Tag 1
Es ist einer dieser Tage, an denen ich nichts Rechtes mit mir anzufangen weiß. Unweigerlich überprüfe ich die Blessuren der letzten Zeit und versuche auch gleich wieder an etwas anderes zu denken. Denn hinter dem Schmerz liegt der Frust, grauer Nebel, der das bewusste Denken überlagert und mit dem Selbstmitleid lockt. Ich wende mich ab, denn da ist sie wieder, die kaum sichtbare Kante unter dem Nebel. Da lauert der Abgrund, da lebt die Depression. Einmal hineingerutscht, entkommt man ihren glitschigen Fängen nur mit enormer Kraft und Zeit.
Ist man dann heraus, stellt man fest, das dass Leben auf keinen wartet. Der Zug ist abgefahren, man gehört nicht mehr dazu, versteht unter Umständen die Welt nicht mehr. Meine "Freunde" Selbst und Nagend mit dem selben Nachnamen kommen jetzt wieder öfter. Wir kennen uns, wir drei und die Depression. Aber diesmal ist es anders, ein Hauch von Melancholie mischt sich unter den fad gewordenen Brei wie der Wind den Duft von fernen Blumen in mein Büro trägt.
Bin ich tatsächlich schon so alt geworden?
Klar, sagt die rechte Hirnhälfte, siehst du nicht das Weiß und das Grau in deinen Haaren, die Falten an Hals und Augen? Ich merke das ich mit eine nüchterne Analyse gerade nicht möchte. Also versucht es die linke Hirnhälfte. Reue, mein Freund und Besitzer ist hier genauso fehl am Platze, was du brauchst ist Luftveränderung klare Gedanken wie frische Bergluft und ein bisschen Meditation dürfte auch nicht schaden.
Rechts mischt sich wieder ein. Sei es wie es sei, ein neuer Lebensabschnitt, ein weiteres mal wird gewürfelt, ihre Einsätze bitte...
Und dann ist da noch diese Welt, die mich umgibt und völlig außer Rand und Band geraten ist. Alte Fehler, alte Ideologie die uns heimsucht wie seinerzeit der schwarze Tod. Es ist das sterben von Verstand das mich wahnsinnig macht, auch wenn ich darüber zu merken beginne, das meine "Probleme" purer Luxus sind. Mir fallen die Lektionen aus dem Geschichtsunterricht ein und dieser lästige Satz "Währet den Anfängen" geht mir nicht mehr aus dem Kopf.
Langsam kommt die Angst in mir hoch, das ich zu alt und zu müde werden kann um den Kampf gegen das Unrecht aufzunehmen ohne je gekämpft zu haben. Ich verstehe meine Eltern, wenn sie sagen, sie hätten bei Wackersdorf und etlichen Friedensdemos für etwas gekämpft, ihren Kampf und ihrem Zeitgeist geschuldet.
Für einen Tag habe ich wohl schon ziemlich viel erzählt, auch wenn es gut tut seine Worte vor sich zu sehen, als etwas greifbares in dem bestreben etwas zu erzählen und so einem Kernelement meiner Selbst näher zu kommen.
Der geneigte Leser mag mich auf diesem Trip begleiten, so er will.
Ende Tag 1
PS Ich habe gerade nur eine Hand zur Verfügung, also ist das mit dem getippe noch schwerer als sonst, daher bitte ich um Nachsicht.