Die Vampire von Rankental

Es gibt 138 Antworten in diesem Thema, welches 13.708 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (8. April 2025 um 23:09) ist von Jufington.

  • Salut, hier mein Senf zur Konfrontation mit Cédric.

    Das Gefühl der Überlegenheit, welches Cédric gegenüber Layafett verspürt kommt hier schön rüber, finde ich.

    Ein Highlight war für mich die Beschreibung der Duftvielfalt in der Stadt. Sehr lebendig und aus Cédrics Perspektive unverhohlen kritisch beschrieben.


    Der Name Cédric kommt übrigens in vier Variationen vor (Cédric, Cedric, Cedrik und Cèdric). Wobei Letzeres wohl ein Versehen ist?

    Ich würde die französische Schreibweise Cédric bevorzugen.

    Die Spitzen seiner Fangzähne drückten sich durch die inzwischen vernarbte Haut

    Das verstehe ich nicht ganz. Warum ist die Haut des Kartenverkäufers vernarbt?

    Was auch immer er an Stelle von Speichel hatte, stoppte die Blutung und begann bereits, die Wundränder zusammenzuziehen.

    Interessanter Gedanke, eigentlich das Gegenteil wie bei Mücken.:hmm:

    Gischt war in der Oberschicht von Rankental weit verbreitet

    Gicht

    Dieser Mensch, dieser Kümmerling, der in seinem Schatten kauerte, war zur falschen Zeit am falschen Ort. Die klauenbewehrten Hände schnellten vorwärts und schlossen sich um den Kragen des Jungen.

    Ich weiss nicht, ob es effektiv eine stilistische Regel dazu gibt, aber für mein Empfinden reihen sich hier zu viele ähnliche Wörter. Kümmer, kauern, Klauen (evt. auch Kragen)...

    „Lass mich gehen, du Hurensohn!“ Sie waren alleine, das war sicher.

    Ich würde einen Umbruch dazwischen nehmen. Oder die direkte Rede beim vorherigen Absatz belassen.

    Er übersprang den Zaun an einer anderen Stelle, um dem Knoblauchbeet nicht zu nahe zu kommen, und nahm den gleichen Weg zurück, den er gekommen war, nur dass er am Marktplatz nach rechts abbog und nicht nach links.

    Ich weiss nicht, ob wir wissen müssen, wie er beim Marktplatz abbiegt. Würde auch den Schachtelsatz etwas kürzen.

    Auf den verzierten Messingarmen saßen so viele Kerzen, dass es über eine halbe Stunde dauerte, sie alle anzuzünden, aber er stimmte zu, dass es den Anblick mehr als wert war.

    Der Satz liest sich meiner Meinung nach sperrig. Ausserdem - weiss Cédric genau, wie lange das Anzünden dauert oder vermutet er es?


    Die Besprechung in den Untergeschossen der Bar gefällt mir auch gut. Ich mag, dass die lange Lebensdauer der Vampire ihre Exzentrik zu verstärken scheint.

  • Hey Feron ^^,

    war schon länger nicht mehr hier, hu. Also werde ich mal ein paar Posts aufholen und bin bis zu dem Post gelangt, an dem Cedric sein Mentor wird.

    Und wow, war das spannend und aufreibend. Zwar denke ich immer noch, dass du Lafayett und Philippe etwas mehr Zeit miteinander hättest geben können, um das Folgende noch schmerzhafter zu machen, aber ich denke, du wolltest zum Kern deiner Story kommen, und die Szenen erzielen immer noch deutlich ihre Wirkung.

    Von Lafayett, der sich etwas antun möchte und aufgehalten wird, bis dahinzu, dass Philippes Vater ihn aus Hass und Verzweiflung tötet und Philippes Zombie(?), und schlussendlich, dass Lafayett nun ein Vampir ist.


    Zitat

    Immer wieder flackerte das Bild von Phillipes totem Körper in seinen Gedanken auf. Die Finsternis in seinem Kopf blieb wo sie war, aber für einen Moment war er nicht mehr damit allein.

    Das ist ein wundervoller Satz.

  • Vielen Dank für deine Zeit Jufington

    Cédric ist die korrekte Schreibweise. Ich habe nur große Mühe auf einer Tastatur Buchstaben wie é zu finden. Ich mache erstmal mit Cedric weiter. Sorry. Es ist einfach weniger Aufwand es am Ende mit Autorkorrektur zu machen, als den Namen jedes Mal zu copy-pasten oder nachzulesen wie dieses komische Zeichen geht. Ich hoffe das lenkt dich nicht zu sehr ab.

    Zitat

    Das verstehe ich nicht ganz. Warum ist die Haut des Kartenverkäufers vernarbt?

    Weil er denselben Typen immer wieder beißt. Der gehört zu Cedrics „Viehbestand“.

    Zitat

    Ich weiss nicht, ob es effektiv eine stilistische Regel dazu gibt, aber für mein Empfinden reihen sich hier zu viele ähnliche Wörter. Kümmer, kauern, Klauen (evt. auch Kragen)...

    Mh.. ich schaue mal ob mir Worte einfallen die nicht K anfangen. Ich habe es beim Vorlesen lassen in Word nicht als zu ähnlich empfunden.

    Zitat

    Der Satz liest sich meiner Meinung nach sperrig. Ausserdem - weiss Cédric genau, wie lange das Anzünden dauert oder vermutet er es?

    Vielleicht lasse ich ihn sich stattdessen wundern wie lange es wohl dauert und ob es die Mühe wert ist. Das betont auch nochmal das er praktisch denkt und für Schönheit kaum bis gar nichts übrig hat.

    Willkommen zurück LittleOwlbear !

    Zitat

    war schon länger nicht mehr hier, hu. Also werde ich mal ein paar Posts aufholen und bin bis zu dem Post gelangt, an dem Cedric sein Mentor wird.

    Ich habe angenommen du hättest vielleicht nach

    Spoiler anzeigen

    Phillipes Selbstmord

    nicht mehr weiterlesen wollen. Freu mich aber riesig das du weiterhin dabei bist.

    Schön das dir der Satz gefällt. Ich wollte klar machen das Precilla ihm beisteht, aber auch das nette Worte und die Garantie auf Besserung Suizid-Gedanken nicht magisch heilen.

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    Lafayett legte sich auf das Bett, streckte seine Glieder aus und starrte an die Decke. Ohne Uhren oder Fenster konnte er zunächst nicht erfassen, wie schnell oder langsam die Zeit verging. Plötzlich hörte er auf zu atmen, so einfach und selbstverständlich wie man aufhören konnte, in einem Buch zu lesen. Der Impuls, nach Luft zu schnappen oder die Panik ersticken zu können, stellte sich nicht mehr ein und ihm wurde schmerzlich bewusst, dass dies sein neues Normal sein würde. Er legte die Finger auf seine Brust und versuchte seinen Herzschlag zu spüren. Der rationale Teil von ihm wusste, wie sinnlos es war, aber durch diese Tests konnte er die schmerzliche Gewissheit noch ein wenig vor sich herschieben und sich ein wenig länger einreden, dass es eine vernünftige Erklärung geben musste.

    Er stand schließlich auf und legte die Wachsrolle in das Grammophon. Es war die Aufnahme einer talentierten Opernsängerin, die ein romantisches Lied über ein heimliches Treffen mit ihrem Liebsten sang. Lafayett schaltete das Gerät ab. Es erinnerte ihn zu sehr an Phillipe und es schien keine anderen Rollen zu geben, die er hören konnte.

    Er fühlte, wie er langsam in einen monotonen, starsinnigen Rhythmus fiel. Auf dem Bett liegen und laut weinen, dann der Versuch, sich mit ein oder zwei Büchern abzulenken. Er schritt im Raum auf und ab. Immer wieder kreisten seine Gedanken um den Faden an seinem Handgelenk und darum, ob es nicht besser war, ihn zu zerreißen und einfach zu fliehen. Immer und immer wieder fand er sich im Bett und weinte. Irgendwann zog er die Decke über seine Schultern, nicht der Wärme wegen, sondern für Komfort und die Illusion von Schutz.

    Nach einer Weile kamen zu seinem elenden Schicksal Laute von außen hinzu. Die Arbeiter gingen in der Brauerei über ihm ein und aus. Der Fledermausschwarm, der irgendwo in der Lagerhalle nistete flog in regelmäßigen Abständen an seiner Tür vorbei. Vermutlich flogen die Tiere bei Sonnenuntergang los und kamen bei Tagesanbruch wieder nachhause. Zumindest konnte er so versuchen, die Tage zu zählen.

    Nach einer Weile verschwand die angenehme Wärme aus seinem Bauch. „Er lässt dich verhungern“, flüsterte die Stimme. „Du bist ein Narr, ihm zu vertrauen“. Zwei Nächte vergingen so, dann noch eine. Lafayetts Zunge war ein trockener Schwamm und seine Eingeweide zogen sich schmerzhaft zusammen. Jedes Mal, wenn er seine Augen schloss, sah er den leblosen Körper von Fabien, mit der riesigen, klaffenden Wunde an seinem Hals. Er fuhr sich mit den Fingern über die Lippen und wollte nichts sehnlicher, als sich an das Gefühl zu erinnern, als er seine Zähne das erste Mal in warmes Fleisch geschlagen hatte. Er musste das aushalten. Cedric hätte ihm diese Aufgabe nicht gestellt, wenn es nicht möglich war, sie zu bestehen. Schwerfällig stand er auf, um sich das nächste Buch zu greifen, als ihn ein Geräusch aus der Lagerhalle erreichte.

    Jemand hämmerte von außen gegen die Kellerluke. Eine panische Frauenstimme hallte durch die Räume. „Cedric! CEDRIC, mach auf! Cedric ich brauche Hilfe!“

    Lafayett hielt sein Handgelenk hoch und starrte den verhassten goldenen Faden an. „Ach, zum Teufel damit!“ Er zerriss seine Fessel und eilte zur Tür, die tatsächlich nicht abgeschlossen gewesen war. Während er durch die große Halle rannte, rief die Fremde Cedrics Namen immer lauter und warf, sich immer wieder mit ihrem ganzen Gewicht gegen die eiserne Tür.

  • Das macht richtig Spaß zu lesen. Ich bin ehrlich gespannt, wer Cedric so dringend sprechen will. Und ich schätze, ich hätte auch aufgemacht. Das hört sich ja nach einem echten Notruf an. Aber wahrscheinlich bringt sich Lafayett da nur selbst in die Bredouille, weil er keine Ahnung hat von seinem neuen Leben.

    Zwar denke ich immer noch, dass du Lafayett und Philippe etwas mehr Zeit miteinander hättest geben können, um das Folgende noch schmerzhafter zu machen

    Ja, ich würde das auch begrüßen. Ich hätte ganz gerne noch mehr davon gelesen (nicht nur aus erzähltechnischen Gründen, sondern einfach, weil es mir Freude gemacht hat). Aber es funktioniert auch genauso gut so, wie es jetzt ist. Also mach es einfach so, wie du denkst.

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince

  • Danke Kirisha !

    Zitat

    Das macht richtig Spaß zu lesen.

    Ich bin so glücklich das zu lesen. Mir fällt es mittlerweile nicht mehr so schwer die Seiten zu füllen. Ich denke ich habe einfach den Punkt erreicht an dem ich das was in meinem Kopf ist tatsächlich ohne große Hindernisse zu Papier bringen kann. Das Tempo wird auch immer besser. Vielleicht bekomme ich es dieses Jahr endlich fertig.

    Zitat

    Ja, ich würde das auch begrüßen. Ich hätte ganz gerne noch mehr davon gelesen (nicht nur aus erzähltechnischen Gründen, sondern einfach, weil es mir Freude gemacht hat). Aber es funktioniert auch genauso gut so, wie es jetzt ist. Also mach es einfach so, wie du denkst.

    Es ist halt keine Romanze. Ich schreibe die beiden auch gerne zusammen, aber es muss sich die Balance mit dem Inhalt der Vampire halten. Eventuell ergänze ich noch ein oder zwei Szenen, sobald ich Mathis und Cedric besser ausgearbeitet habe.

    Der nächste Teil ist vielleicht ein bisschen viel Info-Dump. Aber ich habe mein bestes getan es unterhaltsam zu verpacken.

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    Lafayett packte den Knauf mit beiden Händen und drehte nach links. Im selben Moment, indem die Lücke zwischen Tür und Angel zwei Hand breit war, huschte eine junge, dunkelhäutige Frau hinein.

    Ihr rotes Kleid war schmutzig und nass vom Schneematsch und ein großer, wenig femininer Lederrucksack baumelte von ihrer schmalen Schulter. Sie wendete sich noch auf den Treppenstufen um und stieß mit ihrem Rücken gegen seine Brust.

    „Lass ihn nicht rein!“ schrie sie schrill. Ihre Finger griffen über seine. Sie zog die Kellertür zu und drehte den Knauf zurück. Das Schloss rastete ein.

    „Lass Wen nicht ein!? Wer sind sie!?“

    Ein dumpfes Scheppern war zu hören. Das eiserne Tor bebte unter unzähligen wütenden Schlägen von Außen. Graue Bleifarbe und Staub lösten sich und rieselten in Lafayetts Augen.

    Der nächste Schlag hinterließ eine tiefe Delle genau vor den Augen der flüchtigen Dame. Der Rahmen begann sich unter dem Druck zu verbiegen. Zement bröckelte rechts und links der Treppe und bald lagen die rostigen Scharniere frei. Sie presste beide Hände gegen das verbeulte Tor und stemmte sich dagegen.

    „Die Axt! Hol mir die Axt!“ Sie nickte über ihre Schulter hinweg in den hinteren Teil der Halle. Lafayett zögerte zuerst, sie zurückzulassen, aber sie hatten nicht genug Raum, um die Plätze zu tauschen. Der Fledermausschwarm, aufgebracht von den ständigen Erschütterungen, füllte die Halle, mit hunderten kleinen flatternden Gestalten.

    Er blickte sich panisch um und versuchte unter all dem Müll, dem Lärm und dem Staub in seinen Augen etwas zu finden, was wie eine Axt aussah, aber es war hoffnungslos.

    Gefahr.

    Das Wort tauchte in seinen Gedanken auf, wie ein Satz auf seiner Zunge, der bereit war, gesprochen zu werden.

    Eindringlinge.

    Der Schwarm umkreiste ihn, als er die Mitte der Halle erreicht hatte. Etwas in ihm fiel an seinem Platz wie das allerletzte Stück in einem endlos großen Pussel. Was er hörte, waren die Fledermäuse, die zu ihm sprachen. Simple Wesen mit simplen Gedanken, aber sie waren viele und dies war ihr Zuhause. Lafayett nahm instinktiv den stabilen Stand an, den er in Rouxs Fechtunterricht gelernt hatte, und schloss seine nutzlosen Augen.

    „Könnt ihr mich hören?“, flüsterte er in das flatternde, quietschende Caos. Ein weiterer Schlag gegen das Tor. Die junge Frau ächzte unter dem Gewicht, das sie draußen zu halten versuchte. Die Spitzen von pelzigen Flügeln streiften sein Haar und seine Schultern in der Dunkelheit. Viele Wörter erreichten ihn, alle auf einmal aus allen Winkeln der Halle:

    Bruder.

    Freund.

    Hören.

    Führe mit Stimme!

    Lafayett schmunzelte, ohne die Augen zu öffnen. „Zeigt mir die Axt“, flüsterte er. Seine Ohren waren wie ihre. Er musste nicht schreien, um gehört zu werden. Im Gegenteil, Lärm war ihnen genauso unangenehm wie ihm. Er zwang seine stechenden Augenlieder ein Stück auseinander.

    „DIE AXT! JETZT!“, brüllte sie, ohne sich um zu drehen. Der Schmerz schoss wie ein Blitz in Lafayetts Schädel, aber er suchte den Raum weiter ab, von links nach rechts. Der Schwarm schien sich zu bewegen, koordiniert und bestimmt. Zwischen zwei alten Kupferkesseln mit gerissenen Schweißnähten war eine Stelle, der alle Fledermäuse auf ihrer Flugbahn auszuweichen schienen. Sie flossen um diesen Ort herum wie ein Fluss um einen Felsen. Und dort und auf einem Berg von Gerümpel, wo er ihn niemals vermutet hätte, ragte der Griff einer Axt aus dem Müll.

    Er zog das Werkzeug heraus und reichte es ihr mit dem Griff nach vorne. Die Dame griff zu und zog sich an das Ende der Treppe zurück, um sich hinter einer Ecke zu verbergen. Ehe er darüber nachdenken konnte, ob er selber Deckung suchen sollte, brach die Keller Lucke aus ihrer Verankerung und eine Kreatur mit grauer, leicht transparenter Haut schob sich langsam in die Brauerei.

    Das Wesen wirkte entfernt menschlich, aber seine Arme waren unnatürlich lang und die Finger endeten in langen, haarigen Pranken. Vereinzelte dünne, fettige Haarbüschel wuchsen auf seinem ansonsten kahlen, venösen Schädel. Eines der Schlüsselbeine war asymmetrisch und stach im Vergleich zu dem anderen weit vor. Das Monster fletschte seine Fangzähne und warf sich dann auf Lafayett.

    Dieser reagierte nicht schnell genug und konnte nichts tun, als einen Krallenhieb, der auf seine Kehle gezielt hatte, mit dem Unterarm abzufangen. Er fühlte, wie die rasiermesserscharfen Krallen über seinen Knochen kratzten. Dunkles, zähes Blut tropfte auf den Boden. Der Angreifer holte ein weiteres Mal aus, aber ehe die totbringenden Klauen erneut auf ihn niedergehen konnten, hörte er einen grässlichen metallischen Laut. Sein Gegner erstarrte. Die Dame in dem roten Kleid hatte ihm die Axt so tief in den Hinterkopf getrieben, dass das Axtblatt auf seiner Stirn wieder austrat. Die langen, dürren Glieder und der missgestaltete Torso begannen sich auf zu lösen und zerfielen vor Lafayetts Füßen zu feinem, dunklem Staub. Er presste den aufgerissenen Arm eng an seinem Körper und starrte ungläubig auf die Überreste.

    „Ein Krieger aus Haus Sure“, begann seine Besucherin zu erklären. „Er hat mich an der Grenze gesehen und verfolgt. Ich konnte ihn bis eben nicht abschütteln.“

    Sie legte die Axt beiseite und macht einen eleganten Knicks in seine Richtung. „Hab Dank.“ Der Fledermausschwarm fand zu seiner Ruheposition zurück und versammelte sich wieder in einer abgelegenen Ecke der Halle.

    Die Wunde an seinem Arm blutete stark und ein dumpfer, pulsierender Schmerz ging davon aus. Lafayett erinnerte sich, wie Cedric Tage zuvor mit seiner eigenen Verletzung verfahren war und imitierte den Vorgang. Das Blut schmeckte bitter und kalt, aber kurz nachdem er sie mit seiner Zunge berührt hatte, schlossen sich die Schnitte.

    „Mein Name ist Andrea. Wer bist du?“

    „Lafayett. Und Cedric ist nicht hier. Schon seit Tagen nicht mehr.“

    Sie sah ihn für einen Moment fasziniert an und streifte sich eine ihrer krausen, dunklen Haarsträhnen hinter das Ohr. Dann fiel ihr Blick zu der zerstörten Tür und sie wandte sich um, um zu gehen.

    „Hey, warten Sie!“, protestierte Lafayett. „Sie können nicht einfach gehen.“

    Sie zuckte mit den Schultern und justierte ihren Rucksack, bis er bequem saß. „Sicher kann ich. Au revoir!“

    Er schnellte vor, griff ihr Handgelenk und zeigte ihr den abgerissenen, goldenen Brokatfaden, der noch immer an ihm befestigt war. „Cedric hat mir diesen Faden als Prüfung gegeben. Es ist Ihre Schuld, dass er gerissen ist.“

    „Oh ja! Ich erinnere mich“, kommentierte sie sarkastisch und zog sich mit einem Ruck aus seinem Griff. Ihre braunen Augen funkelten angriffslustig. „Cedric, zieht nur perfekte kleine Soldaten auf. Wenn du keine Selbstkontrolle hast, tötet er dich, oder Schlimmeres.“

    „Ich würde es sehr bevorzugen, nicht getötet zu werden! Wären sie also so freundlich, hier zu bleiben und meinem Entführer…. Meinem Gastgeber zu erklären, was sich zugetragen hat?“

    Wieder blickte sie zum Ausgang, dann aber zurück zu ihm. „Ich habe eine bessere Idee. Du kommst mit mir, wir holen uns frische Kleidung und dann suchen wie Cedric zusammen.“

    „Nein.“ Er schüttelte den Kopf.

    „Nun, ich bleibe nicht in diesem Loch. Komm mit oder lass es.“ Sie verließ die Lagerhalle. Lafayett fluchte leise, stieg aber dann hinter ihr die Treppen empor.

    „Was war das für ein Ding, das hinter ihnen her war?“

    „Ein Krieger aus Haus Sures. Das sagte ich doch.“

    Lafayett knurrte. „Ich weiß offensichtlich nicht, was das ist! Warum soll ich sonst fragen!?“ Er folgte ihr durch die verschneiten Straßen, weg von den Fabrikhallen und zurück zu der Brücke nahe dem Theater. Die Straßen waren ruhig, bis auf ein paar Bettler und hin und wieder einen taumelnden Barbesucher auf dem Weg nach Hause. In der Mitte der Brücke war ein mit Müll und Blättern beladener Pferdewagen abgestellt. Eines der Räder war gebrochen und der Straßenkehrer kniete am Boden, um es auszuwechseln. Die blasse Haut im Nacken des Mannes stach im Kontrast zu seiner dunklen Uniform hervor wie ein Leuchtfeuer. Andrea ging einfach weiter, aber Lafayetts Schritte wurden langsamer. Sein Kiefer verkrampfte sich und die Spitzen seiner Fangzähne drückten ihm unangenehm gegen die Unterlippe. Er vergaß, woher er kam und wohin er unterwegs war. Er hatte Beute gefunden. Was danach kam, war nicht mehr wichtig. Wie hypnotisiert schritt er auf den jungen Mann, mit der karierten Mütze zu. Als er gerade seinen Arm nach ihm ausstrecken wollte, packte Andrea ihn an der Schulter und drehte ihn zu sich. Sie war zurückgekommen.

    „Nein.“, flüsterte sie energisch. „Zu viele Zeugen.“ Er sah sich um. Eine Dame in einem langen, beigen Mantel überquerte gerade die Brücke mit ihrem Hund und auf der anderen Seite stand ein Fenster offen. Ein Hausmädchen schüttelte Bettlacken aus. „Komm mit mir! Schnell!“

    Sie überquerten die Brücke und Andrea drängte ihn bestimmt in eine Seitengasse. Sie nahm ihren Rucksack ab und suchte nach etwas. In ihren zierlichen Händen ruhte ein riesiger Knochen, den sie ihm entgegenstreckte.

    „Brich das auf und saug das Knochenmark raus! Das wird dir helfen, einen klaren Kopf zu behalten, bis ich eine richtige Mahlzeit organisiert habe.“

    Er nahm ihr Geschenk zunächst an sich, drehte es in seinen Händen und betrachtete es von allen Seiten. Seine Begleiterin schnaubte frustriert, nahm ihm den Knochen wieder ab und brach ihn mit einem lauten Knacken in zwei Teile, ehe sie ihn zurückreichte. Im Inneren befand sich eine fettige, glibberige rote Masse. Knochenmark?

    „Ist das von einem Rind?“, fragte er.

    „Wie durstig bist du?“

    „Sehr.“ Gab er zu. Sie legte ihre Hand auf den Knochen und schob ihn näher an sein Gesicht. Der Geruch war nicht unangenehm. Anders als Blut, aber nur ein wenig.

    „Dann ist es ein Rinderknochen. Jetzt beeil dich“, drängte sie.

    Er führte den Knochen an seine Lippen und versuchte sich einzureden, dass es gut schmeckte. Wie das erste Mal, als man ihm Kaviar angeboten hatte. Das Unwohlsein in seinem Magen ließ zumindest ein wenig nach. Er hielt Andrea den hohlen Rest hin.

    „Was soll ich damit!? Wirf das weg! Die Straßenhunde freuen sich. Reis dich noch fünf Minuten zusammen. Wir besuchen einen Freund von mir. Dann holen wir uns saubere Kleidung und ich zeige dir, wie du an Blut kommst, ohne jemanden zu töten oder von jemandem getötet zu werden.“

    Er hob den Deckel einer Mülltonne an und ließ den Knochen hineinfallen.

    „Ich habe Zweifel, dass mir normale Leute noch irgendetwas entgegensetzen können.“ Andrea setzte ihren Rucksack wieder auf und sah ihn zornig an. Sie gestikulierte ihm näherzukommen und lenkte seine Aufmerksamkeit auf den Pfosten einer Straßenlaterne.

    In die grobe, graue Farbe waren kleine Symbole geritzt. Lafayett kannte Gaunerzinken und hatte immer sorgsam darauf geachtet, keine an seinem eigenen Haus zu haben. Es war Hilfestellung von Schurken füreinander. Kein Mann im Haus, Bedrohung durch Waffengewalt, Wachhund und andere Dinge, die Diebe und Trickbetrüger wissen mussten. Aber diese Art von Zeichen war ihm neu. Seine neue Freundin deutete auf ein durchkreuztes, kreisförmiges Symbol.

    „Das hier bedeutet, dass der Vampir, der diesen Straßenzug beansprucht, nicht teilen will. Wenn du hier trotzdem auf die Jagd gehst, forderst du mittelfristig einen Kampf heraus.“

    „Ich verstehe“, antwortete er knapp. Sie beugte sich zu ihm runter und fuhr mit ihrem Finger durch die dünne Schneeschicht zwischen ihnen.

    „Ich zeige dir schnell die Wichtigsten, Gott weiß, Cedric macht sich nicht die Mühe“. Sie zog einen Kreis mit einer kurzen, waagerechten Linie direkt darunter. „Das ist ein Schädel, siehst du? Das hier sind seine Zähne“. Ihr Finger fuhr an der Linie entlang. „Das bedeutet, dass es in dem markierten Haus eine Krankheit gibt. Verbreite keine Seuchen, sonst… du weißt schon.“

    Ihr nächstes Symbol war ein dritter Kreis, dieses Mal mit einem waagerechten Strich durch die Mitte. „Manchmal sind andere Vampire auch großzügig. Wenn du dieses Zeichen siehst, kannst du den Besitzer um Erlaubnis fragen, dich dort zu bedienen, und bekommst es wahrscheinlich erlaubt. Wenn es einfach nur ein leerer Kreis ist, dann ist das nicht nötig. In solchen Gebieten darfst du dir nehmen, was du brauchst, solange es nicht den Schleier bricht.“

    „Was ist der Schleier? Ich bin neu. Ich höre das zum ersten Mal.“

    Andrea murmelte einige Flüche in einer Sprache, die er nicht verstand. „Ein Mensch alleine ist keine Bedrohung für uns, aber wir müssen Sie unbedingt dumm halten. Wenn bekannt werden würde, dass es uns gibt, würden sie organisierte Gegenmaßnahmen ergreifen und sich schützen. Gib dein wahres Wesen niemals zu erkennen. Das bringt uns allen nur Probleme.“

    Einmal editiert, zuletzt von Feron (13. August 2024 um 11:23)

  • Ich habe hier noch einen sehr dialog-lastigen Teil. Ich bin mir oft unsicher wie ich den Raum zwischen den gesprochenen Worten füllen soll, besonders wenn es eine lange Unterhaltung ist. Könnt ihr mir vll auch sagen ob das Pacing noch ok ist? Ich habe das Gefühl die Plot-punkte könnten hier etwas eng beieinander sein.

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    „Bin ich unsterblich?“ Lafayetts Ton war neutral, weil er nicht sicher war, auf welche Antwort er hoffte. Das Konzept von Unendlichkeit passte nicht in seinen Kopf. Er versuchte sich vorzustellen, wie er hundert Jahre lebte, tausend, zehntausend, aber schon im nächsten Augenblick erschien all dies bedeutungslos, denn selbst zehntausend Jahre kratzten nicht einmal an der Oberfläche dessen, was er durchmachen würde, wenn Andrea mit ja antwortete. Er folgte ihr durch den immer stärker werdenden Schneesturm in die Toudouze-Straße, wo sich viele Handwerker niedergelassen hatten.

    Seine Begleiterin stoppte kurz, vergewisserte sich, dass sie unter sich waren, und sprach schließlich. „Nein. Nicht wirklich. Deine Existenz kann enden. Es hat nur andere Ursachen.“ Sie hielt an und deutete mit der flachen Hand zuerst auf seine Brust und dann auf seine Stirn. „Die einzigen wichtigen Teile sind dein Herz und dein Gehirn. Du kannst dich von jeder Verletzung erholen, solange beides verbunden ist.“

    Lafayett fuhr sich mit den Fingern über seine Kehle und starrte sie nachdenklich an. „Aber Vampire wie jener, der uns in der Brauerei angegriffen hat, wissen das und werden mich enthaupten, wenn sie mich fangen, richtig?“

    Sie nickte. „Jeder von uns muss ein Kämpfer sein. Der Waffenmeister sorgt dafür.“ Andrea ließ von ihm ab und setzte sich wieder in Bewegung. Sie überquerte vor ihm eine Kreuzung, aber etwas an ihrem Gang hatte sich dramatisch verändert. Ihre Bewegungen erschienen umgelenkt und schwerfällig. Er achtete auf ihre Fersen und sah, wie sie ihr linkes Bein mehr und mehr hinter sich her schleifte. Ihre Knie wirkten steif und sie achtete nur noch auf das Stück Straße genau vor ihr, anstatt die ganze Umgebung im Auge zu behalten wie zuvor.

    „Sind sie in Ordnung?“ Er kam näher, bereit sie auf zu fangen, wenn sie fallen sollte, aber Andrea fletschte wortlos ihre blütenweißen Zähne, als er ihr seinen Arm anbot. „Fass mich an und du ziehst einen Stumpf zurück!“

    „Ich habe es gut gemeint“, brummte er. Die schöne Vampirin in dem roten Kleid ging noch einen einzigen weiteren Schritt, als ihre Beine endgültig nachgaben und sie inmitten der Straße zusammenbrach. Mehrere Passanten hielten an und beobachteten die Szene.

    „Oh, mein Gott! Soll ich jemanden rufen!?“, rief eine Frau, die auf dem Gehsteig stehen geblieben war. Lafayett schüttelte entschieden den Kopf.

    „Danke, es geht schon!“ Er schob seine Arme unter Andreas Rücken und Knie und hob sie hoch. Er schenkte sowohl ihr als auch der hilfsbereiten Dame ein charmantes Lächeln. „Ich hatte ihr gesagt, dass die Absätze nicht stabil aussehen. Aber Sie wissen ja, wie Frauen sind, wenn es irgendwo günstige Winterstiefel gibt.“


    Die Leute setzten sich einer nach dem anderen wieder in Bewegung, schlossen ihre Rollläden und wendeten sich allgemein wieder ihren eigenen Angelegenheiten zu. Lafayett war erleichtert, auch wenn er nicht genau wusste, was genau er zu verbergen versuchte. Er senkte den Blick, um sicher zu gehen, dass Andrea kooperierte, anstatt ihre Drohung von vorhin wahr zu machen.

    „Ich muss nicht zwingend wissen, was ihnen fehlt, aber können sie mir sagen, wo dieser Freund wohnt, von dem sie gesprochen hatten?“

    Sie streckte sich, suchte die Fassaden nach einem bestimmten Gebäude ab und deutete dann auf ein Kunstatelier mit einer Wildrose als Banner. Henry Stolz Kunst-Restauration.

    „Kennst du den Ausdruck: So kalt, dass einem das Blut in den Adern gefriert?“

    „Oh!“ Lafayetts Augen weiteten sich, als er das Ausmaß des Problems verstand und dass er ebenfalls davon betroffen war, wenn sie keinen Schutz fanden. „Sie waren also zu lange draußen?“

    „Ja. Ich kann meine Beine nicht mehr bewegen. Henry wohnt im zweiten Stock. Nimm die Feuerleiter, dann sieht uns niemand. Und sag du zu mir. Es ist in Ordnung.“

    Die Stufen der Feuerleiter quietschten leise unter seinem Gewicht und er musste vorsichtig gehen, weil er seine eigenen Füße nicht sehen konnte. Nun, da seine Aufmerksamkeit darauf gelenkt war, bemerkte er erst, wie sehr sich der fallende Schnee auf seinem Haar und seinen Schultern anhäufte, ohne zu schmelzen. Der Frost drohte seinen Körper zu überziehen, aber er spürte keine Taubheit und keinen Schmerz, nur ein kleines bisschen mehr Mühe, sich vorwärts zu bewegen. Er konnte sich nur viel zu leicht vorstellen, wie Sie das Problem unterschätzt hatte. Andrea klopfte für ihn an.

    „Ich komme!“, rief eine männliche Stimme im Inneren, aber die Tür verblieb geschlossen.

    Andrea rollte amüsiert mit den Augen. „Gib ihm Zeit. Er gehört zu Madame Anna. Sie ist eine unserer Ältesten und sammelt Künstler.“

    Geräusche waren zu hören. Schubladen, die auf und zu geschoben wurden, das Rascheln von hastig zusammengelegten Kleidern und das Klirren von Tassen und Gläsern.

    Lafayett verlor trotz ihrer Bitte nach einer Weile die Geduld. „Kumpel, du brauchst wegen uns nicht renovieren! Wir erfrieren hier draußen!“

    Henry Stolz war ein kleiner, aber robuster Mann. Etwa so groß wie er selbst, aber mindestens doppelt so alt. Das Gestell einer schweren Brille drückte eine Delle in seinen Nasenrücken und sein Haar war fettig und zerzaust von monatelanger Vernachlässigung. Ein chemischer Geruch haftete an ihm, eine Mischung aus Farbverdünner, Fischgelatine und Holzleim.

    „Kommt rein! Komm rein!“ Er bewegte sich gelassen, aber seine Stimme klang noch immer gehetzt. Das Atelier selbst lag unter den Utensilien seines Handwerks begraben. Papierrollen, Teile von Rahmen, Leinenzuschnitte, Farbkannen, halbvolle Behälter mit diversen Mischungen und dazwischen hin und wieder kleine Trampelpfade mit freiem Boden. Schreibtische, Hocker und ein einzelnes Sofa ragten wie einsame Inseln aus dem Caos heraus.

    Henry fegte mit einer schnellen Handbewegung über das Polster und rodete einen Wald aus Pinseln, die wie Palmen aus ihren Gläsern geragt hatten.

    „Leg sie da hin!“. Er gestikulierte Lafayett sie dort abzulegen. “Dieser Raum ist zehn Grad warm. Sie ist bald wieder auf den Beinen, keine Sorge.“

    Dann beugte er sich vor und blickte auf Andrea herab. „Höchstens eine Stunde“, erklärte er deutlicher als nötig und viel mehr zu ihr als zu ihm.

    „Danke“, gab Andrea leise von sich und streckte sich über die olivgrünen Kissen.

    Der Künstler rückte seine Krawatte zurecht, aber Lafayett erkannte das sofort als den nervösen Tick, den es wirklich war. Der Knoten war bereits viel zu eng und der Stoff ausgefranzt und blass vom ständigen Hantieren damit.

    „So… du bist der Neuzugang, der die Duponds erledigt hat? Ich meine… Es waren Kunden von mir, aber die haben im Voraus bezahlt, also kein böses Blut deswegen.“

    Andrea richtete sich auf, blickte ihn entsetzt an und gestikulierte einen Kehlenschnitt. Henry machte daraufhin einen Schritt zurück, brach den Blickkontakt ab und kratzte sich durch sein fettiges Haar.

    „Was du… anscheinend nicht mit Absicht getan hast. Oh, das tut mir leid. Ich hätte den Mund halten sollen.“

    Lafayett simulierte einen tiefen Atemzug. „Lass uns zum Wohl aller so tun, als wäre ich darüber hinweg. Andrea meinte, du hast frische Kleidung für uns. Ihr Kleid ist nass und ich habe mein Hemd wegwerfen müssen.“

    „Oh, ja das.“ Wieder fummelte er mit seiner Krawatte. „Ich schwöre, wenn ich jemals eine Frau finde, die Blutflecken aus weißer Wolle herausbekommt, heirate ich sie auf der Stelle. All das Geld und die Zeit, die wir sparen könnten.“

    „Ich könnte wirklich, wirklich etwas Blut gebrauchen“, unterbrach Lafayett seine Fantasie.

    Die Körperhaltung des Künstlers wurde ruhiger, abgeklärter, als hätte er plötzlich irgendwo in seinem Inneren Ruhe gefunden. „Wenn die Dame uns kurz entschuldigen würde?“, richtete er an seinen anderen Gast und deutete ihm zu folgen.

    Im hinteren Teil des Raumes gab es eine schmale, grüne Metalltür mit einem sehr abgenutzten Schlüsselloch. Henry öffnete sie mit dem passenden Schlüssel. Es war ein kleiner Wohnbereich, ähnlich jenem unter der Brauerei, aber die Wände waren mit dickem Schaumstoff gepolstert. Lafayett konnte förmlich spüren, wie es alle Geräusche verschluckte. Zwischen einer Pritsche und einer Toilette, lag eine Kette am Boden. Er folgte ihr mit seinem Blick bis zu einer Gestalt, die zitternd am Boden kauerte und seinen Nacken mit den muskulösen Unterarmen bedeckte.

    „Nein! Es ist noch nicht Zeit. Ich bin nicht bereit!“, jammerte der Mann und rutschte bis in die hinterste Ecke, so weit von Henry entfernt wie er sein konnte.

    Lafayett war dabei, zu protestieren. Seine Lippen formten Worte und Argumente, aber er konnte sich nicht durchringen, sie laut zu sagen. Aber Henrys Mine verriet trotzdem Enttäuschung. Zögerlich legte der Künstler die Hand auf seine Schulter.

    „Er ist hier eingebrochen. Hat mich ausrauben wollen. Was auch immer du sagen willst, ich habe es schon hundert Mal gehört. Es ist nicht meine Schuld, sondern die meiner Erzeugerin. Ich habe mir mein Los genauso wenig ausgesucht wie dieser Kerl.“

    „Warum jagst du nicht draußen? Ich verstehe, dass wir sie beißen müssen, aber warum das hier!?“ Er deutete im Raum umher.

    „Wir sind zu viele auf zu engem Raum, seit wir das Industriegebiet verloren haben. Die Straße vor meiner Tür gehört einem Ältesten namens Leander und er teilt nicht. Zumindest nicht mit mir.“

  • Spannender Abschnitt. Man lernt also jetzt mehr über die Vampire und wie sie leben. Die Dialoge gefallen mir gut und machen das Ganze sehr locker und auch mit einigem schwarzen Humor. Andrea und Anna hatten wir ja vorher schon kennengelernt. Ich bin gespannt wo Lafayett da seinen Platz finden soll. Eigentlich müsste er ja immer noch ziemlich gebrochen und schockiert sein nach dem Tod von Philippe und der Erkenntnis dass er selbst nun ein Vampir ist. In Anbetracht dessen tritt er hier ziemlich cool und abgebrüht auf.

    Ihm blüht wohl auch noch einiger Ärger von Cedric. Jetzt hat er nicht nur den Befehl missachtet sondern rennt noch in der Weltgeschichte herum. Es wird nicht leicht sein das alles zu erklären. Ob Andrea ihn wirklich in Schutz nehmen wird ... wer weiß.

    Mir gefällt diese Einführung in die Vampirwelt sehr gut. Es wurde ja schon in den vorherigen Abschnitten klar dass es unter den Vampiren ziemlich brutal und kaltblütig zur Sache geht. Daher ist da wohl noch einiges zu erwarten. Ich bin gespannt!

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince

  • Hey Feron

    Die letzten Abschnitte haben mir gut gefallen. Lafayetts Aufeinandertreffen mit Cedric. Die Prüfung, ob er es schafft, trotz mörderischem Hunger in dem Zimmer zu bleiben und dann diese Rettungsaktion von Andrea, die letztlich Schuld daran ist, dass er das Versprechen brechen muss.

    Die Erklärungen von Andrea zu den Revieren und Ansprüchen der Vampire auf bestimmte Viertel fand ich anschaulich. Und Henry! Henry ist dir als Charakter gut gelungen, finde ich.

    Ganz witzig fand ich auch Andreas Schwächeanfall wegen der Kälte :rofl:Zuerst habe ich mich gefragt, ob das so viel Sinn ergibt, weil Vampire ja eh schon tot sind und über keine Körperwärme mehr verfügen. Warum also sollte die Kälte ihnen etwas anhaben können. Dass jedoch eben wegen der mangelnden Körperwärme das Blut in den Adern gefriert, klingt ja dann schon wieder nachvollziehbar. Zumindest ein bisschen. Wobei das natürlich schon auch ziemlich unpraktisch wäre im Winter. :hmm:

    Gut finde ich aber auf jeden Fall, dass die Vampire dadurch nicht so übermächtig dargestellt werden und durchaus Schwächen haben.

    Ich bin gespannt, wo Lafayett in dem ganzen Gefüge jetzt seinen Platz finden wird. Ansatzweise scheint er sich zumindest schon mit seinem neuen Dasein angefreundet zu haben.

    LG
    Rainbow

  • Danke Kirisha

    Zitat

    Eigentlich müsste er ja immer noch ziemlich gebrochen und schockiert sein nach dem Tod von Philippe und der Erkenntnis dass er selbst nun ein Vampir ist. In Anbetracht dessen tritt er hier ziemlich cool und abgebrüht auf.

    Ich dachte das es zu langweilig werden könnte, wenn er eine Tagelange Panik-Attacke hat auch wenn es realistischer wäre. Es vergehen ja einige Tage ehe Andrea ihn rausholt. Eventuell kann ich da mehr Inhalt hinzufügen damit klar wird das etwas Zeit vergeht und er das zumindest teilweise verarbeiten und sich beruhigen kann. Die Sache ist halt das der Leser schon weiß was ihm zugestoßen ist und ich das daher lieber nicht nochmal im Detail durchkauen will.

    Danke Rainbow

    Zitat

    Ganz witzig fand ich auch Andreas Schwächeanfall wegen der Kälte :rofl:Zuerst habe ich mich gefragt, ob das so viel Sinn ergibt, weil Vampire ja eh schon tot sind und über keine Körperwärme mehr verfügen. Warum also sollte die Kälte ihnen etwas anhaben können. Dass jedoch eben wegen der mangelnden Körperwärme das Blut in den Adern gefriert, klingt ja dann schon wieder nachvollziehbar. Zumindest ein bisschen. Wobei das natürlich schon auch ziemlich unpraktisch wäre im Winter. :hmm:

    Ich mag persönlich keine übermäßig komplexen Magiesysteme. Der Fluch der einen als Untoten wiederbelebt muss nicht auch noch vor Geistesstörungen, ansteckenden Seuchen und Kälte schützen. Ich möchte einfach nichts mit Magie durchwinken das auch eine interessante logische Erklärung haben kann. So tut sich zumindest die Frage nicht auf warum Vampire nicht die Welt beherrschen und Menschen zu Nutzvieh machen. *hust* Sequel *hust*

    Blut hat natürlich einen niedrigeren Gefrierpunkt als Wasser, gerade wenn man in Bewegung bleibt. Ich will nicht exakt ausrechnen wie lange das Einfrieren dauert, wenn man in Winterkleidung aus einem Zimmerwarmen Raum kommt. Ich denke aber es ist plausibel genug. Das wird später auch noch ein wichtiger Plot-Punkt.

    Ich versuche das nächste Update spätestens Sontag zu posten. Seid mir bitte nicht böse, wenn es länger dauert. Es gab ein neues Add-On für Word of Warcraft und mein Mann und ich wollen das zusammenspielen. Ich bin sehr dankbar für eure Zeit und euer Feedback und mache mir auch fleißig Notizen.

  • Hey Feron ,

    Danke Kirisha

    Zitat

    Eigentlich müsste er ja immer noch ziemlich gebrochen und schockiert sein nach dem Tod von Philippe und der Erkenntnis dass er selbst nun ein Vampir ist. In Anbetracht dessen tritt er hier ziemlich cool und abgebrüht auf.

    Ich dachte das es zu langweilig werden könnte, wenn er eine Tagelange Panik-Attacke hat auch wenn es realistischer wäre. Es vergehen ja einige Tage ehe Andrea ihn rausholt. Eventuell kann ich da mehr Inhalt hinzufügen damit klar wird das etwas Zeit vergeht und er das zumindest teilweise verarbeiten und sich beruhigen kann. Die Sache ist halt das der Leser schon weiß was ihm zugestoßen ist und ich das daher lieber nicht nochmal im Detail durchkauen will.

    So etwas Ähnliches hab ich auch gedacht, obwohl ich den Teil darüber, wie er diese Panikattacken im Bett hat und dann auf und ab paced, schon mitgenommen hat. In Anbetracht von Philippes Tod, wirkt er aber tatsächlich recht cool und snarked dann Andrea an, aber ich verbuche das als Survival Reaction. Das Ding mit Trauma, dem gewaltsamen Tod von einem geliebten Menschen - und I guess dem Eigenen - und so ist, dass es immer wieder hochkommt und sich in vielerei Bereichen äußert.

    Ich finde es allgemein immer wichtiger, dass eine Reaktion und Szene glaubwürdig ist und nahegeht, als dass sie nicht langweilig bzw. spannend genug ist. Wenn du ein Vampirdrama schreibst, findest du genügend Leser, die interne Konflikte nicht langweilig finden.


    Zu den anderen Szenen und World Building-Aspekten: Deine Ideen fand ich echt gut. Beispielsweise, dass das Gehirn mit dem Herz verbunden sein muss, dass das Gehirn bei der Verwandlung noch nicht verrotet sein darf, und auch das kalte Blut, das zu schaffen macht.

  • Lafayett stand mit einem Fuß auf der Schwelle des schalldichten Raumes. Er war bereit zu gehen, aber seine Beine bewegten sich nicht. Der Schatten, mit dem er seinen Kopf teilte, mochte nicht real sein, aber das musste er nicht, um ihn zu knechten. Phantom-Klauen gruben sich in seine Eingeweide und zerrten seine Gedanken immerzu in dieselbe Richtung, bestraften ihn für jeden Versuch, sich von der Beute abzuwenden, die hilflos vor ihm lag. Die Luft roch nach bitterem Angstschweiß und er hörte den Schlag des rasenden Herzens lauter und klarer als Musik. Das Zusammenziehen und lockerlassen der Muskeln, das Blut, wie es durch die Arterien rauschte, die kurzen, flachen Atemzüge und das aufeinanderschlagen klappernder Zähne.

    Ein paar Sekunden verschwanden aus seinem Gedächtnis, rannen wie Sand durch seine Finger, und er fand sich selbst über den gefangenen Menschen gebeugt wieder. Er hielt den Mann am Kragen fest und starrte auf dessen Hals. Die Haut war auf der linken Seite bereits vernarbt. Wer wusste schon, wie oft Henry ihm das angetan hatte? Lafayett versuchte seinen Griff zu lockern, war aber nicht überrascht, dass es ihm misslang. Der Hunger war zu groß für ihn. Mit seinem aller letzten Fetzen Willenskraft legte er seine Fingerknöchel an die Wange seines Opfers und kippte dessen Kopf auf die andere Seite, um seine Fänge zumindest in unversehrte Haut zu schlagen und nicht in die dünnen, empfindlichen Narben.

    In dem Moment, in dem er dem Blutdurst nachgab, bemerkte er erst, wie sehr dieser Instinkt sein eigentliches Ich niedergedrückt hatte. Der zitternde Körper in seinen Armen zog scharf Luft ein und verkrampfte sich. Seine Fänge durchdrangen die nasse Haut und ein Schwall Blut sickerte in seinen Rachen. Es sammelte sich in seinem Magen und die Wärme strahlte von dort aus in alle Teile seines Körpers. Ohne Blut war er nichts.

    Da war eine subtile Süße, die seine Zunge liebkoste, und kleine scharfe Stiche aus Eisen und Salz. Lafayett schloss seine Augen, und der Schrecken dessen, was er tat, erreichte ihn nicht länger. Es war so lächerlich gewesen, sich dagegen zu wehren. Nun, da er es zum ersten Mal wirklich schmeckte, kam es ihm so vor, als hätte er sein ganzes Leben lang nur aus Pfützen getrunken und deren Geschmack miteinander verglichen. Dies war Wein, Poesie, Opium, Sex, alles auf einmal.

    Ein Zerren an seiner Schulter riss ihn aus seinem Dämmerzustand. „Genug! Du bringst ihn sonst um!“ Es war Henry, der ihn von seinem Opfer wegzog. Lafayett hatte den Menschen für einen Moment völlig vergessen. Er hätte ihn getötet, das war offensichtlich. Dennoch leckte er gierig über seine Lippen und versuchte verzweifelt, das Gefühl des Trinkens so lange aufrechtzuerhalten, wie er konnte.

    „Gut?“, erkundigte sich Henry. „Das machst du jetzt alle zwei bis drei Nächte. Aber nicht hier. Du musst mit Cedric reden. Wenn er dein Mentor wird, dann ist es seine Verantwortung, dich mitzuversorgen.“

    Lafayett fuhr sich mit den Fingern durch sein Gesicht und versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Dass Henry ihn beobachtet hatte, war ihm im Nachhinein unangenehm. Er fühlte sich bloßgestellt wie der einzige Betrunkene auf einer ansonsten nüchternen Feier.

    „Ich muss nach Hause. Meine Familie hat keine Ahnung, wo ich bin“, sagte Lafayett mit einem sehnsüchtigen Blick auf die Tür.

    Henry seufzte, führte ihn zurück ins Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter ihnen. „Eins nach dem anderen. Erstmal suchst du dir saubere Kleidung aus.“ Der Künstler öffnete einen verstaubten Kleiderschrank und zog mehrere Schubladen auf. „Du hast in etwa meine Größe. Versuch das hier.“

    Von dem Kleiderbügel baumelte eine weinrote Jacke aus Seide, mit einem breiten Kragen und glänzenden, neuen Messingknöpfen. An einer Naht im Inneren hing das Etikett einer Schneiderei, die Lafayett nicht kannte. Er betrachtete das Kleidungsstück kritisch und schüttelte den Kopf. „Ich mag solchen glänzenden Stoff nicht. Das ist was für Mädchen und für Zigeuner.

    Henry lehnte sich vor und drückte ihm die Jacke gegen seine Brust. „Du wirst niemals wieder ins Tageslicht treten. Unsere Welt sind dunkle Gassen und Räume voller Kerzen. Gönn dir ruhig ein wenig Glanz, dann fehlt es dir später vielleicht nicht so sehr. Abgesehen davon ist weißer Stoff nichts für Neulinge.“

    „Wegen der Blutflecken?“,Lafayett hob die Braue, öffnete aber dann der Reihe nach alle Knöpfe an seiner neuen Jacke.

    „Du kannst wieder Weiß tragen, wenn du mehr Übung hast“, kommentierte Andrea von ihrem Sofa aus. Sie begann ihre Beine zu strecken und zu dehnen und gegen den Frost in ihren Venen anzukämpfen. Henry präsentierte ihm eine saubere schwarze Hose. Die Hosenbeine waren umgeschlagen und festgenäht, damit sie einem kleineren Mann wie Henry passten, aber die Naht war nicht gleichmäßig und auch nicht in der exakt richtigen Farbe, so wie alles, was Madame Perrin für ihn genäht hatte. Dieser Komfort war für immer verloren. Er verbarg sich hinter einem Stapel Bilderrahmen und schlüpfte in die geliehenen Sachen.

    „Was ist überhaupt in einer Stunde?“, fragte Lafayett, als er hinter dem Stapel hervortrat. „Warum willst du, dass wir bis dahin weg sind?“

    Henry zuckte mit den Schultern, fummelte aber dann erneut mit seiner Krawatte. „Ich habe einen Termin mit einem Klienten, der mir bei einer Rekonstruktion hilft.

    Andrea brach plötzlich in schrilles Lachen aus. „Ja! Der `Klient` den er meint, ist Hehler und was er `rekonstruiert` sind Geldscheine. Henry ist ein Fälscher.“

    „Das ist ein Nebenerwerb für mich!“, verteidigte sich der gedrungene Mann. „Die gefragten Fähigkeiten und Materialien überschneiden sich manchmal mit Kunstrestauration.“

    „Sicher“, sagte Anna sarkastisch und blinzelte betont schnell.

    Lafayett holte tief Luft und steckte seine Hände in die Taschen der Seidenjacke. Er fühlte etwas auf der linken Seite. Ein Bündel Papier, das mit einer Metallklammer zusammengehalten wurde. Geld wohl, vermutlich Blüten, aber er hätte es hervorholen müssen, um nachzusehen. Henry brauchte das sicher in keinem Fall so dringend wie er.

    „Ich bin dir dankbar für deine Hilfe, Henry. Ich bin derzeit noch nicht in der Position, das wiedergut zu machen, aber ich merke es mir.“

    Nach einer Weile stand Andrea auf, schickte die beiden Männer für eine Weile in den Flur und wechselte ihr durchweichtes, rotes Kleid zu einer losen sitzenden schwarzen Hose und einer weißen Herren-Bluse, die ihr rechts über die Schulter rutschte, ehe sie Lafayett und Henry wieder hineinrief.

    „Cedric ist vermutlich bei Madame Anna. Er und ich gehen uns eigentlich derzeit aus dem Weg.“ Sie tippte Lafayett mit dem Zeigefinger auf die Brust. „Du hast nicht die Spur einer Ahnung, wo du hier hereingeragten bist, Kleiner.“

    Lafayett nahm sachte ihre Hand und drückte sie von sich weg. „Können wir bitte erst bei meinem Haus vorbeigehen? Ich will, dass meine Mutter weiß, dass es mir gut geht.“

    Andrea verschränkte die Arme, hob die Braue und musterte ihn abermals von oben bis unten. „Fein. Lass uns diese Konversation üben. Ich bin deine Mutter. Schieß los!“

    Lafayett hustete und lockerte seine Schultern. „Hör mir zu, bevor du irgendwas sagst! Ich weiß, das klingt, als wäre ich auf den Kopf gefallen, aber ich schwöre, es ist wahr: Ein Vampir hat mich…“

    „Stop!“ Andrea legte ihre flache Hand auf seine Lippen, ehe er weiterreden konnte. „Deine Mutter ist tot und du bist es auch. Sterblichen zu erzählen, was du bist, ist verboten. Cedric und Leander haben beide Pfefferkörner anstelle von Herzen. Vertrau mir und lern das nicht auf dem schweren Weg“.

    Henry trat einen Schritt näher an sie heran und begann seine Brille zu putzen. „Selbst wenn du den Vampire-sind-echt Teil weglässt“, sprach er. „Du kannst kaum vor ihnen verbergen, dass du Blut trinkst oder dass dich direktes Sonnenlicht verbrennt. Es tut mir leid, aber du kannst nicht mehr nach Hause.“

    Lafayetts Fangzähne drückten sich vor Frust und Wut hoch, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Die Idee, seine Schwester, seine Mutter und seinen Onkel nicht wiedersehen zu können, perlte an ihm ab, wie Wasser von einer Seerose. Er würde einen Weg finden, später, wenn er alleine war und sich frei bewegen konnte. Er musste einfach listig sein, den Widrigkeiten trotzen wie immer.

    Die Tür des Ateliers schloss sich hinter Andrea und ihm und sie schlichen zurück auf die verschneite Straße. Die Stadt bei Nacht war dieselbe, aber doch völlig anders, als würde die ganze Welt von den Anstrengungen des Tages rasten.

    „Es tut mir leid“, flüsterte seine Begleiterin, während er noch wie verzaubert hinauf zu den neuen Sternen starrte.

    „Was tut dir leid? Du hast mir geholfen, so gut du konntest.“

    „Es tut mir leid, was mit dir passiert ist. Ich weiß, wie du dich fühlen musst.“ Der Wind zerrte an ihrer Bluse und Lafayett konnte zum ersten Mal klar erkennen, wie dünn sie im Augenblick ihres Todes gewesen sein musste. Nein. Nicht einfach dünn… unterernährt. Seine lichtscheuen Augen entdeckten die Schwielen an ihren Händen und die rissigen Stellen auf ihren Schultern, wo die Sonne sie zu Lebzeiten am meisten getroffen hatte . Es erschien ihm so unwirklich, dass diese schwarze Frau, diese bettelarme Bäuerin Mitleid mit ihm hatte. Der Tod machte am Ende doch alle Menschen gleich.

    „Bitte bring mich zu Cedric. Und wenn es dir nichts ausmacht, erklär mir auf dem Weg, wie ich mich verhalten und was ich sagen muss, um als Teil eurer Sippe akzeptiert zu werden. Ich kann nicht einfach sterben, ich habe Dinge zu erledigen und Menschen zu beschützen.“

    Andrea nahm seine Hand und setzte sich in Bewegung. „Da ist eine Rangordnung“, begann sie. „Protegés, Krieger und Älteste.“

    „Ich nehme an ich bin ein Protegé?“

    Sie lachte leise und führte ihn nach Süden auf die andere Seite des Flusses. „Nein. Du bist erstmal gar nichts, bis sich einer der Krieger oder Ältesten bereit erklärt, dich auszubilden. Aber das hat einen hohen Preis. Wenn dich jemand als Schüler annimmt, schuldest du ihr oder ihm Gehorsam und bekommst ziemlich sicher auch Arbeit aufgeladen. Das geht dann für fünf bis zehn Jahre so, ehe du selber Krieger sein darfst und offiziell von dem Einfluss deines Mentors freigesprochen wirst. So ist es Tradition. “

    Sie näherten sich der kurzen Gasse. Lafayett hatte oft im Vorbeigehen die Musik aus dem Inneren gehört, aber die Bar nie selbst betreten können, weil der Türsteher zu jeder Tag- und Nachtzeit nach einem Passwort gefragt hatte. Dieses Mal klopfte Andrea an die kleine Holzklappe und flüsterte etwas. Es war ihm nicht möglich, das Passwort von ihren Lippen abzulesen, da sie von ihm abgewandt war, aber sobald er begann sich auf sie zu konzentrieren und alle anderen Geräusche auszublenden, verstand er was sie und der gruselige Türsteher zueinander sagten.

    „Hier für die Musik?“, kam es von drinnen. „Sie muss nicht perfekt sein. Sie muss nur sein“, antwortete Andrea. Danach klickten und quietschten mehrere schwere Schlösser.

    „Geschlossene Gesellschaft heute Abend“, erklärte der riesige, bärtige Mann und hielt ihnen die Tür offen. Eine Treppe führte hinunter in einen alten, umgebauten Weinkeller. Der Geruch von parfümierten Kerzen, welche spärlich auf die Tische verteilt waren, mischte sich mit dem modrigen Aroma von alten Holzfässern. Die Bar war gut besucht, aber keiner der vielen Gäste hatte ein Getränk vor sich stehen. Glimmende rote Augen starrten Lafayett und Andrea aus den Schatten heraus an und ein Chor aus flüsternden Stimmen erhob sich überall um sie herum.

    „Wer ist das? Kennst du ihn?“, fragte ein junger Mann mit kurzem weißem Haar, woraufhin sein Gegenüber mit den Schultern zuckte. Die Frage war eine schwierige. Wer war er? Was wollten diese Monster hören und sehen? Welche Rolle musste er spielen, um Cedrics Gunst zu gewinnen und die Sterblichen… die Menschen, die ihm wichtig waren, nicht zu Beute oder Druckmitteln werden zu lassen?

  • Hallo Feron

    das ist wieder ein sehr guter Abschnitt voller interessanter Details. Ich bin dem gerne gefolgt. Es wird hart für Lafayett, wenn er tatsächlich seine Familie nie wiedersehen darf. Ich weiß ja noch, wie Andrea das versucht hat. Ich glaube, Lafayett wird es auch versuchen.

    kommentierte Andrea von ihrem Sofa aus

    Hier war ich etwas verwundert. Sie haben doch das vorherige Zimmer verlassen und sind in ein anderes gegangen. Saß Andrea in dem anderen Zimmer? Ich hatte gedacht, sie wären dort allein.

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince

  • Zitat

    Hier war ich etwas verwundert. Sie haben doch das vorherige Zimmer verlassen und sind in ein anderes gegangen. Saß Andrea in dem anderen Zimmer? Ich hatte gedacht, sie wären dort allein.

    Danke Kirisha Die gehen nachdem Lafayett den Typen gebissen hat eigentlich zu Andrea zurück. Ich gehe nochmal drüber und mache es etwas deutlicher. Ich habe manchmal Probleme beim Übergang von einer Szene in die andere glaube ich.

    Zitat

    Henry seufzte, führte ihn zurück ins Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter ihnen.

    Die Story geht bald weiter, heute Abend habe ich aber nur ein eingeschobenes Stück, wie Lafayett ein Vorstellungsgespräch bei der Bank hat. Ich will euch nicht zumuten Szenen in der falschen Reihenfolge zu lesen, deswegen packe ich es in den Spoiler. Die Szene kommt zwischen jene in der er und Phillip von Roux beim Küssen erwischt wurden und die in der er erfährt das Clairval die Hochzeit abgesagt hat, um die Pacing-Probleme an der Stelle zu beheben.

    Der Zweck ist hauptsächlich Charakter-Arbeit und ich wollte das Lafayett häufiger etwas Nettes gesagt bekommt und nicht ständig nur auf die Fresse kriegt. Es soll auch nochmal zeigen was für ein toller Redner er eigentlich ist. Es -soll- von der Panikattacke abgesehen relativ lustig sein. Meine Art von Humor halt.

    --

    Spoiler anzeigen

    „Ist es wahr, dass der Motor explodieren kann, wenn er zu heiß wird?“ Lafayett drückte sich aus seinem Sitz heraus ein Stück nach vorne und beobachtete, wie sein Onkel souverän die Pedale im Fußraum seines neuen Automobils bediente, ein Panhard & Levassor in mattem Schwarz mit hellen Reifen und einem Scheinwerfer aus Messing.

    „Ich weiß nicht, Lafayett“, antwortete Gabriel sarkastisch. „Ist es wahr, dass Pferde dir den Schädel eintreten können, wenn sie einen schlechten Tag haben?“

    Ein besonders unebener Teil des Kopfsteinpflasters rüttelte plötzlich das ganze Fahrzeug. Lafayett klammerte sich an seiner Armlehne fest. Er schwieg und drückte die Zunge gegen seinen Gaumen, um sich nicht aus Versehen darauf zu beißen. Sie bogen zwischen einigen anderen Autos auf eine schattige Allee ab, die parallel zur Hauptstraße verlief. Sein Herz wurde schwer. Das war nicht der Weg zum Schneider. Ein Friseur hatte hier seinen Laden.

    Am liebsten wäre er aus dem fahrenden Wagen gesprungen und nach Hause gerannt. Aber er machte nur den Rücken gerade und kämpfte gegen den Drang an, nervös auf seinen Nägeln zu kauen. `Selbstvertrauen. ‚Innen und außen!` Redete er sich ein. Die Stimme seines Onkels riss ihn aus seinen Gedanken.

    „Lafayett?“ Er blickte auf. „Mh?“

    „Ich habe es niemals gegen dich gehalten, dass du deine Jugend genießt. Im Gegenteil: Ich wünschte, ich wäre, als ich in deinem Alter war, mehr wie du gewesen.“

    Lafayett blinzelte. Er war bereit, eine sentimentale Miene aufzusetzen, wie jedes Mal, wenn er mit seinem Vater verglichen wurde, aber es schien, als müsse er das Kompliment dieses Mal nicht teilen.

    „Ich weiß, dass es dir besonders schwer fällt, ersthafte Arbeit anzufangen, und ich bin stolz auf dich, dass du es trotzdem tust. Du wirst das gut machen.“

    „Du zwingst mich, mein Haar kurz schneiden zu lassen, oder?“

    „Ja. Tut mir leid. So wie du bist, kannst du bei einem Vorstellungsgespräch nicht auftauchen.“ Gabriel parkte rückwärts und ohne rangieren zu müssen, genau in der Mitte der Parkplatzmarkierung.

    „Ich habe kein Geld dabei“, log Lafayett.

    „Du hast Glück. Deine Mutter hat den Termin im Voraus bezahlt. Steig jetzt aus, wir brauchen danach noch einen neuen Anzug für dich und einen vernünftigen Hut.“

    „Ich hasse es, wenn ihr beide euch gegen mich verbündet.“

    „Der Einzige, der gegen dich agiert, bist du selbst. Lass den Friseur seine Arbeit machen, dann rede ich dir nachher bei dem Anzug, den Schuhen und dem Hut nicht rein. Einverstanden?“

    Gabriel hielt ihm seine rechte Hand hin und Lafayett schlug widerwillig ein. „Ich will einen beigen Homburg-Hut“, sagte er.

    „Fein. Schwarz hätte dich ohnehin blass aussehen lassen. Steig jetzt aus.“

    Eine kleine Glocke über der Eingangstür kündigte ihr Eintreffen im Friseursalon an. Die Ablagen vor den großen Spiegeln und die Ecken der Wartebereiche waren mit beigen Chrysanthemen dekoriert. Lose Blütenblätter und abgeschnittene Haarstränge lagen verstreut auf dem schwarz-weiß gekachelten Boden und das höllische Klappern von Scheren war zu hören. Dies war seine persönliche Hölle, und er hatte Gabriel sein Wort gegeben, hier zu bleiben, bis man ihn freiließ.

    Ein Mann mit einem ordentlichen weißen Hemd und einer schwarzen Schürze kam auf ihn zu und schüttelte enthusiastisch seine verschwitzte Hand.

    „Willkommen, Monsieur Lurand! Wir haben Sie erwartet. Mein Name ist Théo! Vielen Dank für Ihr Vertrauen.“

    Er vertraute ihm nicht. Er entschied, dass Théo zu jung war, um Meister seines Handwerks zu sein, und dass man ihn mit einem Auszubildenden abspeiste. Zudem traf Théos eigenes Haar nicht seinen Geschmack. Der Scheitel verlief zu weit links, sodass die Frisur rechts zu füllig wirkte. Lafayett sammelte sich, nahm einen tiefen Atemzug durch die Nase und zwang sich mit aller Kraft, zu lächeln. Die Situation war nicht die Schuld des Lehrlings und es gab keinen Grund, die Sache für sie beide zur Tortur zu machen. Er schwor sich, seine schwachen Nerven nicht zu dem Problem anderer Leute zu machen und einfach ruhig sitzen zu bleiben, bis es vorbei war.


    „Ich will bei einem Vorstellungsgespräch einen guten Eindruck machen. Etwas Klassisches und Ordentliches bitte. Lieber keine Experimente oder Trents.“

    „Jawohl!“, rief der Friseur begeistert und deutete auf einen freien Stuhl, während Gabriel im Wartebereich Platz nahm und seinem Neffen aufmunternd zuwinkte.

    Théo schob einen Wagen mit einer Schüssel heran und kippte dann den Stuhl rückwärts, um das lange blonde Haar besser waschen zu können. Das Wasser war warm und seine Finger massierten ihm sachte die Kopfhaut, aber Lafayetts Herz rasste trotzdem. Er krallte seine Finger in die Armlehnen und starrte an die Decke. Der Krampf in seinem Magen wurde schlimmer, je öfter er eine Berührung an seinen Ohren spürte. Sie waren nicht symmetrisch und er wusste es. Menschen, die ihm sagten, dass sie es nicht auch sehen konnten oder dass es nicht schlimm war, logen, um seine Gefühle nicht zu verletzen, so wie er es mit ihnen tat. Jede Sekunde, in der er diesen kaputten Teil von sich selbst nicht verstecken konnte, sank ihr Respekt vor ihm. Er war ein Freak, ein Clown, der durch, an Wunder grenzendes, Glück immer als ehrenwerter Mann durchgegangen war.

    „Ist das Wasser in Ordnung?“, fragte sein Friseur, aber Lafayett hatte das Gefühl, der Schwindel würde ihn gänzlich übermannen, wenn er versuchte zu antworten. „Sie wirken sehr verspannt. Sagen Sie mir einfach, wenn ich es Ihnen irgendwie bequemer machen kann.“

    „Ja, danke“, hauchte Lafayett gerade so hervor und kniff die Augen zu. Er ballte seine Hände zu Fäusten, hielt sie für ein paar Sekunden angespannt und ließ wieder los, immer und immer wieder im gleichen Rhythmus, bis sich die aufkommende Panikattacke legte und wieder zu normalem, ertragbaren Unwohlsein wurde. Die Schere klapperte und die goldenen Strähnen fielen um ihn herum zu Boden. Er stellte sich vor, wie es wäre, wenn er eine ruckartige Bewegung machte und die Scherenblätter in seine Ohren schniten, vielleicht sogar genug, um sie abzutrennen. Er hasste sich selbst dafür, diese Dinge zu denken. Nichts hiervon war rational. Es war nur ein Haarschnitt, warum konnte er nicht für einen gottverdammten Tag normal sein? Nur ein einziger Tag ohne Unsicherheit, Angst oder Stress?

    „Fertig!“, verkündete Théo und deutete auf den Spiegel vor ihm. Sein Haar war nicht zu kurz, man konnte noch immer deutlich sehen, dass einzelne Strähnen sich zusammenrollen wollten. Es passte zu seinem Gesicht, aber seine Ohren waren jetzt dem Urteil der Welt ausgeliefert. Hilflosigkeit ergriff ihn. Am liebsten hätte er geschrien. Stattdessen stand er auf, klopfte seine Kleider ab und schüttelte seinem Friseur die Hand. „Besser hätte ich es mir nicht vorstellen können“, log er. „Vielen Dank dafür!“

    „Immer gern“, Théo verneigte sich.

    Der Besuch beim Schneider dauerte nicht lange, da Lafayett bereits im Vorfeld eine ziemlich genaue Vorstellung davon hatte, was er wollte, und die Stilberaterin mehr oder weniger links liegen lassen konnte. Die Autofahrt zur Bank verbrachten sie schweigend, bis Gabriel schließlich gegen eine Klappe in der Seitentür schlug, welche aufsprang und eine kleine Metallflasche Preis gab.

    „Flüssiger Mut?“, fragte sein Onkel und deutete auf den Schnaps.

    „Glaubst du ich hätte sonst nicht genug?“. Lafayett strich sich mit den Fingern über sein sauberes, kurzes Haar und setzte seinen neuen Hut auf. Es fühlte sich so ungewohnt an.

    „Du hast vorhin sehr gestresst ausgesehen. Alkohol hilft manchmal. In kleinen Mengen wohlgemerkt. Sieh es als Medizin für Ausnahmesituationen an.“

    Er wartete, bis sein Onkel auf ein gerades Stück Straße kam, und griff dann hinüber zu ihm, um sich die Flasche zu holen. Der teure Fusel brannte in seiner Kehle, aber seine Hände zitterten jetzt nicht mehr so stark. „Kommst du so durch deinen Arbeitstag?“

    Gabriel nahm ihm die Flasche wieder ab und legte sie außer Reichweite. „Manchmal schon, Lafayett, aber ehrliche Arbeit kann auch sehr erfüllend sein. Geld ist mehr als nur Münzen und bedrucktes Papier, weißt du? Es ist gutes Essen, warme Zimmer, hübsche Kleider und Mitgift, wenn du einmal Töchter hast. Geschenke von dir an deine Familie. Ich sage dir: Deine Frau zu sehen, wie sie ihre kleine Stupsnase gegen ein Schaufenster drückt und ihr die Halskette dann tatsächlich kaufen zu können, ist das größte Glück im Leben eines Mannes.“

    Er fühlte einen vertrauten Stich in seiner Brust. Er glaubte seinem Onkel, aber was auch immer er Phillip zum Geschenk machte, würde für immer in versteckten Schubladen verschwinden müssen und von dort aus nie wieder zum Vorschein kommen. Die Geste war für andere Leute, nicht für ihn.

    Die Bank von Rankental war eines der neueren Gebäude. Breite, flache Treppenstufen führten zum Eingang und die Scheiben wurden jeden zweiten Tag gereinigt, um die Aura von Ordnung und Beständigkeit nicht zu verlieren. Ohne Vertrauen war Geld nur Metall und Papier.

    Sein Onkel und er nahmen in einem Wartebereich mit gepolsterten, roten Sitzen und vertäfelten Wänden Platz. Gabriel schaute kontinuierlich auf seine Armbanduhr, damit sie genau fünf Minuten vor ihrem Termin am Büro von Monsieur Boucher anklopfen konnten, aber sie waren etwas zu früh. In der Halle herrschte fast völlige Stille, die nur gelegentlich durch das Kratzen von Schreibfedern auf Papier unterbrochen wurde. Die Türen hier quietschten nicht und alle Besucher dämpften von selbst ihre Stimmen. Die Belange, die hier besprochen wurden, waren zu ernst, um viel herum zu albern, ähnlich wie ein Krankenhaus oder Friedhof.


    „Timothée, das ist viel zu viel!“, beklagte sich eine Frau mit einem dunkelbraunen Rüschenkleid und zog einen Überweisungsbescheid unter der Feder ihres Begleiters weg.

    „Herr im Himmel, Bernadette! Gönn dem Jungen doch mal etwas! Wie soll er lernen, mit Geld umzugehen, wenn er niemals welches zur freien Verfügung hat?“ Der Mann streckte sich und versuchte, das Papier zurückzuholen, aber seine Frau klemmte das Dokument hinter ihrem Rücken.

    „Er hat genug. Das Studium ist nicht zum Trinken und Feiern da.“

    „Mein Herz“, begann ihr Ehemann und zog seine Arme zurück. „Möglicherweise ist es für jemanden, der so anmutig gealtert ist wie du, eher schwer, sich in einen jungen Studenten hineinzuversetzen, aber es wird seinen Noten nicht schaden, wenn er hin und wieder mit seinen Freunden ausgeht. Collin ist keine Maschine. Er braucht Pausen und dieses Geld wird ihm das geben. Ich werde ihm schreiben, dass die Extra Francs deine Idee waren, wenn du möchtest.“

    Die Dame seufzte besiegt und gab den Bescheid zurück. Lafayett lächelte innerlich und legte gedanklich `anmutig gealtert` zu seiner Liste mit Komplimenten. Studieren klang ebenfalls interessant. Aber das kostete sehr lange, sehr viel Geld, ehe es etwas einbrachte, und er brauchte das feste Einkommen sofort und nicht später, für Phillipe und ihn. Der Gedanke schenkte ihm Kraft. Er hatte Antworten auf die häufigsten Fragen zusammen mit seiner Mutter eingeübt und selbst wenn man ihm eine stellte, auf die er nicht vorbereitet war, würde er Wege finden, zu glänzen. Gott war fair und Lafayett war gesegnet genug, obwohl er klein war und seltsame Ohren hatte.

    „Es ist so weit“, Gabriel stupste ihn in die Seite. `Präsident A. Boucher` war auf das Messingschild an der Eichentür graviert. Der Raum selbst wirkte überladen. Alle Tische und Regale waren mit Kleinoden aus verschiedenen Urlaubsreisen belegt. Indische Messingskulpturen, Elfenbeinschnitzereien, bunte Korallenstücke und Kuckucksuhren aus Deutschland. Auf der Arbeitsfläche vor ihm dampfte eine Tasse Kaffee. Lafayett hängte seinen geliebten neuen Hut zum ersten Mal an einen Hutständer.

    Das Haar und der Bart des Präsidenten waren ein unnatürliches, monotones Blond ohne sonnengebleichte Strähnen, vermutlich nur eine Schicht goldener Farbe über dem ersten Grau. Der Knoten seiner schwarzen Krawatte saß genauso wie jener in dem Beispielbild aus dem Herrenmagazin, in dem Lafayett damals geblättert hatte, um das Mysterium des perfekten Knotens zu entschlüsseln. Da waren Würde und Zielsicherheit in seiner Haltung. Boucher würde oberflächliche Schmeicheleien sehr wahrscheinlich durchschauen. Die Entscheidung, ihn einzustellen, würde wirtschaftlich Sinn ergeben müssen, anstatt rein auf Sympathie aufzubauen, entschied er.

    Er nahm die Hand des Präsidenten und drückte zu, so fest er konnte. „Eine Freude, sie kennenlernen zu dürfen“, rief er enthusiastisch. „Wenn ich vorher gewusst hätte, wie schön Ihr Wartebereich ist, wäre ich noch früher hier gewesen.“

    „Schön zu hören. Die Polster-Sessel waren bei den meisten Angestellten hier umstritten, wegen der neuen Fabrikhalle.“

    Lafayett legte den Kopf schief. „Kommen die Leute hier in dreckigen Arbeitskleidern rein?“

    Der alte, blonde Mann winkte ab. „Meistens nicht, aber sie schleppen Läuse mit rein. Eklige Angelegenheit, aber Kunden sind Kunden.“

    Gabriel schloss die Tür hinter sich und begrüßte seinen Vorgesetzten ebenfalls mit einem Handschlag und ein paar freundlichen Floskeln. Der ungewöhnlich magere Lebenslauf, den Lafayett per Post geschickt hatte, lag bereits rechts auf dem Tisch, bei den anderen bereits gelesenen Unterlagen.

    „So junger Herr. Ihre Mutter hat sie also endlich überredet, einen Beruf zu lernen?“

    Lafayett schüttelte den Kopf. „Ich lebe nicht in einem Vakuum, Herr Boucher. Natürlich denke ich bei allen wichtigen Entscheidungen auch an meine Mutter. Aber Ich denke unabhängig von Ihren Wünschen, dass ich in einem ordentlichen, organisierten Umfeld am besten funktioniere. Ich bin keine halbherzige Person, daher suche ich Arbeit, die mich fordert.“

    „Mhm…“, Boucher führte die Kaffeetasse an seine Lippen und verzog daraufhin sofort das Gesicht. „Der schlechteste Kaffee in ganz Frankreich!“, verkündete er. Er packte die Tasse am oberen Rand, hob sie hoch und stellte sie dann genau unter Lafayetts Nase ab. „Verkaufen Sie mir das!“

    Gabriel schaute überrascht, sagte aber nichts, geschweige denn etwas Nützliches. Laffayett schaute konzentriert auf die dampfende Tasse und zog sie dann zu sich. Er griff mit seiner freien Hand ein paar Büroklammern und hielt sie dem Präsidenten hin.

    „Sie haben Glück! Zehn Centimes für ein Päckchen. Man muss einfach mal kurz innehalten und sich über den Preis freuen!“

    „Und der Kaffee?“ , fragte Boucher. Er und Gabriel zogen beide verwirrt die Brauen hoch. Lafayett schaute hinunter auf die weiße Tasse, als ob er völlig vergessen hätte, dass er sie hatte.

    „Dieser Kaffee? Oh, das tut mir leid. Der steht nicht zum Verkauf. Den gibt es nur freitags, wenn Mademoiselle Élodie früh morgens die Kaffeeküche für sich hat.“ Er setzte dieselbe sentimentale Mine auf, die er benutzte, wenn jemand über seinen verstorbenen Vater sprach, und schaute gedankenverloren in das Gebräu vor ihm.

    „Wissen Sie?“ Diese Sorte Kaffee ist ein eher spezieller Geschmack. Ich dachte zuerst, dass ich ihn nicht will, aber die Sekretärin, die ihn mir damals angeboten hat, war das süßeste Ding unter der Sonne, und ich hätte alles getrunken, damit sie gut von mir denkt. Sie hat abgelehnt, als ich nach einer Verabredung gefragt habe, aber ihr Kaffee ist mir geblieben.“

    Er zuckte leichtherzig mit den Schultern und lächelte. „Es ist eine leichtere Röstung, sodass die Arbeit des Plantagenbesitzers mehr zur Geltung kommt, als jene des Rösters, aber ich würde nichts anderes mehr wollen. Wissen Sie was? Ich denke, für Sie lässt sich da etwas machen. Das ist nur fair, wenn Sie sich so geduldig Frauengeschichten von mir anhören. Zwei Franc und ich sorge dafür, dass sie bis heute Abend eine Tasse auf ihrem Schreibtisch haben!“

    Lafayett streckte seinem Arbeitgeber die Hand neunzig Prozent des Weges entgegen, sodass er nur noch die letzten zehn von sich aus überwinden musste.

    „Ein Franc!“, bot Boucher mit strenger Mine an.

    „Ein Franc Fünfzig“, konterte er. Der alte Mann schlug ein. Lafayett hob seinen Kaffee mit der freien Hand an seine Lippen, um als Höhepunkt seiner Vorführung einen demonstrativ köstlichen Schluck zu nehmen, aber als die Flüssigkeit in der Tasse seine Zunge berührte, krümmte die Bitterkeit darin seine Gesichtszüge.

    „Der beste Kaffee Frankreichs!“, presste er gequält hervor und kämpfte dagegen an das grässliche Zeug nicht auszuspucken, während sein Onkel und der Präsident in schallendes Gelächter ausbrachen.

    „Wann kannst du anfangen?“

    „Montag, Monsieur. Am liebsten wären mir dieselben Schichten, die mein Onkel hat, damit ich mit Fragen zu ihm kommen kann.“

    Boucher nickte und holte aus einer seiner Schubladen einen Arbeitsvertrag hervor, den Lafayett sofort mit einer schwungvollen Bewegung unterschrieb.

    „Und wegen der süßen Sekretärinnen, Monsieur Lurad: Derzeit ist keine unserer Damen hier in festen Händen.“ Der alte Mann blinzelte ihm zu.

    Einmal editiert, zuletzt von Feron (20. September 2024 um 02:01)

  • Salut, hier meine Gedanken zum Attentat auf Layafett.

    Spoiler anzeigen

    Bis dahin alles tiptop, deine Geschichte macht mir Spass zu lesen und ich finde die Dialoge und die Gedankengänge der einzelnen Charaktere gelungen.

    Romanze ist eigentlich nicht so mein Ding, aber Layafett und Philippe haben eine tolle Dynamik und ich finde diese Kapitel gar nicht störend.

    „Steh auf!“ Flehte sie und schüttelte ihn so heftig, dass er glaubte, sie würde ihm den Arm ausreißen. Schwere Schritte hallten durch den Flur und sie näherten sich seinem Zimmer: Ein Einbrecher. Er sprang auf und rückte hastig seine Kissen und Decken zurecht, sodass es aussah, als würde er noch schlafen.

    Hier fände ich es etwas glaubwürdiger, wenn der Einbrecher sich noch im Erdgeschoss befindet, da die beiden dabei ja sicher nicht lautlos sind und für ihre Aktionen genügend Zeit benötigen.

    Er traf den Unterleib, aber die Klinge stieß nicht auf Widerstand. Von einem Wimpernschlag zum nächsten zerfiel die dunkle Gestalt in eine Wolke grauen Nebel und fügte sich am Ende des Flurs wieder zu einer humanoiden Form zusammen. Unversehrt.

    „Was für ein fauler Trick ist das!?“ Lafayett schnellte auf sein Ziel zu und machte sich bereit für den nächsten Stich.

    Ich frage mich, ob es vielleicht nicht besser wäre, auf diesen Teil zu verzichten und Cédric ohne Vampirkräfte mit Layafett spielen zu lassen. Somit hätte Layafett später noch mehr Grund schockiert zu sein, dass der Angreifer die Verletzung anscheindend überlebt hat.

    Die Treppenstufe Knirschte. Es war die Dritte von oben.

    Ich finde du hast das Element der knirschenden Treppenstufen - angefangen schon bei der Beschreibung vom Haus der Duponts - gut eingebaut. Da finde ich es etwas schade dass es keinen Effektiven Unterschied im Kampf macht. Wenn Layafett wirklich darauf angewiesen ist zu wissen, wo sich sein Feind genau befindet, knirscht nichts.


    Dass es Madame Perrin erwischt, hätte ich nicht erwartet. Der Tod der Haushälterin finde ich nicht weniger tragisch als der eines Familienmitglieds und ich glaube, das holt die Wohlhabende Familie ungemütlich auf den Boden der Tatsachen zurück.

  • Danke sehr, Jufington

    Kampf-Szenen fallen mir super schwer. Es ist auch nicht so einfach im Internet irgendwelche brauchbaren Beschreibungen von Rapier-Kämpfen zu bekommen, die nicht schon voraussetzen das du Experte bist. Ich werde wohl nicht drum herum kommen ein Buch darüber zu bestellen.

    Das Lafayett hier die mystischen Fähigkeiten sieht ist an der Stelle plot-relevant. Der Angreifer will ihn ja sowieso töten und dass er es nicht schafft verursacht für ihn später Komplikationen, um die sich Dr. Renee kümmern muss.

    Ja. Ich werde die Treppenstufen wohl noch einarbeiten. Es sollte eigentlich nur die Vertrautheit von Larfayetts Zuhause zeigen, aber das kann auch als Grund herhalten warum Precilla rechtzeitig aufgewacht ist.

  • Salut,

    Ich habe zwar in letzter Zeit wenig kommentiert, aber gerne weitergelesen. :)

    Spoiler anzeigen

    Zum Junggesellenabschied bis zu Philippes Tod schreibe ich mal nichts. Ist bei mir schon eine Weile her und ich nehme an, die anderen haben bereits nützliches Feedback gegeben. Wenn du noch welches brauchst, gerne melden.

    Bis dahin aber alles tiptop. Der Selbstmord war hart und für Layafette besonders hart, da er mit Madame Perrin gerade einen Verlust hatte und nur Sekunden zu spät kam.

    Vom Pacing her passt es für mich aber. Die beiden hatten viel "Screentime" und ich bin ja schliesslich wegen coolem Vampirscheiss hier. ;) Was auch immer du mit Layafette vorhast, wir kennen nun seinen Charakter und was er durchgemacht hat und können somit mit ihm mitfiebern. Der Status quo ist endgültig gebrochen, bin gespannt wie es weitergeht.


    Kampf-Szenen fallen mir super schwer. Es ist auch nicht so einfach im Internet irgendwelche brauchbaren Beschreibungen von Rapier-Kämpfen zu bekommen, die nicht schon voraussetzen das du Experte bist. Ich werde wohl nicht drum herum kommen ein Buch darüber zu bestellen.

    Der Channel Blood & Iron hat ein paar gute Videos zu Rapieren. Ich denke, zum Schreiben der meisten Kämpfe ist es nicht nötig, alle Techniken zu kennen, aber es macht sich sicher gut, wenn man etwas spezifisches beschreiben will.

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    Er schritt erhobenen Hauptes durch den Gang auf eine Palette mit fertigen Stoffrollen zu. Er konnte nicht widerstehen, mit der Hand über die Wolle zu streifen.

    Vampire sind also auch nur menschlich:rofl:

    Er schaute stattdessen über seine Schulter zu seiner Mentorin und stellte frustriert fest das sie diesem wolfsherzigen Bastard genug vertraut hatte um ohne Waffe auf zu brechen

    aufzubrechen


    Mathis scheint sich nicht nur recht rasch von seinen Wunden und seiner Verwandlung erholt zu haben, sondern agiert hier auch wie ein erfahrener Kämpfer, der er sofern ich mich erinnere nicht ist. So sehr ich es ihm gönnen mag fände ich es doch passender, wenn er sich in dem Kampf nicht ganz so cool gibt und eher durch Glück hindurchstolpern würde.

    Zu der Szene auf dem Friedhof:

    Spoiler anzeigen

    Ein weiterer Schicksalsschlag für Layafette und schliesslich der Moment, auf den wir gewartet haben. Die Verwandlung hast du sehr gut rübergebracht. Erstmals werden die Vampirkräfte aus erster Hand von jemandem beschrieben, der sie gerade erst kennenlernt. Auch die Filmrisse und die innere Stimme kommen sehr gut rüber.

  • Jufington Jetzt bin ich unter Druck es weiter zu schreiben. :blush: Ihr habt mir alle sehr geholfen! Ich hab viel editiert und verbessert. Und die Story auf meinem Pc ließt sich dadurch um einiges besser als das hier. Mir geht es besser und ich werde bald weiter posten , aber nicht in großem Tempo.

  • Lafayett spürte, wie sich seine Pupillen weiteten, sobald die vielen Lichtquellen von draußen seine Augen nicht mehr verbrannten. Die Bar lag in einem ehemaligen Winzerkeller; einer Gruft für Weinflaschen aus großen, groben Kalksteinblöcken. Er musste kein Mensch sein, um zu verstehen, wie kalt diese Halle war. Auch wusste er, dass seine Umgebung leise war, doch seine Ohren stimmten nicht zu. Der Chor aus flüsternden Stimmen wurde lauter, je länger er hinhorchte.

    „Ich wünschte, ich hätte dabei sein können!“, jubelte eine gedämpfte Frauenstimme. Lafayett erspähte die Lady, die gesprochen hatte, am Bartresen. Sie schwenkte ein Glas in ihren langen, dürren Fingern und betrachtete die trübe rote Flüssigkeit darin. Wein, entschied Lafayett, obwohl er es jetzt so viel besser wusste. Ein Mann mit einer langen Narbe an der rechten Wange prostete ihr zu. „Der Kopf des Pförtners lag in einer Dachrinne auf dem Haus gegenüber. Ich wette, er hat ihn da hingetreten wie einen Fußball.“

    Lafayetts Nackenhaare stellten sich auf. Es hatte definitiv einen Pförtner vor dem Depond-Anwesen gegeben. Aber er konnte sich klar daran erinnern, dass man ihn auf der Flucht aus dem Haus nicht gestoppt hatte. Redeten sie über ihn? Er wollte weiter mithören und sich verzweifelt alle Klarheit der Welt verschaffen, aber Andrea schnipste knapp vor seinem Gesicht mit den Fingern und rang dem Fremden so seine Aufmerksamkeit wieder ab.

    „Hör auf damit. Das ist unhöflich“, beklagte sie. „Nur weil du etwas hören kannst, heißt das nicht, dass es für deine Ohren bestimmt ist.“

    Ich bestimme, was mich etwas an geht und was nicht, dachte er, aber über seine Lippen rollte nur ein zahmes: „Natürlich. Verzeihung“ und er ließ sich tiefer in die Zuflucht führen. Die Ruhe und dunkle Eleganz des Treffpunktes wurden plötzlich vom Fauchen zweier Kämpfer gestört. Der Lärm kam aus der Mitte der Halle, aber er konnte nicht sehen, was sich dort zutrug, da ihm bereits eine Gruppe Schaulustiger die Sicht versperrte.

    „Ich wusste, das würde passieren“, seufzte Andrea, packte sein Handgelenk und zog ihn mit raumgreifenden Schritten auf die gaffende Menge zu. Sie näherte sich einem hageren Vampir mit gebleichtem Haar und einem Kragen aus Fuchsfell und tippte sachte gegen dessen linke Schulter. Ihr Freund blickte zuerst sie an, dann Lafayett. „Kommt!“, forderte er auf, trat ein Stück zur Seite und drückte sie dann beide auf die Mitte zu, wo sie trotz ihrer geringen Größe sehen konnten, was sich zutrug.

    Zwischen den Schaulustigen lag Cedric am Boden. Seine Hände pressten sich auf seinen Unterleib, wo dunkles Blut auf den kalten grauen Stein tropfte. Sein Gegner schüttelte seine Krallen, um sie schneller trocken zu bekommen. Es war ein großer, aber schmaler Mann, mit kurzem dunklen Haar und einem schwarzen Mantel mit silbernen Verzierungen.

    Hass.

    Lafayett sah den Hass in den rostroten Augen klarer als jedes andere Detail.

    „Leander“, flüsterte Andrea. „Meister der Stille. Sehr wichtig!“

    Leander machte ein paar kurze Schritte auf Cendric zu, der gerade dabei war, sich aufzurichten, und trat gegen dessen Kopf. Zwei Schneidezähne lockerten sich und landeten zu Andreas Füßen.

    „Ich hoffe, du bist glücklich!“, sprach er mit monotoner Stimme. „Nun können wir Arvendorn nicht mehr belagern, weil wir nicht wissen, ob die Salzmine für uns passierbar ist. Unsere Feinde sind gewarnt, dass wir es vorhatten, und wir werden bekannt sein als das Haus welches Diplomaten während Verhandlungen gefangen nimmt.“

    Cedric spuckte einen dritten losen Zahn aus und drückte sich vom Boden hoch. Er nahm einen stabilen Stand ein und die Krallen an seinen Fingern begannen rastlos zu zucken.

    „Ehre nutz uns nichts mehr, wenn wir tot sind! Und du hattest zugestimmt, dass wir es versuchen!“

    Lafayett beobachtete, wie die beiden einander umkreisten. Niemand griff ein, offenbar ein Duell. Dennoch; Auch Duelle konnten tödlich enden. Cedric war größer und stärker als sein Widersacher, aber ihre Körperhaltung sprach eine andere Sprache. Der Meister der Waffen fletschte seine Fänge und zeigte alle paar Sekunden eine andere Drohgebärde, während Leander sich kaum bewegte und Angriffen immer erst im letzten möglichen Moment auswich. Er hatte die Kontrolle, das war offensichtlich. Erneut spottete die Gestalt mit den roten Augen.

    „Du kannst deine Verantwortung nicht auf mich abwälzen und gleichzeitig deinen Titel behalten. Dank ab! Ansonsten ist dies die Zeit und der Ort deines Todes. So oder so, wird es deine letzte Entscheidung als unser Anführer sein.“

    Cedric entspannte sich. Sein Kampfgeist erlosch von einer Sekunde auf die andere, fast so, als würde er das Ultimatum begrüßen. Er suchte eine bestimmte Person in der Menge. Eine Dame in einem hellblauen, hochgeschlossenen Kleid. Ihr Blick war voller Kummer, aber ihre Füße bewegten sich nicht und auch sie blieb stumm.

    Der besiegte Anführer wischte das Blut von seinem Kinn und sprach leise, aber klar zu seinem Haus, zum letzten Mal. „Es tut mir leid, dass ich unser Schicksal nicht abwenden konnte. Ich habe getan, was ich konnte, und das werde ich auch weiterhin, aber als Krieger, nicht als Meister der Waffen.“

    Leander folgte seinem Blick zu der Dame in dem blauen Kleid und verneigte sich anmutig in ihre Richtung. „Lady Anna wird die neue Meisterin der Stille sein.“ Applaus ertönte, aber Lafayett wagte es selber erst zu klatschen, als er Andrea beobachtete, wie sie Beifall schenkte.

    „Wir werden ausharren, bis der Boden nicht mehr gefroren ist, und dann fliehen“, fuhr Leander fort. „Wir überlassen die Stadt Hector und seinen Rattlingen und suchen uns neue Jagdgründe im Osten. Nutzt die verbliebenen Wochen, um eure Schulden zu begleichen und alle anderen Angelegenheiten zu regeln. Ich rufe eine Versammlung ein, sobald es Zeit ist abzureisen.“

    Auch wenn ein paar der Stimmen tief und grummelig waren, schienen die meisten den Plan zu akzeptieren. Das Bild des Monsters, welches ihn in der Brauerei angegriffen hatte, flackerte vor Lafayetts geistigem Auge auf. Niemals würde er von hier flüchten und Kreaturen wie dieser seine Heimat überlassen. Die Menschen von Rankental erkannten die Grenzmarkierungen der Vampire nicht, ahnten nicht, dass Raubtiere die Stadt unter sich aufgeteilt hatten und die Bewohner darin hüteten wie Nutzvieh. Wie von selbst bewegten sich seine Beine und er machte einen Schritt nach vorne und noch einen, und noch einen, bis er sich neben Cedric wiederfand.

    „Lass mich helfen! Ich kenne Arvendorn gut genug. Ich weiß, welche Mine gemeint ist.“

    „Und wer, frage ich mich, ist `Ich`?“ Der Vampir mit dem kurzen schwarzen Haar und der monotonen Stimme verengte seine Augen und betrachtete Lafayett mit einer eigenartigen Mischung aus Interesse und Gleichgültigkeit. Er schien bereit ihn anzuhören, scherte sich auf der anderen Seite aber auch nicht darum, ob er lebte oder starb. Andrea formte Worte mit ihren Lippen aber sprach sie nicht aus: arroganter Trottel. Ja. Dies war ziemlich arrogant, aber nun war es zu spät andere Pläne zu schmieden.

    „Laffayett“. Es war verführerisch gewesen, `Sohn von Raphael` anzuhängen, aber dass sein Vater bekannt war, musste nicht heißen, dass er hier beliebt war. Er dachte an seine Schwester, seine Mutter und seinen Onkel, die Anker seines Herzens und hielt dem Blick von Leander mutig stand.

    „Schick mich zu dieser Mine!“, fuhr er fort. „Ich wurde erst vor ein paar Tagen verwandelt. Ich bin wertlos im Kampf und ich habe keine taktischen Informationen, die man aus mir herausquetschen könnte, wenn sie mich fangen. Wenn es einen Schleichweg in die Burgruine gibt, finde ich ihn.“

  • Salut,

    Endlich auch mal auf dem neusten Stand. ^^ Hatte bis dahin viel Freude beim Lesen und bin weiterhin gespannt wie sich die Geschichte nach dem - ich nenns mal langen Prolog - entwickelt.

    Layafettes ankommen in der Vampirwelt fand ich interessant. Ihm wird hier eine ganz andere Realität präsentiert als die, die er bisher wahrgenommen hatte. Ich bin mir gerade nicht sicher, ob du jemals Anspielungen darauf eingebaut hattest. Wäre vielleicht noch cool wenn ihm schon als Lebender einmal merkwürdige Zeichen an den Häusern auffallen, Menschen verschwinden oder seltsam ausgelaugt wirken.

    Mir hat die Machtdynamik zwischen Cédric und Layafett gefallen. Auch wenn Layafett bei den Duponts bewiesen hat, wozu er fähig ist, wirkt er neben erfahrenen Vampiren noch wie ein Kind. Auch die Aufgabe mit der Schnur finde ich ein sehr passendes Verhalten von Cédric.

    Andrea scheint eine Menge durchgemacht zu haben, seit wir sie das letzte Mal gesehen haben. Es ist noch genug von ihrer Menschlichkeit übrig, dass sie mit Layafett mitempfinden kann, sie wirkt zwischenzeitlich aber schon recht abgebrüht.