ein Bild mit einem helleren Farbton.

    Häupter auf meine Asche!

  • Wieder eine tolle und sehr atmosphärische Geschichte. Das bekommst du wirklich extrem gut hin. Ich hatte am Schluss noch auf eine Pointe gewartet, die irgendwie nicht kam? Aber es ist möglich, dass ich sie nur nicht verstanden habe, weil da so viel Übersinnliches mitgeschwungen ist. Sehr gelungen :)

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince

  • Ich weiß nicht, was mit mir nicht stimmt, aber ich war ab

    Zeit verliert ihre Bedeutung, sie verliert uns.
    Unsere gemeinsame Reise beginnt hier.

    dieser Stelle sicher, dass die beiden den Strand für einen gemeinsamen Suizid gewählt haben. Ich dachte wirklich, dass das ein Abschied voneinander und von der Welt ist. Keine Ahnung, warum. :S Und von daher war ich ein bisschen ... hm, überrascht, dass es - verglichen damit - mMn eher unspektakulär endet.
    Natürlich ist das Ganze wundervoll geschrieben. Ein Feuerwerk toller Bilder, die die Fantasie beflügeln und es mühelos schaffen, großartiges Kopfkino in Gang zu setzen. Ich weiß nicht, warum du nicht zurfrieden bist. Aber an deinen Beschreibungen liegt das ganz sicher nicht, denn die sind einfach toll. Ließ sich wunderbar lesen. Danke dafür!

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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