Ymir, Ark 1 "Die Lichter von Dunhaven"

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  • Hallo


    gerne doch, ich mag es, wenn man in einem Dialog auch das Denken der Charaktere mit einbezieht. Das ist mir persönlich viel angenehmer, wie das Auktoriale Erzählen! wie komme ich denn an den Anfang deiner Geschichte? Immerhin ist das hier Kapitel 15 und ich bin mit dem Suchen im Forum noch etwas auf dem Kriegsfuß!


    Grüße

  • Hey Etiam


    Die Geschichte rund um Wilma und ihre verschwundene Schwester gefällt mir sehr. Das lässt in jedem Fall viel Raum für Spekulationen, weckt Spannung und regt zum Nachdenken an.

    Da ist sie wieder diese unterschwellige Atmosphäre, dass da etwas Bedrohliches lauert, das man vielleicht noch nicht so ganz fassen, aber dafür umso deutlicher spüren kann. Sehr schön!


    Bin gespannt, wie es weitergeht :gamer:

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Asthurion



    Rainbow



    Ich mache dann mal direkt weiter.


    Kapitel 15:
    Ad Libitum


    Letzter Teil:

    Eine schwarz gebrannte Front zeugte von dem ehemaligen Gebäude, der hintere Teil war in sich zusammengestürzt.

    Elina machte einen Schritt auf das Gebilde zu, welches sie mit herausgefallener Tür und zerplatzten Fenstern wie ein gähnendes Gesicht anstarrte.

    Ihr Kopf war leer. Sie dachte nichts, stand nur mit offenem Mund da.

    Der beißende Brandgeruch stieg ihr in die Nase, wobei sie nicht wusste, ob dies nur eine Einbildung war.

    Ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter, während sie weiter auf das Haus zu ging. Als sie über die Türschwelle trat, schaute sie instinktiv, in die Richtung, wo sie Ulfs Leichnam entdeckt hatte.

    Natürlich wurde der tote Körper längst weggebracht.

    Man hatte die Opfer jener Nacht in Gravenknorri gelegt. Diese Bestattungsschiffe wurden am Hafen aufgestellt und unter den Klängen der singenden Lyttras in Brand gesetzt. Auch Ulfs Familie wurde dort beigesetzt.

    Es hatte Elina das Herz zerrissen, Niilo dabei zu sehen, wie er seine Eltern und Geschwister verabschiedete.

    Vorsichtig stieg Elina über den Schutt und drang weiter ins Innere. Von der Treppe, die nach oben führte, war nicht mehr viel übrig und so schaute sie hindurch auf die steinernen Stufen darunter.

    Hier hatte Metjan sie gerettet.

    Die Schlüssel! schoss es ihr durch den Kopf. Sie muss sie bei ihrem Sturz verloren haben. Mit bedachten Bewegungen tapste sie zwischen den Trümmern zielsicher zu der Stelle, wo der Abstieg in den Keller begann.

    Da!
    Auf der untersten Stufe sah sie das glänzende Messing. Eilig stieg sie hinab und nahm den Bund in die Hand.

    Ein Geräusch, als würde etwas über den Boden schaben, schreckte sie auf.

    Was war das?
    Sie hielt den Atem an, bewegte sich keinen Millimeter. Angestrengt horchte sie in die Finsternis, die den Keller beheimatete. Ihre Augen hatten sich noch nicht an die Dunkelheit hier unten gewöhnt und sie erkannte nur vage die Umrisse von Regalen und Kisten.

    Als sie denselben Klang noch einmal vernahm, eroberte ein inneres Zittern ihre Eingeweide. Ihre Sinne schrien sie an, von hier zu verschwinden. Wer weiß, was dort lauerte?

    Sie setzte einen Fuß, auf den Boden des Kellers.

    Was verbarg sich da unten? Sie näherte sich den Regalen und bemerkte, dass hinter ihnen, der Raum nach rechts weiterging.

    So leise wie möglich schlich sie zu der Ecke und drückte sich gegen die Mauer. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sollte sie einen Blick wagen? Was würde sie sehen? Sie rief sich den Ton in Erinnerung, der sie herunter gelockt hatte.

    Es klang, als würde jemand etwas Schweres verschieben. Oder konnte es auch der Schrei eines Monsters gewesen sein? Je länger sie darüber nachdachte, umso schrecklichere Formen nahm das Geräusch in ihren Ohren an. Hatte sich womöglich ein Draugr nach hier unten verirrt?

    Das verkohlte Geschöpf, welches sie mit Frod auf der Straße gesehen hatte, kam ihr wieder in den Sinn. Das unnatürliche Zucken, trockene Fauchen und diese toten, aber gierigen Augen.

    Elina war nicht feige, trotzdem kam Panik in ihr auf. So einem Vieh wollte sie nicht alleine hier unten begegnen. Sie stieß sich von der Mauer ab, um den Weg nach oben zu suchen, da hörte sie erneut das Geräusch.

    Das war kein Schrei. Als würde Holz über Stein schleifen, dachte sie und drehte sich um. Nach einigen Sekunden des Zusammenreißens wagte sie einen Blick.

    Licht!

    Hinter Fässern und sich auftürmenden Kisten war ein schwacher Schein zu erkennen.

    Vielleicht von einer Kerze?
    Sie musste näher heran und kam geduckt aus ihrer Deckung hervor. Schritt für Schritt näherte sie sich dem Licht und hoffte, zu sehen, wer dort sein Unwesen trieb. Sie visierte eine Kiste an, hinter der sie sich verstecken wollte, als sie über etwas stolperte, und der Länge nach hinfiel.

    Glasige Augen in einem bärtigen Gesicht, das anstelle einer Nase nur ein Loch aufwies, starrten sie an.

    Mit einem spitzen Schrei kroch sie von dem toten Draugr und presste sich an die Wand. Sie hatte den Leichnam in der Finsternis nicht gesehen und war über ihn gestürzt.

    Das Licht bewegte sich.

    Verdammt!
    Noch bevor sie wieder auf den Beinen war, stand jemand vor ihr.

    „Utjans Mädchen? Was macht Ihr hier?“ Im Schein der Kerze musterte sie Durin misstrauisch. „Und was habt Ihr da?“

    „Das?“ Elina klimperte mit dem Bund in ihrer Hand. „Das sind die Schlüssel zur Taverne.“ Die Lüge glich einem Reflex. Sie wusste nicht genau, warum sie es tat.

    Das war dumm, rügte sie sich. Er hat sie doch sicherlich auf der Treppe liegen sehen.

    Zu ihrer Verwunderung genügte dem Kommandanten diese Erklärung. „Verschwindet von hier“, sagte er trocken.

    Elina stand auf und klopfte sich den Dreck von den Klamotten. „Und warum seid Ihr hier unten?“, fragte sie, statt zu gehen.

    „Ich?“ Er schaute kurz auf den Boden und dann mit gehobenen Augenbrauen wieder zu ihr. „Ich hatte gehofft, Niilo etwas aufmuntern zu können. Ulf besaß einen alten Schild“, Durin machte eine Pause und Elina hatte das Gefühl den Anflug eines Lächelns gesehen zu haben. „Der Junge hatte ihn früher immer benutzt, um Rodeln zu gehen. Vielleicht habe ich Glück und werde fündig. Dann hat er wenigstens eine Erinnerung an damals.“

    Gerade einmal zwölf Winter alt und schon allein.
    Sogar der Hund der Jondr war den Flammen zum Opfer gefallen.

    Sie hatte davon gehört, dass Ulfs jüngster Sohn bei Durin untergekommen war. Einen so selbstlosen Akt hatte sie dem Kommandanten gar nicht zugetraut. „Ich helfe Euch.“

    „Nein!“

    Sie erschrak, so schnell kam die Ablehnung.

    „Ich würde mich gerne allein mit den Dingen beschäftigen, die ich hier unten finde“, schob er hinterher. Er hielt einen Moment inne und schaute zu der Stelle, wo er vor Elinas Sturz noch am Kramen war. „Ulf und ich kannten uns schon von klein auf. Zwischen all dem Plunder, den er hier gelagert hat, entdecke ich noch so manches Stück gemeinsame Vergangenheit.“

    „Ich verstehe schon“, sagte Elina.

    Ulf war der Einzige, den sie kannte, neben Birk, der Durin wirklich leiden konnte. Dem Kommandanten war mit Sicherheit egal, was andere von ihm dachten, doch Ulf und Durin verband eine Freundschaft. Und nun war der alte Dachdecker fort.

    Auf einmal kam ihr ein komischer Gedanke. War die Herausforderung zum Enviki nur eine Übersprunghandlung? Ausgelöst durch die Trauer und Wut über den Verlust, den er erlitten hatte?

    „Danke“, sagte er und wartete darauf, dass sie gehen würde.

    Aber sie konnte nicht. Es gab eine Sache, die sie versuchen musste, und vielleicht war jetzt, wo der Kommandant wenigstens ein bisschen menschlich wirkte, der richtige Zeitpunkt. „Wenn Ihr gewinnt, was geschieht dann mit Tjelvar und Frod?“

    „Mit den Südländern? Was soll mit ihnen sein?“ Seine Miene veränderte sich nicht. Er verschränkte nur die Arme vor der Brust.

    „Ich dachte, Ihr könntet sie vielleicht frei lassen. Sie hatten nichts mit den Draugarangriff zu tun.“

    „Die Männer, die in mein Haus eingebrochen sind?“

    „Ihr hattet deren Tasche gestohlen“, konterte Elina.

    Durin hob eine Augenbraue. „Vergesst nicht, dass Ihr auch an diesem Einbruch beteiligt wart.“

    Schuldig wich sie seinem Blick aus.

    Er machte einen Schritt auf sie zu. „Aber vielleicht können wir uns gegenseitig helfen.“

    Der Ton, mit dem Durin diese Überlegung äußerte, ließ sie innerlich aufstöhnen. In ihrem Leben hatten solche Sätze meist unangenehme Zukünfte angekündigt. Sie schaute zu ihm auf und sah in sein Gesicht.

    „Wie Ihr sicherlich wisst, bin ich auf die Geschenke der Gründungsfamilien angewiesen. Vielleicht schafft Ihr es, eins der Häuser davon zu überzeugen die richtige Wahl zu treffen.“

    Darum geht es also.

    Diese Bitten hatten immer etwas mit Geld, Macht oder Sex zu tun. Es war naheliegend, dass es in seinem Fall mit dem Enviki zu tun hatte. Immerhin waren es nur noch drei Tage bis dahin. Wäre sie selbst in seiner Situation, dann würde sie vermutlich an nichts anderes mehr denken. Sie presste die Lippen aufeinander. Sie wollte Tjelvars Lage verbessern und nicht eine Rolle im Jarlskampf einnehmen.

    „Ach vergesst es“, sagte Durin plötzlich. „Ein einfaches Weib wie Ihr wird Baalhufs Interesse nicht wecken.“

    Danke ...

    Da war wieder der Arsch, den sie kannte.

    Baalhuf? Meint er Etrig Baalhuf?

    Das Oberhaupt dieser Gründungsfamilie war ihr nicht sehr bekannt. Sie hatte nur gehört, dass viele Händler für ihn arbeiteten, und man erzählte sich, dass er dem Gold verfallen sei.

    Durin machte einen weiteren Schritt auf sie zu.

    Die Nähe war ihr unangenehm und als sie zurückweichen wollte, erinnerte sie sich an die Mauer in ihrem Rücken.

    Leicht beugte sich der Kommandant zu ihr herunter. „Aber womöglich, könntet Ihr und Euer ... Talent mir anders behilflich sein.“

  • Hey Etiam,


    interessant, das Aufeinandertreffen von Elina mit Durin. Irgendetwas verheimlich er doch. Als ob er da unten nach einem alten Schild suchen würde für Ulfs Sohn. Das schreit doch zum Himmel.

    Aber du hast das schön eingefädelt und ich denke mal, es war beabsichtigt, den Leser hier stutzig werden zu lassen. Ich frage mich, warum Elina die Schlüssel mitnimmt...einfach so? Weil sie als Symbol für eine Rettung stehen, die leider zu spät kam? Werden die Schlüssel noch eine besondere Bewandnis haben oder warum war es dir so wichtig, sie hier noch einmal zu erwähnen? :hmm:


    Fragen über Fragen.... es bleibt spannend :gamer:


    Kleinkram und sonstige Anmerkungen packe ich wie immer in den Spoiler:



    LG

    Rainbow

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Rainbow ^^

  • Hallo Etiam


    Der Teil hat mich ein bisschen zwiegespalten zurückgelassen. Sehr gut fand ich die Unterhaltung zwischen Durin und Elina, weniger hingegen das Stöbern im Keller. Letzteres hauptsächlich deshalb, weil es für mich so vorhersehbar war. Elinas Verhalten hat mich an diverse Filmszenen erinnert, in denen eine Frau allein (und wider alle Vernunft, weil unerklärliche Geräusche vernehmbar sind) in finsteren Gewölben herumstöbert. Natürlich muss sie noch näher ran und dann stolpert sie, fällt hin und starrt auf etwas, was sie erschreckt. Und natürlich steht dann das, was die Geräusche verursacht hat, unmittelbar vor ihr. Durin.

    Einen kurzen Moment hatte ich vermutet, dass die Draugar durch die Kellergänge, die ja deiner Streichung zum Opfer gefallen sind, in die Stadt gelangen konnten und dass sie vielleicht sogar aus dem Haus der Jondrs kamen. Und dass Elina wirklich diesen Eingang entdeckt.


    Und dann noch diese Schlüssel. Wir hatten uns ja schon beim "Feuer"-Kapitel darüber ausgetauscht. Da geht es mir wie Rainbow: keine Ahnung, warum du sie hier nochmal einbindest in der Text. Du sagst,

    Hier ist er quasi die Erinnerung an ihre vorherigen Überlegungen.

    Um sie zu erinnern, dass die Räume verschlossen waren? Das würde sie tatsächlich ohne die Schlüssel vergessen? Sorry, das kann ich mir nicht vorstellen. Schon die Treppe zu sehen, würde mir z.B. reichen, um mich an meinen grauenvollen Aufenthalt im ersten Stock zu erinnern, mein verzweifeltes Rütteln an den merkwürdigerweise verschlossenen Türen, daran, dass außer Ulfs Leiche und dem Jungen kein anderes Familienmitglied zu sehen war. Btw - hat sie sich erkundigt, wo die anderen gefunden worden sind? Vielleicht in den verschlossenen Zimmern? Oder ist das Haus innen so verbrannt, dass wirklich nur noch die Außenwände stehen?


    Der kurze Einblick auf Durins menschliche Seite und seine Andeutung am Schluss haben mir hingegen sehr gefallen.


    Wenn wir wüssten, wie kurz das Leben ist, würden wir uns gegenseitig mehr Freude machen.
    (Ricarda Huch)



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    • Offizieller Beitrag

    Hallo Tariq



    Vielen Dank für dein kritisches Auge. Ich habe viel davon auf meine Liste geschrieben. Bei manchen Dingen bin ich mir noch nicht sicher, wie ich sie angehen will. Aber der Part wird auf jeden Fall verBESSERt :thumbsup: