Moin Moin zusammen
Nachdem ich ja mein bisheriges Schreibprojekt beendet/abgeschlossen habe und ich die notwendige Überarbeitung dessen noch immer vor mir herschiebe (), habe ich mich kurzerhand entschlossen eine neue, weniger umfangreiche Geschichte zu beginnen.
Da ich ja bisher immer sehr ausschweifend (und anstrengend) erzählt habe, hab' ich mir vorgenommen mal etwas zu experimentieren und dabei das Tempo (für meine Verhältnisse) etwas anzuziehen. Anstatt ein Kapitel auf 6-7.000 Wörter auszubreiten, habe ich mir, für den Anfang, eine Grenze von roundabout 1.000 Wörtern pro Erzählabschnitt gesetzt. Auch möchte ich hier zwei gänzlich unterschiedliche Geschichten parallel erzählen und am Ende miteinander verweben, aber das lasst erst mal Zukunftsmusik sein
Für den Anfang würde es mich sehr freuen, wenn ihr mir mal sagen könntet, wie dieser erste Entwurf denn auf euch wirkt.
Ist der Einstieg zu überladen oder fehlen euch Infos? Passt das Tempo oder gibt es zu große Löcher bei den Zeitsprüngen? Würdet ihr, gemäß eurem ersten Eindruck, weiterlesen wollen oder liefert der Text zu wenig Anreize dafür? Sonstiges kritik- bzw. verbesserungswürdiges?
Intervall 1-01 – Das Aufbegehren der Beraubten
„Das Biest wird sterben“, rief der Hauptmann der Reichsgarde mit der ihm eigenen Urgewalt in der Stimme, welche von den hohen Wänden des Thronsaals widerhallte. Das Echo einer Drohung, erfüllt von einer Wucht, die selbst die Götter dieser Welt zur Aufmerksamkeit gemahnte.
Die Höfischen steckten ihre Köpfe zusammen und tuschelten, als der Hüne im goldenen Kettenhemd, Veteran des großen Krieges, stolz wie ein Pfau, die riesigen behandschuhten Hände in die Hüften stemmte und des Königs Erwiderung harrte.
Der Herrscher der weißen Lande, ein weiser, ehrwürdiger Mann mit goldenem Haar. Gestern zumindest war er dies noch gewesen. Heute verkörperte er nur mehr seinen eigenen, zusammengesunkenen Schatten. Welch Pein musste ein Mann auch ertragen, der seiner eigenen Tochter beraubt wurde?
„All meine Gebete sind mit Euch und den anderen Freiwilligen. Mögen die Götter Euch lenken“, brachte der König ein schwaches Raunen auf den Weg.
Und mögen sie ihm seine Tochter zurückbringen. Worte, welche er wohl bewusst nicht anfügte, um eben jenen schrecklichen Gedanken nicht neuerlich zu seiner traurigen Realität werden zu lassen.
Der Hauptmann nickte seinem König zu, machte wortlos auf dem Absatz kehrt und stolzierte mit wehender, roter Löwenmähne aus dem weiten, prunkvollen Saal hinaus. Sein Weg führte ihn zwischen den götterweißen Marmorsäulen hindurch, die sich wie gigantische Spiraltürme zur monströsen, gläsernen Kuppel über ihrer aller Köpfe emporschraubten.
Selbst der größte Krieger seit Beginn der bekannten, jüngeren Geschichte wirkte lediglich klein und unbedeutend inmitten jener prachtvollen Monstranz.
Er mochte bei weitem nicht der Einzige sein, der dem König heute einen feierlichen Eid geschworen hatte, wenngleich doch der berühmteste von allen. Vor den Mauern des weißen Palastes warteten weitere etwa zweihundert Mann seiner unerschrockenen Reichswächter, die sich ebenfalls allesamt freiwillig gemeldet hatten. Dreihundert ‚Unerschrockene‘ gesellten sich zu ihnen. Sie unterschieden sich jedoch in den Ketten um ihre Fußgelenke von den übrigen Willigen. Ihr gemeinsames Ziel sollte eine „Reise in die Hölle“, ein „Himmelfahrtskommando“ werden. Wahlweise konnte man ihr Vorhaben auch durch eine der vielerlei anderen Variationen für „Selbstmord“ ersetzen. Zumindest dann, wenn man etwas auf das Getuschel des Volkes geben wollte, was der Hauptmann selbstredend nicht tat.
Viele aus ebenjenem Volke waren dennoch gekommen. Jung und Alt, Groß und Klein standen zu Seiten des Weges, als sich der gigantische Tross tapferer Gesellen in Bewegung setzte. Mit wehenden Fahnen, mit Pauken und Trommeln, Hörnern und Trompeten zogen sie hinaus aus der Hauptstadt und hinfort durch die grünen Lande. Träge wie Schnecken holperte das schwere Kriegsgerät über die gepflasterten Straßen. Hölzerne Biester mit Eisenbeschlägen, die dazu taugen würden, jenes eine Biest zu töten, das ihnen allen die Thronfolgerin geraubt hatte.
„Verzagt nicht, liebe Menschen“, rief der Hauptmann, von seinem schwarzen Hengst herab, den jubelnden Massen immerfort zu, „wir töten das Monster und holen die Prinzessin zurück. Es lebe der König! Es lebe die Königin! Es lebe die Prinzessin!“
Einfache Botschaften für die einfachen Menschen. Ihre Liebe galt insbesondere ihm, dem berühmten Kriegshelden, das war nicht zu übersehen oder gar zu überhören und der Hauptmann hätte wahrlich lügen müssen, hätte er behauptet, ihm gefiele diese Art der Zuneigung nicht.
Wenig Gefallen fand er hingegen am gesprochenen Wort des Königs in den Ohren der schaulustigen Hofschar.
„Die Götter mögen uns lenken, hat er gesagt. Ha! Selbst die Götter kennen mich und meine Taten. Ich habe den Bergkönig erschlagen, diesen Riesen aus Felsgestein, selbst ein halber Gott, und ich habe Hundertschaften seiner miesen, kleinen Handlanger in einen frühzeitigen Tod geschickt. Ich selbst bin der Lenker. Ich brauche keine Götter, die mir den Weg zeigen“, teilte er seinen Unmut mit einem jungen Mann, der auf seinem braunen Wallach zu ihm aufgeschlossen hatte. Ohne Zweifel kannte auch sein Nebenmann die Geschichten, ganz gleich, ob er ebenfalls im Krieg gekämpft haben mochte. Bereits mittels eines einzigen flüchtigen Blickes, erkannte der Hauptmann jedoch, dass das Grünohr keineswegs zu seinen Männern gehörte. Offensichtlich war er einer der wenigen aus dem einfachen Volke, die seine Kriegerschar begleiteten.
Das machte den Hauptmann wütend: „Abenteurer, was? Zu fein dem Reich zu dienen, aber wenn Ruhm und Glorie in Aussicht stehen, kommt ihr aus euren Löchern, wie die Ratten zur Leiche.“
Der Junge musterte den Hauptmann daraufhin aus seinen dunklen, braunen Augen. So braun und unschuldig wie die eines Rehkitzes wirkten sie, doch spiegelte sich Anmaßung und Hochmut darin. Derlei Gestalten mochte der Hauptmann nicht, weshalb er sich weiter absetzte und den Reiter hinter sich ließ. Er kannte diese Art Jungen. Sie waren immer die ersten, die in den Schlachten starben und hinter den Landesmauern würde das identische Schicksal auf seinesgleichen warten, wie in den heiligen Bergen, wo der Hauptmann seine bislang größte aller Schlachten geschlagen hatte. Dort, wo er dem Bergkönig das Herz herausgerissen und damit einen siebenmonatigen Krieg beendet hatte.
Sieben Tage und sieben Nächte dauerte die Reise der Willigen und mit jedem Tag dünnten die jubelnden Massen mehr und mehr aus, wurden die Dörfer seltener und kleiner, die Landschaften karger und ärmlicher, die Straßen holpriger, bis diese sich schließlich in Gänze auflösten.
„Die Randbereiche sind trostlos und traurig. Kein Wunder, das niemand in der Nähe der Grenze wohnen möchte“, hörte der Hauptmann einen seiner Soldaten klagen.
„Die Trostlosigkeit ist vielmehr die Folge dessen, dass die Rechtschaffenden die Randbereiche meiden. Sie fürchten sich vor der Grenze“, vernahm er schließlich als Antwort. „Frauen und Kinder und gemeine Männer mögen Angst vor dem Rand haben“, mischte sich der Hauptmann schließlich lautstark in die Unterhaltung ein, „aber wir Soldaten sind nicht so verweichlicht. Mir macht die Grenze und das, was dahinterliegt, keine Angst.“
Er erhob seine Stimme, um auch jene zu erreichen, die möglicherweise während ihres siebentägigen Marsches vergessen hatten, was der Grund für ihr Aufbegehren gewesen war. „Die Tochter unseres Königs, unsere künftige Herrscherin, wurde von einem unsagbaren Biest in die verfluchten Lande entführt. Wer, wenn nicht wir, werden sie zurückholen? Wer, wenn nicht wir, ist dazu in der Lage? Die größten und mutigsten Krieger, welche die weißen Lande je gesehen haben. Nicht wir sollten Angst davor haben, was hinter der Grenze liegt. Alles und jeder hinter der Grenze, sollte Angst vor unserem Zorn und unserer Entschlossenheit haben.“
Die Männer jubelten ihm zu. Die Reichsgrenze, die bald darauf am Horizont auftauchte, würde nun niemanden von ihnen mehr ängstigen, dafür hatte er nun gesorgt.
LG
Rika