Kalkis Kurzgeschichtenkiste

Es gibt 47 Antworten in diesem Thema, welches 10.047 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (8. Juli 2022 um 16:24) ist von kalkwiese.

  • Stadtnymphe Loriot sollte ich mir vielleicht auch mal reinziehen. :D Der Ausschnitt ist jedenfalls klasse. Das erinnert mich an Tucholskys "Hitler und Goethe - Ein Schulaufsatz" (https://www.textlog.de/tucholsky-hitler-goethe.html). Auch eine tolle Parodie, nur etwas düsterer. ^^

    Anstrengend zu lesen, durchaus, aber Anspruch verdient ja Aufmerksamkeit :D

    Man muss als Autor den schmalen Grad wandern zwischen seiner Kunst und der Unterhaltsamkeit. ^^ Man in einer Kurzgeschichte kann man das schon mal machen, denke ich. Oder mitten im Buch drin, sonst ist alles leicht lesbar und dann knallt man dem Leser einen Drei-Seiten-Satz vor den Latz. :D Was will er machen, hä? Der muss da dann durch! Danach ist ja auch wieder Ruhe.

    Diese Geschichte ist halt schon sehr reiner Selbstzweck. :rofl:

    Ehrlich gesagt, finde ich die Geschichte inhaltlich besser zusammenpassend als die Palladiumgeschichte. :P

    Mhm, da sagst du was. :hmm: Wenn ich mit dem klitzekleinen Kätzchen weitermache, muss entweder die Geschichte so umschreiben, dass die Metaebene rausfliegt, oder ich ziehe die Metaebene mit dem chemiekundigen Erzähler konsequent durch ... aber das Palladium ist schon eher ein Fremdkörper. Wahrscheinlich würde die Geschichte davon profitieren, wenn das rausflöge. :hmm:

    Edit: Technisch betrachtet gehe ich also mit der Aussage mit. Aber die Geschichte mit der greisen Katzendame hat inhaltlich dann doch etwas mehr zu bieten.

    Häupter auf meine Asche!

  • Sehr geil, kalkwiese :thumbsup:

    Mir hat das kurze Geschichtchen sehr gut gefallen, vor allem, da ich ebenfalls so einen Pelzer hier herumlaufen habe, von dem ich oft genug den Eindruck habe, dass er ähnliche Gedanken verfolgt.

    Ach ja, und dieses schöne kleine Detail mit der Kiste am Anfang finde ich sehr zutreffend. Jede Pappkiste, die kurz achtlos in die Ecke gestellt wird, bevor sie im Altpapier landet, wird erst mal als Schlafplatz angetestet :rofl:

    Also, sehr schön und auch stilistisch toll umgesetzt!

  • Ich bin tatsächlich überrascht, dass die letzte Geschichte doch ganz gut anzukommen schien. :hmm: Mal sehen, was ihr zu der nächsten sagt. xD

    Über diese Geschichte

    Kurzgeschichten-Challenge 3 - Häschen, Zuckerwatte, Glitze, alle von Voluptuous Mayday , mit der Auflage, dass die Geschichte weder lustig noch niedlich sein darf.

    Das war eine Herausforderung, über die ich erstmal gründlich nachdenken musste. Und eigentlich will ich im Moment auch nicht so viel Düsteres, Depressives mehr schreiben. :hmm: Schließlich ist mir etwas eingefallen und ich bin dem Gedanken einfach mal immer weiter gefolgt. Als der dann irgendwie ausgeschrieben war, habe ich das Ende relativ fix eingetütet. Das hört sich jetzt nicht besonders liebevoll an, war es aber irgendwie. :rofl: Manchmal schreibt es sich einfach flüssig. Die Auflagen haben der Kreativität irgendwie gefördert, schätze ich.
    Nochmal ein Danke an Skadi für die Herausforderung! Hat Spaß gemacht :)

    Hasen und Glitzergel

    „Die Wolken sind wie benutzte Wattebausche“, spricht meine Tochter, während wir den Tieren das Fell abziehen. Ich schaue auf, denn ich bemerke, dass ich schon eine Weile nicht mehr bewusst die Wolken mit irgendetwas verglichen habe. In Zeiten wie diesen bin ich froh, dass zumindest meine Tochter solche Gedanken haben kann. Es stimmt, die Wolken haben etwas Weiches, Bauschiges an sich. Früher hätte ich meine Kleine auf „Zuckerwatte“ berichtigt, heute stimmt dieses Bild nicht mehr. Die Zuckerwatte ist grau, zynisch und giftig geworden. Ich nicke nur, kann mich nicht um die Wolken sorgen. Es gibt zu viele Sorgen, die stattdessen gemacht werden müssen: Brennt das Feuer ordentlich? Haben wir genug Wasser? Wird der Sprit reichen? Wie lange kann es so weitergehen?
    Feuerholz hatten wir noch welches im Kofferraum und so gart das Fleisch über einer stattlichen Flamme. Es ist erst ein paar Monate her, dass hier in Deutschland endgültig die Lichter ausgegangen sind, aber meine Kleine lernt schnell. Sie hat den Bogen mit dem Feuer bald raus, wie ihre Mama. Dass ich früher Geld mit Outdoorausrüstung verdiente, hilft sicher auch. Meine Tochter ist zehn und wollte, wie ich eigentlich auch, kein Fleisch essen, wegen der Massentierhaltung. Ist auch unschön, muss man sagen – bis heute wundere ich mich nur, wer es gewesen sein mag, der meiner Zehnjährigen die brutale Wahrheit hinter den Wiener Würstchen erzählt hat. Es hat Überwindung gekostet, meinen ersten Hasen, den ich in einer Kastenfalle gefangen habe, mit einem Knüppel zu erschlagen. Ich hätte ihm auch eine Kugel durch den Kopf jagen können, aber solche Dinge sind nur Munitionsverschwendung. Der erste Bissen fiel umso schwerer. Früher hätten manche mich ein Monster genannt, wenn ich ein Häschen gegessen hätte. Heute gibt es diese „manchen“ nicht mehr in meinem Leben, genauso wenig wie die Massentierhaltung. Der Mensch – das sind meine Tochter und ich, die wir uns von den anderen Menschen möglichst fernhalten wollen – hat endlich seinen Weg zurück in die Nahrungskette gefunden.
    Solange andere Menschen in der Gleichung nicht enthalten sind, ist uns das ganz recht. Wer weiß, was im Rheinland alles losgewesen sein muss. Die Nachrichten sind widersprüchlich, aber es war sicher einiges. Zuletzt hat man immer wieder fatalistische Tendenzen verspürt. Ich hätte niemals erwartet, dass Fundamentalisten wieder so in Mode kommen würden. Ich hätte auch nie gedacht, dass die sogenannte „abendländische Kultur“, die sich mir schon öfter von dieser Seite gezeigt hat, im Ganzen so verrohen könnte. Wie hässlich die islamische Seite sein kann, weiß ich von zu Hause – mein Kopftuch habe ich schon vor Jahren begraben. Nun, in Wahrheit hatte ich es verbrannt, in einer feierlichen Zeremonie, in der mir nicht feierlich zumute war, in der ich mit dem Menschen, der mein Mann werden sollte, die geglückte und von langer Hand geplante Nacht-und-Nebel-Aktion feierte, mit der ich meinem Elternhaus entflohen bin. Dass später sogar Freundinnen, die dem gleichen Schicksal entkommen sind, mich bedrängen würden, wieder eine Hidschab anzuziehen ... Es zeigt nur, wie tief solche die Wunden sind. Keine Nacht-und-Nebel-Flucht kann einem die Vergangenheit nehmen. Immer wieder weise ich mich zurecht, wenn ich mich wieder bei der Frage erwischte, ob das Essen auch halal ist. Ich will nicht, dass meine Tochter damit aufwächst.
    Vor ein paar Monaten, als es mit dem Strom und auch langsam mit den Nahrungsmitteln schwierig wurde, verloren die Leute endgültig den Verstand. Es kam zu Plünderungen und Straßenkämpfen. Die Bundesregierung hatte nichts mehr zu sagen, die der Länder auch nicht, einige Kreise schlugen sich ganz gut, für ein paar Wochen, bis auch hier die Ordnungskräfte zu einer der radikalen Gruppen überliefen.
    Unser Ziel ist Norwegen. Finnland. Ganz egal. Flächenländer, Wildnis, wir wollen mit niemandem ins Gehege kommen. So sind wir nun hier und essen unsere Hasen, von denen wir zwei mehr haben, als wir brauchen, denken uns am Feuer Geschichten aus, meine Kleine malt mir das Gesicht mit einem Glitzergel an, und dann legen wir uns im Auto statt im Zelt schlafen, weil wir für das Essen so lange gebraucht haben.
    Doch zurück in der Nahrungskette oder nicht: Der Mensch bleibt des Menschen Wolf. In dieser Nacht werden wir gefunden – das Feuer hat eine örtliche Räubergruppe angelockt – im Schlaf erschossen und in den Bach geworfen.

    Häupter auf meine Asche!

    Einmal editiert, zuletzt von kalkwiese (26. Mai 2021 um 10:49)

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    Kurzgeschichten-Challenge 4 - Selbstung (eine Freundin)

    Eigentlich hatten ja Skadi und Etiam noch zwei Worte beigesteuert, aber ich hatte so sehr an der Selbstung zu knabbern, dass ich die beiden eiskalt vergessen habe. :pardon: Bei der nächsten habe sie dann aber verwendet. Diese hier war auch ein bisschen ein Experiment. Ich wollte einerseits jemanden mit Du anspreche und andererseits mal so eine kollektives Wir ausprobieren. Und dann habe ich mal mit indirekter Rede gespielt und für meine Langzeitgeschichte auch ein kleines bisschen Worldbuilding gemacht ... und eigentlich bin damit ganz zufrieden. ^^

    Die erste Dryade

    ... und das letzte Mal, als Du zu uns kamst, erwarteten dich alle. Mit scharfen Äxten und noch nicht entbrannten Fackeln war die Garde bereit, und wir von der Kaiserlichen Pflanzenzucht hatten nie gewollt, dass es dazu kam.

    Du besuchtest uns das erste Mal, als wir die ersten Versuche an den Hybriden durchführten. Seit antiken Zeiten hatte niemand mehr Dryaden gesehen und als Du durch das Tor tratst und mit deinen hölzernen Armen die Flügel das Knirschen und Splittern lehrtest, erregte das großen Aufruhr. Der Wald, der vor über einhunderfünfzig Jahren einmal das Gelände der Kaiserlichen Pflanzenzucht überzogen hatte, war längst unser Versuchsacker. Du warst erwacht, noch immer rieselte Erde von deiner Haut, und fordertest eine Erklärung. Dein Volk hatte einen Vertrag mit den örtlichen Stämmen geschlossen. Die nördlichen Wälder gehörten geschützt, wir hätten kein Recht, dem Wald dies anzutun.
    Die Stämme existierten nicht mehr, erklärten wir, seit mehr als tausend Jahren nicht, und auch Dryaden würden nicht mehr existieren, hätten nie existiert, es sei folkloristischer Aberglaube.
    Dennoch stündest Du vor uns, antwortest Du, und der Wald gehöre rechtmäßig deinem Volk. Wir sollten unseren Artgenossen sagen, dass sie sich zurückziehen sollten.
    Wir hätten darüber keine Entscheidungsgewalt, sagten wir, aber wir könnten unseren Fürsten in Kenntnis setzen, dass jemand vom antiken Volk der Dryaden ihn zu sprechen wünsche.
    Wir konnten deine steife Mimik nicht deuten. Du kämst ins zwei Tagen wieder, sagtest du, und erwartest unser Rückzugsangebot. Der Heilige Wald sei nicht verhandelbar.
    Bis heute sind wir nicht sicher, was Dich damals aufgeweckt hat.

    Das zweite Mal, besagte zwei Tage später, hatten wir das Tor offengelassen. Der kaiserliche Beamte war vorher belustigt zu uns gekommen.
    Er könne es kaum erwarten, unserer Dryade die Hand zu schütteln.
    Wir nickten seinen Spott ab, denn dass niemand ihm eine Uhrzeit für diesen Termin nennen konnte, musste ihn schwer beleidigt haben.
    Er habe Wichtigeres zu tun, als den ganzen Tag neben unserem Gewächshaus zu sitzen und Däumchen zu drehen. Und doch drehte und drehte er, wenn nicht die Daumen, dann seinen dunklen Zylinder, und wenn er nicht drehte, dann machte er sich Luft – entlud seinen Ärger durch spöttische Kommentare.
    Wir hatten die einzelnen Pflanzen zur Selbstung mit Stofftüchern isoliert, damit sie nur sich selbst bestäuben konnten; die Versuchsaufbauten waren noch sehr experimentell und würden später verbessert werden.
    Das Gewächshaus gliche einem Lazarett, lächelte der Beamte, seine Pfeife paffend. Und so leidlich wie die Pflänzchen aussähen, sei das auch ganz recht so. Wären diese Pflanzen Lebewesen, er würde uns sofort unserer gerechten Strafe zuführen, denn so wie diese Pflanzen sollte es keinem Tier gehen dürfen.
    Während er so schimpfte, hatte er Dich gar nicht bemerkt, wie du dich bemerkenswert leise durch den Eingang geschoben hattest – dieses Mal ohne den Toren Schaden zuzufügen. Wir deuteten eine Verbeugung an, zum Gruß, woraufhin der Beamte sich umwandte, weil er wohl einen Adligen erwartete. Aber nicht Dich, Dryade, Wächterin des Waldes. Beim Anblick Deiner groben Borkenhaut fiel ihm die Pfeife aus dem Gesicht, in den Schoß, auf den Boden, und was unterwegs an Glut herausfiel, brannte sich durch den Hosenstoff.
    Er sei also unser Fürst, stelltest Du fest. Du fordertest hiermit den sofortigen Rückzug.
    Wir erklärten, dass das nicht der Kaiser sei, sondern einer seiner Beamten, als Stellvertreter.
    Da der Beamte nicht reagierte, völlig versteinert schien, packtest Du ihn an seinem Frack, das ein paar Mal unter großzügigen Reißgeräuschen aufseufzte, und fordertest eine Antwort.
    Der Beamte zitterte, stammelte etwas von Majestätsbeleidigung, brachte aber keinen Satz zustande.
    Dann setztest du ihn ab und erklärtest, dass du in fünf Tagen wiederkämst, um unsere Einrichtung niederzureißen. Bis dahin hätten wir Zeit, das Gelände zu räumen. Noch eine Weile nachdem Du gegangen warst, starrte der Beamte düster Löcher in die Gewächshausfenster.

    Das letzte Mal erwarteten alle dich. Wir, die Garde und auch der Beamte, der gekommen war, Rache zu üben. Die Gardisten versteckten sich hinter unseren Vorhängen; die Pflanzen mussten wir auf ihren Befehl hin verlegen. Als Du mit leisen Baumstammschritten das Gelände betratst, waren sie so erstaunt wie der Beamte fünf Tage zuvor. Als Du in das offene Gewächshaus stiegst, rief er zum Angriff. Niemand rührte sich. Der Anblick einer gerade erst bewahrheiteten Legende hat diese Wirkung. Du begannst, Glasscheiben einzudrücken; sie leisteten kaum Widerstand und brachen, splitterten, klirrten.
    Zornesrot, da niemand sich rührte, auch Du nicht im Geringsten beeindruckt schienst, hielt der Beamte seine Fackel über eine Kerze. Er habe gesagt, dass Du echt seist. Im Namen des Kaisers sei dein Ende gekommen! Er sprang hinter seinem Vorhang vor, steckte ihn versehentlich in Brand, stolperte, fiel gegen Dich und die Gardisten stoben erschrocken auseinander, als auch die anderen Vorhänge Feuer fingen.
    An dieser Stelle verschwimmen für uns die Ereignisse. Manche Gardisten hatten wohl die Disziplin, die der Masse von ihnen offensichtlich fehlte. Vielleicht wurden einige Fackeln auch versehentlich am brennenden Stoff entzündet. Eines ist sicher, ganz allein konnte es der Beamte nicht geschafft haben, auch nicht in dem er so mit der Fackel auf dich einschlug. Er konnte keinen Widerstand gegen jemanden wie dich leisten. Wir können nicht sagen, ob er sich das Genick brach, als Du ihn davonstießt oder ob der Qualm ihn vergiftete oder ob er schließlich an den Flammen starb.
    Was wir sicher bestätigen können, ist das Bild, das wir damals sehen konnten: Mit den tiefen Klagelauten, die nur von dicken Stämmen verursacht werden können, rennst du, lichterloh brennend, in deinen Wald zurück und begreifst gar nicht, dass du ihn in deinem vertodesängstigten Taumel ansteckst.
    Deine Welt brannte. Und vielleicht hörten deine Artgenossen – wo immer sie auch sein mögen – dich klagen, während diese Welt zwischen seinen Fingern zu Asche zerfiel. Aber dank Dir glauben wir, von der kaiserlichen Pflanzenzucht, bis heute wieder an die alten Mythen: Dryaden, Feen, Bachkälber; wir wissen nun, da wir ein Stück deiner verbrannten Borkenhaut hatten bergen können, dass die Geschichten der alten Stämme Wahrheit in sich tragen.
    Und wir erwarten euer aller Rückkehr.

    Häupter auf meine Asche!

  • Hasen und Glitzergel

    „Die Wolken sind wie benutzte Wattebausche“, sprach meine Tochter

    Hallo kalkwiese

    Zu deiner vorletzten Geschichte. Gut geschrieben und ein interessantes Setting. Ich hatte mich mittendrin gefragt, ob es wirklich hilfreich wäre im Falle des Falles nach Norwegen zu fliehen, diese Frage hast du dann am Schluss beantwortet.

    Wege Spoilergefahr kommt der Rest in einem solchen.

    Spoiler anzeigen

    Die Erzählweise ist für mich etwas distanziert (viel "Tell"), trotzdem kommt der Effekt des überraschenden Schlusses ordentlich rüber. Hier liegt allerdings mein Hauptkritikpunkt. Streng genommen kann der Protagonist die Geschichte nicht erzählen, da er ja tot ist. Ok, das ist künstlerische Freiheit … Für mich trotzdem unbefriedigend, da es ziemlich vom Himmel fällt und es vorher keine Andeutungen gibt, die der Leser aufnehmen könnte. Der Erzähler weiß ja sogar selbst, dass er tot ist, da du für die Geschichte die Vergangenheitsform gewählt hast.

    Ich frage mich, ob es nicht überzeugender wäre, wenn es in der Gegenwartsform geschrieben wäre.

  • Hey kalkwiese ,

    Spoiler anzeigen

    die letzte Geschichte habe ich in einem Rutsch durchgelesen und zwischendurch vergessen, dass ich einen Forumsbeitrag lese - es war einfach so fesselnd. Das macht die Du-Anrede, glaube ich. Sie erweckt direkt Mitleid mit dem armen Dryadengeschöpf. Die pointinierte Slapstick-Darstellung des Beamten tut da auch ihr Übriges.

    Ich bin schwer beeindruckt. Das ist meiner Meinung nach eine der besten Kurzgeschichten, die ich von dir bisher gelesen habe. Ich hab auch nix zu meckern. Das Ende ist natürlich tragisch, so was gefällt mir aber immer - wird der Wald jetzt abbrennen? Hatte der Beamte dann im Endeffekt doch, was er wollte? Da kommt natürlich auch so eine moralische Haltung rüber, wie behandeln wir unsere Natur, wie gehen wir mit der Umwelt um. (Jeder dritte Baum hat keine intakte Krone mehr etc.) Großartig. Ich hoffe, du verzeihst mir die Kritiklosigkeit, ich wollte nur mal meinen Eindruck ganz taufrisch da lassen.

    LG^^

    Was ich schreibe: Eden

  • Danke Sensenbach und Stadtnymphe :) Immer wenn ich an diesen Geschichten arbeite, merke ich, wie gerne ich es tue. Vielleicht sollte ich in einer ähnlichen Weise, wie ich an diesen KGs gearbeitet habe, zukünftig an meiner Hauptgeschichte arbeiten. Das sollte sich da auch parallel zur Bachelorarbeit was tun. :hmm:

    Sensenbach

    Die Erzählweise ist für mich etwas distanziert (viel "Tell"), trotzdem kommt der Effekt des überraschenden Schlusses ordentlich rüber.

    Das war beim Schreiben auch irgendwie meine Frustration, um ehrlich zu sein. :hmm: Mir kam zwar nicht Tell in den Sinn, aber ich dachte mir, dass es irgendwie an Handlung mangelt. Im Prinzip ist die Geschichte ein Monolog und als ich nicht mehr weiter wusste, habe ich entschieden, das Ganze so fix wie möglich zu beenden. Ist ja, nach der Idee meiner KG-Herausforderung, nur eine Fingerübung. Am Ende fand ich das Ergebnis besser, als anfangs befürchtet. :hmm: Und die spezielle Herausforderung ist auch erfüllt worden: Lustig oder niedlich ist die Geschichte ganz sicher nicht. ^^

    Trotzdem bin ich froh, wenn diese "Fingerübungen" genauso ernsthaft betrachtet werden, wie alle anderen Kurzgeschichten. Davon lernt man. :) Also danke!

    Hier liegt allerdings mein Hauptkritikpunkt. Streng genommen kann der Protagonist die Geschichte nicht erzählen, da er ja tot ist. Ok, das ist künstlerische Freiheit … Für mich trotzdem unbefriedigend, da es ziemlich vom Himmel fällt und es vorher keine Andeutungen gibt, die der Leser aufnehmen könnte. Der Erzähler weiß ja sogar selbst, dass er tot ist, da du für die Geschichte die Vergangenheitsform gewählt hast.

    Ich frage mich, ob es nicht überzeugender wäre, wenn es in der Gegenwartsform geschrieben wäre.

    Hier habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht. D: Ja, klar, künstlerische Freiheit und so, ist mMn auch ein gültiges Argument, aber wenn es benutzt, muss man auch wirklich ehrlich mit sich sein. Und ehrlich von mir ist, dass ich, wenn ich jetzt künstlerischer Freiheit ankommen würde, ich damit nur einen Konstruktionsfehler rechtfertigen würde. Nein, ich habe das einfach nur bisher gar nicht bemerkt. :hmm:

    Wenn man es nicht ganz bewusst zu seinem Feature der Geschichte macht und das auch klar kommuniziert, ist ein Ich-Erzähler in einer Vergangenheitsform, der nach seinem Tod die Geschichte erzählt, einfach Betrug am Leser. Das ist wie der Alles-war-nur-ein-Traum-Twist, oder dass der Erzähler der Mörder ist. Theoretisch kann man alle diese Dinge auch gut umsetzen, aber da muss man mit vorsichtig sein.

    Ich habe neulich von diesem Buch gehört: "the posthumous memoirs of brás cubas" von Joaquim Maria Machado. Das ist genau das: Bras Cubas erzählt die Geschichte dem Leser, und zwar über das Grab hinaus. Das wird von Anfang an klar kommuniziert. :) So kann man das beispielsweise machen. Dass sowas geht erst am Ende zu etablieren ... das ist aber Betrug.

    Die Geschichte also ins Präsenz zu setzen, finde ich eine gute Idee. Das müsste das Problem beheben. :hmm: Das werde ich mal machen.

    Stadtnymphe

    die letzte Geschichte habe ich in einem Rutsch durchgelesen und zwischendurch vergessen, dass ich einen Forumsbeitrag lese - es war einfach so fesselnd. Das macht die Du-Anrede, glaube ich. Sie erweckt direkt Mitleid mit dem armen Dryadengeschöpf. Die pointinierte Slapstick-Darstellung des Beamten tut da auch ihr Übriges.

    Ich bin schwer beeindruckt. Das ist meiner Meinung nach eine der besten Kurzgeschichten, die ich von dir bisher gelesen habe. Ich hab auch nix zu meckern. Das Ende ist natürlich tragisch, so was gefällt mir aber immer - wird der Wald jetzt abbrennen? Hatte der Beamte dann im Endeffekt doch, was er wollte? Da kommt natürlich auch so eine moralische Haltung rüber, wie behandeln wir unsere Natur, wie gehen wir mit der Umwelt um. (Jeder dritte Baum hat keine intakte Krone mehr etc.) Großartig. Ich hoffe, du verzeihst mir die Kritiklosigkeit, ich wollte nur mal meinen Eindruck ganz taufrisch da lassen.

    Danke. :D Ich finde es interessant, dass dir die Geschichte anscheinend recht nahe ging. Die verschiedenen Elemente, die ich hier verwendet habe, scheinen da ganz gegenläufige Wirkungen zu haben. Die indirekte Rede macht die Geschichte noch mehr zu einer Nacherzählung. Es wird berichtet, wie Dinge passiert sind, laut dem Wir, aber es wird durch einen Filter gezeigt. Durch die Du-Anrede wird aber ausgedrückt, dass die Dryade dem Wir wichtig sein muss. :hmm:

    Nun hat die Dryade sich ja auch irgendwie wie die Axt im Wald verhalten und mit einem gewissen Anspruch ihr Recht durchdrücken wollen. Die Dryade wird aber auch in spezielles Licht gerückt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich da nicht irgendwie ihr Entitlement mit romantisiere. Hat man nach 1000 Jahren noch Anspruch auf ein Land? Das ist eine interessante Frage mit schwerwiegenden, politischen Implikationen. Ich weiß nicht, ob ich für mich da sinnvoll eine Antwort finden kann.

    Auf der anderen Seite hätte man ihr niemals den Wald überlassen. Da hätte schon eine Streitmacht von Dryaden ankommen müssen. Hatte der Beamte, was er wollte? Joa, also, er ist tot. :hmm: Aber die Dryade auch und er hat es verursacht. Irgendwie also schon, denke ich.

    Vielleicht hätte das Wir den Beamten besser dargestellt, wenn er nicht so patzig dahergekommen wäre. :D

    Am Ende ist der Punkt wohl der Samen, der beim Wir gesät wurde.

    Häupter auf meine Asche!

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    Kurzgeschichten-Challenge 5 - Handschrift ( Voluptuous Mayday ), Schnürsenkel ( Etiam ) und Raketenwerfer ( Aztiluth )

    Das ist jetzt wieder mehr eine Fingerübung als alles andere. :hmm: Ich bin mal der Idee einer körperlosen Entität gefolgt, bestimmt habe ich das unbewusst von David Mitchell geborgt. :) Aber er ist mit sowas ja auch nicht der Erste. :D Durch die Kürze kann ich die Adverbiendichte hier auch ganz gut vertreten, finde ich. So eine Kurzgeschichte hat in der Hinsicht mehr Gedichtcharakter als beispielsweise ein Roman oder eine Novelle.

    Das ist btw. die letzte Geschichte in der KG-Challengeserie. :)

    Es hat mir Spaß gemacht. Ich denke, ich werde zukünftig etwas ähnliches versuchen; mal sehen.

    Poltergeist

    Der Füller kratzte über das frische Papier, die Tinte floss, ließ sich von den Zellstoffporen aus dem verzierten Füller ziehen und sickerte im papierenen Boden ein, doch der Linkshänder wischte linksnachrechts den frischgeschriebenen Namen faserig in die Breite. Der General hatte mit der Hand nicht so sehr aufdrücken wollen, doch ich hatte andere Pläne und er konnte dagegen nichts tun. Da die Handschrift nicht mehr zu lesen war, musste das Formular neu gedruckt und ausgefüllt werden; ich nutzte die Gelegenheit, dem General die Schnürsenkel zusammenzuknoten – er hätte Ersatz im Armeebestand gefunden – und dem Waffenhändler die seinen, ledernen, durchzutrennen.
    Der Handel wurde handschlägig besiegelt, der General stolperte im Weggehen, sehr zur Belustigung der Anwesenden, von denen niemand zu lachen wagte. Die Raketenwerfer wurden bestellt, bezahlt und geliefert. Nichts, was in meiner Macht stand, konnte das verhindern. Einen Menschen mag so etwas ermüden. Ich jedoch werde meiner Tätigkeit nicht müde.

    Häupter auf meine Asche!

  • Eine sehr interessante, kleine Geschichte :hmm:

    Wirft einen gut rein, baut spannung auf und man hätte gerne mehr- aber das, was man ließt reicht auch völlig aus. So stell ich mir KGS vor :D

    Cool, wie du alles zusammengetragen hast. Nichts wirkt erzwungen.

    Ich verstehe nur den letzten Satz im ersten Absatz nicht?

    ich nutzte die Gelegenheit, dem General die Schnürsenkel zusammenzuknoten – er hätte Ersatz im Armeebestand gefunden – und dem Waffenhändler die seinen, ledernen, durchzutrennen.

    Aber abgesehen davon, hat es mir ziemlich gut gefallen :thumbsup:

    Genesis: Sie ist Azathoth, das amorphe Chaos in der zentralen Leere
    Josh: Meine Prophetin!

  • kalkwiese

    Wow, das war wirklich kurz! :)

    Also, zu meiner Interpretation: Ich verstehe es so, dass der Poltergeist zu anfangs versucht, den Genral davon abzuhalten, seine Unterschrift unter dieses Waffenabkommen zu setzen (wobei mir noch nicht ganz klar ist, ob es ihm wirklich ein Anliegen ist, oder ob es ihm nur um den Spaßfaktor geht :D ) Immerhin lässt sich der Handel ja nicht verhindern und der Vetrag wird letztlich trotzdem geschlossen und die Raketenwerfer ausgeliefert. Als ihm das eine nicht gelingt, begnügt er sich damit, sich mit den Schnürriemen einen Schabernack zu treiben... und na ja,...das scheint so seine Hauptbeschäftigung zu sein, die ihm sein Dasein versüßt :rofl:

    Ich hoffe, du hattest nichts Tiefgründigeres im Sinn, das ich jetzt nicht gecheckt habe. :lol:

  • Es gibt noch einen Waffebhändler, der ihm ja den Raketenwerfer verkauft und dem trennt er sie durch.

    Kurz und knackig, erfrischend und dich auf den Punkt gebracht.

    Eine nette Geschichte und der Poltergeist scheint es faustdick hinter den Ohren zu haben. Ist ja auch nicht Casper.

    Also top.

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    Diese Geschichte ist als Hausaufgabe in Sensenbachs Kurzgeschichtenkurs entstanden. Eeeigentlich sollte es nur der Anfang einer Kurzgeschichte sein. Naja, aber versehentlich wurde es eine vollständige. :pardon:

    Unverhofft.

    Scheiß die Wand an, es hat mich gebissen!

    Winzige Zähne graben sich in Urs' Lederhandschuh. Frisch geschlüpft, aber die Kiefer können schon zupacken. Besser er erledigt das kleine Mistvieh, bevor es begreift, in wessen Blut er gerade kniet. Urs hebt die Hand, in die der Drache noch immer beißt, zieht sein Jagdmesser und hält es dem Drachenbaby an den Hals. Es hält ganz still, blickt Urs direkt in die Augen und wackelt mit den Flügeln.

    Wenn es wollte, könnte es mir vielleicht die Hand abbeißen.

    Aber warum tut es das nicht? Winzige Nüstern schnauben; frische, weiche Schuppen glänzen im Fackelschein; und die Iris' der Drachenaugen funkeln, funkeln, funkeln ...

    ... und eine Stimme, die keine Stimme ist, sondern eine Empfindung, meldet sich zu Wort: Mama!

    Häupter auf meine Asche!

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    Huhu, Leute!

    Ich sitze jetzt seit einer Weile an dieser Geschichte, die nur mal kurz schreiben wollte, bevor ich mich endlich wieder an mein Hauptprojekt mache. Naja, hat wegen des Studiums etwas gedauert, weil ich für die Geschichte recherchieren musste und das dann doch etwas länger wurde.

    Ich wollte also ein paar Dinge hier ausprobieren.

    1) Wollte ich mich ein bisschen an etwas versuchen, was vielleicht an Jules Vernes Außergewöhnliche Reisen erinnert. Speziell habe ich bisher nur Vernes "Reise zum Mittelpunkt der Erde" gelesen und ich habe mich nicht streng an dieses Konzept der wissenschaftlichen Reise gehalten, aber ich hatte es schon im Hinterkopf.

    2) Wollte ich eine Erzähltechnik, die ich mir bei Günter Grass abgeschaut habe (Die Blechtrommel, das Kapitel "Glaube Hoffnung Liebe") erproben, bei der Absätze im Fließtext immer wieder mit "Es war einmal ..." begonnen werden und die viele Informationen mit kleinen Twists wiederholen. Das hatte bei ihm immer eine erstaunliche Wirkung auf mich. Außerdem wollte ich mal wieder den allwissenden Erzähler auspacken, denn der macht mir einfach Spaß.

    3) Wollte ich eine Geschichte schreiben, die rechtfertigt, dass ich in "Die Friedhofsnacht und danach geschah" das Palladium drin vorkommen lasse. :D Das war die Motivation für den groben Inhalt.

    Dann gibt es da noch einige andere kleine Punkte, die hoffentlich die Länge der Geschichte rechtfertigen.

    Wer hier schon andere Geschichten gelesen hat, wird es vielleicht verstanden haben: Ja, das hier ist die dritte Geschichte vom klitzekleinen Kätzchen. :) Vielleicht rechtfertigt das ja mittlerweile einen eigenen Thread?

    Bin mal gespannt, was ihr zu dieser hier sagt. Es werden definitiv mehrere Post werden, aber keine Sorge, es bleibt eine Kurzform, vergleichbar mit einem Buchkapitel von 20 bis 25 Seiten.

    Dafür habe ich die vorherige Geschichte um einen Absatz erweitert:

    Spoiler anzeigen

    ***

    Ein geneigter Leser mag sich nun zu Recht fragen: „Was soll das? Was erzählt der mir da von Palladium? Das hat mit der Geschichte doch nichts zu tun!“ Mag sein. Es stimmt ja, dass weder das klitzekleine Kätzchen noch die greise Katzendame etwas von Pallas Athene, dem Asteroiden und dem Edelmetall wissen. Bis eines Abends eine geniale Erfinderin, ein winziges Kätzchen und eine riesige Flugechse gemeinsam Fondue aus Käse vom Mond speisten und sie kurz darauf ...

    Aber blättert um.

    Seht selbst.

    Link zur vorigen Geschichte vom klitzekleinen Kätzchen.


    Das Palladium (Abschnitt 1 von 4)

    (Die Abenteuer des klitzekleinen Kätzchens #3)

    Es waren einmal eine geniale Wissenschaftlerin, eine feuerspeiende Flugechse und ein klitzekleines Kätzchen, die saßen um einen Esstisch auf einer Gartenterrasse und speisten ganz wunderbares Fondue aus Käse vom Mond nach weltberühmtem Rezept.
    Das Kätzchen krallte mit der Pfote ein Stückchen Taubenfleisch und stippte es in die heiße Tunke in dem Schüsselchen vor sich. Dalia Dunkeldussel tauchte gerade einen Champignon in den Fonduetopf, als der Dieseldraco seinen Käsekessel neben dem Tisch abstellte, etwas tat, was das Kätzchen für den Versuch hielt, ein mächtiges Rülpsen zu unterdrücken, und sagte: „Dolles Fondue, Frau Doktor. Kräftig, cremig, das Mondlicht kommt noch zart um Abgang durch.“
    Sie nickte dankbar, aber tief in Gedanken tauchend, während sie von ihrem dampfenden Champignon aß. Der Dieseldraco ließ eine Rauchwolke in Form eines Fragezeichens aufsteigen.
    „Frau Doktor denkt wieder nach“, erklärte das klitzekleine Kätzchen. „Und so wie ihr die Gabel im Gesicht hängt, scheint es doll anstrengend zu sein.“
    Doktor Dunkeldussels Blick blieb glasig, aber sie schüttelte den Kopf und murmelte: „Nein, nicht anstrengend, nicht direkt.“ Kätzchen und Draco wunderten sich, weitere Ausführungen erwartend leckte sich die Katz Käsereste vom Pfotenfell. „Während wir in den Brüchigen Bergen waren, hat die ganze Zeit ein Wind geblasen, Sonne geschienen ... Meine Windräder und Solarzellen haben so viel Strom umgewandelt – niemand im Haus hat ihn gebraucht. Es war ja keiner da. Und wenn wir unseren eigenen Raketentreibstoff machen konnten ... noch immer können ...“ (Bei diesen Worten rutschte dem Dieseldraco doch ein gewaltiger Rülpser heraus. Er rollte mit den Augen und machte irgendetwas mit den Nüstern, was das Kätzchen nicht deuten konnte, weil es wenig von Verlegenheit und noch weniger davon verstand, wie sie sich bei Reptilien äußern kann. Und selbst wenn es gekonnt hätte, es hätte wahrscheinlich nicht gewusst, ob diese Verlegenheit vom Rülpser kam, oder davon, dass Doktor Dunkeldussel den Treibstoff erwähnte.) „Wer weiß“, überlegte Dalia laut murmelnd, „vielleicht könnte ich ... könnten wir ...“
    Sofort hob das klitzekleine Kätzchen das klitzekleine Köpfchen – „Ich hol das Lexikon!“ – und flitzte davon, durch die Hintertür in Dalias Haus. Sie seufzte: „Ich gehe mal hinterher.“
    Es war einmal ein klitzekleines Kätzchen, das wusste um die Unpässlichkeit seiner Freundin, bei der sie immer, wenn sie über ein technisches Problem grübelte, kaum noch einschlafen konnte. Besonders schlimm war es, wenn sie sogar wusste, was zu tun war, es aber nicht ausführen konnte, weil eine Zutat oder eine Baukomponente fehlte, wie damals mit dem Raketentreibstoff. Also tippelte das Kätzchen zielstrebig durch die Bibliothek, die sich über das ganze Haus erstreckte, um Ecke nach Ecke, erkletterte Treppenstufe um Treppenstufe, hin zum Buchstaben L. Als seine Freundin Doktor Dalia Dunkeldussel schließlich zum Dieseldraco zurückkehrte, der draußen am Tisch wartete, trug sie das Legendenlehrende Lexikon vor sich her. Darauf saß ein klitzekleines, fröhlich schnurrendes Kätzchen. Es vibrierte vor Sinn für Abenteuer.
    Es war einmal ein Dieseldraco, der wäre mal fast von einer Wissenschaftlerin und einem klitzekleinen Kätzchen bestohlen worden und wurde misstrauisch, als die beiden neue Pläne zu schmieden begannen. „Das wird doch nicht wieder ein Diebstahl?“, fragte er, und Frau Doktor beruhigte ihn. Das große Palladiumvorkommen in der Sonnigen Savanne im Süden sei frei zugänglich und gehöre niemandem. Da schnaubte der Draco zufrieden und bot seine Hilfe an.
    Es war einmal eine Wissenschaftlerin, die sagte einem Freund mit moralischen Bedenken nicht die ganze Wahrheit und erklärte ihm, wie er bei der Palladiumgewinnung helfen könne. Im Keller sei eine Erzwiege, in Einzelteile zerlegt; mit der müssten sie nur ein paar Tage nach Süden fliegen, zur einzigen Palladiumlagerstätte der Welt, und das Metall aus den geologischen Seifen herauswaschen. „Es könnte ein längerer Ausflug werden“, gestand sie und fügte hinzu: „Ich kann Vorräte für die Mieze und für mich mitnehmen. Du wirst alleine auskommen müssen.“ Dem Dieseldraco war das recht, etwas frische Luft nach all den Nachtschichten in der Schatzhöhle würde sicher guttun. Dalia packte ihren Rucksack mit Wechselkleidung, einem Sextanten, einem Büchlein mit zugehörigen Tabellen, einer Uhr, Karte und Kompass, Verbandszeug, einer Dose klitzekleines-Kätzchen-Futter, drei Wasserflaschen (jeweils 0,5 L) und fertig geschmierten Broten. In der Reisetasche verstaute sie weiteres Essen; Dosen für das Kätzchen; Couscous, weil er so leicht ist und nur ein wenig heißes Wasser braucht; Gaskocher und Gaskartuschen; einen kleinen Werkzeugkasten; natürlich Zelt und Schlafsack; und allerlei andere Ausrüstung, die ihr vielleicht nützlich und dabei nicht zu schwer erschien. Am nächten Morgen flogen sie auf des Dieseldracos Rücken bereits gen Süden.
    Es war einmal eine Gruppe Abenteurer, die bestand aus:
    1. Einer Wissenschaftlerin – eingepackt in eine dicke Winterjacke,
    2. einem klitzekleinen Kätzchen – eingepackt in dicker, gestrickter Wollkleidung in klitzekleiner Kätzchengröße und einem Tragetuch für Babys, auf die Brust der Wissenschaftlerin geschnallt, und
    3. einem Dieseldraco – eingepackt in ein ihm nachwachsendes Schuppenkleid –, der die beiden anderen auf seinem Rücken trug.
    Dafür hatte Doktor Dalia Dunkeldussel eigens einen geräumigen Sattel voller Schnallen, Ösen, Karabiner und Taschen entworfen und geschneidert. Nun war sein Jungfernflug.
    Die Reise dauerte etwa eine Woche. Je südlicher die Gemeinschaft des Palladiums zog, desto wärmer wurde es. Ganz Katze leckte das klitzekleine Kätzchen in den Nachtlagern sein Fell, um sich abzukühlen. Ganz Mensch entschied sich Dalia Dunkeldussel, massiv zu schwitzen. Der wechselwarme Dieseldraco wirkte dagegen immer vergnügter, je wärmer es wurde, und merkwürdig aufgekratzt. Plötzlich interessierte er sich für die technischen Details von Dalias Hydrolyseanlage, der Wasserstoffspeicherung und der Brennstoffzelle. Wie sie überschüssige Elektrizität benutzen wollte, um Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zu spalten, zu speichern, und, wenn mal kein Wind wehte oder die Sonne nicht schien, wieder zu Wasser reagieren zu lassen und die Reaktionsenergie wieder in Elektrizität umzuwandeln.
    „Sowas kannst du wirklich bauen?“
    „Gute Frage. Das müssen wir wohl sehen, wenn es so weit ist. Komponenten zu beschaffen, ist eine Sache, aber so ein Gerät zu bauen ... Naja, aber jetzt erstmal das Palladium.“
    „Dann könnte ich beim Einschmelzen helfen.“
    „Werden deine Flammen denn über 1550 Grad Celsius heiß?“
    Da stutzte der Draco: „Als ob ich sowas messe! Misst du etwa auch die Temperatur in deinem Rachen oder den pH-Wert deiner Pipi?“
    „Natürlich. Sogar regelmäßig.“
    In den nächsten Stunden fragte der Dieseldraco sie gar nichts mehr.
    Es war einmal ein klitzekleines Kätzchen, das stellte fest, dass seine Freundin immer nachdenklicher wurde, je näher sie ihrem Ziel kam. In den kurzen Phasen, in denen der Dieseldraco fort war, um sein Geschäft zu verrichten, traute es sich nicht, sie danach zu fragen. Wenn der Draco jagte, ärgerte es sich zu sehr, nicht gefragt zu haben. Und je länger die Reise dauerte, je nachdenklicher Frau Doktor wurde, desto mehr fühlte es, als sei es zum Fragen zu spät, den richtigen Moment habe es verpasst. Schließlich erreichten sie die Sonnige Savanne und sie waren nicht mehr zu ignorieren: die Krater im Boden unter ihnen mehrten sich und wuchsen im Durchmesser.
    „Wo die wohl herkommen?“, fragte das klitzekleine Kätzchen. Frau Doktor schwieg. Der Dieseldraco ebenso.
    Sie landeten neben einem kleinen Akazienhain und schlugen ihr Nachtlager auf. Sehr bald würde die Sonne im Horizont versinken. Bevor es kalt wurde, standen die Zelte und brannte das Feuer. Früh legten sie sich schlafen.
    Es war einmal ein klitzekleines Kätzchen, das wollte seinen Freunden beim Palladiumschürfen helfen. Es bezog mit ihnen ein neues Lager an einem Fluss neben einer Geröllgrube. Aus den Brettern, Stangen und Metallplatten im Gepäck des Dieseldracos baute Dalia eine Erzwiege, die sie liebevoll ihre „Schüttelbox“ nannte und mit der man die Palladiumnuggets aus dem Kies, den Dreckklumpen und den Steinchen waschen konnte. Damit das Kätzchen im Fluss nicht versehentlich unterging, zog Dalia ihm vier kleine Schwimmflügelchen an. Der Draco schaufelte mit seinen Pranken Kies in die Schüttelbox, dann gab Dalia ihm einen Eimer und er schüttete nach und nach Wasser darauf, während sie die Box schüttelte. Neugierig kletterte das Kätzchen auf Dalias Rucksack, den sie neben die Box gestellt hatte, und reckte das Köpfchen über die Wandung. Das Wasser spülte durch den Kies und schwemmte den Sand und die Steinchen wieder weg – wie sollte das denn etwas bringen?
    „Palladium hat eine viel höhere Dichte als die Steine“, erklärte Doktor Dunkeldussel. „Sie sinken auf den Boden, wo ein geripptes Blech liegt. Es ist ein bisschen wie ein Waschbrett – Kannst du dir das vorstellen? Gut. – nur größer. Die Palladiumklumpen sinken also in die Rippen und wenn man aufmerksam rüttelt, wird alles andere ausgewaschen. Zugegeben, etwas altmodisch, aber für unsere Zwecke ausreichend.“
    „Das sieht aber anstrengend aus!“, piepste das Kätzchen.
    „Tja, das ist es auch. Und es könnte Stunden, vielleicht Tage dauern, bis wir genug gesammelt haben.“
    „Kann ich auch was machen?“
    „Mmmh ...“
    Da Dalia keine Idee hatte, schlich das klitzekleine Kätzchen betrübt davon und planschte eine Weile unmotiviert in einer Pfütze, die sich in einem Fußabdruck des Dieseldracos gebildet hatte. Immerhin schien Frau Doktor gerade bessere Laune zu haben – glaubte es zumindest, es wusste nichts von den Gedanken, die Dalia gerade plagten. Schließlich schlich es davon, um sich die Langeweile und vielleicht auch den Frust zu vertreiben.

    Nächster Post.

    Häupter auf meine Asche!

    3 Mal editiert, zuletzt von kalkwiese (8. Juli 2022 um 16:27)

  • kalkwiese Du weißt ja, dass ich diese Geschichten von Dalia und dem Kätzchen liebe und auch diese ist wieder sehr gelungen. Was mir hier besonders gefällt, ist die Diskrepanz zwischen dem ulkigen, fast schon „blödeligem“ Inhalt und dem Schreibstil, der dann doch sehr ausgefeilt und anspruchsvoll ist. Daher las sich diese Geschichte zwar nicht ganz so leicht, aber der Stil ist dennoch von sehr hoher Qualität.

    „Frau Doktor denkt wieder nach“, erklärte das klitzekleine Kätzchen. „Und so wie ihr die Gabel im Gesicht hängt, scheint es doll anstrengend zu sein.“

    Ich bin vor Lachen fast vom Stuhl gefallen, da ich ebenfalls gegessen habe, während ich deine Geschichte gelesen hab und weil ich nicht multi-tasking-fähig bin, dabei selbst bloß auf der Gabel rumgekaut habe. :rofl:

  • Spoiler anzeigen

    Du weißt ja, dass ich diese Geschichten von Dalia und dem Kätzchen liebe und auch diese ist wieder sehr gelungen. Was mir hier besonders gefällt, ist die Diskrepanz zwischen dem ulkigen, fast schon „blödeligem“ Inhalt und dem Schreibstil, der dann doch sehr ausgefeilt und anspruchsvoll ist. Daher las sich diese Geschichte zwar nicht ganz so leicht, aber der Stil ist dennoch von sehr hoher Qualität.

    Danke. :) Tatsächlich habe ich mich zwischendurch mal gefragt, ob hier nicht wieder mehr Alliterationen und Reime nötig wären, aber dann dämmerte mir, dass der Text dann doch etwas überladen wäre. :hmm:

    Wenn du einen Abschnitt schwierig zu lesen fandest, dann sag es aber auch gerne, denn das wäre für mich natürlich auch interessant. :)

    Voriger Post.

    Das Palladium (Abschnitt 2 von 4)

    (Die Abenteuer des klitzekleinen Kätzchens #3)

    Es war einmal eine Wissenschaftlerin, die wusste nicht, doch ahnte, dass sie in ihrer Schüttelbox kein freies Palladium sammelte, sondern dass das Land, in dem die Nuggets lagerten, mittlerweile nach dem Gesetz jemandem gehörte. Sie schüttelte und schüttelte und schüttelte. Die ersten, silbrig glänzenden Klumpen ließen sich auf dem Grund der Box bereits erahnen, aber noch blieb es ein flüchtiger Hauch. Was hatte sie nicht alles für Pläne, wenn sie es zuhause ersteinmal gereinigt hatte! Eine Hydrolyseanlage, Wasserstofftanks, Brennstoffzellen ... Zündkerzen für ihre Rakete oder ihr Flugzeug, der ein oder andere Katalysator ... Ihre Finger juckten. – Als der Dieseldraco wieder Wasser in die Box goss, trafen sich die Blicke der beiden. Der des Dracos fragte: „Möchtest du uns nun erzählen, wo an dieser Sache der Haken ist?“, und das völlig eineindeutig, ohne ein einziges Wort.
    Es war einmal ein klitzekleines Kätzchen, das fand sich beim Palladisumseifenbergbau furchtbar nutzlos und rutschte nun einen breiten Krater hinunter. In den war es geraten, weil es aus Frust die Umgebung erkunden wollte und dabei, abgelenkt von den fremden Bäumen der Sonnigen Savanne, nicht darauf geachtet hatte, wo es hintrat. Nun strampelte es gegen den rutschigen Hang an, aber die Schwimmflügel, die es auszuziehen vergessen hatte, blockierten die Strampelei, als seien die Beinchen viel zu kurz. „Oh nein!“, quiekte es. Ob der hohen Töne flatterten einige bunte Vögel über es hinweg, manche mit krummem Schnabel. Kläglich musste es miauen. Eigentlich tat es das ungern hier in der Fremde, aber es fürchtete sich in diesem rutschigen Sandkrater, und: Wie sollten Frau Doktor und der Draco es sonst finden? Es miaute und miaute, und die Sonne brannte vom Himmel. Wann würde Dalia wohl eine Pause machen? Das Kätzchen sank zitternd auf allen vieren zusammen. Wie weit war es gelaufen? Es war eine ganze Weile unterwegs gewesen, aber für jemanden mit so langen Beinen wie Frau Doktor ... oder dem Draco ... oder generell allen, die größer als das klitzekleine Kätzchen waren, waren es vielleicht nur ein paar Gehminuten. Oder vielleicht auch nicht, das klitzelkleine Kätzchen verschätzte sich auch oft genug. – Was war das? Warum bebte die Erde?
    Es war einmal ein Dieseldraco, der flog mit seinen Freunden gen Süden, weil die Wissenschaftlerin unter ihnen Palladium vom einzigen Vorkommen des Planeten sammeln wollte. Weil der Dieseldraco die Wissenschaftlerin, die er noch nicht lange kannte, sympathisch fand, entschied er sich, ihr zu helfen – obwohl sie einmal versucht hatte, ihn im Schlaf zu bestehlen; obwohl er bereits von Anfang an das Gefühl nicht loswerden konnte, dass sie auch dieses Mal etwas Unredliches vorhatte. Im Verbrechen würde er sicher ihren wahren Charakter kennenlernen. Und ein bisschen war er auch geehrt, mitmachen zu dürfen.
    Dieser Dieseldraco war es, der das Fehlen des Kätchens zuerst bemerkte, aber nichts sagte, denn er dachte: Es weiß schon, was es tut. Dass er sich da irren könnte, begriff der Draco einige Wassereimer später, als das Kätzchen noch immer nicht zurückgekehrt war. Er wandte sich an Doktor Dunkeldussel und sie schaute von der Schüttelbox auf: „Wie lange ist es schon fort?“, fragte sie. Unglaublich, dachte der Dieseldraco.
    Es war einmal ein klitzekleines Kätzchen, das ging hoch hinaus, als ein Wirtschaftsriese es aus einem Krater – einem seiner Fußabdrücke – auf seine Handfläche klettern ließ und es sich auf die Schulter neben sein Ohr setzte, um es besser hören zu können. Das Kätzchen erklärte: „Ich bin mit meinen Freunden hier, um Palladium zu holen, das ist alles. Wirklich! Ich habe nichts Böses vor!“
    „Und genau da irrst du dich, du Wurm!“, schmetterte der Riese erbost. „Dieses Land gehört mir, und damit gehört auch das Palladium auf diesem Land mir. Du und deine Freunde, ihr habt unerlaubt mein Land betreten und wollt meine Schätze stehlen!“
    „Was? Aber wir wollten dich doch gar nicht beklauen ...“
    „Das wird den Richter wenig interessieren. Dieb bleibt Dieb.“
    „Aber, aber ... das muss ein Missverständnis sein ...“
    „Mein Palladium zu stehlen ist kein Missverständnis, es ist eine Straftat. Erwartest du etwa, dass ich mir das einfach bieten lasse?“
    Da wusste das klitzekleine Kätzchen keine Antwort und wies dem Riesen nur missmutig den Weg zu seinen Freunden.
    Es war einmal eine Wissenschaftlerin, die war mit ihren Freunden gen Süden gezogen, um Palladium zu sammeln, obwohl sie gewusst hatte, dass das Land von der örtlichen Regierung an einen Wirtschaftsriesen verkauft werden sollte. Da sie aber wusste, dass sie auf anderem Wege nicht an bezahlbares Palladium kommen würde – denn es gab nur ein einziges Vorkommen auf der Welt –, verschwieg sie ihren Freunden, dass sie vielleicht einen Diebstahl begehen würden. Überhaupt, wenn sie die beiden vor vollendete Tatsachen stellte ... dann würden sie es ja einfach akzeptieren müssen. – Als Dalia Dunkeldussel bereits seit einer Stunde mit dem Dieseldraco nach dem klitzekleinen Kätzchen die Savanna abgesucht hatte, konnte sie die Erschütterungen durch die Riesenschritte nicht mehr ignorieren. Hin- und hergerissen musste sie eine Entscheidung treffen. Da winkte sie den Dieseldraco heran und sprach widerwillig: „Ich fürchte, ich muss dir ein Geständnis machen ...“
    Es war einmal ein klitzekleines Kätzchen, das dachte über die Parallelen und Unterschiede zwischen diesem Abenteuer und dem vorigen nach, bei dem es den Dieseldraco kennengelernt hatte. Währenddessen suchte ein Riese nach seinen Freunden, um sie zu bestrafen. Aus irgendeinem Grund erschienen dem Kätzchen die Situationen gar nicht so gleich, wie es zuerst gedacht hatte. Aber der Riese war offensichtlich wütend und stellte Ansprüche – denen wagte es nicht zu widersprechen.
    Es war einmal ein Dieseldraco, der sagte zu seiner Wissenschaftlerfreundin: „ Das hättest du uns sofort sagen sollen, kapierst du das?“ Die schwieg nur – ob beschämt oder nicht, wusste er nicht zu sagen –, und er fügte hinzu: „Komm, wir fliegen zurück zur Schüttelbox.“
    „Aber“, Dalia war völlig perplex, „das Kätzchen!“
    „Suchen wir auch. Aber ich bin doch nicht eine Woche lang geflogen, um jetzt mit leeren Händen wieder abzuhauen!“
    Es war einmal ein klitzekleines Kätzchen, das führte einen wütenden Riesen zu seinen Freunden, weil sie ihn – unwissentlich? – bestohlen hatten. Mit seinen langen Beinen kam der gemächlich wirkende Riese erstaunlich schnell voran; dem Kätzchen war, als ob sie über die Sonnige Savanne flögen. So hoch oben konnte es sich nicht mehr orientieren – es kannte die Gegend doch kaum und nur von weit unten – und so beschrieb es dem Riesen so gut es konnte den Ort, an dem die Schüttelbox stand. Dem Riesen fiel es nicht leicht, den Beschreibungen zu folgen, sicher eine halbe Stunde lang stakste er ziellos umher und wurde immer übellauniger. Schließlich fanden sie das Lager doch, woraufhin der Riese ohne zu zögern die Schüttelbox zertrat.
    Es waren einmal eine Wissenschaftlerin und ein Dieseldraco, die waren auf der Flucht vor immer lauter werdenden Schritten eines Riesen, dem sie gerade Palladium gestohlen hatten und dessen Gemütslage sie nicht abschätzen konnten. Und auf dieser Flucht waren sie in eine kleine Senke gekrochen, tief in die Schatten hinein. Dort warteten sie, dass der Riese wieder verschwand.
    Den Gefallen wollte er ihnen nicht tun.
    „Der wartet, bis wir ins Lager zurückkommen, hundertpro“, prophezeite der Dieseldraco. Dalia nickte, durch ihr Fernglas bekam sie den gleichen Eindruck. Der Riese setzte sich auf den Boden, und im Profil erkannte sie, dass er die Lippen bewegte.
    „Ob er in ein Funkgerät spricht?“, fragte Dalia sich laut. Und: „Wie groß müsste das Funkgerät eines Riesen sein? Wie groß allein der Akku? ... Nein, er kann kein Funkgerät haben. Aber er spricht mit jemandem.“

    Nächster Abschnitt.

    Häupter auf meine Asche!

    2 Mal editiert, zuletzt von kalkwiese (31. Dezember 2021 um 15:00)

  • Yo, jetzt finde ich auch endlich eine ruhige Minute für dich:

    Spoiler anzeigen

    Part 1:

    Sie nickte dankbar, aber tief in Gedanken tauchend, während sie von ihrem dampfenden Champignon aß.

    Finde ich eigentlich ein schönes Wort, weil man ja auch "in Gedanken versunken" sagt. Einige Sätze vorher, beschriebst du aber, wie verschiedene Speisen in die Töpfte gestippt und getaucht wurden. Möglich, dass ich hier deswehen kurz stolperte

    drei Wasserflaschen (jeweils 0,5 L) und fertig geschmierten Broten.

    Hier würde ich ruhig "den halben Liter" ausschreiben ;)

    Je südlicher die Gemeinschaft des Palladiums zog, desto wärmer wurde es

    Referenz zur Gemeinschaft des Ringes? :thumbsup:

    Misst du etwa auch die Temperatur in deinem Rachen oder den pH-Wert deiner Pipi?“

    deines ... oder?

    Da stutzte der Draco: „Als ob ich sowas messe! Misst du etwa auch die Temperatur in deinem Rachen oder den pH-Wert deiner Pipi?“
    „Natürlich. Sogar regelmäßig.“
    In den nächsten Stunden fragte der Dieseldraco sie gar nichts mehr.

    Das ist so trocken, das ist witzig :thumbsup: :phatgrin:

    Damit das Kätzchen im Fluss nicht versehentlich unterging, zog Dalia ihm vier kleine Schwimmflügelchen an.

    Awwww :fox:

    Der Draco schaufelte mit seinen Pranken Kies in die Schüttelbox, dann gab Dalia ihm einen Eimer und er schüttete nach und nach Wasser darauf, während sie die Box schüttelte.

    Würde hier ein Synonym empfehlen. Es doppelt sich zwar nicht, aber fast.

    „Palladium hat eine viel höhere Dichte als die Steine“, erklärte Doktor Dunkeldussel. „Sie sinken auf den Boden, wo ein geripptes Blech liegt. Es ist ein bisschen wie ein Waschbrett – Kannst du dir das vorstellen? Gut. – nur größer. Die Palladiumklumpen sinken also in die Rippen und wenn man aufmerksam rüttelt, wird alles andere ausgewaschen. Zugegeben, etwas altmodisch, aber für unsere Zwecke ausreichend.“

    Hier könntest du noch den Vergleich zu den Goldschürfern bringen, den du mir ja auch im Call erläutert hast. Fände ich hier passend und gut.

    Part 2:

    obwohl sie einmal versucht hatte, ihn im Schlaf zu bestehlen; obwohl er bereits von Anfang an das Gefühl nicht loswerden konnte, dass sie auch dieses Mal etwas Unredliches vorhatte.

    Wiederholung

    Ich muss leider gestehen, dass Es-war-einmal-Experiment geht für mich persönlich nicht ganz auf. Es hat mich sehr neugierig gemacht, als du mir davon berichtet hast, jetzt beim Lesen finde ich es aber sehr sprunghaft. Man kommt in die Story und die Handlung gerade rein und dann kommt das nächste "Es war einmal". Ich fand es etwas schwieriger, dem Text dadurch zu folgen :|

    Was aber gut für mich funktioniert, ist dein Stil im Beschreiben :fox: Einzigartige und sehr abwechslungsreiche Formulierungen ^^ Das lese ich immer gerne bei dir. Ich freue mich auf die nächsten Parts ^^

  • Lieber kalkwiese

    Diese Geschichte entzieht sich dem Zugang durch meinen überragenden Intellekt.

    Es war einmal eine Wissenschaftlerin, die wusste nicht, doch ahnte, dass sie in ihrer Schüttelbox kein freies Palladium sammelte, sondern dass das Land, in dem die Nuggets lagerten, mittlerweile nach dem Gesetz jemandem gehörte.

    Das ist, nach allen durchgeführten Analysen, … einfach Unsinn.

  • Lieber kalkwiese

    Diese Geschichte entzieht sich dem Zugang durch meinen überragenden Intellekt.

    Es war einmal eine Wissenschaftlerin, die wusste nicht, doch ahnte, dass sie in ihrer Schüttelbox kein freies Palladium sammelte, sondern dass das Land, in dem die Nuggets lagerten, mittlerweile nach dem Gesetz jemandem gehörte.

    Das ist, nach allen durchgeführten Analysen, … einfach Unsinn.

    Hey Sensenbach, ich verstehe leider nicht, was du meinst. :huh: Kannst du es mir erklären?

    Häupter auf meine Asche!

  • Lieber kalkwiese

    Hey Sensenbach, ich verstehe leider nicht, was du meinst. :huh: Kannst du es mir erklären?

    Gerne :D

    1.

    Es war einmal eine Wissenschaftlerin, die wusste nicht, doch ahnte,

    „die wusste nicht“ könnte ja eigentlich weg. „Ahnte“ reicht ja. Du hast „die wusste nicht“ also für einen bestimmten Effekt eingefügt. Ist es in Nachahmung eines bestimmten Schreibstils? Oder soll dadurch ein extra an Unsicherheit der Wissenschaftlerin vermittelt werden.

    2.

    Es war einmal eine Wissenschaftlerin, die wusste nicht, doch ahnte, dass sie in ihrer Schüttelbox kein freies Palladium sammelte,

    Hier legst du nahe, dass mit „freies Palladium“ ein chemisches Element gemeint ist.

    sondern dass das Land, in dem die Nuggets lagerten, mittlerweile nach dem Gesetz jemandem gehörte.

    Hier spielst du mit der Idee, das „freies Palladium“ auch der Name eines Landes sein könnte.

    Dann wäre „das Land“ also Palladium. Danach spielst du auf „Nuggets“ an. Ist dies also jetzt Palladium? „Das Land“ und „die Nuggets“ können nicht beide freies Palladium sein. Hier dreht sich der Satz um sich selbst und erwürgt sich selbst.

    3.

    Sie schüttelte und schüttelte und schüttelte. Die ersten, silbrig glänzenden Klumpen ließen sich auf dem Grund der Box bereits erahnen, aber noch blieb es ein flüchtiger Hauch.

    a) Hier schreibst du „bereits“. Gibt es also einen Zusammenhang mit dem Schütteln?

    b) „Bereits“ suggeriert auch, dass es mehr Klumpen werden. Diesem Gedanken wird jedoch die Grundlage entzogen, indem dann nur noch „ein flüchtiger Hauch“ bleibt.

    Die grundsätzliche Frage ist für mich. Sind die Wortspielereien zum Selbstzweck da, weil sie ja für sich genommen ganz hübsch sind, oder verfolgt der Autor ein bestimmtes Ziel? Wohin möchte er den Leser führen? Das erschließt sich mir nicht.

  • Moin Sensenbach,

    danke, deine Erklärungen zeigen mir jetzt besser, wo das Problem zu liegen scheint. :hmm:

    Also, deine Auslegung dieser Sätze und meine Absichten gehen anscheinend teils massiv auseinander. Über die Gründe kann ich nur spekulieren.

    Das betrifft deine Interpretation von Punkt 2, also das hier:

    Diese Interpretation kann ich mir nur erklären, wenn nicht ganz klar wurde, dass diese Sätze aus dem zweiten Post einer Geschichte sind, die ich in mehreren posten muss, weil sie zu lang ist. Hast du den davor auch gelesen? In meinem Textdokument ist der Post, aus dem du da zitierst, nämlich mitten im Fließtext drin. Wenn das wirklich nicht als Fortsetzung erkennbar gewesen sein sollte, muss ich das besser kennzeichnen (wahrscheinlich dann als "Das Palladium (1 von x bzw. 2 von x, etc.).

    Wenn es aber doch erkennbar war und du diese Sätze trotzdem so verstehst ... dann muss ich da noch eine Weile drüber brüten. Wenn diese Sätze so daneben gehen, will ich das natürlich ernst nehmen.

    Jetzt aber dazu, was ich mit dem Satz eigentlich wollte. :)

    1.

    Es war einmal eine Wissenschaftlerin, die wusste nicht, doch ahnte,

    „die wusste nicht“ könnte ja eigentlich weg. „Ahnte“ reicht ja. Du hast „die wusste nicht“ also für einen bestimmten Effekt eingefügt. Ist es in Nachahmung eines bestimmten Schreibstils? Oder soll dadurch ein extra an Unsicherheit der Wissenschaftlerin vermittelt werden.

    Stimmt, ich habe "wusste nicht" und "ahnte" bewusst beide eingebaut. Im ersten Post der Geschichte macht sich die Truppe auf den Weg in die Sonnige Savanne, weil es dort die einzige Palladiumlagerstätte des Planeten gibt. Nach Doktor Dunkeldussels Kenntnisstand sollte das Land frei zugänglich sein und das teilt sie den anderen auch mit. Sie verschweigt aber, dass sie gehört hat, dass es auch Leute gibt, die das Land kaufen wollen. Ob das Land nun wirklich noch nicht in jemandes Privatbesitz ist, das weiß sie nicht. Sicher könnte ich "wusste nicht" weglassen, aber ich finde, dass das die Figur von Dalia Dunkeldussel gut darstellt, im Sinne von "Ich wusste es ja nicht, also habe ich auch nicht gelogen." In dem Absatz beschreibt der Erzähler ja ihre Perspektive. Ich fand, dass das aus dem Kontext klar wird, aber wenn das nicht beim Leser ankommt, muss ich nachbessern. :)

    Nachahmung eines Stils, joa, so ein bisschen orientiert man sich ja immer an seinen Helden, glaube ich. Ich schaue hier schon sehr auf das Kapitel "Glaube Hoffnung Liebe" aus Grass' Blechtrommel, wo mit jedem "Es war einmal" die Geschichte ein kleines Reset erfährt, die Perspektive zu einer anderen Figur wechselt und auch Informationen immer wieder wiederholt werden, aber eben mit einem kleinen Twist. Sowas wollte ich auch mal machen. Ansonsten hatte ich dieses Mal einfach keine Lust auf kurz, knapp und trocken, sondern wollte diesen längeren, etwas distanzierten Sätze schreiben. Ich glaube auch, dass das dieses märchenhafte irgendwie transportiert, falls das Sinn ergibt.

    Wie oben bereits gesagt, dass "freies Palladium" der Name eines Landes sein könnte, das er gibt für mich nur Sinn, wenn nicht klar wurde, dass man sich hier mitten im Fließtext befindet. Ohne Kontext sehe ich den Bezug, den du da meinst, aber mit Kontext würde ich eigentlich niemals auf die Idee kommen. Es geht nur das chemische Element, nichts anderes.

    3.

    Sie schüttelte und schüttelte und schüttelte. Die ersten, silbrig glänzenden Klumpen ließen sich auf dem Grund der Box bereits erahnen, aber noch blieb es ein flüchtiger Hauch.

    a) Hier schreibst du „bereits“. Gibt es also einen Zusammenhang mit dem Schütteln?

    b) „Bereits“ suggeriert auch, dass es mehr Klumpen werden. Diesem Gedanken wird jedoch die Grundlage entzogen, indem dann nur noch „ein flüchtiger Hauch“ bleibt.

    a) Die Gruppe hat eine Erzwiege mit in die Sonnige Savanne genommen. Man kennt das ja vielleicht aus Western oder so, wenn Menschen in einem Fluss stehen und mit Tellern Gold aus dem Kies waschen. Das konnte man früher auch an manchen Orten mit Palladium machen, bevor diese Vorkommen erschöpf waren. Heute gewinnt man das eher als Nebenprodukt beim Abbau von anderen Metallen. Man muss es aber nicht diesen Waschtellern machen, es geht auch im großen Stil.

    Hier der Wikipedia-Artikel, der enthält auch ein paar Bilder davon, wie so eine Rockerbox bzw. bei mir Erzwiege und später liebevoll "Schüttelbox" genannt, aussehen könnte. :) Den Waschvorgang habe ich auch im ersten Post beschrieben, die Parallele zum Gold könnte ich aber noch hinzufügen.

    b) Genau, es werden mehr. Jaa, das "blieb" könnte man vielleicht durch "war" ersetzen. Selbst finde ich das nicht so schlimm, aber wenn Leser das tatsächlich anmerken, dann mache ich mir natürlich einen Kopf. :hmm: Ich habe mir auch ein paar Videos zu dieser Art von Goldgewinnung angeschaut, und da hat man ganz schön gesehen, wie sich nach und nach immer mehr Gold zwischen den Steinen angesammelt hat. Anfangs, wenn man noch nicht viel gesammelt hat, ist das wirklich nicht mehr als ein Hauch. Die Beschreibung finde ich so eigentlich passend.

    Die grundsätzliche Frage ist für mich. Sind die Wortspielereien zum Selbstzweck da, weil sie ja für sich genommen ganz hübsch sind, oder verfolgt der Autor ein bestimmtes Ziel? Wohin möchte er den Leser führen? Das erschließt sich mir nicht.

    Also, wie gesagt, für mich gibt es hier überhaupt keine Wortspielereien. ^^ Ich wollte hier an keiner Stelle den Poeten raushängen lassen, sondern immer nur gerade raus sagen wollen, was los ist.

    Häupter auf meine Asche!