kewas Kurze

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 1.510 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (12. Juli 2021 um 19:47) ist von Stadtnymphe.

  • Hu ihr Lieben,

    dann will ich es auch mal wagen, und hier meine Kurzen zur Diskussion stellen.

    Meine Non-Fantasy Geschichten sind in der Regel kurz bis sehr kurz, und ich spiele oft mit den Stilen.

    Dazu möchte ich einmal betonen, das ich keine Rechtschreibkorrektur wünsche, sondern es mir

    ausschließlich um den Inhalt geht. Das soll jetzt nicht überheblich rüber kommen, sondern ist schlicht meiner Gesundheit geschuldet,

    ich habe einfach nicht mehr die Kraft, mich in neue Reformen rein zu quälen, die Zeit verbringe ich lieber mit Schreiben/Lesen,

    und überlasse das lieber meinem Lektor.

    So gesehen spart euch die Energie, und guckt mir lieber auf den Inhalt, und was ihr bestenfalls dazu anmerken möchtet.

    Zu meiner Geschichte "Lebendes Fleisch".

    Ich bin krank, und war lange Jahre immer wieder für Wochen im Krankenhaus.

    Während eines besonders "intensiven" Aufenthaltes entstand im Raucherraum diese kurze Geschichte.

    Ich habe sie in einem Rutsch runter geschrieben, und später auch nur wenig überarbeitet.

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    Lebendes Fleisch


    Ein neuer Tag, mit neuen Qualen.

    Er steht am Fenster und blickt in die sonnendurchflutete Heiterkeit unter ihm. Der Rauch seiner Zigarette erfüllt den Raum, und ihm brennen die Augen. Rauchen gefällt ihnen nicht, aber er überhört ihre Zurechtweisungen. Sollte es ihnen nicht gefallen, ihm war es gleichgültig. Er hatte hier schließlich die Dauerkarte gezogen, nicht sie. Mit ihren Nadeln, Skalpellen und Sägen machten sie ihm eh keine Hoffnung mehr. Er war ihr Gefangener. Unten, im Sonnenlicht, saßen sie im Klinik-Park auf den Bänken, plauderten und scherzten. Er zog erneut und sah seinem ausgeatmeten Rauch hinterher. Wieder hörte er ihre quietschenden Sohlen auf dem glatten Boden des Flures hinter sich. Wieder kamen sie um ihn zu holen. Es war ihm gleichgültig. Er drückte die Alte aus, und steckte sich eine Neue an.


    Schmerzen. In Wellen. Mal hoch, mal tief.

    Sie reden mit ihm, doch er hört ihnen nicht mehr zu. Sie stechen, sondieren, untersuchen und schneiden an ihm herum. Neue Schmerzen, neue Wellen. Freundliche, doch erbarmungslose Gesichter. Er lässt sich nicht mehr täuschen. Immer wieder muss er sich erholen, immer wieder muss er unter Anleitung langsam auf die Beine kommen. Wie oft noch?

    Doch sie kommen immer wieder, mit neuen Methoden, neuen Instrumenten, neuen Ideen. Sobald er wieder gehen kann, raucht er wieder und blickt dabei hinaus in die Sonne.


    Hände tätscheln sein Gesicht und zerren an den Schläuchen, die ihm aus dem müden Gesicht wachsen. Wieder ist er erwacht, mit wieder neuen Wunden am geschundenem Leib. Wie lange hält ein Körper diese Torturen eigentlich aus? Das Essen schmeckt ihm nicht, und er isst immer weniger. Sie ernähren ihn künstlich, damit er wieder zu Kräften kommt. Später werden sie ihn wieder abholen. Wieder neue Dinge in ihn hineinschieben. Altes wiedererkennen und Neues an ihm finden. Ständig etwas Neues. Er geht inzwischen eine rauchen.


    Draußen spielen sie mit ihren Kindern. Schieben die Greise oder sitzen einfach in der Sonne. Er steht oben am Fenster und blickt unbeteiligt hinaus. Diese Welt liegt ihn so fern, wie der dunkle Teil des Mondes. Das Glas des Fensters hält die Geräusche zurück, und auf seiner Seite gibt es keinen Griff. Er zieht den warmen Rauch tief in die Lungen, oder das, was ihm noch von ihnen geblieben ist, und wendet sich gelangweilt ab. Wie lange ist er schon hier? Die Tage reihen sich wie Perlen an eine Schnur, und seine Kette ist zu lang geworden, als dass er ihren Anfang noch sehen könnte. Seine Narben pochen dumpf in Erinnerung an vergangene Qualen. Er betäubt sie mit einer neuen Zigarette.


    Neue Schmerzwellen pulsieren durch seinen Körper.

    Gibt es eine Stelle, die sie noch nicht hatten? Lächelnde Gesichter hübscher Schwestern beugen sich über ihn. Elegante Ärzte, strotzend vor Gesundheit, geben sich die Hand. Seine Akte, so dick wie ein gestrandeter Wal, wandert durch manikürte Finger. Hoffnung gibt es immer, versichern sie ihm eifrig. Hoffnung und der Wille zu Leben. Hat er den noch. Will er überhaupt noch Leben. Hoffnung? Worauf? Die Falten seines Lakens dringen in sein müdes Fleisch, und Sonnenlicht durchflutet sein Zimmer, brennt ihm jeden Gedanken aus dem müden Hirn. Unberührt blickt er ihnen entgegen und hört ihre Worte nur mechanisch. Neue Tests, neue Versuche, Wissenschaftliche Verfahren, sicher, macht einfach nur weiter. Später geht er humpelnd eine rauchen.


    Tief unter ihm sitzen sie wieder, spielen, lachen und unterhalten sich. Ein Kind läuft über die Wiese und fällt lang hin. Es erhebt sich nicht mehr und ein kleiner Funkenregen sprudelt aus seinem zarten Nacken. Sofort sind die Schwestern bei ihm und tragen es eiligst unter ihm ins Gebäude. Unbeteiligt bleiben die Anderen mit sich beschäftigt. Er raucht und fragt sich nur nebenbei, wo, gottverdammt, haben sie eigentlich die Kinder her?


    ^^ viele liebe Grüße ^^

  • @kewa Eine mehr als Traurige Geschichte aber leider viel zu oft bittere Wahrheit. Gut rübergebracht ohne zu werten.

    Stimmungsvoll eingefangen. :thumbup:

    Kommt mir irgendwie bekannt vor. Mein Alter Herr war auch Kettenraucher..., bis...., bis er zur Kur an der ehemaligen Zonengrenze war. Dort traf ihn dein beschriebenes Leid mit voller Wucht. Nach der Kur war er nicht einmal mehr in der Lage, die rumliegenden Zigarettenschachteln auf zu räumen. Wir rätselten Lange, was passiert war.

    Ich habe nie mit dem Schmarn angefangen.

    grüßle Kamar


  • Erstmal vielen lieben Dank Kamar,

    für deine Antwort, und ich freue mich ^^

    Ich habe noch vor dieser Geschichte mit dem Rauchen aufgehört, glaube 2006 so um den Dreh.

    Es passte für mich nur wunderbar in die Stimmung.

    Wenn ich vorher im KH lag, waren mir die Ärzte mit ihrem dbgl. blabla auch mehr als Latte, heute, als langer NR sehe ich das auch etwas anders.

    ^^ viele liebe Grüße ^^

  • Ich weiß nicht, ob ich die Geschichte verstehe?

    Gibt es hier irgendein Raucher-Insider-Wissen, dass mir fehlt?

    Ich dachte, es ginge darum, dass er chronisch krank ist und die Ärtze nichts finden- bzw vieles finden aber eben nichts, was ihn heilt.

    Dann hat mich das Ende ziemlich fragend zurückgelassen. Funken aus dem Hals? "Woher haben sie die Kinder"? Sind sie doch alle Cyborgs? Versuchen die Ärzte garnicht, ihm zu helfen? Was, wie, wo???

    Das klingt jetzt vielleicht nach Kritik, aber ich mag solche Geschichten. Die am Ende noch einen Twist haben. Die mich fragend zurücklassen. Obwoh ich schon gerne wüsste, was es mit den Funken auf sich hat.

    Vom Stil her gefällt es es mir extrem gut. Es gibt einige Sätze und Vergleiche, die ich echt super finde. Leider... triggert mich die Geschichte ein bisschen, weil mein Mann auch chronisch krank ist und die Ärzte immer mehr finden, anstatt Ursachen. Daher stimmt es mich traurig und nicht auf eine "gute" weise- obwohl die KG wirklich gut geschrieben ist. Ich hoffe daher einfach, das deine nächsten KG´s, auf die ich mich schon sehr freue :D , ein anderes Thema oder Setting haben werden. Aber das ist auch nur meine Hoffnung, schreib und poste bitte das, was du möchtest xD

    Genesis: Sie ist Azathoth, das amorphe Chaos in der zentralen Leere
    Josh: Meine Prophetin!

  • Alles gut,

    Danke für deine netten Kommentare Aztiluth

    Manchmal ist meine Schreiberei auch schwer zu verstehen, kein Ding ^^

    Dann habe ich hier mal etwas ganz Liebes.

    Ist jetzt zwar nicht die richtige Jahreszeit, aber ich finde, sie geht immer.

    Viel Spaß beim lesen und Kommentieren ^^

    Spoiler anzeigen

    Wie wir auf den Hund kamen

    Oder ~eine Weihnachtsgeschichte mal anders~

    Mal wieder Weihnachten.

    Ich gehe durch die Reihen der muffigen Käfige, fühle mich wie ein Fremdkörper in dieser von Hunden regierten Welt, und lautes Gebell begleitet mich. Die schmuddelige Pflegerin, die mürrisch den Korridor fegt, mustert mich verstohlen mit argwöhnischem Blick.

    Wahrscheinlich, weil wir uns kurz vor Weihnachten mit dem Gedanken tragen, unserem Sohn einen Hund zu schenken. Denn, was sonst sollte mich am Nachmittag des 23.12. hierher treiben, wenn nicht der Wunsch nach einem Familien-Vierbeiner. Als hätten ich und die Beste aller Frauen uns nicht lang und breit darüber unterhalten, was es bedeutet, uns einen Vierbeiner zu zulegen.

    Schon im Sommer, als Dominik mit seinem Wunsch an uns heran trat, haben wir stundenlang das für und wieder diskutiert. Aber gut, wir sind zu dem Ergebnis gekommen, das uns ein Hund sehr gut tun würde. Die Spaziergänge, das Verantwortungsgefühl, das Dominik so lernen kann, die neuen Kontakte zu anderen Haltern, und noch vieles mehr, unterstrichen für uns das Pro eines Hundes. Auch finanziell machen wir uns nicht viele Gedanken, es geht uns nicht schlecht.

    Das ich jetzt und so spät allein hier stand, hatte nur mehr praktische Gründe.

    Meine Frau Charlotte war ganz in den Weihnachtsvorbereitungen, und vertraut mir in dieser Beziehung voll und ganz. Ich selbst hatte bis gestern noch arbeiten müssen, und konnte es so natürlich nicht eher einrichten. Und Dominik konnte nicht mit, denn sonst wäre ja die schöne Überraschung hin. Also, trottete ich allein zu der Pflegerin, um ihr unsere Vorstellungen mitzuteilen, in der Hoffnung, das diese ihre Schützlinge kannte und mir etwas passendes zeigen konnte.

    „Guten Tag“, sprach ich sie an.

    „Guten Tag“, kam es brummig zurück.

    „Mein Name ist Leupold, und ich suche einen Hund für meinen Jungen“, versuchte ich es vorsichtig. Wie zu Erwarten erntete ich einen verständnislosen bis bösen Blick.

    „Jetzt?“

    „Ja, jetzt.“

    „Zu Weihnachten?“

    „Zu Weihnachten.“ Das ich ihr ständig nachsprach ärgerte mich dann doch etwas.

    Dennoch beherrschte ich mich, weil ich natürlich die Problematik der Tiere unter den Weihnachtsbaum kenne.

    Wer bitte kennt das nicht. Angeschafft, und kurz nach Weihnachten aus Bequemlichkeit wieder abgeschafft, fristeten bestimmt auch hier diverse Schützlinge dieses Los. Und wer es bis zum Sommer schaffte, wurde dann irgendwo angebunden und ausgesetzt. Dies bekümmerte mich wie meine Frau gleichermaßen, und genau darum wählten wir diesen Termin.

    Einen Termin der Nächstenliebe und der Hoffnung.

    Welcher wäre schlechter?

    „Wir vermitteln vor Weihnachten keine Tiere mehr. Aber im Januar dürfen sie gern noch einmal wieder kommen.“

    Nüchtern drehte sie sich um und fegte unbeteiligt weiter. Doch ich ließ nicht locker.

    „Ich weiß, das dieser Termin bei Ihnen einen schlechten Ruf genießt, und genau darum haben meine Frau und ich uns für eben diesen entschieden. Wir wollen grade zum Fest einem armen Hund ein neues und schönes Zuhause geben.“

    Sie drehte sich um und musterte mich nun total genervt, als hätte sie einen Unterbelichteten vor sich.

    „Vor Weihnachten vermitteln wir keine Tiere, und wenn sie die Gründe kennen, sollten sie dafür auch Verständnis aufbringen. Wo kämen wir hin, wenn wir laufend Ausnahmen machen würden. Diese Regel kommt nicht von ungefähr.“

    Kopfschüttelnd ging sie nun den schmalen Flur hinunter, und nur zögerlich folgte ich ihr. Das war ne harte Nuss, die ich da zu knacken hatte. Ich hatte ja Wiederstände erwartet, aber so extrem?

    Sie verschwand in einem Raum. Ich folgte ihr und fühlte mich wie ein Eindringling. Der Raum war klein und roch, wie alles hier, nach Hund. Der Schreibtisch war unordentlich und irgendwie leicht speckig. Der PC aus dem letzten Jahrhundert, und überall türmten sich Unterlagen, Rechnungen, Impfausweise und anderes. Das Gebell wurde hier merklich leiser und ich atmete einmal tief durch. Sie setzte sich wie ein Chef hinter den Schreibtisch und blickte mich nun mit unverhohlener Wut an.

    „Was wollen sie denn noch? Schauen sie sich einfach um, und kommen sie dann im Januar wieder.“

    „Bitte, nehmen sie sich etwas Zeit für mich und hören sie mir einen Moment zu?“ Bittend blickte ich sie an, und etwas ging in ihrem Gesicht vor. Sie nickte kurz, kaum mehr als ein Zucken des Kopfes, und Erleichterung überkam mich. Noch war nix verloren, nur vorsichtig bleiben, dachte ich mir.

    „Ich habe mich vorher eingehend Informiert. Meine Familie begrüßt den Gedanken und wir wünschen uns wirklich einen Hund, und zwar so lange wie dieser dann leben wird. Ich habe alle Unterlagen mit, die ihren zeigen sollen, das es uns Ernst damit ist.“

    Wieder nickte sie nur kurz, und ich zog aus meiner Tasche eifrig die Mappe hervor.

    „Wir besitzen ein eigenes Haus. Ich bin Vollzeit als Berater in einer Bank beschäftigt. Meine Frau ist den ganzen Tag zu Hause. Und Dominik, unser Sohn, besucht jetzt die dritte Klasse.“

    Ich reichte ihr die rote Mappe, in dem einige unserer Dokumente als Kopien vorlagen.

    Sie nahm ihn ohne ersichtliche Reaktion und blätterte nur oberflächlich darin herum.

    „Urlaub?“

    Fragend sah sie kurz auf.

    „Jedes Jahr vier Wochen in der Toskana.“

    Ein bitteres Lächeln breitete sich in ihrem Gesicht aus, doch bevor sie noch etwas einwenden konnte, führ ich fort.

    „Wir besuchen dort meine Mutter, die eine große Finka besitzt. Jedes Jahr fahren wir zu ihr, denn, etwas Schöneres als diesen Ort gibt es nirgends. Meine Mutter besitzt selbst vier Straßenhunde, die sie dort aufgelesen hat. Dominik liebt diese Hunde.“

    Etwas Versöhnliches stahl sich kurz in das Gesicht der Pflegerin. Sie blätterte noch etwas, doch als sie danach hochblickte, lag wieder die bekannte Härte in deren Augen.

    Sie schüttelte erneut ihren Kopf und legte die Mappe beiseite.

    „Ich fürchte, ich kann ihnen nicht helfen. Das alles ließt sich sehr gut, und sie sind sicher geeignet, einen unserer Hunde zu bekommen, aber, wie ich schon sagte, vor Weihnachten ist da nix mehr zu machen.“

    Ich zog einfach mein Handy, wählte mit klopfenden Herzen die Nummer meiner Frau, drückte auf Verbinden und reichte es ihr wortlos. Sie blickte mich verständnislos an, und ich musste ihr erst noch ermunternd zunicken, bis sie es zögernd nahm.

    Voller Ungeduld lauschte ich dem Gespräch.

    Begrüßungen wurden ausgetauscht, und dann sagte die Pflegerin lange Zeit nur ja, ja ins Handy. Dann erklärte sie meiner Frau ruhig und freundlich die Umstände, die es ihr unmöglich machten, uns hier und jetzt einen Hund zu geben. Leise Eifersucht stahl sich in mein Herz, weil ich von ihr nur Ungläubigkeit, Verständnislosigkeit und Ärger bekommen habe. Die Schwesternschaft der Frauen, dachte ich mir, und wartete dann einfach ab. Die Pflegerin beendete das Gespräch sehr nett und reichte mir danach lächelnd mein Handy. Welche Wandlung war da von statten gegangen?

    „Kommen Sie“, sagte sie zu mir, und stand dann einfach auf.

    In mir keimte nicht unerhebliche Hoffnung, und ich freute mich jetzt schon richtig. Doch zu früh gefreut, denn es gab da einen Hacken, wie ich rasch erfuhr.

    „Ich habe mit ihrer Frau die Absprache getroffen, das Sie sich jetzt einen Hund aussuchen, und sobald wir Januar haben, ihn abholen können, wann immer sie es wollen.“

    Sie strahlte mich an, als wäre dies die beste Idee des Jahrhunderts, und in mir fühlte es sich an, als zerbräche etwas mit lautem Knall.

    Traurig folgte ich ihr zu den Zwingern, wo das Gebell wieder ohrenbetäubende Ausmaße annahm. Unterwegs fragte sie mich, was denn laut uns zu uns passen würde. Ich meinte nur wie nebenbei, das uns keine Rasse im Besonderen interessieren würde, und innerlich verabschiedete ich mich von dem Gedanken, Dominik zu Weihnachten richtig glücklich zu machen. Gut, dann eben wirklich erst im Januar.

    Wir gingen allein durch die Flure, und sie redete ununterbrochen über ihre Schützlinge. Pries diesen, und verwarf jenen. Plauderte über dessen Lebensgeschichte und eines anderen Leidensweg. Mit wachsendem Interesse hörte ich ihr zu, und versuchte immer wieder mir vorzustellen, mit diesem oder jenem Hund zu leben.

    Alle Rassen und jede Form von Mischlingen war hier vertreten. Einige sprangen wild bellend an den Gittern hoch, während andere sich nur still in die hintersten Ecken ihrer Zwinger drückten. Ich spielte grade mit dem Gedanken, einen jungen deutschen Schäferhund zu Dominiks Hund zu erklären, als mir ein kleines, struppiges Wesen auffiel.

    Ganz allein in einem der Zwinger sitzend, erblickte ich dieses Hündchen nur im vorbeigehen, doch fast augenblicklich zog es mich zu ihm zurück.

    Ganz still und klein saß es da. Das drahtige elfenbeinfarbene Haar stand wirr vom pummeligen Körper ab und ich blickte in die traurigsten braunen Augen, die ich je sah. Innerlich schwer berührt blickte ich die Pflegerin an.

    „Das ist Lilly, unsere kleine Dicke.“ Die Pflegerin blickte mit liebevoller Trauer auf das kleine Hündchen.

    „Sie wurde von den anderen Hunden nicht akzeptiert, weil ihr Verhalten nicht Arttypisch ist. Sie ist zu sehr auf den Menschen fixiert, darum muss sie allein sitzen.“

    Lilly kam vorsichtig näher und winselte leise.

    „Zudem ist sie schwer zu Vermitteln, weil sie schon über 10 Jahre alt ist, und alle nur einen jungen Hund wollen.“

    Lilly blickte mich voller Angst aber auch tiefer Hoffnung an. Ich ging langsam in die Knie und streckte meine Hand vorsichtig zum Gitter. Irgendwie rührte mich dieser kleine Hund. Langsam kam sie näher, schnüffelte wie nebenbei in meine Richtung, und ich sah den inneren Kampf, der in ihr tobte. Doch schließlich gewann die allen Hunden eigene Freundlichkeit, und sie kam zu mir.

    „Sie wird hier wohl Alt werden müssen, die arme Süße. Hätte auch etwas besseres als das hier verdient.“

    Ich kraulte ihr das zottige Fell, und Lilly legte sich, nachdem sie meiner Hand einer gründlichen Reinigung seitens ihrer Zunge verpasst hatte, unterwürfig auf den Rücken. Ich schubberte ihr zärtlich über den rosa Bauch, und ihr Stummelschwänzchen wedelte voller Glück.

    „Sie hat schon etwas besseres gefunden“, murmelte ich nur nebenbei.

    „Bitte?“

    „Ich habe gesagt, sie hat schon etwas besseres gefunden. Ich werde sie nehmen. Und fragen sie mich nicht warum, ich weiß es selbst nicht, ich weiß nur, das sie es ist.“

    Ich erhob mich nur zögerlich, wollte nicht weg von Lilly, die ich schon jetzt als meinen Hund betrachtete. Ungläubig blickte die Pflegerin mich an.

    „Sind Sie Sich sicher? Lilly ist ein alter Hund, und ich weiß nicht, wie ihr der Trubel mit einem Kind gefallen wird. Sie wäre eher etwas für ältere Herrschaften........“

    „ ........... warum sie auch noch hier sitzt. Nein, ich bin mir sicher, Lilly, und sonst keinen.“

    Ich nickte nachdrücklich.

    Wieder schüttelte die Pflegerin nur ungläubig den Kopf, lächelte dann aber doch nachsichtig, ob der Aussicht, Lilly zukünftig in einem schönen Zuhause zu wissen.

    Nur widerstrebend ließ ich mein zottiges Hündchen zurück, das mir leise winselnd hinterher blickte. Aber alles musste für einen Termin im Januar fertig gemacht werden, damit meine Süße dann zu uns kommen könnte. Dominik würde Augen machen. Die Kleine war einfach perfekt für meinen stillen und oft zu ruhigen Sohn.

    Eine Stunde später, als ich alles mit der, jetzt sehr freundlichen Pflegerin erledigt und auch gezahlt hatte, und unser Termin im Januar fest stand, ging ich noch einmal zum Zwinger.

    Lilly saß wieder hinten und blickte mich wieder scheu und vorsichtig an.

    „Keine Angst, meine Süße, ich komme wieder und hole dich hier raus, versprochen.“

    Das die Pflegerin meine leisen Worte, trotz des Gebells, gehört hatte, erfuhr ich dann wenig später.

    Ich hatte direkt vor dem Tierheim geparkt, es dämmerte bereits und leiser Schnee fiel vom grauen Himmel. Mit trüben Gedanken rauchte ich noch eine in der Kälte. Bis Januar erschien mir noch so lang, aber Dominik würde morgen wenigstens nicht traurig sein, da wir ihm ja noch nichts erzählen konnten. Ich trat die Zigarette aus und war schon am einsteigen, als ich die Pflegerin langsam auf mich zugehen sah. Wahrscheinlich, schoss es mir durch den Kopf, ging nun doch noch etwas schief, sie hatte etwas vergessen mitzuteilen. Oder Lilly musste, aus was weiß ich für Gründen, doch im Tierheim bleiben. Etwas in der Art keimte in mir, und ein harter Knoten bildete sich in meinem Innersten. So wartete ich geduldig, und bemerkte nur am Rande, das sie etwas auf dem Arm hatte.

    Als sie dann glücklich lächelnd näher kam, erkannte ich die kleine zottige Lilly, meinen Hund, in ihren Armen. Meinerseits total ungläubig ging ich ihr entgegen.

    „Ich habe mit meiner Vorgesetzten, der Leiterin, telefoniert“, erzählte sie etwas atemlos, „ wir denken, eine Ausnahme darf es geben. Und Lilly hat es verdient, ein schönes Weihnachtsfest zu bekommen.“

    Damit drückte sie mir meine Süße in die Arme, die fast augenblicklich und überschwänglich meine Hände leckte, und überrascht blickte ich sie sprachlos an. Ich war fassungslos, und schwankte zwischen Glück und Staunen. Verschwörerisch zwinkerte sie mir zu.

    „Aber sein Sie sicher, das wir Sie und Lilly besuchen kommen, und schauen wollen, wie es unserer Kleinen bei Ihnen so geht.“

    Ich staunte immer noch.

    „Was hat Sie bewogen, Ihre Meinung doch noch zu ändern?“ Wollte ich nur noch wissen, Lilly dabei fest an mich drückend, die freudig mit ihren kurzen Schwänzchen wedelte.

    „Ihre Worte? Lillys Blick? Oder doch der Geist der Weihnacht? Fragen Sie mich nicht, sein Sie ihr nur ein guter Besitzer, das ist das Wichtigste.“

    Sie wuschelte Lilly noch einmal über das freche Haar, drehte sich um und ging langsam zurück. Auf mein gerufenes danke winkte sie nur noch einmal mit der Hand.

    Was soll ich noch groß berichten.

    Lilly zog bei uns Zuhause, wie in unsere Herzen ein. Dominik liebte sie vom ersten Moment an, und beide ergänzten sich auf erstaunliche Weise. Mein ruhiger Sohn wurde lebhafter, steckte ihn doch der quirlige Geist von Lillys Terriergemüt an. Und Lillys Übergewicht schwand dahin, angestachelt durch die schier endlosen Spiele mit Dominik. Die beiden sind immer noch unzertrennlich, auch wenn Lilly jetzt schon auf die Vierzehn zugeht, und langsam doch ruhiger wird.

    Ihre Pflegerin, Erika, schaut heut regelmäßig bei uns vorbei. Aber nicht zur Kontrolle, wie sie vielleicht denken mögen, sondern um uns neue Hunde zu bringen. Wir sind heute eine Pflegestelle für die Alten und Kranken des Tierheims geworden. Unser Rudel umfasst jetzt sieben Hunde. Vom hüftlahmen Schäferhund bis zum dreibeinigem Mischling ist alles vertreten, und wir möchten keinen mehr missen.

    Lilly hat auch keine Probleme mit ihrem Sozialverhalten mehr, von Eifersucht ganz zu schweigen. Jeden Neuankömmling begrüßt sie freundlich und mit tiefer Zustimmung, weiß sie doch, das sie immer unsere Nr. 1 bleiben wird.

    Ach ja, und meine Mutter besucht nun uns, und nimmt hier und da immer mal wieder einen unserer rheumatischen Schützlinge mit zu sich nach Hause, in die warme Toskana.

    Tja, so sind wir auf den Hund gekommen......... oder sie auf uns?


    ^^ viele liebe Grüße ^^

  • Liebe kewa ,

    dein Schreibstil gefällt mir sehr gut. Viele Metaphern (wie zum Beispiel "die dunkle Seite des Mondes") hast du wirklich schön eingeflochten. Und obwohl ich jedem, der raucht, eher ablehnend gegenüber stehe, konnte ich den Protagonisten gut verstehen. Auch die Akte, die du mit der Fülle eines gestrandeten Wals vergleichst, war da sehr anschaulich.

    Für den Inhalt hätte ich mir vielleicht ein bisschen mehr gewünscht. So war es doch eher nachdenklich, zähflüssig. Mehr Metaphern als Handlung. Natürlich ist das gut zum Runterkommen und Philosophieren, aber ich bleibe etwas ratlos zurück. Andererseits ist es vermutlich beabsichtigt, dass dem Protagonisten nichts mehr passiert. Er wartet sowieso nur noch... Wie traurig... Daher... wirklich gut gemacht. :)

    Ich bin gespannt auf die Nächste!

    Liebe Grüße!

    Was ich schreibe: Eden