Schreibwettbewerb September/Oktober 2021

Es gibt 19 Antworten in diesem Thema, welches 4.507 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (8. November 2021 um 22:21) ist von Theo-Drecht.

    • Offizieller Beitrag

    Einen schönen guten Tag Forengemeinde!

    Mit dem heutigen Tag startet unser kleiner foreninterner Schreibwettbewerb in die nächste Runde.

    Tariq hat als Siegerin des letzten Wettbewerbs folgendes Thema vorgegeben:


    "Verhängisvolle Berührung"

    Ich bin gespannt!

    Dieses Mal gibt es noch einen Zusatzpreis! kalkwiese hat ein Buch als Preis gespendet! Vielen Dank <3

    Der Preis

    "Die Karte meiner Träume" von Reif Larse

    Einsendeschluss : 17. Oktober 2021

    ‡ Die Geschichte muss in Form einer Konversation (PN) (NICHT per E-Mail oder auf meine Pinnwand!) an Chaos Rising geschickt werden. (Betreff: "Schreibwettbewerb September/Oktober 2021: [Username]")

    ‡ Die Geschichte muss im Fantasy-Genre angesiedelt sein. Dh. Es müssen Elemente der Fantastik darin enthalten sein.

    ‡ Die Geschichte muss einen Titel haben.

    ‡ Die Geschichte muss mindestens aus etwa 3500 - 10'500 Zeichen bestehen.

    ‡ Die Geschichte muss formatiert sein (siehe auch -> Texte richtig formatieren)

    ‡ Die Geschichte darf keine farbige Schrift enthalten.

    ‡ Die Geschichte muss Absätze haben und darf kein reiner Textblock sein.

    ‡ Nur eine Geschichte pro Teilnehmer.

    ‡ Nur deutschsprachige Texte erlaubt, mit Ausnahme von Fremdwörtern, die zum Verlauf der Geschichte passen.

    Der amtierende Gewinner darf nicht am Wettbewerb teilnehmen, da er/sie das Thema vorgibt und sich so einen Vorteil erspielen könnte.

    ‡ Nach Einsendeschluss werden alle Geschichten anonym in einem Thread veröffentlicht und ihr habt einen Monat Zeit, per Umfrage eure Stimme abzugeben. Diese darf nicht an sich selbst vergeben werden.

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    Preise im Wettbewerb:


    Der Sieger:


    ‡ Darf das nächste Thema für den Schreibwettbewerb vorgeben.

    ‡ Wird in die Rangliste eingetragen.

    ‡ Bekommt für zwei Monate einen eigenen Rang und die Sonderrechte eines Super Users.

    ‡ Bekommt eine einzigartige Foren-Trophäe.


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    Wer noch Fragen hat, stellt sie bitte hier im Thread. smile.png

    In diesem Sinne viel Spaß beim Schreibwettbewerb und beim Geschichten ausdenken wink.png


    LG Chaos :chaos:

    • Offizieller Beitrag

    Hi! Wollte nur kurz nachfragen, ob der Einsendeschluss so richtig ist?

    Also, in 5 Tagen?

    eh ... nein :D

    17. Oktober natürlich :D

    Danke für den Hinweis!

    • Offizieller Beitrag

    ausnahmsweise ein Doppelpost, damit es alle mitbekommen:

    kalkwiese hat ein Buch als Preis gespendet! (Siehe oberen Post) Vielen Dank!

    • Offizieller Beitrag

    Welche Geschichte hat euch am besten gefallen? 13

    1. Schnee und Asche (3) 23%
    2. Die Wahrheit (0) 0%
    3. Vom Grind (4) 31%
    4. Die verlorenen Seelen der Mors Navis (0) 0%
    5. Dîner bei Baron Colette (4) 31%
    6. Die Erwählte (0) 0%
    7. Dornröschen (2) 15%

    So nachdem ich erst dachte, der Wettbewerb fällt genauso ins Wasser wie der Zeichenwettbewerb, haben mich dann im Endspurt doch noch ein paar Geschichten erreicht :D
    7 an der Zahl! Das freut mich sehr :D Offenbar hat Tariq ein gutes Thema ausgesucht :D Oder das von kalkwiese gesponserte Buch hat besonders motiviert :D Wie auch immer: los gehts!

    Falls etwas nicht passt, bitte möglichst schnell per PN melden!

    LG Chaos :chaos:

    • Offizieller Beitrag

    Schnee und Asche

    von Kiddel Fee

    Sanft schwebten Schneeflocken auf seine geschlossenen Lider herab.

    Es war die erste Empfindung, die sein Körper wahrnehmen konnte. Noch hatte sein Gehör nicht wieder eingesetzt, noch schoss der Schmerz nicht durch seine Glieder - in diesem Bruchteil eines Augenblicks schwebte er in der Dunkelheit und spürte nur die Liebkosung des fallenden Schnees auf seiner Haut wie winzige zarte Küsse …

    Doch dann musste er atmen und so, wie die Luft wieder in seine Lungen strömte, prasselten auch alle Sinneseindrücke wieder auf ihn ein. Schmerz rauschte durch seinen Leib wie ein Sturm, entfesselt und alles um sich herum niedermähend. Und der Lärm, das Schreien, Dröhnen um ihn herum - es brach ohrenbetäubend durch die friedliche Stille fallenden Schnees, die ihn gerade noch eingelullt hatte.

    Er lag auf dem Rücken, nasse Kälte kroch durch seine Beinkleider und mischte sich mit dem Blut, das unter seinen Beinen eine dampfende Pfütze bilden musste. Das konnte er nicht sehen, aber er spürte klebrige Wärme, als er versuchte, einen Fuß zu bewegen.

    Jetzt trafen kleine Schmerzpunkte sein Gesicht, zischten in seinen Haaren. Funken, wusste er. Es brannte überall auf diesem Feld der Verdammnis, auf diesem großen Schlachtplatz, wo sein Volk gerade der eigenen Vernichtung entgegensah. Es brannten die Leiber der Toten, der Pferde, die Flammen spiegelten sich in Rüstungen gefallener Elfen und Rauch und Funken stiegen in den Himmel, um das Bild von Tod und Ende zu vervollständigen. Der Gestank nach verkohltem Fleisch bohrte sich in seine Nase und Übelkeit schoss in seinen Magen, als er das Gefühl hatte, seine Freunde und Kameraden mit dem schwarzen Qualm einzuatmen.

    Es kostete unendliche Mühe, die Augen zu öffnen. Über ihm kreisten bereits die Aasvögel, obwohl der Kampfeslärm noch immer nicht abgeebbt war. Er musste sich nicht umsehen, um zu wissen, dass sie verloren waren - sein Volk, seine Familie, die letzten seiner Art. Der Boden dröhnte und bebte, der übermächtige Feind brachte das von Asche und Tod bedeckte Land unter sich zum Stöhnen. Er spürte jeden Schritt des herannahenden Gegners, welcher die Erde unter sich erschütterte.

    Fluch über den Bestham, Fluch über seine verdammte Sippe und alle, die ihm folgten! Seit die Elfen zurückdenken konnten, kam er über sie und jedes Mal hatte es hohe Verluste an Land und Leben gefordert, die Bestie aufzuhalten. Um ihn vollends zu vernichten, waren die Kräfte der Freien Völker niemals genug gewesen, die ständige Bedrohung lag wie ein dunkler Schatten auf ihrer aller Leben.

    Der Bestham

    Als er stöhnend den Kopf drehte, erblickte er den Feind nur ein paar hundert Ellen von sich entfernt. Wie ein gigantischer Felsblock pflügte er auf breiten stampfenden Beinen durch die filigranen Rüstungen der Elfen um ihn herum. Seine dicke Haut glich grauem Leder und nicht einmal der beste Pfeil konnte diesen Panzer durchbrechen. Mit flinken Augen von hässlich gelber Farbe überblickte das Monster das Schlachtfeld aus gut zwölf Fuß Höhe. Doch das Schrecklichste an ihm war seine Waffe, eine mit eisernen Spitzen besetzte Keule, höllisch schwer, die er mühelos durch die Körper des Freien Volkes rasen ließ. Blut, Fleisch und Schlamm spritzten in alle Richtungen, das Heulen und Kreischen der Sterbenden ließ die Ohren klingen.

    Er erwog, einfach die Augen zu schließen und zu sterben. Hier gab es keine Aussicht auf den Sieg. Einmal in Reichweite dieser Keule war sein Leben verwirkt. Eine Berührung genügte. Dass er hier noch im Matsch liegen und denken konnte, lag nur daran, dass er vorher auf einen anderen Gegner, einen dieser schleimigen Kriecher getroffen und von diesem überwunden worden war. Wenn er jetzt nicht hier wegkam, würde das Biest ihn entweder platttrampeln oder mittels der Keule über das ganze Schlachtfeld verteilen. Doch bei dem Gedanken daran, feige die Flucht zu ergreifen, kroch Scham in seinem Magen hoch wie ätzende Säure. Ein Elf floh nicht. Aber er starb auch nicht verblutend im Schnee.

    Seufzend sah er hinauf in den bleigrauen Winterhimmel. Keine Sonne. Nie schien die Sonne, wenn der Bestham kam. Ihr Feind wusste ebenso um seine Schwäche wie die Freien Völker und griff immer nur in der Nacht, im Regen oder im Schneesturm an, damit ihn die Strahlen der Sonnenkönigin nichts anhaben konnten. Dabei würde ein winziger Funken Sonnenlicht genügen, so sagten es die Legenden.

    Kalte Taubheit kroch in seinen Körper, als sein Leben mit seinem Blut auf den Boden strömte. Der Tod kam. Nur auf der rechten Hand, die noch immer das Schwert umklammerte, pulsierte Wärme.

    Angestrengt drehte er den Kopf. Unmöglich…

    Ein einziger Sonnenstrahl hatte sich seinen Weg durch das Schnee- und Schlachtenchaos gebahnt und traf seine Rechte, ließ Kraft in seine schwachen Glieder schießen. Es war, als wollte die Wärme ihn sanft wieder aufwecken. Sie strich über seine Hand, um ihn noch einmal stärken für einen letzten finalen Angriff.

    Ohne einen klaren Gedanken fassen zu können, packte er das Schwert fester. Warmes Blut schoss aus seiner Seite, als er sich wie in Zeitlupe um die eigene Achse rollte und auf die Knie kämpfte. Der Sonnenklecks tanzte auf seiner zitternden Klinge, obwohl die Wolkendecke schon wieder geschlossen war. Wärme und Licht verweilten in seinem Schwert.

    Noch einmal in den Kampf stürzen … Kraft durchfloss ihn, Hitze, Helligkeit. Ihm war, als hätte der Sonnenstrahl ihn durch seine bloße Berührung in Brand gesteckt. Er schrie, getrieben von Wut und dem eisernem Willen, nicht aufzugeben.

    Langsam und träge wandte sich sein Gegner, aufmerksam geworden durch den Schrei, ihm zu. Die blutbefleckte Eisenkeule schlurfte mit ekelerregenden Lauten über den Boden, als er beiläufig ausholte und die Waffe in seine Richtung wirbel ließ. Weitere Krieger fielen, gemäht wie Halme von einer Sense.

    Der Bestham stieß ein grauenhaftes Brüllen aus und kam auf ihn zu. Für seine klumpige Statur war er beängstigend schnell. Die Eisenkeule kreiste über seinem Kopf, sirrte todbringend.

    Einem solchen Hieb konnte seine Klinge nichts entgegensetzen. Mit einem scharfen Klirren trafen die Waffen aufeinander, bevor sein Schwert einfach abknickte und er unter der schweren Last zu Boden ging. Stacheln bohrten sich in seinen Brustkorb, in seinen Hals, aber sein Körper war schon zu schwach, um auch noch diesen Schmerz zu fühlen. Seine Rechte umklammerte das Heft des abgebrochenen Schwertes, noch immer warm.

    Eine Berührung reicht, so sagen es die Legenden. Ein winziger Funken Sonnenlicht

    Die rechte Hand zuckte, die Klinge blitzte, als sie den Schein der Sonne reflektierte und das Licht das Gesicht des Feindes berührte.

    Für einen Augenblick blieb die Welt stehen.

    Fast schienen die gelben Augen aus dem felsblockartigen Schädel zu treten. Dann fiel der Bestham, mit einem markerschütternden Brüllen fiel er, und noch während er fiel, flutete Licht aus seinem massigen Körper heraus und verbrannte ihn von innen. Die Keule bohrte sich in den Boden, traf seinen Arm ...

    Doch er spürte es schon nicht mehr. Er lag auf dem Rücken, erfüllt von Sonnenwärme und einem Hauch Glück, während Schnee, Asche, Ruß um ihn herum tanzten. Als er die Augen endlich schloss und ging, spürte er ihre sachte Berührung auf seinen Lidern.

    • Offizieller Beitrag

    Die Wahrheit

    von Der Wanderer

    Tränen verschleierten Za'endars Blick, als er den letzten Stein auf den Grabhügel legte, unter dem er seine Brüder zur letzten Ruhe gebettet hatte.

    Oder besser: Das, was er in den rauchenden Trümmern der Siedlung von ihnen noch hatte finden können. Er wischte sich den Schweiss von der Stirn und sein russverschmierter Arm hinterliess einen dunklen Streifen in seinem Gesicht, einer archaischen Kriegsbemalung gleich.

    Er holte tief Atem – einmal, zweimal. Dann klärte sich sein Blick, schweifte über die kleine Lichtung. Dort an den Rändern zum Wald hin schwelten die Überreste der Hütten, die ihm und den anderen Heimat gewesen waren, seit er denken konnte.

    Und in der Mitte, trotz der Rauchspuren im Licht der Abendsonne silbern glänzend die Stele, auf der die Schale seit ehedem geruht hatte.

    Und die jetzt fort war, gestohlen.

    Za'endar musste schlucken, ihm sass ein Kloss im Hals.

    Er kannte die Diebe und wusste um ihre Absichten, auch wenn es ihm verrückt erschien, daß sie glaubten sich einzig durch den Raub der Kraft und Macht des reinen Wassers der Schale zu vergewissern.

    Saassen'or, den sie von hier verbannt hatten, als er die Schale zu seinen Zwecken nutzen wollte, hatte das hier zu verantworten.

    Den Mord an den Brüdern des Ordens der Thaul, deren sterbliche Überreste er gerade begraben hatte, die Zerstörung dieses Ortes und den Raub der Schale.

    Saassen'or, der stets Diener des Eigennutzes gewesen war, den sie niemals in ihre Reihen hätten aufnehmen dürfen. Der immer wieder hierher zurückgekehrt war, ein Recht einzufordern, was ihm niemals zustand. Erst alleine, dann mit den ersten Anhängern seiner falschen Lehre. Und dann wurden es mit jedem Male mehr.

    Seine Worte schienen ihnen wie ein süsser Traum in die Hirne zu sickern, liessen sie, die anfänglich noch Respekt vor dem Orden hatten, fordernder werden.

    Es wäre ungerecht, wenn nur die Ordensbrüder den Segen des Wassers der Schale nutzen dürften, predigte Saassen'or. Jedem stünde darauf ein Recht zu...

    Und nun hatte Gewalt genommen, was lediglich gehütet worden war über all die Zeit.

    Diese Narren!

    Za'endar blickte hinab auf den Grabhügel, dessen Umrisse im schwindenden Licht der einbrechenden Nacht zu verschwimmen begannen.

    Seine Gedanken gingen hinaus, riefen sich die Gesichter seiner toten Ordensbrüder ins Gedächtnis zurück:

    Ordem, der sanftmütige Hüne mit den strahlenden grünen Augen. Sath'oon, dessen aufbrausender Charakter stets für Probleme gesorgt hatte. Alassin, der selten sprach. Und Aslador, der der älteste von ihnen gewesen war.

    Nicht ihr Abt, denn im Orden der Thaul gab es keinen, der den anderen gegenüber besondere Rechte gehabt hatte. Aber der Stimme des Alters wurde seit je hoher Wert zugemessen.

    Leise in der Ferne vernahm Za'endar den rythmischen Schlag der Trommeln, die Saassen'ors Triumph verkündeten. Oder das,was er dafür hielt.

    Za'endar richtete sich auf. Sog die letzten Sonnenstrahlen des vergehenden Tages in sich auf. Dann verneigte er sich vor der letzten Ruhestätte seiner Brüder, den er nur noch als Schemen wahrnehmen konnte, nestelte abwesend an der kleinen Phiole, die an einem ledernen Band um seinen Hals hing und machte sich auf den Weg...

    Strahlendes, goldenes Licht. In den Himmel aufstrebend, von einer flachen Schale ausgehend, die auf einem Baumstumpf ruhte.

    „So ist endlich geschehen, was uns schon lange zusteht, habe ich recht?“ rief Saassen'or, die Arme ausgebreitet.

    Rings um ihn herum brachen seine Anhänger in lauten Jubel aus, klatschten in die Hände und reckten die Fäuste in den von der Schale erleuchteten Himmel.

    „Seht ihr dieses Licht? - Wir haben es uns genommen, weil es seit je her uns gehört!!!“

    Saassen'ors Stimme überschlug sich fast, während ihm die Umstehenden noch frenetischer zujubelten.

    „Die Schale des reinen Wassers...“

    „Sie gehört Dir nicht!!!“

    Za'endar trat aus dem Schatten des Waldes auf die Lichtung, bahnte sich einen Weg durch die Anhänger Saassen'ors, die bei seinem Anblick verstummten und verhielt neben dem Baumstumpf, der Schale und dem, der den Orden der Thaul vernichtet hatte.

    „Sie gehört Dir nicht! Die Schale dient niemandem. Und niemand hat das Recht, sie zu seinen eigenen Zwecken zu missbrauchen“ schrie Ze'andor.

    Mit einem Ruck riss Ze'andor sich das Lederband vom Hals, hielt die Phiole hoch, in der ein strahlendes weisses Licht schimmerte.

    „Dies ist die Essenz. Hier ruht Wahrheit. Golden ist nur der Trug.“

    Saassen'ors Gesicht, verzerrt von Wut und Gier nach Macht war direkt vor ihm.

    „Dann gib sie mir!!! Der Orden derThaul ist ausgelöscht!!!“

    Saassen'ors Hände fuhren krallengleich auf die Phiole zu, fegten ins Leere, während Za'endar ihren Inhalt in die Schale goss.

    „Und jetzt berühre das Wasser,“ sagte Za'endar.

    „Die Schale kennt die Wahrheit.“

    • Offizieller Beitrag

    Vom Grind

    von Theo-Drecht

    «Lynn tu’s nicht, verdammte Scheiße!». Aber ich, ich hörte nicht auf ihn. Ich spurtete einfach los. Entwand meine Haare seinem gekrallten Griff, den er mir nachwarf, indem ich einfach mein Haarband durchriss. Und dann reingespurtet, gleich zwischen die Beine der Schaulustigen. Heute war wirklich die ganze Stadt auf den Socken. Ich merkte es an der Vielzahl der Hosen, die meinen Blick umwaldeten und ummufften. Seide reihte sich an Kartoffelsack, Kartoffelbraun an Purpur. Spitzschuh an Holzpantinen; über mir flogen die Krämer, Bäcker, Köhler, Mönche, Frauen, Diebe, Juden, Gesocks, Steuereintreiber und alle sonstigen Pfennigfuchser der Stadt vorbei. Einige blafften herunter, als ich ihre Knie mit der Handkante beiseiteschlug, andere ließen ihre Zuckerbrezeln oder Würstchen fallen, andere brachen zusammen. Gut so. Damit verstellten sie Mendel, meinem Verfolger dem Weg.

    Alle wollten sie sie sehen, sie, die heilige, Eroberin, die Schreckliche, die Sanftmütige, Herrscherin über uns und bald auch über alle weiteren sogenannten ‹freien› Städte südlich von uns. Frei, das hieß in diesen Tagen nur verletzlich. Frei, das hieß von schwarzmagischen Meuchelmördern mit unlöschbarem Feuer versengt zu werden. Die Pechvögel wachten brennend auf, die Glückskinder hatten sich vorher unaufgefordert als ihre Spione verdingt. Unser Stadtvater, der heute ebenso anwesend war, um vor seiner neuen Gebieterin das Knie zu beugen, hatte das einzig Richtige getan: Allen Stolz abgelegt und zu hoffen, dass sie ihren Ring, auf den er den Lehnseid küssen würde, nicht vergiftet hatte.

    Gift – als ob die Hohepriesterin sowas nötig hatte. Ihr Blick allein konnte töten! Ein Wisch ihrer Hand ließ Stadtmauern schmelzen. So zumindest hatte es mir Benno berichtet und der hatte das von Kardo und der von Cynthie und die war meistens zuverlässig. Sie hatte da so einen Esel, wenn man dem am Schwanz zog, konnte der… Naja. Das tut ja jetzt auch nichts zur Sache. Wie ich schon sagte, meistens zuverlässig.

    Benno hatte mir auch erklärt, wofür ich heute hier sein musste: «Na siehst du Lynnie, die alte Hexe ist heilig. Wenn sie nicht heilig wäre, würde man sie dann Hohe-priesterin nennen? Klar, worauf ich hinauswill? Jetzt heißt es aufmerken: Der Mantel von Herre Jesse Christo, dem Heiland, konnte – und kann! (denn mein Onkel weiß zufällig, wo er sich befindet) – sicherlich jede Krankheit heilen. Warum nicht auch der Mantel der Hexe? Denk mal nach… vielleicht könnte sie was tun um deinen… also um deinen… Zustand. Hm?»

    Meine Augen leuchteten immer noch, als ich um das Knie eines korpulenten Metzgers zurück richtung Häuserfront nach Mendel ausschaute. Jede Krankheit heilen… Gerne hätte ich Benno geküsst gehabt für die Information, aber naja… wenn er bloß dageblieben wäre. Mein Verfolger jedenfalls war nirgendwo zu entdecken.

    Ich schlich mich also umsichtiger vorwärts, in gleichem Maße, in dem die Hosen feiner, die Perlenbesätze bauchiger und die Trippen unter den Schuhen größenwahnsinniger wurden. In diesen vorderen Rängen jemanden umzustoßen konnte einen schonmal den Kopf kosten.

    Da brachen die Straße aufwärts heran die ersten Hoch-Rufe los. Die Hohepriesterin war eingetroffen. Endlich geschah etwas. Ich verspürte ein wohliges Kribbeln, was allerdings immer auch dem… ähem… meinem Zustand geschuldet sein konnte. Ganz allgemein wusch schon so ein Anflug von Andacht, eine ganz allgemeine Heiligkeit über den Platz, hob die Nackenhaare und die Mützen.

    «Hab ich dich!» schrie Mendel hinter mir.

    Scheiße. Mir blieb nichts, als der letzte Ausweg. Ich trat nicht, ich kratzte nicht, ich schrie nicht, wie andere Mädchen es vielleicht tun würden: Ich spuckte. Das war mein Trumpf. Und ich hatte richtig geschätzt: Mendel warf sich todesmutig rücklings in die Menge und ging unter in einem Kegelwall aus Leibern. Kostbar angetanen Leibern. Seine angstverzerrte Grimasse vergesse ich bis heute nicht.

    Aber viel Zeit dürfte ich mir damit nicht erkauft haben. Ich preschte also vorwärts. Schlug und trat die Edelleute als gäbe es kein morgen und kein Personenstandsregister. In Nullkommanix flog auch schon das Gitter aus metallbesparrten Soldatenschienbeinen auf mich zu.

    Und dahinter. Ein schwarze Schleppe. Gewirkt aus Federn schwarzer Schwäne. Gewoben aus Zaubern unaussprechlicher Gruseligkeit.

    Nur noch die Soldaten sperrten den Weg zwischen der Menge und meiner Wunderheilung auf dem Paradeweg. Aber das machte nichts. Mit genug Kraft, Mädchenkraft, sollte ich, Projektil meiner Verzweiflung, einfach durch sie durchschmettern.

    Und das tat ich.

    Halten wir diesen kostbaren Moment kurz an, und reflektieren noch einmal, wer das ist, der da gerade in die Paradegasse stürzt und sich vor der ganzen Stadt zum Affen macht. Nur damit ihr das ganze Verhängnis meiner Doofheit erfasst.

    Sie bin also ich: Lynn. Und ich wünsche mir nichts in der Welt mehr als einen Kuss.

    Was das mit meinem Anschlag auf die Hohepriesterin zu tun hat? Erfahrt ihr sofort. Bis dahin seht mich einfach noch einmal an als das Mädchen aus der mittleren bis oberen Gosse. Bevor sich euer Blick auf mich für immer verstellt. Ein gewöhnliches, unscheinbares geradewegs, abgesehen davon vielleicht, dass ich mich niemals verkauft habe. Aus Gründen, ehrlich! Ich hätte es getan, wenn nur jemand… Pfuh. Denkt ihr, ich habe Spaß am arm sein?

    Zuvor noch zu dem, der mir hinterherrennt, um mich vor einer der größten Dummheiten meines Lebens zu bewahren. Ich glaube aber, ich habe ihn inzwischen vollständig abgehängt. Hoffentlich ist die Dicke nicht gleich auf ihn gefallen. Mendel (nicht Benno!) ist mein bester Freund. Zwar hält er anders als mein Informant von der heutigen Aktion überhaupt gar nichts, weswegen er mir hinterherjagt, aber ansonsten und anderntags ist er mein erster Kompagnon, mein Mädchen für Alles.

    Aber auch er will nicht. Nicht einmal zum Probieren. Offiziell begründet er das damit, dass er «nicht will», aber ich vermute da mehr dahinter. Ich glaube, er mag keine Mädchen. Lasst das bloß nicht den Priester hören!

    Die Alternative nur wäre: Er mag mich nicht. Und sind wir mal ehrlich. Würde mich das kümmern?

    Ja, das würde es antwortet eine Stimme aus meiner Brust. Das würde es nicht nur, das tut es sogar, fügt sie lakonisch hinzu. Grrr, Diese Stimme! Ich würge sie ab, bevor sie zu redselig wird. Das fehlt mir noch für meinem Monolog.

    Sie, und ich schäme mich, dass Ihr diesen Moment der Schwäche überhaupt mitbekommen müsst, das ist die Stimme, die abends wach wird. Und wach bleibt. Meistens mit mir gemeinsam, weil sie mich beim Einschlafen beunruhigt. Wenn die Gewürzhändler unten auf dem Marktplatz einpacken und den Zimtgeruch mit dem Einschlagen ihrer Tücher unter alle Dächer wirbeln. Wenn das Ziehen im Magen unerträglich wird. Wenn in allen Zimmern geliebt wird, der Freund seine Freundin, der Bruder die Schwester, der Vater die Tochter, der Sohn die Katze. Ich höre sie. Ich höre sehr genau hin, abends. Selbst die Katze zu sein würde ich vorziehen. Denn mich, nur mich liebt niemand.

    Ein Glück, dass Abends auch die Spiegel blind werden. Blind wie mein Urteilsvermögen und stumpf die Spitzen meines Humors, die mich sonst durch den Tag kitzeln. Auf diese Weise werde ich nämlich nur morgens und mittags (wenn die Stimme gerade schläft) daran erinnert, weshalb die Männer ihre Blicke von mir nehmen. Und die Frauen. Und die Frauen, die wie Männer aussehen, die ich nämlich ebenso nicht von der Bettkante…und so…! Selbst die Bettler und Kinder. Und von mir nehmen ist noch milde ausgedrückt. Sie zucken zurück, wenden sich angewidert ab, spucken mir vor die Füße, schlagen das böse Mal, bewerfen mich mit saisonalen Erzeugnissen…

    Wisst ihr, ich finde das schade, dass ihr es überhaupt erfahren müsst. Oder vielmehr erfahren wollt, was ich euch gerne übel nähme, wenn es nicht gar so verständlich wäre. Ach! Fast könnte ich mir einbilden, ihr wolltet meine Freunde sein. Mein Freund. Vielleicht. Sogar.

    Aber…:

    Ich habe den Grind. Ja, den Grind. Jetzt ist es raus. Und ich darf euch versichern: Es ist widerwärtiger, als es sich liest.

    Wie es sich damit lebt? Eigentlich sollte ich sehr schön sein, abgesehen vom Grind natürlich. Ich glaube, es gibt niemand anderen so hässlichen in der Stadt, der seine Spiegel so frenetisch poliert. Nicht nur, weil ich mich eigentlich recht gerne betrachte, sondern weil ich mich auch erschrecke vor jedem Tünch Grünspan auf dem diffus mich widerspiegelnden Silber. Nicht, dass der Grind noch Flecken schlägt.

    Zurück zum Küssen also. Meinem Wunsch. Der mich aufzehrt. Abends liege ich oft nieder in den Laken und male mir aus, wie es wäre, jemandem diesen Körper zu öffnen. Einem Mann, einem Jüngling, einem Burschen – einem Knaben? Er ist durchaus makellos, dieser mein Körper, voll und weich oder stramm und knöchern; wie es wo auch immer zu sein hat – ich habe alles. Meine Zehen lasse ich versonnen wackeln. Aber auch habe ich den Grind. Und das lässt sich nunmal niemand zumuten. Nicht einmal einer wie Kardo.

    Und deswegen fliegt das Lumpenmädchen gerade, mit einem vor Wahnsinn irrlichterndem Blick, zwischen der übertölpelten Palastgarde aus der Menge und auf die mächtigste Frau und Schwarzmagierin der bekannten Welt zu. Deren Blicke töten. Vor der unser Stadtvater dahinschmilzt. Es ist der Grind. Und… etwas notgeil war ich vielleicht auch. An dem Tag.

    Und play.

    Die Hohepriesterin wandte schlangenschnell den Kopf und riss die Augen auf. Aber falls sie ihr Manaschild noch zu aktivieren suchte oder dergleichen, so schien es mich nicht mehr aufzuhalten. Ich stürzte in die schwarze Schleppe ihres Mantels. Verhedderte mich heilsam darin. Ich beharre allerdings auf meiner Version, dass dieser Nekro-Mantel sich an mich festgekrallt hat und nicht umgekehrt. Gierig, das.

    Die hohe feingliederige Magierin konnte sich angesichts meiner unvermuteten Zuladung an ihrem Hals nicht halten und stürzte rücklings über mich. Wir rollten einige Mal, schrundeten uns auf am sandigen Pflaster und kamen endlich in einem Puddel aus gelösten schwarzen Schwanendaunen zum liegen. Brust auf Brust und Bein auf Bein.

    Kurz genoss ich die ungewohnte Nähe, bis ich schon an den Haaren herausgerissen wurde und mich vor einem Wald aus gestreckten Schwertern wiederfand. Rechts von mir sah ich Mendel mit treudoofem Gesicht aus der Menge lugen.

    Dann der unvermeidliche Aufschrei. Einige der Klingen zuckten zurück, andere drängten sich noch näher an meine Kehle, als die Soldaten meiner ansichtig wurden.

    «Es ist der Grind!»

    Er war also noch da, mein Fluch. Der Mantel hatte nichts geleistet! Den Tränen nahe schlug ich meine Fäuste auf das Straßenpflaster. Und die Hohepriesterin um Heilung zu bitten, dazu war es jetzt ohnehin zu spät. Meine Mitbürger, zwischen deren Hosenbeinen ich eben noch gewuselt war, stoben auseinander wie ein aufgeprallter Schneeball. Sie fanden erst zu einem weiten Kreis um die Unglücksstätte wieder zusammen. Näher trauten sie sich nicht – so hässlich war ich.

    Bis heute Abend würde nur noch der Rauch allgemeiner Dekontamination durch die Straßen der Stadt treiben. Viele Hosen, die ich angeblich berührt haben sollte, sahen ihrem Ende entgegen. Ob Purpurrot, ob Kartoffelbraun. Ja ja – Vor dem Grind sind wir alle gleich.

    Mendel laberte mich dann irgendwie da raus. Nach nur zwei Tagen Kerker. Ich hatte schon länger eingesessen einfach nur aus epidemiepolitischen Gründen.

    Zwei Tage später bekam die Hohepriesterin nämlich auch den Grind. Die Leute ängstigen sich nun, sie könnte die ganze Stadt damit verhexen, aus Neid. Natürlich wundern sich jetzt alle, warum sie sich nicht einfach selbst heilt, mittels ihrer Magie. Aber Viele sagen auch, den Grind, den kann man nicht weghexen.

    Nun ja. Was mich angeht… also…. Kommt näher, ich flüster es euch! – Nicht so nah, ihr wollt doch nicht…! Na wie auch immer. Das dürft Ihr jetzt niemandem weitersagen aber… Ich fände das eigentlich gar nicht mal so schlimm. Also wenn einfach Alle den Grind bekämen.

    Vielleicht, ja vielleicht wäre ich dann nicht mehr so allein.

    • Offizieller Beitrag

    Die verlorenen Seelen der Mors Navis

    von Rainbow

    Die Sonne versank bereits hinter den Hügeln und tauchte den menschenleeren Strand in ein orange-rotes Licht.

    Den Blick aufs Meer gerichtet, schlenderte sie auf eine der Molen zu, die ein gutes Stück ins Meer reichten und an deren Ende der alte West-Leuchtturm stand.

    Vor langer Zeit war dieser Ort ein beliebtes Ausflugsziel für Verliebte gewesen. Heute nisteten die Vögel in dem maroden Dachgestühl und der Wind pfiff durch das eingefallene Mauerwerk.

    In Gedanken versunken näherte sie sich der Holzbank, welche sich an dem efeubewachsenen Eingang befand, als ein Geräusch ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war eine Flasche, die von den Wellen gegen die felsigen Steine getragen wurde.

    Das letzte Licht des Tages spiegelte sich auf der grünlich schimmernden Oberfläche des Behältnisses und beinahe sah es so aus, als käme ein pulsierendes Leuchten aus seinem Inneren.

    Wie gebannt starrte sie auf das Farbenspiel, das sie in ihren Bann zog und fischte die Flasche mit wenigen Handgriffen aus dem Wasser.

    Der Korken, welcher als Verschluss diente, war bereits stark in Mitleidenschaft gezogen und dennoch schien er seinen Zweck erfüllt zu haben.

    Neugierig drehte sie den sonderbaren Fund in ihren Händen, versuchte einen Blick auf das zu erhaschen, was sich darin befand. Doch das unerklärliche Leuchten, das zuvor noch so deutlich aus der einsetzenden Dämmerung hervorgestochen war, schien erloschen zu sein.

    Der Wind frischte auf, griff ihr in die Haare und ließ die Wellen nun wild und ungestüm gegen die Felsen branden. Gischt schlug ihr entgegen, während die aufziehenden dunklen Sturmwolken das letzte Blau des Himmels verschluckten.

    Sie musste zusehen, dass sie hier weg kam. Derartige Wetterumschwünge waren an der Küste keine Seltenheit und hatten schon so manchen unbedachten Touristen in ernstzunehmende Schwierigkeiten gebracht.

    Von einer plötzlichen Unruhe getrieben, kletterte sie zurück auf den Weg.

    Kaum spürte sie den festen Boden unter den Füßen, richtete sie sich auf und erstarrte bei dem, was sie erblickte.

    Der Leuchtturm. Er war nicht mehr alt und eingefallen. Vielmehr erstrahlte er in seiner ursprünglichen Pracht, als hätten ihm all die Jahre hier draußen nicht das geringste anhaben können. In dem Laternenhaus loderte ein Leuchtfeuer, das sein Licht kilometerweit aufs offene Meer hinaustrug.

    Wie war das möglich?

    Mit einem Ruck wurde die massive Holztür vor ihr aufgerissen und heraus trat ein hochgewachsener langbärtiger Mann.

    Erschrocken wich sie einen Schritt zurück.

    „Was hast du hier zu suchen?“, herrschte der Kerl sie an.

    „Ich, äh...ich wollte nur...“

    „Los! Rein mit dir. Hier draußen wird es gleich ziemlich ungemütlich.“

    „Bitte was? Aber…“ Schon hatte er sie gepackt und bugsierte sie mit zwei langen Schritten durch die Tür.

    „Nein! Ich … ich sollte lieber gehen“, wollte sie ansetzen, doch die schwere Verriegelung, die soeben hinter ihr ins Schloss gefallen war, belehrte sie eines Besseren.

    „Du gehst nirgendwo hin!“, brummte der Bärtige. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und platzierte sich vor einem der Fenster, die zur Meerseite herausgingen. Sein Blick schien nach etwas Ausschau zu halten.

    Er flüsterte irgendetwas. Kaum verständliche Worte, die wie ein Mantra klangen, welches er wieder und wieder aufsagte.

    Ihr Räuspern ließ ihn zu sich herumfahren.

    „Ich weiß nicht wer du bist oder wie du hierher gekommen bist“, setzte er an und machte einen Schritt auf sie zu, „aber heute ist dreimal verfluchte Vollmondnacht. Ich werde einen Teufel tun und dich wieder gehen lassen.“

    „Vollmondnacht?“ Begleitet von einem fassungslosen Schnaufen sah sie ihn an.

    „Ja!“, sagte er, während sein hoffnungsvoller Blick an der Flasche in ihren Händen hängen blieben. „Du bist es. Du bist die, auf die wir gewartet haben.“

    „Ich glaube kaum, dass-“

    „Ruhe jetzt!“, unterbrach er sie. „Wir haben nicht mehr viel Zeit.“

    „Zeit?… Zeit wofür?“

    „Dafür das Unrecht wieder gutzumachen.“

    „Ich verstehe nicht“, setzte sie erneut an.

    „Erzähl mir nicht, dass du noch nie etwas von den Verdammten der Mors Navis gehört hast.“

    „Der Mors Navis?- Dem Todesschiff?“, brachte sie hervor. „Aber das ist nur eine Legende. Mein Urgroßvater hat mir davon erzählt.“

    Das Schnaufen des Mannes klang abfällig. Mit überheblicher Arroganz hob er eine Braue, als er auf sie herabblickte und mit dem Daumen über die Schulter in Richtung Fenster zeigte.

    „Sieht das da draußen für dich nach einer Legende aus?“, fragte er während seine Augen einen unheilvollen Ausdruck annahmen.

    Vorsichtig schob sie sich an ihm vorbei und spähte aus dem kleinen Sprossenfenster. Zuerst sah sie nichts als tiefschwarze Finsternis, bis sich das Bild vor ihr aufklarte und sie eine Art silbernen Nebel ausfindig machen konnte, der sich in dichten Schwaden über das Meer schob. Erst bei genauem Hinsehen erkannte sie, dass er die Form eines Dreimasters annahm, der in der Ferne auf den sturmgepeitschten Wellen trieb.

    „Deine Vorfahren waren es, die damals meinten, sie könnten die Seuche bekämpfen, indem sie die Kranken wie Aussätzige auf das Schiff verfrachteten. Dazu verdammt, da draußen zu ankern in der steten Hoffnung auf Heilung, während es einen nach dem anderen dahinraffte.“

    Ein dicker Kloß breitete sich in ihrem Hals aus. Ungläubig sah sie zu ihm auf.

    Er deutete auf die Flasche in ihren Händen. „Als man das Heilmittel gefunden hatte, kenterten die Boote bei dem Versuch, es hinauszubringen. Ein Sturm war aufgezogen, wie ihn Fjönsthal nie zuvor gesehen hatte. Sämtliche Kisten versanken im Meer oder zerschellten an den Felsen. Für die Besatzung mitsamt den gottverlassenen Seelen der verstoßenen Dorfbewohner gab es keine Hilfe… bis heute.“

    Ohne eine Miene zu verziehen, ruhte sein Blick auf ihr, während die Erkenntnis zu ihr durchsickerte.

    „Bis heute?“, fragte sie ungläubig. Was wollte dieser Verrückte ihr weismachen? Dass dort draußen ein Geisterschiff herumschipperte? Diese Geschichte war nicht mehr als ein Mythos. Eine gruselige Anekdote, die man sich erzählte, um die Historie ihres Heimatdorfes interessanter zu machen.

    „Seit nunmehr fast einhundert Jahren, gibt das Meer in jeder Vollmondnacht nur eine einzige Flasche frei. Nur eine“, bestätigte er ihren Verdacht, woraufhin das Behältnis in ihrer Hand wie auf Kommando zu leuchten begann.

    „Dies ist der Schlüssel“, sagte er. „Du hast ihn gefunden. Es liegt an dir, den Bann zu brechen.“

    „Was muss ich dafür tun?“

    „Bring das Heilmittel dorthin, wo es hingehört. Übergib es an seinen rechtmäßigen Besitzer. Doch bedenke, dass jede Seele...“

    „Ich tue es!“, unterbrach sie ihn, ohne zu wissen, woher sie ihre Entschlossenheit nahm.

    Nach einem kurzen Zögern nickte ihr der Mann zu und trat beiseite, um den Riegel von der Tür zu nehmen.

    Wie eine Nussschale wurde das kleine Ruderboot auf den Wellen hin- und hergeworfen. Dunkelheit hüllte sie ein, während die Regentropfen wie Peitschenhiebe in ihr Gesicht schlugen und ihr die Sicht nahmen.

    Nur mit Mühe gelang es ihr, den Kurs zu halten und den silbern glänzenden Nebel anzusteuern, der sich zunehmend verdichtete. Er verformte sich bis sie darin den Dreimaster erkannte, welchen sie vorhin bereits vom Fenster aus gesehen hatte.

    Ihr Blick wanderte zu der Flasche. Sie würde es schaffen! Sie würde die verlorenen Seelen befreien und die Ungerechtigkeit ausgleichen. So, wie es ihr die säuselnden Stimmen in ihrem inneren zuriefen.

    Mit jedem Ruderschlag, den sie sich ihrem Schicksal näherte, pochte ihr Herz einen Ticken schneller.

    Dann stieß sie mit ihrem Boot gegen die harte und unnachgiebige Seite des Schiffes, das mit einem Mal vor ihr aufragte. Ihre Hand glitt an dem von Algen und Muscheln überwucherten Holz entlang, in der Hoffnung einen Weg zu finden, um hinauf zu gelangen.

    Kurz glaubte sie, einen Schatten an Deck erkennen zu können. Im nächsten Moment fiel ihr eine Strickleiter entgegen.

    Einen letzten Blick über die Schulter werfend, ließ sie ihr Boot zurück und kletterte die wackelige Konstruktion herauf, die Flasche sicher verstaut unter ihrer Jacke.

    Ihre Atmung ging stoßweise, als sie sich mit letzter Kraft über die Reling schwang und mit einem harten Aufprall auf dem Schiffsdeck aufschlug. Für einen Moment glaubte sie Sterne zu sehen.

    „Wer bist du?“, riss sie in dem Moment eine tiefe Stimme aus ihrer Starre, die selbst über das Heulen des Windes laut und deutlich zu hören gewesen war.

    Als sie sich aufrichtete, sah sie in das Gesicht eines Mannes. Seine Gestalt waberte wie durchsichtiger Nebel und dennoch war sie sich sicher, dass sie ihn würde berühren können, wenn sie es gewollt hätte. Trotz seiner verhärmten Kleidung, die lose an seinem Körper schlackerte, strahlte er nach wie vor die Autorität eines Kapitäns aus.

    Ohne den Blick von ihm abwenden zu können,holte sie die Flasche hervor. Der magische Glanz tauchte die Umgebung in einen warmen Schein. Nun erkannte sie all die anderen geisterhaften Umrisse die sich aus der Finsternis erhoben und sich langsam auf sie zubewegten.

    „Ich bringe euch das Heilmittel. Ihr seid erlöst!“, sagte sie mit zitternder Stimme.

    Unglauben zeichnete sich auf dem Gesicht des Mannes ab.

    „Bist du wirklich bereit, den Bann zu brechen? Jede gerettete Seele hat ihren Preis.“

    Mit einem bestimmten Nicken wischte sie die letzten verbliebenen Zweifel beiseite und schlug in die Hand ein, die ihr aus der Dunkelheit entgegen gestreckt wurde. Das Kribbeln, welches ihren Körper durchfuhr, schien ihren Entschluss auf unwiderrufliche Weise zu besiegeln.

    Ein lautes Ächzen fuhr durch das Schiff, brachte die morschen Holzplanken zum Stöhnen. Wie eine Staubwolke, die vom Wind davon getragen wurde, löste sich das Bild vor ihren Augen auf.

    Der Boden zu ihren Füßen verschwand.

    Sie fiel.

    Kälte hüllte sie ein, griff mit ihren klammen Fingern nach ihr und zog sie hinab in die Tiefe.

    Jede Seele hat ihren Preis, hallten die Worte in ihr nach, während die schaurige Erkenntnis den restlichen Sauerstoff aus ihren Lungen presste.

    Nur ein grünliches Schimmern, das gemeinsam mit ihr herabsank spendete noch Licht, bis auch dieses erlosch und die Finsternis sie begrub.

    • Offizieller Beitrag

    Dîner bei Baron Colette

    von Novize

    „Auf dass sie sich in Schmerzen winde.“

    Ihre Worte waren nur geflüstert, aber sie transportierten so viel Hass, dass sie den gesamten Raum der kleinen Abstellkammer einzunehmen schienen.

    „Auf dass ihr die Lungen den Dienst versagen.“

    Sylvies Augen schienen zu glühen, als sie die Tinktur mit der magischen Formel beschwor.

    „Auf dass ihr Herzschlag für immer versiegt.“

    Damit gab sie die letzten Kräuter in die Ampulle. Alois erschauderte, als er daran dachte, dass er heute das Leben eines Menschen beenden würde. Doch es erfüllte ihn auch mit Stolz, dass er damit das Schicksal seiner und Sylvies Familie rächen würde.

    Die Flüssigkeit im Gefäß färbte sich tiefschwarz. Ab jetzt mussten sie das Gemisch mit äußerster Vorsicht behandeln – jeder Kontakt mit der Haut konnte den Tod bedeuten. Hochkonzentriert verschloss Sylvie die Ampulle mit einem Korken. Die tiefe Verbitterung in ihrer Miene wich einer ungleichen Wärme, als sie ihm ins Gesicht blickte und sich sein Herzschlag beschleunigte.

    „Verzeih, dass ich dir diese Aufgabe aufbürden muss. Aber die Gefahr ist zu groß, dass sie mich erkennen und Verdacht schöpfen würde.“

    Alois nickte und verstaute die tödliche Ampulle, als es an der Tür klopfte.

    „Genug der Zweisamkeit, ihr Turteltäubchen“, drang die spöttische Stimme des Kochs in die Kammer hinein. „Die Tafel deckt sich nicht von selbst.“

    „Wir treffen uns am Hinterausgang, wenn alles vorbei ist.“ Sylvies Miene verhärtete sich und er entdeckte einen Schmerz darin, den er nur zu gut kannte. „Heute ist der Tag der Vergeltung!“

    Ihr verbittertes Gesicht brannte sich in Alois Gedächtnis ein, als sie die Kammer in unterschiedliche Richtungen verließen. Es war der gemeinsame Hass, der sie so eng zusammen gebracht und ihnen eine neue Lebensaufgabe gegeben hatte. Aber wie würde sich ihre Liebe entwickeln, wenn ihr Hunger nach Rache gestillt wäre?

    Alois brachte umständlich seine Kleidung in Ordnung und zauberte prompt ein Grinsen auf die Gesichter des Küchenpersonals. Gut! Niemand schöpfte Verdacht. Als er den Holzboden der geschäftigen Küche durchschritt, begannen seine Finger zu zittern, als scheuten sie die bevorstehende Aufgabe. Beruhige dich! Nichts war so berechenbar wie ein Dîner bei Baron Colette. Jeder Hausdiener verantwortete seinen eigenen Abschnitt des Tisches. Jeder Gast hatte seinen Stuhl. Jede Gabel hatte ihren Platz. Nichts wurde dem Zufall überlassen – die perfekte Kulisse für ihren Plan. Kurz stieg das schlechte Gewissen in ihm empor, als er bedachte, wie sie Colettes Vertrauen für ihr Vorhaben missbrauchten. Der Baron war immer gut zu ihnen gewesen.

    Alois blieb vor einem Tablett mit auf Hochglanz polierten Aperitifgläsern stehen und wartete. Nervös fühlte in seiner Hosentasche nach der Ampulle und den Tüchern, als aus der Vorratskammer das laute Klirren von zerbrechendem Geschirr drang. Endlich! Fluchend liefen die anderen Diener in die Richtung des Geschehens. Der Moment war gekommen. Mit schnellen Handgriffen zog Alois Ampulle und Tuch hervor, entfernte vorsichtig den Korken, träufelte ein paar Tropfen auf das Textil und verschloss die Ampulle sofort wieder.

    „Wie kann man so dämlich sein?“, bellte die erregte Stimme des Kochs aus der Kammer, gefolgt von Sylvies kleinlauten Entschuldigungen.

    Rasch zog er das zweite Tuch aus der Tasche, hielt damit ein gefülltes Glas auf dem Tablett fest und verteilte mit dem präparierten Textil die tödliche Flüssigkeit auf der Außenfläche des Trinkgefäßes.

    „Das war das letzte Mal, dass ich euch beiden einen Gefallen getan hab!“ Die laute Stimme des Küchenchefs ließ Alois aufschrecken. Schnell ließ er die Ampulle in seiner Hosentasche verwinden, denn im nächsten Moment trat der Koch ihm mit hochrotem Kopf gegenüber. „Das nächste Mal erfährt Colette davon! Jetzt Abmarsch!“

    Alois blickte demütig zu Boden und griff nach seinem Tablett. Auf dem Weg zum Speisesaal warf er die beiden Tücher ins Kaminfeuer, dessen Flammen die Mordwerkzeuge gierig verschlangen. Als er den festlich gedeckten Saal betrat, fixierte er sofort den Platz, auf dem Artoria sitzen würde und alle Muskeln seines Körpers spannten sich reflexartig an. Er begann das Geschirr auf seinem Tischabschnitt zu verteilen und blickte sich unauffällig um, bevor er das kaum wahrnehmbar schimmernde Glas mit einer Serviette neben dem Teller der Magierin platzierte. Geschafft! Erleichtert trat er auf seine Position zurück.

    Mit einem tiefen Knarren öffnete sich die Doppeltür des großen Saals, als die hohen Gäste eintraten. Die Hausdiener standen mit hinter dem Rücken verschränkten Händen auf ihren Plätzen. Ab jetzt rührte sich keiner mehr.

    „Meine Damen, meine Herren – willkommen in meinem bescheidenen Anwesen!“ Colette trat den Gästen mit einem warmen Lächeln und geöffneten Armen entgegen und läutete damit den Austausch der üblichen Begrüßungsfloskeln ein. Ein Schauer durchfuhr Alois Körper, als die Magierin mit ihren grauen Haaren und der roten Robe in sein Blickfeld trat. Alles widerstrebte ihm, diesem Monster ruhig gegenüber stehen zu müssen. Derjenigen Alchemistin, deren Experimente seinen Bruder und seinen Vater das Leben gekostet und seine Mutter in den Wahnsinn getrieben hatten. Er biss sich auf die Lippen, als der ihm so wohlgesonnene Colette Artoria herzlich in den Arm nahm und sie zu ihrem Platz direkt vor ihm führte.

    „Meine Dame“, begann der Gastgeber. „Ihr habt so viel für unsere Stadt getan. Erweist mir die Ehre und nehmt an meiner Stelle am Kopf der Tafel Platz.“

    Alois erbleichte. Erstaunt schaute Artoria zu Colette.

    „Ich bestehe darauf“, fügte dieser mit gespieltem Ernst hinzu, den die Magierin mit einem charmanten Lächeln erwiderte.

    Alois trat der Schweiß auf die Stirn. In seiner Hilflosigkeit räusperte er sich lautstark, was ihm einen irritierten Blick Colettes einbrachte. Artoria schien ihn erstmals wahrzunehmen und begann ihn aufmerksam zu mustern.

    „Ich … verzeiht Baron, ist es nicht unüblich, dass …“, stammelte Alois.

    Als Colette ihn entrüstet unterbrechen wollte, kam ihm die Magierin zuvor.

    „Aber der junge Mann hat Recht, Colette“, sagte sie in versöhnlichem Ton. „Es wäre völlig fehl am Platze, euer Angebot anzunehmen. Ich bestehe meinerseits darauf, meinem Platz zu behalten.“

    Alois hielt den Atem an. Etwas irritiert schaute Colette zu seinem Diener, erwiderte dann aber Artorias Bitte mit einem Lächeln. Alois hatte alle Mühe, sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Während die Magierin sich setzte, lies sie ihn nicht aus den Augen, wurde dann aber von Marise, Colettes Frau unterbrochen, die ihr gegenüber Platz nahm.

    „Ich bin fasziniert von eurer Forschung“, begann die Baronesse das Gespräch. „Was ihr an Heilmitteln für unsere Gesellschaft geschaffen habt, ist eine beeindruckende Leistung.“

    „Es ist nicht nur meine Leistung“, erwiderte Artoria demütig. „Es ist auch die Leistung der vielen Freiwilligen, die ihr Leben für die Wissenschaft gegeben haben.“

    Alois ballte seine Fäuste so fest, dass er am ganzen Körper zu zittern begann. Freiwillig? Artoria hatte genau gewusst, welche Gefahr von ihren Tränken ausging und sie hatte es ihren Testobjekten verschwiegen, die zu Hunderten jämmerlich daran verreckt waren. Er musste all seine Kraft aufwenden, um nicht in Protest aufzuschreien und fixierte mit seinem Blick das Glas der Magierin, um seine Wut zu stillen. Heute ist der Tag der Vergeltung!

    Nur einen Augenblick hatte Alois Artoria aus den Augen gelassen. Doch dieser Augenblick sollte sich rächen. Die Magierin hatte ihr Gespräch mit Marise nämlich bereits beendet. Zu seinem Entsetzen folgte sie nun seinem Blick und musterte mit kritischen Augen die Reflexion, die das einfallende Licht in ihrem Trinkglas erzeugte. Diese unterschied sich nur winzig, aber doch sichtbar von den Gläsern der anderen Gäste. Alois Magen zog sich langsam zusammen, als Artoria begann, den Saal auf der andern Seite des Tisches kritisch zu mustern.

    Nein! Alois Knie schienen mehr und mehr nachzugeben, als er beobachtete, wie die Magierin in aller Ruhe ein paar feine Lederhandschuhe aus ihrer Handtasche fischte und über ihre Finger zog.

    In diesem Moment wurde die Tischglocke geläutet und in Erwartung des Grußwortes richteten sich alle Augen auf den Gastgeber – außer die von Artoria. Mit einer für ihr Alter bemerkenswerten Schnelligkeit griff sie mit einer Hand nach dem Glas von Marise und stellte ihres mit dem Handschuh auf den frei gewordenen Platz … zumindest fast.

    Alois erstarrte. Fast beiläufig drehte Arotia sich zu ihm herum und warf ihm einen Blick zu, der das Blut in seinen Adern gefrieren ließ.

    Nichts war so berechenbar wie ein Dîner bei Baron Colette. Jeder Hausdiener verantwortete seinen eigenen Abschnitt des Tisches. Und Sylvies geübtem Auge entging nichts, sodass sie sich rasch aus der Reihe der Hausdiener löste, als sie das falsch platzierte Glas von Marise bemerkte.

    „Nicht!“, brüllte Alois aus voller Kehle.

    Alle Anwesenden drehten sich geschockt in seine Richtung. Sylvie lies vor Schreck das Glas aus ihrer Hand fallen. Ihre Augen weiteten sich in blankem Horror, als sie verstand.

    In Verzweiflung wimmernd rannte Alois um den Tisch herum seiner Geliebten entgegen, der jede Farbe aus dem Gesicht gewichen war, während sich der blutrote Inhalt des Aperitifglases auf die weiße Tischdecke ergoss, die ihn gierig aufzusaugen schien.

    Sylvies Knie knickten ein.

    Auf dass sie sich in Schmerzen winde.

    Sie stieß einen markerschütternden Schrei aus, der Alois wie ein Messer ins Fleisch fuhr.

    Auf dass ihr die Lungen den Dienst versagen.

    Sylvies Augen traten aus ihren Höhlen, sie riss ihren Mund weit auf, ohne dass ein Ton ihn verließ und rote Äderchen traten auf ihren bleichen Wangen hervor. Verzweifelt drückte Alois ihre Hand in der Hoffnung, ihre Leiden dadurch lindern zu können. Tränen schossen in seine Augen.

    Auf dass ihr Herzschlag für immer versiegt.

    Sylvie bäumte sich ein letztes Mal auf und ihre Hände verkrampften sich wie die Krallen eines Greifvogels. Alois war, als fiele er in den tiefsten, kältesten Ort, den ein Mensch sich vorstellen konnte.

    Wie in weiter Ferne nahm er den Trubel um sich herum wahr und erkannte aus dem Augenwinkel, wie Artoria sich über Sylvies Leiche beugte.

    „Plötzlicher Herzstillstand“, vernahm er ihre ernste Stimme. „Ein schreckliches, aber kein seltenes Schicksal. Ich hoffe, dass wir so etwas durch unsere Forschung in Zukunft verhindern können.“ Er spürte eine Hand auf seiner Schulter und hörte Artorias Stimme in sensiblem Tonfall fortfahren: „Ihr müsst sie näher gekannt haben. Richtet ihrer Familie mein herzliches Beileid aus.“

    • Offizieller Beitrag

    Die Erwählte

    von LadyK

    Mit einer geübten Bewegung zog sie das weiße Gewand an und zog die Kapuze über den Kopf. Das Haar streng im Nacken zusammen gebunden und das Gesicht sorgsam hinter dem Schleier verborgen, verließ sie das Zimmer, das sie seit ihrer Geburt ihr Zuhause nannte. Draußen warteten bereits vier Männer der Loge, um sie in die Halle des Heiligtums zu bringen.

    Schweigend machten sie sich auf den Weg. Ihre Schritte hallten auf dem nackten Steinboden wieder und die unangenehme Stille sorgte dafür, dass sie ihr eigenes Herz schlagen hören konnte.

    Lange Zeit hatte die Loge sie auf diesen einen Moment vorbereitet. Dieser Tag, der ihr Leben grundlegend auf den Kopf stellen sollte.

    Heute, an ihrem sechzehnten Geburtstag, würde sich entscheiden, ob sie die nächste Erwählte wird oder ob sich die Zeichen der Vergangenheit geirrt hatten.

    Nervös knetete sie ihre Hände, die sie vor ihrem Körper in den Ärmeln der Robe verborgen hielt. Die letzten Nächte waren voller Fragen gewesen und obwohl die Loge sich Mühe gegeben hatte, ihre Angst zu nehmen, quälte sie die Vorstellung, dass sie nicht diejenige war, nach der man suchte.

    Viele vor ihr hatten den Gang zum Heiligtum gewagt und niemand war wieder herausgekommen. Was mit ihnen geschehen war, hütete die Loge, als wäre es eine unaussprechliche Zauberformel. Man flüsterte sich zu, dass die Unwürdigen vor dem Heiligtum einfach zu Staub zerfielen. Andere Geschichten besagten, dass sie zu Stein erstarrten, weil sie den Anblick des Reliktes nicht ertragen konnten.

    Sie unterdrückte einen Seufzer und spürte, wie sich der Schweiß auf ihrer Stirn sammelte und ihr Magen sich zusammenzog. Egal, was passierte, ihr Leben würde ein anderes werden, sobald sich das Heiligtum entschieden hatte.

    Plötzlich hielten die zwei Männer vor ihr und sie registrierte, dass sie vor der Pforte der Entscheidung standen.

    Es fühlte sich an, als würde ihr Herz in tausend Splitter zerspringen. Ohne ihr eigenes Zutun machte sie einen Schritt zurück, doch die Logenbrüder hinter ihr hielten sie auf. Sanft aber bestimmt ergriffen sie ihre Arme und führten sie durch die Pforte, die sich in diesem Moment öffnete.

    Knarzend schob sich das uralte Holz fort von ihnen und ein grelles Licht fiel auf sie, sodass sie kurz geblendet die Augen zukniff.

    „Es tritt ein: Nawiv“, rief eine volle, dröhnende Stimme.

    Sie sah sich nicht nach dem Sprecher um und zwang sich in eine aufrechte Haltung, sodass die beiden Männer sie wieder freigaben.

    Ihre Beine zitterten, als sie die ersten Schritte machte.

    Die Logenbrüder hatten ein Spalier gebildete und jeder hielt eine Schale in der Hand, in der ein kleines Feuer loderte. Zarte, rote Rosenblätter lagen auf dem Boden, die bei ihren Schritten von der Robe mitgezogen wurden. Aber so prächtig der Saal mit seinen verzierten Säulen und den Rundbogenfenstern aus buntem Mosaik auch waren – ihr Augenmerk war auf etwas anderes gerichtet.

    Am Ende des Spaliers erhob sich eine Eiche, deren Krone bis unter die Decke reichte. Alle Blätter waren saftig grün und sie raschelten leise, als würde ein Lufthauch sie berühren und zum Tanzen bringen. Einige Wurzeln schlängelten sich an der Oberfläche des Saalbodens entlang und verdeckten die alten Steinplatten, die an manchen Stellen unter der Last bereits gebrochen waren.

    Wie man es ihr beigebracht hatte, ging sie weiter auf den Baum zu. Gemächlich und sorgsam auf Ruhe bedacht, damit man sie prüfen konnte, machte sie einen Schritt nach dem anderen. Dann hielt sie und wartete.

    Man hatte ihr gesagt, dass das Heiligtum ihr den weiteren Weg erläutern würde. Niemand erwähnte allerdings, dass es sich dabei um eine uralte Eiche handelte.

    „Komm näher“, verlangte eine Stimme, die in ihrem Kopf widerhallte wie ein Echo in einer Höhle.

    Wie man ihr gebot, stieg sie die drei Treppenstufen hinauf und stellte sich unmittelbar vor dem Stamm des Baumes.

    Plötzlich fegte ein starker Luftzug durch die Halle. Die Äste und Zweige der Eiche gerieten ins Wanken, einige Blätter segelten auf den Boden und ihre Kapuze rutschte vom Kopf. Dunkelheit breitete sich aus. Nur die Fenster ließen ein wenig Licht hinein, das durch das Mosaik in den verschiedensten Farben erstrahlte.

    Dann bewegte sich der Stamm des Baumes, etwas daran schien sich zu verformen und als sich zwei blaue Augen öffneten, setzte ihr Herzschlag aus.

    Die Lider blinzelten schläfrig und mit einem Mal formte sich ein Kopf aus dem Holz heraus, dann beugte sich ein Oberkörper vor, eine Hand strecke sich ihr entgegen und hob ihren Schleier an. „Wie schön du bist, Nawiv“, hauchte die Gestalt, deren Glieder aussahen wie die Äste des Baumes. Als sie den Arm wieder senkte, knackte es, als wäre man auf einen Zweig getreten.

    Sanft legte sich der Schleier erneut über Nawivs Gesicht und erst jetzt hatte sie das Gefühl, wieder atmen zu können.

    „Es wäre eine Schande, dir eine solche Bürde aufzutragen“, säuselte das Wesen.

    Abermals bewegten sich die Lippen nicht. Es schien Nawiv, als gäbe es diese Stimme allein in ihrem Kopf und Sie konnte nicht sagen, ob das Wesen männlich oder weiblich war.

    „Weißt du, wer ich bin und was meine Aufgabe ist?“, wollte es wissen.

    Nawiv leckte sich über die trocknen Lippen. „Ihr seid das Heiligtum. Ihr könnt in die Zukunft sehen und kennt die Geheimnisse der Vergangenheit. Eure Aufgabe ist es, das Wissen der Welt zu bewahren.“

    Der Anflug eines Lächelns huschte über das Gesicht des Wesens. „Weißt du, welche Aufgabe dir zuteil wird?“

    „Ich werde Euch mit meinem Leben schützen, damit niemand Euch und Eure Macht missbrauchen kann“, sagte Nawiv und legte so viel Überzeugung in ihre Stimme wie möglich, obwohl sie wusste, dass nicht sie selbst die Entscheidung treffen würde.

    Das Lächeln des Wesens erkaltete. Plötzlich schnellte es vor und riss Nawiv den Schleier vom Kopf. Sie fühlte Wärme, als es die knorrigen Hände auf ihren Wangen legte. „Ich spüre, dass du nicht in der Lage bist, irgendjemanden zu schützen“, hauchte das Heiligtum.

    Wieder konnte Nawiv die Stimme nur in ihrem Kopf hören. Sie zitterte am ganzen Leib und würde das Wesen sie nicht festhalten, so hätte sie auf der Stelle die Flucht ergriffen. Doch sie wusste, dass es kein Zurück mehr gab. Gleich erklärte man sie für unwürdig und von ihrem Körper würde nur ein Häufchen Asche bleiben.

    Die Blätter der Eiche raschelten, als das Heiligtum sich mit dem Oberkörper noch weiter nach vorne lehnte, bis es Nawivs Stirn berührte.

    „Nein“, meinte das Wesen ruhig. „Du musst beschützt werden.“

    Nawiv hielt die Luft an und wappnete sich für das Unausweichliche.

    Erneut fegten heftige Winde durch den Saal, die alsdann begannen sie den Baum wie ein Wirbelsturm zu umwehen.

    Sand flog ihr ins Gesicht und sie schloss ihre tränenden Augen. Ein lauter Singsang ertönte hinter ihr, doch sie brachte nicht die notwendige Konzentration auf, um die Worte verstehen zu können. Sie wollte schreien, wegrennen oder einfach im Erdboden versinken. Aber sie blieb an Ort und Stelle, wie versteinert.

    Der Sturm ließ nach, bis nur noch eine sanfte Brise ihr Gesicht streifte. Sie getraute sich kaum, die Lider zu öffnen und sich davon zu überzeugen, dass sie tatsächlich noch lebte. Vielleicht stimmten die grauenhaften Geschichten über das Verschwinden der Unwürdigen doch nicht und man hatte sie nur an einen anderen Ort gebracht.

    Es knackte und raschelte, als sie die Hände hob und sich die schmerzenden Augen rieb. Ihre Sicht klärte sich langsam und sie sah, wie die Logenbrüder einer nach dem anderen vor ihr auf die Knie fielen und sich tief verbeugten. Das Lied der Loge war längst verklungen. Klopfenden Herzens sah sie auf die Männer herab und wollte die Stufen herabsteigen, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht. Wie gelähmt zwang sie ihren Blick auf ihre Füße und sie schluckte schwer.

    Die Wurzeln des Baumes hatten ihre Beine fest umschlungen.

    Es dauerte zu lang, bis sie begriff, was vor sich gegangen war.

    Erst als ein Logenbruder sich erhob, erwachte sie aus ihrer Starre und hob den Kopf.

    Er kam auf sie zu, wobei er vor der untersten Treppenstufe stehenblieb. „Ehrwürdiges Heiligtum!“, rief er aus und verneigte sich knapp. „Ich und meine Brüder werden alles in unserer Macht stehende tun, um die Erwählte für Euch zu finden!“

    • Offizieller Beitrag

    Dornröschen
    von Kirisha

    Da stand er nun vor der Dornenhecke. Sie war tatsächlich erstaunlich hoch, er schätzte mindestens sechs Meter, und dicht war sie auch. Das dahinter befindliche Schloss konnte er jedenfalls nicht sehen.

    „Na, dann wollen wir mal“, dachte Jürgen, setzte sich die Ohrenschützer auf und startete seine Kettensäge. Laut Jobbeschreibung hätte er hier mit einem Schwert und einer Krone aufkreuzen sollen. Um den Auftraggeber nicht zu verärgern, hatte er auch tatsächlich ein blankes Halloweenschwert aufgetrieben, die Krone jedoch zu albern gefunden. Wenn ich den Job mache, werden sie wohl auch ohne die lächerliche Verkleidung zufrieden sein.

    Er begann zu sägen. Darin war er routiniert, er arbeitete sich Ast für Ast vorwärts und riss nach jedem Schnitt die jeweilige Pflanze fort, die er hinter sich warf, um so nach und nach einen Tunnel in das wilde Dornendickicht zu schlagen.

    Die Wurzeln müssen wohl nicht raus, oder? Da es hieß, er musste in einer Stunde durch sein, war das nicht zu schaffen. Ich denke, sie wollen nur den Durchgang haben. Wenn sie später noch einen schicken Weg brauchen, sollen sie nochmal einen neuen Auftrag ausschreiben.

    Eine Stunde war verdammt knapp bemessen. Er musste schneller arbeiten, das Dornengestrüpp schien kein Ende zu haben. Danach würde er noch eine weitere Stunde Zeit haben, um die Prinzessin zu finden. Er hoffte jedoch, das sollte der leichtere Teil der Aufgabe sein. Dieses Schloss würde er ganz systematisch durchkämmen.

    Bald hatte er ein ordentliches Stück Hecke durchbohrt und befand sich nun schon etwa drei Meter innerhalb der Dornen. Da: Inmitten des Gestrüpps sah er etwas Weißes leuchten. Waren das etwa ... Knochen? Auf dem Boden lagen auch welche. Sie waren ziemlich groß. Ihm wurde übel, als er inmitten eines kleinen Skeletthaufens ein echtes langes Schwert glänzen sah. Auch eine bronzene Krone hing zwischen dem Geäst.

    Eine leichte Übelkeit schlug sich auf seinen Magen. Der Typ vor ihm hatte es anscheinend nicht geschafft. War er dumm genug gewesen, diese Übung tatsächlich mit einem Schwert zu versuchen (so stand es nämlich wörtlich in der Jobbeschreibung), statt mit einer anständigen Säge?

    Aber es war zu spät, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Für alle Fälle tauschte er sein Schwert aus und klemmte sich die Bronzekrone an seinen Arbeitsgürtel.

    Zum wiederholten Mal musste er die Säge nachtanken. Der Benzinkanister war fast leer. Doch nun sah er es von der anderen Seite bereits grünlich schimmern. Gleich!

    Dann war er durch. Auf der anderen Seite betrat er ein vollkommen zugewachsenes Gelände. Er befand sich in einem Wald aus Eichen, Birken und Linden. Vorsichtig stapfte er vorwärts. Egal wie zugewachsen der ehemalige Park war, das Schloss sollte er wohl trotzdem finden?

    Das erste, was ihm begegnete, war ein von Efeu überwachsener Brunnen, in dem ein Chor von Fröschen quakte. Er stapfte weiter. Tatsächlich stieß er nach einer Weile auf eine verwitterte Mauer von riesigen Natursteinen. Diese war etwa zwei, drei Meter hoch, bemoost und ebenfalls mit Sträuchern und Bäumen überwachsen. Aber wo war das Schloss?

    Er umrundete die Mauer. Erstaunlicherweise entdeckte er nun einen gemähten Rasen. Auf den steuerte er zu, hielt aber inne. Falls er dort dem Gärtner begegnen sollte, wollte er lieber so aussehen wie in seinem Auftrag verlangt. Er stellte also die Säge und den Kanister ab, legte die Ohrenschützer daneben und zog sich den blauen Arbeitsanzug aus. Darunter trug er seine Jeans und ein T-shirt mit der Aufschrift „Batman“. Ob er sich wirklich die bescheuerte Krone aufsetzen sollte? Aber davon hing vielleicht das Honorar ab, das er erwartete, also presste er sie sich auf die Haare und nahm auch das glänzende Schwert an sich.

    So trat er auf die Wiese hinaus und blickte sich um.

    Einen Gärtner traf er nicht. Jedoch sah er schon nach ein paar Schritten einen seltsamen Baum. Einer von dessen Ästen ragte ein wenig hervor. Er schrak zusammen. Nein, es war kein Ast ... es schien vielmehr der Hals und der Kopf einer uralten Frau zu sein, die in den Baum eingewachsen war, sodass ihr Hals und ihre Schultern bereits in Baumgewebe übergingen und er irgendwelche anderen Körperteile nicht mehr ausmachen konnte. Ihre schlohweißen Haare wehten leicht im Wind hin- und her. Hoffentlich war das nicht die Schlosshexe.

    Er räusperte sich und trat auf sie zu.

    „Guten Morgen, schöne Frau, könnt ihr mir sagen, wo das Schloss ist?“

    Eine Stunde eine Prinzessin zu finden, kam ihm auf einmal recht wenig vor.

    Geschmeichelt lächelte die Alte und erwiderte: „Seid Ihr denn blind? Es steht genau hinter uns. Das hohe Gebäude mit den vier Türmen.“

    Irgendwie hatte er sowas befürchtet. Es standen also nur noch die Grundmauern dort. Er begann schwarzzusehen für die Aussicht, in den Ruinen noch eine Prinzessin finden zu können.

    „Warum schweigt Ihr?“, fragte die Baumhexe unzufrieden. „Solltet Ihr mich nicht küssen?“

    Bäh! Er zwang sich jedoch zu einem höflichen Lächeln.

    „Wieso sollte ich Euch küssen?“

    „Vielleicht sollte ich mich mal vorstellen“, erklärte die Baumfrau beleidigt. „Mein Name ist Dornröschen. Aber meine Freunde sagen Dorö zu mir.“

    Dorö ... Ach du lieber Schreck.

    „Äh ... So habe ich mir das nicht vorgestellt“, stammelte Jürgen. „Ich dachte, Ihr wäret etwas jünger. Und würdet in einem Bett liegen.“

    „Ist es ein Problem, dass ich nun in einem Baum festsitze?“

    „Ähm, nein.“ Das Problem war eher ein anderes.

    „Ihr meint, weil ich 118 Jahre alt bin? Gut, ich saß hundert Jahre in einem Zauber fest, aber ich bin ja nicht gealtert, weil ich geschlafen habe. Ihr müsst mich nur wecken! Darf ich also um diesen Kuss bitten?“

    „Seid Ihr sicher, dass Ihr geschlafen habt?“

    „Ja! Alle haben geschlafen, meine Eltern, meine Zofen, der Küchenjunge ist sogar eingeschlafen, noch während er eine Ohrfeige ...“

    „Darf ich unterbrechen? Ich kenne die Details.“

    „Aber Ihr glaubt mir nicht.“

    „Nein!“

    Genervt beschloss Jürgen zu gehen. Er hatte sich hereinlegen lassen, das war ihm nun ganz klar. Dieser Auftrag war ihm zu dumm und er wollte nicht wissen, welche Konsequenzen es hätte, die Alte auch noch zu küssen.

    „Feigling! Verräter!“, schrie sie ihm hinterher.

    Wütend ging er den Weg zurück bis zu der Stelle, wo er seine Sachen abgelegt hatte. Aber dort stand nichts mehr. Wo eben noch die Kettensäge geraucht hatte, wuchs nun ein Strauch Rosen. Auch das Tor, das er so mühevoll in die Hecke hineingeschlagen hatte, war verschwunden! Ihm wurde flau im Magen. Laut Jobbeschreibung hatte er nur eine Stunde Zeit, um die Prinzessin zu finden und zu küssen. Sollte das nicht gelingen, würde ihn der Fluch der dreizehnten Fee treffen.

    Gott, wie hatten er und seine Arbeitskollegen über diesen Satz gelacht!

    Mit wild klopfendem Herzen rannte Jürgen zu der Alten im Baum zurück.

    „Jemand hat mich hereingelegt!“, schimpfte er erregt.

    „Ja, mich auch. He, seid Ihr schwul? Ich bin das hübscheste Mädchen des ganzen Königreiches! Ganze 57 Prinzen sind schon in den Dornen umgekommen, nur weil sie mich küssen wollten!“, rief sie anklagend.

    „Und wenn ich Euch küsse, was passiert dann?“

    „Wenn es der Kuss der wahren Liebe ist, dann ist alles gut!“, versprach sie lockend.

    „Und ... wenn nicht?“

    „Na das wisst Ihr doch. Dann verwandelt Ihr Euch in einen Oger.“

    Er sagte nichts mehr. Wie es aussah, hatte er keine andere Wahl. Lieber ein lebendiger Oger als ein verfluchter Jürgen ... oder?

    Langsam beugte er sich vor und berührte die fahlen Lippen mit seinen.

    Und fand sich in einer frisch blühenden Birke wieder, direkt neben der Eiche der Alten.

    Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage.

  • Huhu, ich fänd es wirklich schön, wenn die Gewinner aufgelöst werden würden, ich möchte nämlich mit ihnen klären, wie wir mit dem Preis verfahren sollten. :hmm:

    Ansonsten ich mal den Anfang und liefere meine Eindrücke zu den Geschichten:

    Schnee und Asche: Wie soll ich sagen, Fantasy ist ein merkwürdiges Genre für Kurzgeschichten, finde ich, weil man Worldbuilding betreiben muss, wofür man aufgrund der Kürze eigentlich kaum Zeit hat. Und eine epische Schlacht ohne den entsprechend episch langen Aufbau, ja, das zieht bei mir einfach nicht. Mir hat tatsächlich noch keine Kurzgeschichte, die das versucht hat, gefallen, glaube ich. Es steht bei sowas ja in der Regel einiges auf dem Spiel, aber ich habe diese Dinge nie kennengelernt - ich finde das also idR. nicht spannend. :pardon:

    Dabei mochte die stilmäßigen Schlenker, die es darin immer mal wieder gab.

    Die Wahrheit: Hier fand ich Geschichte, gerade zum Ende hin, eher unübersichtlich. Was ist das mit der Essenz am Ende? Ich habe den Eindruck, dass das schon ein offenes Ende sein sollte, aber so richtig will das bei mir nicht zünden. Und drei Ausrufezeichen auf einmal, das finde ich einfach überzogen und es macht die Szene etwas ungewollt komisch, finde ich.

    Vom Grind: Hierfür habe ich meine Stimme gegeben, trotz der Formatierung, trotz der gelegentlichen Anglizismen und den ein, zwei falsch gesetzten Zeichen. Das spielt alles keine große Rolle mMn, wenn eine Geschichte so einen Ich-Erzähler mit einer so starken Stimme hat, mMn. :D Sehr unterhaltsam, auch die Struktur finde ich mutig und gut eingesetzt. Man ist wirklich ganz nah an dieser unantastbaren Figur dran, die sich eigentlich nur mal nach Nähe sehnt und dafür selbst dumme Dinge zu tun bereit ist. (Und auch nicht traurig, wenn andere den Fluch abbekommen. Juhu! Endlich nicht mehr allein!!) Sehr sehr schönes Ding. :)

    Die verlorenen Seelen der Mors Navis: Ich habe die hier gerne gelesen und war gut unterhalten. Ein Favorit wurde es aber nicht. Meine Lieblinge bei diesem Wettbewerb waren einfach etwas konkreter und haben mir mehr von ihren Figuren geben können. Bei denen hatte ich das Gefühl, dabei gewesen zu sein. Hier fehlt mir sowas. Der Plot macht ja etwas her, das ist schon rund. Wenn die Figuren jetzt noch mehr von sich hätten zeigen können, dann wäre diese hier vielleicht auch ein Favorit geworden. :hmm: Aber drei Seiten sind natürlich nicht viel Raum. ^^

    Dîner bei Baron Colette: Die fand ich toll. :) Die Figuren waren für den kleinen Rahmen gut gezeichnet, die gehobene Gesellschaft mit ihren Heucheleien hat gut was her gemacht, und ich fand es lebhaft geschrieben. Meinen Glückwunsch zum Sieg! Definitiv verdient.

    Die Erwählte: Mein Eindruck ist hier ähnlich wie zu "Die verlorenen Seelen ...". Die Idee und der Plot gefallen mir, aber die Figuren und die Orte waren mir zu allgemein, um damit etwas anfangen zu können. Einen Infodump will man natürlich auch nicht, aber irgendwie hatten meine drei Favoriten das trotzdem hinbekommen.

    Dornröschen: Das war eine sehr unterhaltsame Verwurstung der Vorlage und ich hätte dieser Geschichte fast meine Stimme gegeben. :) Der einzige Grund, warum sie die nicht bekam war, dass ich aus der anderen Geschichte einfach etwas mehr für mich ziehen konnte.

    Häupter auf meine Asche!

    • Offizieller Beitrag

    Huhu, ich fänd es wirklich schön, wenn die Gewinner aufgelöst werden würden, ich möchte nämlich mit ihnen klären, wie wir mit dem Preis verfahren sollten.

    Ich fände es wirklich schön, wenn du das mir überlässt, weil ich überraschenderweise noch andere Dinge zu tun habe - auch am Wochenende ;)

    So, ich mache es jetzt aber trotzdem mal:
    Den Gewinn des Schreibwettbewerbs müssen sich diesmal 2 Personen teilen :D

    Mit jeweils 4 von 13 Stimmen (31% - Zusammen also 62% aller Stimmen!) haben gewonnen:

    Trommelwirbel

    Vom Grind von Theo-Drecht

    und

    Dîner bei Baron Colette von Novize

    Herzlichen Glückwunsch!
    Bitte meldet euch bei kalkwiese, um euren Gewinn klarzumachen :D

    Das nächste Thema dürft ihr auch gemeinsam festlegen - hier bitte eine entsprechende PN an mich :D

    Vielen Danke an alle Teilnehmer und Abstimmenden! Wie immer dürft ihr jetzt (! :P ) auch Rückmeldungen zu den Geschichten geben :)

    LHG Chaos :chaos:

  • Meine herzlichsten Glückwünsche den beiden Gewinnern Theo-Drecht und Novize ! :sekt: Beide Geschichten haben mir gut gefallen. Natürlich auch mein Kompliment an Kiddel Fee , Rainbow , Kirisha, Der Wanderer und LadyK , für die es diesmal nicht gereicht hat. Auch euch vielen Dank für's Mitmachen, eure Beiträge sind wie die Gewinnergeschichten eine echte Bereicherung fürs Forum! :thumbup: Ich bin erstaunt, wie viele verschiedenen Ideen ihr zum Thema hattet. =O

    Es war wiedermal schön, so viele Einsendungen lesen zu können und dann sorgfältig abwägen zu müssen, wer denn nun der persönliche Favorit ist.

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

  • Das war ja eine tolle Resonanz bei diesem Wettbewerb! Cool zu lesen, wie unterschiedlich das Thema interpretiert wird – und dabei noch so gut unterhalten zu werden. Die Entscheidung war fand ich extrem schwer. Nachdem ich gesehen habe, dass die anderen Geschichten sprachlich auf ziemlich hohem Niveau geschrieben waren, hatte ich mir gar nicht mehr so große Chancen für meinen Text ausgerechnet. Freut mich umso mehr, dass er gut angekommen ist.

    Kiddel Fee: Schnee und Asche hat meine Stimme bekommen, weil neben der super Umsetzung auch das Thema am besten meinen Geschmack getroffen hat. Das Thema auf die Berührung eines Lichtstrahls umzumünzen fand ich auch gelungen.

    Der Wanderer: Deine Geschichte fand ich von der Sprache und der Atmosphäre her sehr cool. Ich hab allerdings fürchte ich das Ende nicht ganz verstanden, oder hätte mir als Leser noch mehr Infos zu der Schale oder ihrem Inhalt gewünscht.

    Theo-Drecht: Der Grind hat auf jeden Fall verdient gewonnen. Glückwunsch! War aus meiner Sicht von vorne bis hinten cool umgesetzt, spannend, humorvoll und unkonventionell. Und der Twist war auch gelungen.

    Rainbow: Auch hier war ich sprachlich und vom Spannungsbogen her echt beeindruckt. Die Geschichte stand lange bei mir ganz oben auf der Liste. Die Idee mit der Flaschenpost war cool. Einzig beim Ende hätte ich mir noch einen Ticken mehr gewünscht.

    LadyK: Bei der Erwählten fand ich vor allem den Anfang sehr stark. Die Erzählung fand ich auch atmosphärisch gelungen. Und der Twist am Ende war auch konsequent durchgeführt. Das einzige, was mich davon abgehalten hat, sie zu wählen war, dass sie mir einen Tick zu abstrakt war. Aber mehr Hintergrund ist bei so einer Zeichenbegrenzung natürlich auch schwierig.

    Kirisha: Diese Neuinterpretation fand ich auch toll. Ich würde so eine gelungene Mischung aus Humor und Märchen glaube ich nicht auf die Beine stellen und die Pointe saß auch!

  • Herzlichen Glückwunsch an Theo-Drecht und Novize für's Sammeln der meisten Stimmen und an alle schreibenden Teilnehmer*innen für's erfolgreiche und irgendwie in allen Fällen ziemlich gute Vollenden einer Geschichte! Ich fand das dieses Mal wirklich, ich meine WIRKLICH schwierig, die Geschichte zu bestimmen, die mir am besten gefallen hat.

    Ein bisschen Feedback gibt's daher auch, wenn auch nur sehr kurz.

    Kiddel Fee : Schnee und Asche - Die Grundidee der Geschichte fand ich super, vor allem weil sie mir nicht so ganz klassisch vorkam. Leider kam bei mir nicht so viel Atmosphäre auf. Das ist vielleicht der Kürze geschuldet.

    Der Wanderer : Die Wahrheit - Auch hier hat mir die Grundidee irgendwie ganz gut gefallen, allerdings war mir die Umsetzung etwas zu schwach. Gerade die Art, wie der Schluss offen geblieben ist, hat die Stimmung oder die Erwartung nicht mit „hinter die Geschichte“ getragen.

    Theo-Drecht : Vom Grind - Hier hab ich mir aufgeschrieben: "Idee: nett bis ziemlich gut, weil mal so völlig anders und mit einer guten Prise Selbstreflexion" xD. Ja, was soll ich sagen. Trifft mMn immer noch zu.

    Rainbow : Die verlorenen Seelen der Mors Navis - Nachdem es nun über ein Woche her ist, dass ich die Geschichten gelesen habe, fällt mir auf, dass mir bei deiner Geschichte die Atmosphäre und Stimmung am besten in Erinnerung geblieben ist. Und irgendwie sehe ich ein grün leuchtendes Geisterschiff an einer sturmgepeitschten Küste.... auch wenn es so nie beschrieben wurde (glaube ich). Die Idee mit dem Tausch hat mir gut gefallen und die Umsetzung war auch gut.

    Novize : Diner bei Baron Colette - Sehr coole Geschichte! Mir haben vor allem die Charakter und das sehr effiziente Setting sehr gut gefallen. Ich mag solche überraschenden Wendungen (wobei man darüber natürlich streiten kann, inwieweit das noch überraschend ist, wenn man es eigentlich in einer Kurzgeschichte fast schon erwartet. Oder zumindest darauf hofft ^^ ). Besonders gut fand ich hier, dass du diese Wiederholung der Zeilen vom Anfang am Ende nochmal mit drin hattest und diesen nochmal eine ganz andere Bedeutung mitgegeben hast.

    LadyK : Die Erwählte - Oh ja, hier hat mich die gesamte Geschichte überrascht, weil ich etwas völlig anderes erwartet hatte. Das hat mir sehr gut gefallen! Am Ende hätte ich mir einen etwas stärkeren Effekt gewünscht. Der Moment, in dem sie zum Heiligtum wird, ist ja sehr entscheidend und auch ziemlich schwierig zu schreiben. Ich weiß leider selbst auch nicht, wie ich das schreiben würde, aber irgendwie hat mir da einfach noch ein klein wenig gefehlt.

    Kirisha : Dornröschen - Die Idee fand ich mega geil und richtig witzig. Nur das Ende ging mir etwas zu abrupt und schnell. Das passt zwar irgendwie inhaltlich, aber für mich als Leser war's einfach zu schnell. Trotzdem - und das möchte ich nochmal betonen - zaubert mir die Erinnerung an die Geschichte immer ein Lachen ins Gesicht!

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • Gratulation an die Gewinnergeschichten von Novize und Theo-Drecht und ein großes Lob an alle anderen, die hier mitgemacht haben.

    Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht was mich geritten hat hier mitzumachen, weil ich ja eigentlich bekennende "Nicht-Kurzgeschichten-Schreiberin" bin, aber irgendwie hat mich das Thema angesprochen und so dachte ich mir, ich versuch es einfach mal.

    Als ich sah, wie viele Geschichten am Start sind, war mir sofort klar, dass es für mich mit meinen "Verlorenen Seelen" schwer würde und spätestens nachdem ich die ersten Geschichten gelesen hatte, traf mich die ernüchternde Erkenntnis: Ich kann einpacken! :rofl:

    Was ich mir aber auch dachte war: Ist es nicht faszinierend, was für Talente hier in diesem Forum schlummern und auf was für einen reichhaltigen Erfahrungsschatz wir bauen können? Wirklich sehr geil! :thumbup:

    So, nun aber zu meinem kurzen Feedback:

    Kiddel Fee Schnee und Asche: Wie gesagt, deine Geschichte hat mich gleich am Anfang geflasht. Ich fand sie war sehr bildgewaltig und beinahe schon episch geschrieben. Es gab keine Stelle, an der ich gestolpert wäre und jedes Wort schien an exakt der richtigen Stelle zu sitzen. Die Atmosphäre hast du super transportiert und auch das Ende kam gut. (Obwohl man es schon hatte kommen sehen, aber das habe ich als nicht weiter schlimm empfunden.) Deine Geschichte gehörte für mich ganz klar zu den Favoriten.

    Der Wanderer Die Wahrheit: Die Geschichte um Za'enda und den blutigen Überfall auf die Ordensbrüder mitsamt den Hintergründen zu dem gesegneten Wasser in der Schale und den Machenschaften des Gegenspielers Saassen'or hat mir sehr gut gefallen. Die Idee, dass Za'enda diese Phiole um den Hals trägt, in der das eigentliche "gesegnete Wasser" aufbewahrt wird, womit er Saassen'or am Ende vor Augen führt, dass das gewaltsame Entwenden der Schale ihm keinen Nutzen gebracht hat, fand ich ziemlich cool (vorausgesetzt, ich habe es richtig verstanden). Allerdings blieben für mich am Ende noch ein paar Fragen offen, die aber hinsichtlich der Kürze der Geschichte wahrscheinlich nicht so leicht abgehandelt werden konnten.

    Theo-Drecht Der Grind: Deine Geschichte hat letztlich meine Stimme bekommen, weil ich sie nicht nur amüsant und kurzweilig geschrieben fand, sondern sie gleichzeitig auch eine tolle Botschaft übermittelt.

    Die ganze Zeit dachte ich beim Lesen: Wie schafft der Autor es, in Anbetracht der Kürze eine solche Tiefe entstehen zu lassen und mir den Charakter derart nah zu bringen? Das fand ich ein großes Kunststück und zusammen mit dem experimentellen Cut in der Mitte, mit welchem die Handlung kurz unterbrochen wurde, hattest du mich am Haken :)

    Novize Dinner bei Baron Colette: Deine Geschichte gehörte für mich ganz klar zu meinen Favoriten. Ähnlich, wie in der Geschichte von Theo-Drecht, hatte ich auch bei dir das Gefühl, dass du es mit wenigen Sätzen schaffst, mich in die Handlung zu schmeißen und mich binnen kürzester Zeit in eine gut ausgearbeitete Welt eintauchen zu lassen. Eine Welt, in der es intrigantes Küchenpersonal mit Rachegelüsten und Wissen um das Brauen tödlicher Zaubertränke gibt, ebenso, wie eine offenbar kaltherzige Magierin, die bereit ist über Leichen zu gehen, um ans Ziel zu kommen. Als Schauplatz für den Anschlag dieses feudale Essen beim Baron zu wählen, der obendrein keinen blassen Schimmer zu haben scheint, finde ich genial eingefädelt. Ich hatte zwischenzeitlich das Gefühl, mittendrin zu sein in dem Geschehen.

    LadyK Die Erwählte: Ich konnte mir nicht helfen, aber irgendwie kam mir die Idee zu deiner Geschichte bekannt vor. Es las sich für mich wie eine Art Potpourrie aus unterschiedlichen Fragmenten, die ich schon mal woanders gelesen hatte. Keine Ahnung, vielleicht ist die Idee, dass man plötzlich unfreiwillig in einem Baum gefangen ist, eine gern gewählte Pointe. Kirisha hat sich davon ja auch inspirieren lassen und den armen Prinzen am Ende sein Dasein als Birke fristen lassen :rofl:Ansonsten hat sich die Geschichte für mich aber durchgängig gut lesen lassen.

    Kirisha Dornröschen: Eigentlich hätte ich ja drauf kommen können, dass die Geschichte auf deinem Mist gewachsen ist. :D Humoristisch angehauchte Märchengeschichte, da hätten bei mir alle Glocken läuten müssen. Sehr schön, witzig zu lesen mit gut eingearbeiteten Ideen. Du standest definitiv auf meiner Favoritenliste!

  • Was ich mir aber auch dachte war: Ist es nicht faszinierend, was für Talente hier in diesem Forum schlummern und auf was für einen reichhaltigen Erfahrungsschatz wir bauen können? Wirklich sehr geil!

    Ja, genau das habe ich beim Lesen dieser vielen spannenden Geschichten auch gedacht. Jeder der Geschichten ist auf sehr hohem Niveau geschrieben und das hat mich wirklich zum Staunen gebracht. Es war schwer, sich für eine zu entscheiden. Eigentlich bin ich ja keine Kurzgeschichten-Schreiberin. Aber weil das Thema diesmal so faszinierend war (sind "fatale Berührungen" nicht der Kern fast jeder Fantasy-Story?) dachte ich, da muss ich einfach mal etwas auf die Reihe bekommen. Ich war mit meinem Text sogar ganz zufrieden - habe mich dann aber ziemlich erschrocken, weil die anderen mir daneben alle so viel niveauvoller vorkamen (mehr Details, tiefer an den Charakteren dran, mehr Emotionen).

    Jedenfalls war es etwas schade, dass nur eine Geschichte Punkte bekommen durfte. Wenn wir hier Schulnoten oder eine andere Bewertung vergeben dürften, hätte ich nur 1er und 2er gegeben.

    Schnee und Asche Kiddel Fee

    Beim ersten Lesen fand ich "Schnee und Asche" am besten und wollte eigentlich den als Sieger nominieren. Der Text hat mich sehr mitgerissen. Auch wenn ich früh geahnt habe, worauf es hinausläuft, war es doch einfach wundervoll geschrieben und ich habe richtig mitgefühlt. Die Landschaft, die ganze Atmosphäre und auch den Schluss fand ich so packend!

    Die Wahrheit  Der Wanderer

    Auch die Geschichte hat mir sehr gefallen. Die Suche nach Weisheit, immer interessant, ein alter Orden und ein magisches Wasser. Leider endete sie etwas abrupt und ohne dass ich richtig verstanden habe, worauf sie hinausläuft. Sie hätte ruhig etwas länger sein können, wäre dann bestimmt noch interessanter geworden.

    Der Grind  Theo-Drecht

    Diese Geschichte hat meine Stimme bekommen, ich habe sie zusammen mit Schnee und Asche auf dem ersten Platz gesehen und habe ziemlich lange überlegt, welche von beiden ich nun eigentlich besser finde.

    (Übrigens war ich überzeugt davon, dass das bestimmt Stadtnymphe geschrieben hat, weil es mich etwas an ihren Stil erinnert hat!).

    Den Ausschlag gegeben hat letztlich dieser technische Kniff, mittendrin die Perspektive zu wechseln und dadurch der Story noch mehr Kick zu geben. Das war einfach raffiniert und auch toll geschrieben.

    Die verlorenen Seelen der Mors Navis Rainbow

    Diese Geschichte hat ja ein tolles Thema, ich mag Meeresgeschichten. Noch dazu ein Fluch, ein Geisterschiff, eine Flaschenpost und ein mürrischer Leuchtturmwächter, die Ingredienzen stimmten alle, und stilistisch bietet die Story den vollen Lesegenuss. Aber ich kam an die Charaktere nicht richtig ran, besonders nicht an den Hauptcharakter. Sie hatte eigentlich nicht wirklich eine Beziehung zu diesem Schiff oder den Verfluchten darauf, oder nur eine vage, man lernte zu wenig von ihr kennen, um wirklich für sie zu zittern. Ich denke, wenn man da nur ein paar Kleinigkeiten ändern würde, wenn da vielleicht ihr Vater auf dem Boot gewesen wäre und nicht ein unbekannter Kapitän, wenn sie von Verzweiflung oder Sehnsucht beseelt gewesen wäre, wenn sie eine bessere Verbindung schon zu der Flaschenpost gehabt hätte (und sie nicht nur zufällig findet), dann hätte diese Story auch ganz vorne landen können.

    Dinner bei Baron Colette  Novize

    Noch so eine packende Geschichte, die für mich nur ganz knapp hinter meinen beiden Favoriten gelandet ist und auf jeden Fall volle Punktzahl verdient. Auch ich war fasziniert davon, dass am Anfang diese magischen Beschwörungen gemurmelt werden, die später noch einmal kommen, aber mit veränderter Bedeutung. Das gibt so einen magischen Gruseleffekt. Meisterhaft geschrieben, wie sich das Unheil so über allen zusammenbraut und am Ende gnadenlos zuschlägt, das ganze serviert in einem Palast beim Dinner. Sehr gut!

    Die Erwählte  LadyK

    Auch diese Geschichte fand ich packend geschrieben und habe sie mit Genuss gelesen. Sie ist stilistisch sehr schön, mit einer sympathischen Hauptfigur und einer überraschenden Pointe, Okay, jetzt das Meckern auf hohem Niveau - verglichen mit den extrem originellen Ideen gleich mehrerer anderer Texte, die in der Beziehung echt genial waren, kam sie da nicht ganz ran. Trotzdem hat´s mir gut gefallen!

    Fazit: Es war ein spannender Wettbewerb, auch eine gewisse Herausforderung mal selber mitzumachen. Ich habe alle eure Texte (ohne Ausnahme) gerne gelesen und war sehr beeindruckt davon, was ihr daraus gemacht habt!

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince * No Way Out

  • Ihr Lieben!

    pfuh – ich bin eigentlich ganz froh, nicht allein gewonnen zu haben – Da hätte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich doch nicht so doll hier aktiv bin :) Ich danke euch für Euer Gefallen!

    Ich kann mich nur dem allgemeinen Ratschluss anschließen, darüber dass ich hier einige überraschend stimmige Lesemomente genießen durfte!

    Hervorheben möchte ich die Verlorenen Seelen der Mors Navis; eine besonders stimmungsmalerische Geschichte, von deren Wellenrauschen ich mich sofort in Bann genommen fühlte – und die sicherlich mehr verdient hat, als zu wenig Punkte ;)

    …dann Dornröschen, eine witzige Geschichte!

    … und natürlich das Dîner bei Baron Colette! Nachdem ich meine Stimme beim vertikalen Lesen schon mehrmals verteilt hatte, hat Novize seinen geübten Romancier bewiesen und meine Urteilskategorien gesprengt. Liebe – Hass – Pang! Von Anbeginn bis Ende; ich hoffe, du hast viel geübt, sonst wäre ich neidisch!

    (Übrigens war ich überzeugt davon, dass das bestimmt Stadtnymphe geschrieben hat, weil es mich etwas an ihren Stil erinnert hat!).

    ;P (… Die sich dieses Mal wohl doch vornehm zurückgehalten hat.)


    Zum Schluss verkommt die Verkündung des nächsten Themas wohl zur reinen Peinlichkeit – Tariq hat hier Fantasymatriarchentum bewiesen… Sprengkräftig, zart, variantenreich…


    Danke dafür, auch für Eure Wärme, und euch allen und viel Spaß weiterhin

    wünscht euch euer (Vorbei-)Streuner

    Theo!