Hallo zusammen
Ich habe als leidenschaftlicher Fan der Kurzfilme auf Youtube mal wieder einen gefunden, der mich sofort inspiriert hat. Das ist mir jetzt schon das dritte Mal passiert und wie bei den beiden letzten Malen musste ich sofort anfangen zu schreiben.
Ich habe es hier einsortiert, weil es eine Geschichte aus der Sicht eines Tieres ist, die keine fantastischen Elemente enthält. Und als zusätzliche Herausforderung werde ich versuchen, sie ohne Dialoge oder gedachte Worte auskommen zu lassen. Das ist ein Experiment und ich habe keine Ahnung, wie das beim Leser ankommt. Falss es also langweilig werden sollte - einfach Bescheid sagen. Diese Herausforderung an mich ist ja nicht in Stein gemeißelt und kann jederzeit geändert werden. Aber ich dachte, dass es eine gute Idee wäre, weil es ja nun mal aus der Sicht eines Tieres geschrieben ist und ich als Erzähler nur mitteilen kann, was es denkt.
So, genug der Vorrede. Jetzt bin ich gespannt, ob irgendjemand von euch Zugang findet zur Story und sich mit Cain zusammen ... naja, ich verrat mal nix.
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Der Wolf vom Elk Mountain
Kapitel 1 – Die Nacht
Die Sterne glitzerten am samtschwarzen Himmel wie winzige Diamantsplitter. Keine Wolke war zu sehen, die das Mondlicht hätte abhalten können, das sich wie eine sanft leuchtende, eisige Decke über die schneebedeckten Berge und Wälder des Elk Mountain legte.
Grimmiger Frost ließ die Äste der Bäume ächzen.
Außer diesen Geräuschen war nichts zu hören. Der Wald schwieg. Jeder seiner Bewohner schien den Atem anzuhalten aus Angst, Aufmerksamkeit zu erregen, selbst die Eulen, denen keine Gefahr drohte.
Heute Nacht jagten die Wölfe.
Cain hatte die Unruhe im Verhalten seines Vaters Arim schon vor einigen Tagen bemerkt. Er wusste, der Leitwolf war besorgt. Und er kannte auch den Grund: Das Rudel litt Hunger, denn dieser Winter hatte bereits Ende Oktober und damit viel früher als sonst begonnen und war härter als seine Vorgänger. Jetzt, im November, erfroren schwache Tiere wie Hasen, Iltisse und Marder in ihren Bauen und nicht selten bestand die einzige Mahlzeit für die Alttiere des Packs aus einem dieser hartgefrorenen, kleinen Leichname.
Aber es gab auch drei Welpen im Rudel, im Mai geworfen und noch keine sieben Monate alt. Während die Alten der Beute nachstellten, lagen die Jungen eng an Cain geschmiegt. Er spürte ihr Zittern. Seine Geschwister waren schwächlich, weil es in den letzten Tagen kaum etwas zu fressen gegeben hatte.
Deshalb sorgten Arim und seine Gefährtin Rasha, die Mutter der Jungwölfe des Rudels, gemeinsam mit ihren älteren Söhnen und Töchtern, die das Pack nicht verlassen hatten, heute Nacht für Nahrung.
Neben den drei Welpen unter den tief herabhängenden Zweigen kauernd hatte Cain ihren Aufbruch beobachtet. Er wusste: Die Aufregung und das Jagdfieber ließen seine Eltern und Geschwister den Hunger vergessen und ihre letzten Energiereserven mobilisieren. Diese Jagd war entscheidend, das sagte ihm sein Instinkt. Auch ihn hatte diese Erregung gepackt, er zitterte und das Blut jagte durch seine Adern.
Doch er würde nicht dabei sein. Er war erst ein Jährling, noch zu jung, um mitzulaufen. Gemeinsam mit seiner Schwester hatte er hier in der Kuhle unter den Kiefernzweigen zu bleiben und seine jüngeren Brüder zu beschützen.
Cara, die auf der anderen Seite der Welpen lag, schnaubte ihm ihren warmen Atem in den Nacken und stupste ihn mit der Schnauze an. Er wusste, dass sie ihn verstand. Dass sie seine Ungeduld nachfühlen konnte, den Drang, mitzulaufen mit dem Pack, durchs dicht verschneite Dickicht zu pirschen, lautlos und wachsam, und irgendwann einen schlafenden Rehbock oder gar einen stattlichen Hirsch aufzuschrecken.
Ein solcher Glücksfall bedeutete meist das baldige Ende der Jagd. Bei diesen Schneemengen war das Wild chancenlos. Die langen, dünnen Beine sanken zu tief ein und die kopflose Flucht erschöpfte das Tier, weil sie unendlich viel Kraft erforderte. Die Wölfe mussten nur nebenherlaufen und geduldig sein. Irgendwann würde die Beute aufgeben und sich zum Kampf stellen. Dann war ihre Zeit gekommen.
Cain legte missmutig den Kopf auf die Vorderpfoten und sah zu, wie sein warmer Atem vor seiner Schnauze eine kleine Kuhle im Schnee formte. Einer der Jungwölfe fiepte leise im Schlaf, ein zweiter trat ihm traumverloren in den Bauch.
Cara gähnte. Cain hörte ihre Zähne aufeinanderschlagen, als sie den Kiefer schloss, und das Geräusch, mit dem sie sich die Nase leckte. Mit einem wohligen Brummen rollte sich seine Schwester ein wenig zusammen und legte einen Vorderlauf um das unruhig schlafende Junge.
Er starrte zum Horizont, dorthin, wo sich der dunkelblaue Schnee und der schwarze Nachthimmel berührten. Ab und zu huschte ein glühender Punkt über das funkelnde Firmament oder es zogen zarte, grüne Schleier darüber hinweg, welche die in Kälte erstarrte Landschaft in ein fahles Licht tauchten.
Cain kniff die Lider zusammen. Die Stille machte ihn schläfrig und auch er gähnte herzhaft. Alles war friedlich, so friedlich, dass er es wagen konnte, kurz die Augen zu schließen …
Zum nächsten Teil: Kapitel 1 (2/3)