Vor 8 Jahren habe ich hier bereits einen Thread mit dem Namen Solitonia eröffnet. Viel ist seitdem passiert, einige Dinge haben sich geändert, andere sind noch immer gleich. Nichtsdestotrotz möchte ich gerne nochmals ganz von Vorne beginnen und euch diese Welt schrittweise näher bringen.
Als mir damals auf der Rückbank unseres VW Golfs während der langen Fahrt in den Familienurlaub die Idee gekommen war, dass einen Fantasyroman schreiben doch recht lässig wär, habe ich in meinen Gedanken klein angefangen und mich dann immer weiter nach aussen gearbeitet.
Dasselbe möchte ich hier nochmals versuchen. Und wenn wir schon dabei sind, versuche ich auch alle Etappen neu zu schreiben und die Welt dabei aus Blickwinkeln zu betrachten, die ich bisher selbst noch gar nicht entdeckt habe.
Fangen wir also mal ganz Unten an:
Edit: Das ist ein Lore-Thread, keine Geschichte
Die Tempelbrücke
Die Grösste und längste der Brücken in Dripol grenzt an ihrem westlichen Ufer direkt an die Zarimjenska Światewo Janusza, einer der ältesten Zarimstempel der Stadt. Der Tempel ist nicht nur der offensichtliche Namensgeber für die Brücke, sondern stellt auch ein wichtiger Zwischenstopp für kadranische Zarimisten dar, welche die heiligen Stätten von Vodrask besuchen möchten und auf ihrer Pilgerreise nach Świat Zarimja hier den Fluss Serno überqueren.
Das Deckenmosaik, welches die Spiralförmige Schöpferwolke, den Propheten selbst und seine vierzehn Anhänger in aller Farbenpracht und allem Detailreichtum darstellt, ist ein Besuch wert. Aber eigentlich ist der Tempel unbedeutend im Vergleich zu diesem Kolossus gleich nebenan.
Wenn ein Pilger, Händler oder Reisender West-Dripol über die Tempelbrücke verlassen möchte, gelangt er erst durch den Zollturm. Die vodraskische Grenzwache schleust ihn durch eines der drei Tore - der Zoll, Das Fussgängertor und das Anwohnertor. Fuhrwerke können die Tempelbrücke nicht passieren und müssen den Umweg über die Friederichsbrücke oder Kornbrücke nehmen.
Hat man sich erst in der Schlange die Beine in den Bauch gestanden, einen der umstehenden Warter dafür bezahlt, einem das Warten abzunehmen, oder dem Grenzwächter einige Groszy zugesteckt, gelangt man in die zollfreie Handelsgasse.
Diese beiden Häuserreihen, die sich fast tausend Schritt der Brücke entlangziehen, bilden den wohl lautesten, buntesten und engsten Teil beider Dripols. Der freiste Teil der freien Stadt. Die Waren, die hier von überteuerten lokalen Handwerkern, fahrenden Händlern und dubiosen Mittelsmännern feilgeboten werden, werden weder verzollt, noch geprüft und bieten somit reichlich Möglichkeit für den internationalen Austausch exotischer Güter. Es gibt hier Dripoler Glas und Porzellan, Vodraskische Felle, Nerze und Mützen, Gold- und Silberschmuck, Räucherwaren, Wertrechter Birnenschnaps und Ardonischen Absinth. Ein wahres Orchester der Sinne, musiziert von all den vielen Menschen, die hunderte Meilen gereist sind, um an genau dieser Stelle den Serno überqueren zu können.
Der Serno, der braune Riese, der im Spätsommer einen trügerisch trägen Eindruck macht und sich im Frühling in einen alles verschlingenden Sog verwandelt. Der Fluss, der an den meisten Stellen bis zum Horizont reicht, der nördlich von Dripol für die Schiffahrt zu trügerisch ist und südlich davon nicht in einer geraden Linie überquert werden kann. Kein Wunder reisen alle nach Dripol. Kein Wunder hat sich die Bevölkerung der Stadt seit der Fertigstellung der ersten Brücke verzweiundreissigfacht. Und kein Wunder sorgt die Brücke bei manchen für rote Köpfe.
Hat sich der Reisende erst einmal aus dem Gewimmel der Krämergasse befreit, findet er sich schon bald in der östlichen Hälfte der Dripoler Freihandelszone wieder. Die von Ardonien verwaltete Seite.
Die Ardonischen Grenzer sind hier zahlenmässig immer sehr gut aufgestellt. In sechs bis zehn Spuren werden Reisende abgefertigt. Name, Herkunft, Grund des Aufenthalts, Absicht der Weiterreise, Waren zum Verzollen, Stempel -zack! Willkommen in Kadranien. Im neuen, verbesserten Kadranien, unter der weisen Leitung Ardoniens.
Begrüsst wird man hier erst von den sternförmigen Wällen der Zornburg. Zwei Duzend schwere Geschütze stehen hier auf zwei Stockwerken Wache. Ihre kupfernen Läufe stillschweigend auf das andere Ufer gerichtet.
Eigentlich hätten wir es ja früher kommen sehen müssen.
Erst hat Ardonien die vodraskische Verwaltung aus Ost-Dripol verjagt. Dann schlossen sie die Grenzen und stellten Vodrask ein Ultimatum.
72 Stunden später marschierten die ardonischen Soldaten über die Tempelbrücke.
Es hätte ein schneller Sieg sein sollen, doch sie machten die Rechnung ohne die Husaria. Dia Kavallerie konnte ihren Vormarsch aufhalten und drängten sie zur Brückenmitte zurück, wo die Fronten bis heute blieben.
Wenn man jetzt die Tempelbrücke betrachtet, bietet sich ein ganz anderes Bild als früher. Regelmässig verdeckt Nebel die Sicht. Man kann da dem Serno die Schuld geben, der schon immer dafür sorgte, dass Dripol ein Nebelloch ist. Doch normaler Nebel riecht nicht nach Schwefel.
Auf der ardonischen Seite der Brücke kann sich die Mehrheit der Häuser noch einigermassen auf ihren Mauern halten. Eines davon ist ein ehemaliges Bildhaueratelier, welches zu einem Lazarett umfunktioniert wurde. Hier wird den dutzenden von Verwundeten jeden Tag erste Hilfe gewährt, bevor man sie zu Behandlung weiter schickt. Der Fussboden hier hat sich Rotbraun verfärbt. Die Ärzte tragen ihre Augen dieser Zeiten mit Ringen unterlaufen und haben für jeden Todesfall nur noch ein müdes Schulterzucken übrig.
Draussen auf der ehemaligen Gasse stehen alle paar Meter Barrikaden. Ineinander verkeilte Holzpfähle, Sandsäcke, Fässer und umgestürzte Wägen. Sie werden als Feuerdeckung für die Musketiere benutzt, die meist dahinter sitzen und Karten spielen, oder als Hindernis um den tödlichen Ansturm der Husaren zu bremsen. Scharen von Pikenieren warten in den Häusern auf ihren Einsatz und vertreiben sich die Zeit mit Söldnergarn und Würfelspielen, während die Offiziere im Café nebenan bei Kaffee und Kuchen Strategien besprechen und Zeitung lesen.
Nähern wir uns der Brückenmitte, gelangen wir in die Todeszone. Die Häuser hier sind nahezu vollständig zerstört. Nur noch die Grundmauern sind übrig. Wer sich hier aufhält, ist dem Beschuss der Kanonen völlig ausgesetzt.
Auf der vodraskischen Seite sieht es nicht viel anders aus. Zwar stehen da wieder Barrikaden und man bemüht sich stetig, die Laufwege durch Pallisaden und Sandsäcke vor Beschuss zu schützen, aber die langen Monde des Kriegs haben die Brücke Stück für Stück abgetragen. Nur der Zollturm trotzt noch dem Zerfall. Ein duzend Mal geflickt, mittlerweile nur noch eine Ruine, von Baumstämmen und Holzstreben aufrecht gehalten und mit Brettern und Blechplatten vermacht.
Pikenbrecher dösen auf dem Pflaster in Holzunterschlüpfen und hinter Barrikaden vor sich hin. Ihre Mannshohen, kugelsicheren Schilder neben sich, die Handäxte mit dem schmalen Schneidblatt in ihre Stoffgurte gesteckt. Bereit, sich auf Kommando in eine gegnerische Formation zu stürzen und die Schäfte der Piken klein zu hacken, bevor die Husaren mit ihrem Sturmangriff die einen Keil in die geschaffene Bresche treiben können.
Hinter den kampferprobten Pikenbrechern warten die Milizler. Ethnische Vodraskis und wehrpflichtige Bürger aus allen Ecken ihres Reichs. Söldner aus den nördlichen Staaten rund um die Frostsee. Husaren in schweren Rüstungen, die selbst im Nebel noch glänzen. Und hinter ihnen, der Tempelpark der Zarimjenska Światewo Janusza, wo die Zarimspriester kaum noch einen Flecken grüne Erde finden, um all die Körper beerdigen zu können.