Mittelalterlicher Schwertkampf

Es gibt 23 Antworten in diesem Thema, welches 1.050 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (14. November 2024 um 19:44) ist von Thorsten.

  • Nachdem ich jetzt die Kamera bei einigen Sparring-Sessions mit dem Langschwert dabei hatte, habe ich mich mal an einem Zusammenschnitt versucht der einen Eindruck gibt was es da an Techniken und taktischen Varianten gibt (sieht man eigentlich nur in Slow Motion...)

    Wer also mal einen Eindruck vom Tempo und der Dynamik von Schwertkaempfen haben moechte - hier ist die Entwurfsfassung des Films (ich warte noch auf Kommentare vom Verein bevor das auf YT oeffentlich geschaltet wird...)

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  • . Ich hatte mir nicht vorgestellt, dass es so viele Bewegungsmöglichkeiten gibt.

    Ich mir vorher auch nicht.

    Mein Konzept von zweihaendigen Schwertern war sehr von Rollenspielregeln beeinflusst wo ein Zweihaender normalerweise mehr Schaden verursacht, aber auch schwerer zu schwingen ist.

    Tatsaechlich ist das Zweihandschwert taktisch aber ganz anders und viel vielseitiger, weil man durch den Griff mit zwei Haenden beide Haende gegeneinander bewegen kann ('push-pull cuts') und damit sehr schnelle Hiebe ausfuehren kann - mit einer Hand geht bei sowas vermutlich das Handgelenk kaputt.

    Mich fasziniert immer noch wie viele Techniken und Variationen es gibt - man kann mit beiden Seiten der Klinge angreifen, durch die Moeglichkeit von push-pull kann man Hiebe ausfuehren die so aussehen als gingen sie in eine Richtung, die aber am Ende 90 Grad dazu landen - und man kann auch mit den Schwertknauf angreifen wenn die Klinge grade blockiert ist.

    Tatsaechlich hat Fechten mit Langschwert schon einiges von Schach - man muss die Eroeffnungen und wichtigsten Varianten aus den verschiedenen Stellungen kennen um sinnvoll zu ahnen was der andere wohl tun wird:)

  • Gut gemachtes Video, schön um ein bisschen die Möglichkeiten zu zeigen. :D

    Die Schutzausrüstungen und Fechtfedern beeinflussen natürlich die Techniken, das Zecken hat einen merklich größeren Anteil als es wohl sonst hätte und je nach Regel nimmt man Doppeltreffer wesentlich eher hin als in einer "echten" Situation. :hmm:

    Zudem ist es mit scharfen Schwertern nochmals eine ganz andere Sachen. Haben das beim i.33 mal ein bisschen (sehr vorsichtig) gemacht: Klinge auf Klingt rutscht natürlich nicht ab und man kämpf auch automatisch merklich weniger offensiv. (Die Scharten waren bisher aber unerwartet klein)

    Falken haben doofe Ohren

  • Alcarinque

    Das sind so Themen ueber die ich mir eine Menge Gedanken gemacht habe (unter anderem bereite ich eine 2-Unterrichtsstunden-Einheit zu 'Doppeltreffern' vor...) - und meine Antwort darauf geht ein bisschen ans deep end (ich hoffe es stoert Dich nicht).

    Also - Feder vs. scharfes Schwert, Hinnehmen von Doppeltreffern vs. weniger offensiv...

    Was sicher stimmt ist dass scharfe Klingen ineinander beissen was die Dynamik veraendert.

    Beim Rest bin ich weniger sicher.

    Angst vor Verletzung ist ein schlechter Ratgeber - wer defensiv kaempft weil er Angst hat getroffen zu werden ist eher ein leichtes Opfer (man merkt das, wenn Anfaenger Angst haben dass es weh tut - und es tut ja gerne mal weh wenn man mit voller Wucht Stahl druebergezogen bekommt...) - fast automatisch fuehrt das zu unwillkuerlichen Ueberreaktionen bei der Parade, wenn ich das bei einem Sparringpartner sehe dann fahre ich die Finten auf die das ausnuetzen und die Sache ist erledigt.

    Die Manuskripte bringen das Thema explizit auf:

    Aber erschrckstu gern so saltu die kunst des fechtens nitt lerne - Wann ain blöds verzags hercz dz tut kain gut wann es wirt bÿ aller kunst geschlagen (Ringeck)

    Aus dem japanischen Kenjutsu kenne ich aehnliche Ideen - die wichtigste Zutat ein guter Kaempfer zu werden ist keine Angst zu haben. Hier ist die Anweisung graderaus offensiv und 'ohn alle Furcht' zu kaempfen:

    das du alweg mit einem hau oder mit einem stych hinlich, on alle vorcht, solt reinen der vir plos einer Zu welcher du am pestenn kumen magst, und acht nicht was er gegenn dir treibt oder vicht, (Peter von Danzig)

    Also zumindest die erfolgreicheren der mittelalterlichen Fechter waren wohl eher offensiv. Was das 'normale' Fechten ausserhalb der Meisterklassen betrifft, da finde ich Fiore sehr aufschlussreich. Die meisten Fiore-Techniken richten sich gegen einen Gegner der einfach graderaus mit einem Schlag oder Stich angreift - und zeigen was man mit dem machen kann wenn man nicht einfach nur pariert. Fiore ist meiner Erfahrung nach vernichtend gegen einen Sparringpartner der mit viel Enthusiasmus aber wenig Ueberlegung angreift. Auf der anderen Seite tun sich Fiore-geschulte Fechter mit der Offensive eher schwer, so viele Techniken sind da nicht beschrieben.

    Also - die Situation 'ich habe keine Angst und greife graderaus an' wird meines Erachtens durch Feder und Ausruestung erst geschaffen - in dem Moment wo ich Angst habe meinen Sparringpartner zu verletzen aendert sich die ganze Dynamik. Man sieht das meines Erachtens bei den Wikingerkaempfen die in historischer Kluft gemacht werden - die koennen z.B. nicht ins Gesicht hauen und nicht mit voller Wucht zustossen - und die ganze Dynamik des Ergebnisses ist ein viel langsameres und vorsichtigeres Abtasten als bei HEMA-Sparring.

    Was die Doppeltreffer betrifft - unser Altmeister Ville hat das ganz gut zusammengefasst - schlampiges Fechten, wenn das passiert sollten beide 5 Liegestuetzen machen. Generell versuche ich immer einen sauberen Treffer zu setzen und nehme jeden Gegentreffer - auch verzoegert - als Niederlage. Was der andere intern wertet ist egal - wenn er einen Kopftreffer gegen einen Handtreffer absichtlich tauschen will muss ich genauso damit zurecht kommen wie wenn es aus Inkompetenz, Instinkt oder irgend einem anderen Grund passiert.

    Das Problem hier ist, dass wir eine Situation haben die im Mittelalter vermutlich selten war - ein Schueler von Liechtenauer oder Fiore konnte da vermutlich annehmen dass sein gegenueber nicht Liechtenauer oder Fiore beherrscht hat, heute hingegen werden alle mit diesen Techniken augebildet.

    Meines Erachtens ist speziell Liechtenauer eine tolle Sammlung von Methoden um 'sicher' zu fechten, also Doppeltreffer zu vermeiden - allerdings fehlen die Methoden wenn der andere halt auch Liechtenauer verwendet, Zwerchhau funktioniert sehr gut gegen Oberhau, weniger gut gegen einen anderen Zwerchhau. Dann muss man die Prinzipien dahinter verwenden um eine post-Liechtenauer-Taktik zu benutzen die Doppeltreffer vermeidet selbst wenn der andere Liechtenauer gelernt hat. Das interessiert bei HEMA halt nur sehr wenige, weil das fuer Turniere herzlich irrelevant ist - die kann man gewinnen indem man lernt bei Doppeltreffern den hoeherwertigen Treffer zu setzen (und das ist der Grund warum mich Turniere oder selbst Uebungskaempfe mit dem Wertungssystem eines Turniers nicht interessieren).

    Also, ich denke schon dass Federn und Schutzausruestung die Dynamik des Fechtens realistischer machen als wenn wir heute scharfe Schwerter nehmen wuerden (und dann Ruecksicht nehmen muessten um den anderen nicht zu verletzen). Was unrealistisch ist, ist Doppeltreffer bewusst in Kauf zu nehmen oder zu provozieren - aber das ist meine Entscheidung als Fechter. Wenn der andere absolut versucht den hoeherwertigen Doppeltreffer zu erzielen, dann schraenkt das meine taktischen Moeglichkeiten natuerlich ein - im Wesentlichen halte ich dann Abstand und mache Finten die zu Handgelenktreffern fuehren - das ist fuer meine Begriffe langweiliges und reizloses Fechten, funktioniert aber auch.

  • Hm, sehr nachvollziehbare Überlegungen. Das hängt auf jeden Fall massiv mit den Fechtern und der Fechtschule zusammen. Auch ob der Fokus es eher auf dem freien Kampf oder eher der Rekonstruktion ist. Und was man mit dem jeweiligen Kampf grad üben oder lernen will.

    Und ich meine natürlich ein Gegner der Angst hat, der wird immer zu defensiv kämpfen und konstant im "Nach" sein, also kaum eine Chance haben, sondern eher eben darum einfach vorsichtiger zu Kämpfen.

    Fiel mit vor vielen Jahr mal beim Swordfish-Tournier (ist/war glaub in Schweden) massiv auf: Anfangs wurden einfach Treffer gezählt, Doppeltreffer waren egal. Das Ergebnis was ein wildes, sinnloses Dreschen wo sich alle blind aufeinander gestürzt haben. :S
    Dann war wohl irgendwie die Zeit aus und sie hatten sudden death mode und der nächste Treffer entscheidet. Und plötzlich waren sie wie ausgewechselt, haben sich erst ausgetestet und danach tatsächlich spannend (und kurz) gekämpft.

    Zum anderen sind viele Techniken (Zwerchhaue, Winden etc) mit ein gut schützenden Traininsausrüstung teils einfach nicht oder nur sehr bedingt machbar, was den Fokus nur auf einen Teil der Techniken legt. Aber auch da hängt es natürlich sehr mit dem Verein und dem Training zusammen was man wie intensiv übt...

    Fiore kenne ich (leider) so gut wie gar nicht, aber das kingt sehr nach dem I.33, dort geht es auch primär darum mit fortschrittlichen Techniken andere, nicht so gut trainierte Fechter zu besiegen. Gleichzeit geht man extrem davon aus das der Buckler primär die Schwerthand schützt und diese so gut wie gar nicht verlässt. Das muss damals also Standard gewesen sein. *)
    Aber damals war das Wissen um das i.33 vermutlich ein paar wenigen Leuten bekannt, heute ist es die einzige hochmittelalterliche Quellen und entsprechend kennen das alle die Schwert und Buckler machen...

    *)In spätmittelalterlichen Fechtbüchern klebt der Buckler dann gar nicht mehr an der Schwerthand. Vielleicht weil das eher eine Kuriosum geworden ist und man nicht mehr damit rechnen konnte das das Gegenüber weiß wie man damit umgeht bzw. auch nicht mehr oft gegen Leute mit Schwert und Buckler antrat. *Wildrumspekulier*

    Falken haben doofe Ohren

  • sondern eher eben darum einfach vorsichtiger zu Kämpfen

    Hm, meinen wir hier das Gleiche?

    Fuer meine Begriffe sind 'vorsichtig/unvorsichtig' und 'offensiv/defensiv' keine Kategorien die viel Ueberlapp haben. Eine taktisch saubere Offensive (sowas wie vorbereitender low-commitment Angriff um den anderen zu einer Reaktion zu bringen, dann diese Reaktion mit einem Angriff der einen moeglichen Konter blockt ausnutzen) halte ich fuer risikoloser als eine gut geplante Defensive - einfach weil man im ersten Fall Initiative hat, im zweiten aber nicht. In die Defensive gehen lohnt sich eigentlich primaer dann wenn man Grund zur Annahme hat dass der andere Fehler machen wird.

    'Unvorsichtig' wuerde ich etwa die Idee 'ich bin vielleicht schneller als der andere wenn ich ihn ueberrasche' bezeichnen - das machen bei uns ueberaschend viele, die gehen auf eine Distanz die kriminell nah ist und versuchen dann einfach schnell zuzuhauen - diese Art scheitert dann daran dass ich keine Veranlassung sehe jemanden ueberhaupt so nah an mich rankommen zu lassen. Aber wenn man versucht den anderen zu ueberraschen, dann macht der auch unter Stress entsprechend 'dumme' Instinktreaktionen - die dann oft auch nicht verteidigen sondern offensiv sind und zu Doppeltreffern fuehren.

    Ich wuerde in den Raum stellen dass es fuer saubere Treffer eher von Vorteil ist einen Angriff langsam aufzubauen so dass der Sparringpartner genug Zeit fuer eine Reaktion hat - ein bisschen wie beim Schach, ich erwarte kein Matt wenn ich eroeffne, ich erwarte eine Reaktion die ich dann mit meiner naechsten Aktion benutzen kann.


    Auch ob der Fokus es eher auf dem freien Kampf oder eher der Rekonstruktion ist. Und was man mit dem jeweiligen Kampf grad üben oder lernen will.

    Da muss ich sagen - kenn ich nicht so viel Variation, ich komm' nicht so rum, ab und an kommen Gaeste bei uns vorbei und ich mache auch Sparring mit denen - ist nicht so anders. Ich hatte Saara (geht zu internationalen Turnieren) mal gefragt ob Langschwert da irgendwie anders gefochten wird - sie meinte eher nein.

    Klar - wenn ich was bestimmtes ueben oder probieren will dann halte ich Doppeltreffer fuer ein laessliches Uebel - aber ich weiss ja wann ich versuche ernsthaft zu fechten oder wann ich einfach ausprobiere und Erfahrung sammeln will.

    Wenn Du jetzt mit dem Unterschied zwischen freiem Kampf und Rekonstruktion nicht irgendwelche Turnierwertungen meinst, dann muss ich passen - ich wuerde denken die historische Idee war den anderen treffen ohne getroffen zu werden, und das muss die Fechtkunst auch im freien Kampf leisten - oder wir haben was in der Rekonstruktion falsch.

    Fiore kenne ich (leider) so gut wie gar nicht

    Da gibt's eine wunderschoene Edition des Manuskripts auf Englisch - die leider seit ich sie runtergeladen habe nicht mehr auffindbar ist - aber bei Interesse lasse ich sie Dir gerne zukommen.

    Zum anderen sind viele Techniken (Zwerchhaue, Winden etc) mit ein gut schützenden Traininsausrüstung teils einfach nicht oder nur sehr bedingt machbar, was den Fokus nur auf einen Teil der Techniken legt.

    Winden finde ich nach rechts oben (Ochs rechts) mit Gambeson und Handschuhen muehevoll - Haende kreuzen mit Handschuhen ist nicht ohne (was allerdings nicht bedeutet dass wir das nicht trainieren) - Zwerchhau finde ich in jeder Lebenslage in voller Ausruestung gut machbar und verwende ich auch gerne, da sehe ich nicht wo die Ausruestung einschraenken wuerde.

    Ochs rechts ist ein bisschen wie Vom Tag links - geht im Prinzip, wuerde ich im Sparring aber nicht machen da hinzugehen weil es Positionen gibt von denen ich mehr machen kann und dann fuer meinen Partner unvorhersehbarer bin.

  • Hm, meinen wir hier das Gleiche?

    Zumindest zum Teil kann das sehr gut sein. ^^

    Gibt beim Fechten ja das "Vor", "Nach" und "Indess": Der Angreifer ist entsprechend im Vor und gibt dem Angegriffenen, der im Nach ist vor, wie er reagieren muss. Wenn dieser nun nur Blockt, bleibt er im Nach und der Angreifer kann einen weiteren Angriff im Vor starten und den Angegriffenen vor sich her treiben und hat die Kontrolle über den Kampf. Darum gibt es beim hist. Fechten eigentlich kein klassisches Blocken.
    Das mach man vielleicht im äußersten Notfall, aber die meisten Techniken sind Indess-Techniken: Da wird der Angriff natürlich abgelenkt oder geblockt, gleichzeitig versucht man aber selbst ins Vor zu kommen, die Klinge also so zu positionieren, das der Gegner im Nach ist und erst mal darauf reagieren muss um nicht seinerseits getroffen zu werden.

    Da gibt es natürlich unzählige Möglichkeiten und kann durchaus mit sehr schnellem Schach verglichen werden. Der Unterschied zum Schach ist, das man mit mehr Übung und mehr Techniken natürlich einen Vorteil gegenüber dem hat der die entsprechende Technik vielleicht nicht kennt und entsprechend keine gute Antwort darauf hat. :D

    Da muss ich sagen - kenn ich nicht so viel Variation, ich komm' nicht so rum, ab und an kommen Gaeste bei uns vorbei und ich mache auch Sparring mit denen - ist nicht so anders. Ich hatte Saara (geht zu internationalen Turnieren) mal gefragt ob Langschwert da irgendwie anders gefochten wird - sie meinte eher nein.

    Inzwischen teilt sich die hist. Fechtszene auch immer mehr in zwei Gruppen auf: Für die einen steht der Freikampf/Tournierkampf im Vordergrund, für die anderen eher die Rekonstruktion. Hat natürlich beides seine Berechtigung und ist sehr vom Verein abhängig.
    Mein Verein war, natürlich auch aufgrund des Trainers, schon immer mehr auf der Rekonstruktions-seite.

    Entsprechend würde ich den Freikampf in drei Gruppen aufteilen (keine offizielle sondern meine Persönliche, mit komplett fließenden Rändern):

    - Der Kampf bei dem es Primär um Treffer geht, das was ich heut so als Tournierkampf verstehe (auch wenn ich da schon ewig nicht mehr dabei war). Techniken sind zwar nett, aber sekundär. Beschränkt sich also eher auf relativ wenige die dafür in diesem Setting besonders effektiv sind.

    - Technikkampf: Fokus ist nicht das Treffen oder Gewinnen sondern das saubere ausführen der Techniken. Das klappt natürlich nur wenn sich beide Kämpfenden darauf einlassen (können). Ist dann gerne auch eine Weiterführung des Techniktrainings ohne Schutzausrüstung.

    - Das freie Spiel: Nur mit Handschuhen und Fechthelm: Langsamer, vorsichtiger, aber teils genauso spannend und weniger aufwändig. Zudem lassen sich damit Techniken üben, die z.B. mit den fetten Handschuhen einfach nicht möglich sein. Macht mit dem langen Schwert aber merklich weniger Sinn als fürs I.33, da bevorzuge ich das tatsächlich inzwischen...

    Wenn Du jetzt mit dem Unterschied zwischen freiem Kampf und Rekonstruktion nicht irgendwelche Turnierwertungen meinst, dann muss ich passen - ich wuerde denken die historische Idee war den anderen treffen ohne getroffen zu werden, und das muss die Fechtkunst auch im freien Kampf leisten - oder wir haben was in der Rekonstruktion falsch.

    Ich glaub das ist die große Frage an der sich die zwei Fraktionen auch auseinander bewegen, die moderne Schutzausrüstung hat halt auch ihre Grenzen. Viele Techniken funktionieren damit nicht so wirklich obwohl sie in diversen Fechtbüchern vorkommen. Da man immer erst mal davon ausgehen muss das sie das nicht umsonst aufgeschrieben haben, muss man dann halt erst mal schauen wo es denn nun hängt, und das liegt dann halt oft an der einschränkenden Schutzausrüstung. Speziell bei Sachen mit den Händen sind die Fetten Handschuhe eine große Einschränkung, da gib es meines Wissens aber leider noch immer keine flexibleren und sichereren Alternativen.... :hmm:

    Da gibt's eine wunderschoene Edition des Manuskripts auf Englisch - die leider seit ich sie runtergeladen habe nicht mehr auffindbar ist - aber bei Interesse lasse ich sie Dir gerne zukommen.

    Oh, sehr gerne!

    Falken haben doofe Ohren

  • Gibt beim Fechten ja das "Vor", "Nach" und "Indess": Der Angreifer ist entsprechend im Vor und gibt dem Angegriffenen, der im Nach ist vor, wie er reagieren muss. Wenn dieser nun nur Blockt, bleibt er im Nach und der Angreifer kann einen weiteren Angriff im Vor starten und den Angegriffenen vor sich her treiben und hat die Kontrolle über den Kampf. Darum gibt es beim hist. Fechten eigentlich kein klassisches Blocken.
    Das mach man vielleicht im äußersten Notfall, aber die meisten Techniken sind Indess-Techniken: Da wird der Angriff natürlich abgelenkt oder geblockt, gleichzeitig versucht man aber selbst ins Vor zu kommen, die Klinge also so zu positionieren, das der Gegner im Nach ist und erst mal darauf reagieren muss um nicht seinerseits getroffen zu werden.

    Das war was ich vorher mit post-Liechtenauer meinte - diese Terminologie (und auch die Idee dahinter) funktioniert nicht mehr so recht wenn beide versuchen so zu kaempfen. Eine typische Liechtenauer Technik ist z.B. Angreifer kommt mit Oberhau, Verteidiger setzt (typische Indess-Technik) einen Zwerchhau (oder Absetzen) dagegen - idealerweise bekommt er einen Treffer, ansonsten eine Klingenbindung von der er je nach Reaktion des urspruenglichen Angreifers Mutieren oder Duplieren kann.

    Aber was wenn der Angreifer mit einem Zwerchhau angreift? Das typische Szenario ist dass beide Hiebe aneinander vorbei gehen und es einen Doppeltreffer auf den Kopf gibt (been there, done it...).

    Was wenn der erste Angriff eine Finte war - fuehrt Absetzen zu einem Treffer, der eigentliche Angriff der Finte aber auch.

    Der Verteidiger verwendet hier Techniken nach Lehrbuch - der Angreifer auch - aber Liechtenauer sagt uns nicht so recht wie man Meisterhau gegen Meisterhau behandeln soll oder was man gegen Finten tun soll.

    Der Ausweg fuer meine Begriffe was Ville mal so formuliert hat: Wir sollten Konzepte verstehen, anwenden und lehren, nicht Techniken'. Also - was sind die Prinzipien nach denen Liechtenauer arbeitet? Wie koennen die angewendet werden um Doppeltreffer zu vermeiden wenn der andere auch Liechtenauer kann?

    Wenn mein Sparringpartner zu der 'ich greif mal graderaus an' Fraktion gehoert dann kann ich Liechtenauer oder Fiore nach Lehrbuch fechten - wenn nicht dann wird die Sache komplizierter, dann muss ich Kombinationsangriffe verwenden bei der ich z.B. eine Attacke nur mache um sicher zu wissen wo der andere die Haende hat und den Abstand fuer den eigentlichen Angriff vorbereiten kann - so dass er dann nichts unerwartetes tun kann.

    - Technikkampf: Fokus ist nicht das Treffen oder Gewinnen sondern das saubere ausführen der Techniken. Das klappt natürlich nur wenn sich beide Kämpfenden darauf einlassen (können). Ist dann gerne auch eine Weiterführung des Techniktrainings ohne Schutzausrüstung.

    Das ist nicht notwendigerweise ein Widerspruch - auch da meinte Ville sinngemaess dazu 'Wenn man die Techniken ordentlich beherrscht, dann kann man auch nach Treffern gewinnen'

    Wir haben Joonas Peltokorpi im Verein, der gehoert definitiv zur Turnierfraktion (im weltweiten HEMA-Ranking auf Platz 147 oder so) - seine Methode ist recht einfache Dinge richtig schnell und gut zu machen - wenn ich versuche in meinem Alter schneller zu sein als er, dann habe ich ueberhaupt keine Chance - wenn ich statt dessen auf Techniken und Taktik setze und sorgfaeltig plane, dann wird es deutlich ausgeglichener (momentan gewinnt er immer noch nach Treffern... aber ich werde besser...)

    Und Sparring mit Ville ist ein wahres Vergnuegen (das ich selten habe, er macht es nicht gerne) - der ist ein lebendes Liechtenauer-Lehrbuch, das sind alles sauber und effizient ausgefuehrte Techniken die fuer die Situation passen - er macht das halt seit 20 Jahren.

    In beiden Faellen kommt es eher selten zu Doppeltreffern.

    Das Ding ist - es ist halt was anderes eine Technik in einer Uebung zu machen oder ins Sparring zu bringen. Ich brauch' im Schnitt zwei Monate bevor ich irgend eine neue Technik im Sparring sinnvoll einsetzen kann die ich in der technischen Uebung schon lang beherrsche - ich muss mich im Sparring dazu zwingen das jetzt zu probieren, oft ist das Timing dann doch anders wenn der andere nicht kooperiert, ich muss rausknobeln welche Aktion als Vorbereitung gut funktioniert, was die Konsequenzen eines Fehlers sind auf den ich achten muss - eine Technik zu koennen heisst halt nicht sie tatsaechlich im Kampf einsetzen zu koennen, das ist fuer meine Begriffe nochmal ein extra Lernschritt - den man halt nur machen kann wenn man frei kaempft (und willens ist erst mal auf die Schnauze zu fallen).

    Aber ob ich saubere Techniken einsetzen kann oder nicht sollte nicht davon abhaengen ob mein Sparringpartner sich drauf einlaesst - wenn ich seine Ko-Operation brauche ist irgendwas faul, dann hab' ich keine Kontrolle ueber das Geschehen und sollte mir ueberlegen warum ich die nicht habe. Also - sogar wenn mein gegenueber beschliesst effektiv Selbstmord zu begehen und jede Bedrohung zu ignorieren und stur nach vorne einen Treffer setzen will - gibt es immer noch Techniken um damit umzugehen (wie gesagt, schoen sind sie nicht...)


    - Das freie Spiel: Nur mit Handschuhen und Fechthelm: Langsamer, vorsichtiger, aber teils genauso spannend und weniger aufwändig. Zudem lassen sich damit Techniken üben, die z.B. mit den fetten Handschuhen einfach nicht möglich sein. Macht mit dem langen Schwert aber merklich weniger Sinn als fürs I.33, da bevorzuge ich das tatsächlich inzwischen...

    Kenn' ich auch - macht bei uns aber fast keiner ausser wenn ein Anfaegerkurs durch ist und nicht genug Leihausruestung da ist.

    Sehe ich ein bisschen wie oben - das Kleingedruckte einer Technik ist schon wichtig, wie man die im Kampf einsetzt lernt man nur so richtig wenn man es tatsaechlich im Kampf probiert.

    Viele Techniken funktionieren damit nicht so wirklich obwohl sie in diversen Fechtbüchern vorkommen.

    Also ich kenn jetzt zwei oder drei die ich nicht sinnvoll im Sparring verwenden kann. Dass es viele sind wuerde ich zumindest beim Langschwert nicht unterschreiben.

    Fiore geht uebrigens auch davon aus dass ein Kaempfer zumindest teilweise gepanzert sein kann und kommentiert welche Techniken besser sind wenn man Ruestung hat und welche komplett ohne gehen (es gibt auch ein Kapitel ueber Fechten in Ruestung was dann ganz anders geht) und beschreibt etwa ein Gambeson bei Langschwertduellen im Text.

    Oh, sehr gerne!

    Laesst Du mir vielleicht per Konversation eine email zukommen, dann schicke ich Dir das:)

  • Alcarinque Ich hab' mir bei Wiktenauer mal das i.33 angeschaut - das Latein verstehe ich sogar ganz gut und brauche oft keine Uebersetzung, aber den Inhalt finde ich eher... undurchsichtig verglichen mit anderen Fechtbuechern.

    Mit ein bisschen mehr Zeit wuerde ich da gerne reinschauen - gibt es irgend einen Text /Website den Du als Einstieg zum Verstaendnis empfehlen wuerdest?

  • Ah, sorry die späte Antwort. XD

    Zum i.33: Online habe ich leider recht wenig Ahnung ob es da inzwischen bessere Quellen außer dem Original und der Transkription gibt.
    Im deutschsprachigen Raum gibt es da zwei Schulen die sich vor vielleicht 10 Jahren getrennt haben und sich primär in der Beinstellung und der daraus ergebenden Dynamik unterscheiden (die Abbildungen im I.33 sind da leider nicht hilfreich und können in beide Richtungen interpretiert werden).
    Die "Neuinterpretation" mit recht wild verdrehtem Oberkörper ist von Roland Warzecha (DIMICATOR), da gibt es ein paar Videos online, ob er inzwischen etwas dazu publiziert hat, weiß ich allerdings nicht.
    Das andere ist Herbert Schmidt, der hat vor fast 20 Jahren ein Buch zu Schwert und Buckler nach i.33 geschrieben (Schwertkampf Band2). Ist entsprechend nicht mehr ganz aktuell, die Grundlagen sollten da durchaus noch passen. Da er für über 15 Jahre mein Fechtlehrer war, tendiere ich natürlich sehr in seine Richtung der Interpretation. :D
    (Entsprechend habe ich nur selten mal selbst ein bisschen interpretiert und habe das immer schön funktional präsentiert bekommen inklusive möglichen Neuinterpretationen und dem Austesten derselben)

    Dann gibt es noch das Towerfechtbuch als kompletten Druck mit Übersetzung von wbg. Da die Pleite gegangen sind ist schwer zu sagen wie lange das noch verfügbar ist. Das brauchst du in dem Fall ja aber nicht unbedingt (habe das erst seit kurzem und kann nicht sagen wie viel Interpretation da mit drin ist).


    Zum Freikampf:
    Ich vermute da gibt es halt so viele Variationen und Meinungen wie es Fechter gibt. :D
    Jeder präferiert die eine oder die andere Richtung mehr, auch sehr abhängig vom Lehrer und dem Verein.

    Aber was wenn der Angreifer mit einem Zwerchhau angreift? Das typische Szenario ist dass beide Hiebe aneinander vorbei gehen und es einen Doppeltreffer auf den Kopf gibt (been there, done it...).

    Der Zwerchhau als Meisterhau ist, wie alle Meisterhäue, natürlich keine reine Angriffstechnik sondern auch eine Verteidigung, im optimalen Fall kann man damit auch gegen einen gebüffelten Oberhau gewinnen.
    Mit einem guten Zwerchhau, sollte man also eigentlich auch einen gegnerischen Zwerchhau fangen und gleichzeitig, durch minimale geänderte Position, in perfekter Stichposition landen. Sollte. :D

    Das Problem mit den Techniken und Trainingspartner die sich drauf einlassen: Ich kann einen Gegner mit endlos nervigen Gezecke auf die Hände durchaus sehr effektiv auf Abstand halten und verhindern das er Techniken ausführt... auch habe ich ja ebenfalls das Wissen um Techniken und somit auch das Wissen wie ich diese Vermeiden/brechen kann, nicht zwingend nach Lehrbuch. XD
    Das übliche Problem bei sowas.

    Und klar, einfach stumpf die Technik 1:1 so nachmachen wie gezeigt obwohl das für einen nicht passt, macht natürlich keinen Sinn. Speziell Beinarbeit kann extrem individuell sein.

    Trainiert ihr eigentlich mit Federn? Das ist ja nochmals was anderes als mit Schwertern... habe ich wenig Erfahrung mit. Wir haben uns damals die 1. Generation gekauft und nicht wirklich damit klar gekommen, eines hängt jetzt hier bei mir an der Wand. XD
    Die Neueren sind sicher besser, habe ich aber nie mehr getestet, sollte ich eigentlich mal wieder. :hmm:


    Und wenn du die Möglichkeit/scharfe Schwerter hast: Unbedingt mal Schnittest machen! Da lernt man extrem viel über die korrekte Klingen- und Schnittführung. Speziell bei Tatamimatten (die wohl vom Wiederstand einem Menschlichen Oberarm entsprechen) ist das auch durchaus beeindruckend das man die einfach ohne merklichen Wiederstand durchschneiden kann, wenn man einen sauberen Schnitt hat...

    Falken haben doofe Ohren

  • Also - danke fuer den Austausch hier, ich komme eher selten dazu (obwohl ich viel darueber recherchiere und nachdenke...) :)

    Mit einem guten Zwerchhau, sollte man also eigentlich auch einen gegnerischen Zwerchhau fangen und gleichzeitig, durch minimale geänderte Position, in perfekter Stichposition landen. Sollte. :D

    Kommt drauf an wie horizontal man den ausfuehrt - wenn beide horizontal hauen dann gibt's einen Doppeltreffer. Man kann die Klinge natuerlich leicht nach unten hauen, dann ist die Chance groesser den anderen Zwerchhau zu fangen - es bleibt aber fuer meine Begriffe ein Gluecksspiel, die Moglichkeiten aus der Bindung die sich ergibt raus weiterzumachen sind nicht optimal. Mein Ergebnis nach drei Sparringsessions in denen ich das ausprobiert habe und einer Konsulation mit Ville war dass es keine Taktik ist die ich gerne fechten moechte.

    Das Problem mit den Techniken und Trainingspartner die sich drauf einlassen: Ich kann einen Gegner mit endlos nervigen Gezecke auf die Hände durchaus sehr effektiv auf Abstand halten und verhindern das er Techniken ausführt... auch habe ich ja ebenfalls das Wissen um Techniken und somit auch das Wissen wie ich diese Vermeiden/brechen kann, nicht zwingend nach Lehrbuch. XD

    Also, ich antworte hier mit dem ganzen Erfahrungsschatz den einem eineinhalb Jahre Langschwertfechten und Lektuere der Manuskripte zusaetzlich zu einem langjaehrigen Interesse von Taktik geben *leichte Selbstironie*.

    Ich wuerde den Punkt aus genereller Plausibilitaet und meiner praktischen Erfahrung machen:

    Fiore kennt mehrere Techniken auf die Haende zu gehen - offenbar wussten die Fechter damals auch schon wie das geht. Das Liechtenauer-System hat den Zweck, dem Fechter gegen einen - unkooperativen - Gegner im Kampf einen Vorteil zu verschaffen. Wenn es echt moeglich waere die ganzen Techniken durch was einfaches wie hand-sniping auszuhebeln - wuerde das System nicht mehr auf dieses Problem eingehen? Oder wenn hand-sniping die ueberlegene (wenn auch einfallslose) Fechttechnik waere mit der man gewinnt - haette Liechtenauer nicht sein System darauf aufgebaut?

    Der Gedanke dass sich der Gegner irgendwie drauf einlassen muss damit eine Technik die einen im Kampf ueberlegen machen soll funktioniert geht irgendwie am historischen Zweck der Sache vorbei...

    Aus der (begrenzten) Praxis - Argument Teil II - wuerde ich sagen - Abstand ist ein Feature, kein Bug. Keine Ahnung wie's bei euch zugeht - bei uns fechten viele fuer meine Begriffe viel zu nahe beieinander. Der Grund dafuer ist, dass wir im HEMA-Training keine anstaendige Beinarbeit lernen. Meine Beinarbeit kommt aus ein paar Jahren Sportfechten vor 30 Jahren - da haben wir jede Trainingsstunde 20 Minuten Beinarbeit gedrillt - das machen wir jetzt bei AHMA halt nicht, und wenn mal Beinarbeit gemacht wird korrigiert kaum ein Instruktor Fehler.

    Das Endergebnis ist dass die drei Fechter die mal Sportfechten gemacht haben komplette Kontrolle ueber den Abstand haben wenn sie mit jemandem sparren der die Erfahrung nicht hat - weil sie - dank Drill - wesentlich schneller vorwaerts oder rueckwaerts kommen. Ich moechte dass mein Sparringpartner auf Abstand ist weil ich kein John Wayne Setup moechte in der der eine einen schnellen Ueberraschungsangriff versucht und der andere dann irgendwas aus dem Affekt macht - ich moechte einen Angriff vorher kommen sehen so dass ich dann keine oh-shit Parade machen muss sondern eine Verteidigung nach Manuskript organisieren kann. Umgekehrt macht mir der Abstand beim Angriff nichts aus - erstens bin ich auch schnell vorne, und zweitens will ich in der Regel mit dem ersten Angriff eh nur eine Reaktion - da ist es eher hinderlich wenn der als Ueberraschung kommt. Und wenn mir jemand zu nahe kommt, dann gibt's halt auf die Haende um den Abstand zu halten der mir angenehm ist.

    Das 'ich weiss dass Du weisst dass ich weiss' ist halt ein taktisches Problem - wenn ich weiss das der andere tun wird, geht's in aller Regel nicht gut fuer ihn aus (das ist uebrigends meines Erachtens das Problem bei hand-sniping - zu vorhersehbar als Taktik, das Konzept ist zu einfach).

    Vielleicht ein konkretes Beispiel wie ich Taktik im Kontext der Techniken in den Manuskripten sehe. Ich hatte am Mittwoch ein echt schoenes Duell mit Joonas Peltokorpi ('Peltsi') - in einem Austausch stehen wir beide in Langort, Klingen gekreuzt - eine Fiore Standardsituation. Gegen einen recht unerfahrenen Fechter wuerde ich eine Fiore-Technik waehlen weil die Chance gut ist dass er sie nicht oder nur vage kennt. Gegen einen erfahreneren Gegner habe ich eine Finte die wie die Technik beginnt, aber anders endet. Das konkrete Problem war dann aber, dass ich weiss dass Peltsi sowohl die Originaltechnik als auch meine Finte kennt - und schnell genug ist zu reagieren wenn ich ihn nicht ueberraschen kann. Also war meine Idee die Originaltechnik zu beginnen, aber kurz zu verzoegern um die Finte anzutaeuschen - und dann das Original fortzufuehren - und in der Tat gab mir das das Ueberraschungsmoment das ich gebraucht hatte.

    Diese Verzoegerung einzubauen waere natuerlich Bloedsinn wenn ich gegen einen Neuling fechte weil die ihm da nur mehr Zeit gibt und er gar nicht versteht was ich damit androhe. Will sagen, was genau ich fuer Aktionen mache haengt vom konkreten Kontext ab, aber in jedem Kontext sind die um einen Kern von historischen Techniken gruppiert - weil diese Techniken halt einen Kanon an 'vernuenftigen' Aktionen darstellen die bestimmte Situationen gut loesen. Dem steht dann die Notwendigkeit entgegen den anderen zu ueberraschen und unvorhersehbar zu sein. Manchmal steht die originale Liechtenauer-Technik dann nur als taktische Drohung im Raum - aber auch eine Drohung funktioniert halt nur wenn ich ab und an demonstriere dass ich sie wahrmachen kann.

    Insofern - ja - dass beide die Techniken kennen fuehrt unweigerlich dazu dass man sie im freien Kampf nicht immer genau so einsetzt wie im Manuskript - aber meines Erachtens nicht dazu dass sie verschwinden und man was ganz anderes machen wuerde.

    ich waere ehrlich gesagt ueberrascht wenn 'adapt and innovate' nicht auch im Mittelalter verwendete worden waere...

    Trainiert ihr eigentlich mit Federn? Das ist ja nochmals was anderes als mit Schwertern... habe ich wenig Erfahrung mit.

    Yep - nur Ville hat ein Ding das wie ein Schwert aussieht aber viel biegsamer ist. Ausruestung ist eigentlich wie im Film zu sehen, und damit trainieren wir in der Regel auch (also, auch fuer technische Uebungen 'full gear').

    Und wenn du die Möglichkeit/scharfe Schwerter hast: Unbedingt mal Schnittest machen! Da lernt man extrem viel über die korrekte Klingen- und Schnittführung.

    Wuerde ich gerne mal versuchen, ja. Wird soweit ich weiss in Helsinki gemacht -vielleicht fuehrt mich irgendwas mal da hin...

    Tatamimatten (die wohl vom Wiederstand einem Menschlichen Oberarm entsprechen) i

    Da frage ich mich schon woher dieses Wissen kommt:alien:

  • Kommt drauf an wie horizontal man den ausfuehrt - wenn beide horizontal hauen dann gibt's einen Doppeltreffer.

    Horizontal hauen macht, so wie ich den gelernt habe, eigentlich keinen Sinn: Der Zwerchhau soll alle von oben kommenden Angriffe fangen und gleichzeitig den Gegner treffen oder bedrohen. Also das Konzept aller Meisterhäue.
    Damit ich damit wirklich sicher bin, muss sich das Gehilz vor und über meinem Kopf befinden, dann kann ich mit der Drehung alle möglichen Oberhäue einsammeln. Gleichzeitig will ich ja den Gegner treffen/bedrohen, das klappt nur wenn der Ort in Richtung Gesicht zeigt, also nach unten (wenn der Gegner nicht massiv größer ist).
    Wenn beide den Zwerchhau mit diese Absicht schlagen kann man sich durch eine minimale Änderung des Winkels/Positionierung in Stichposition bringen während der Gegner blockiert ist...
    (Wenn ich den Zwerchhau natürlich nicht beim Gehilz sondern in der vorderen Hälfte der Klingt drehe, nehme ich mir einen Teil der Schutzfunktion und Wucht, bin dafür viel schneller in der Bedrohungsituation)

    Die Sache mit der Mensur, also dem Abstand, ist auf jeden Fall etwas sehr sehr wichtiges, wir haben das durchaus immer wieder mal geübt und getestet, teils inklusive der richtigen Schrittfolge um in die korrekte Mensur zu kommen das eine Technik funktioniert. Da habe ich aber teils für mich gemerkt, das das für mich nicht immer klappt und ich da meine Füße etwas anders setzen muss.
    Wenn das beim Training natürlich nicht geübt wird, ist das natürlich ein massiver Vor- bzw Nachteil.
    Da gibt es in den Fechtbüchern meines Wissens aber auch nicht wirklich viel. Das war vermutlich Basiswissen das nicht aufgeschrieben wurde. :hmm:
    Beim Rapier gibt es dann Fechtbücher die genauer auf die Beinstellung und Schrittfolge eingehen wenn ich das richtig in Erinnerung habe.


    Ich glaub gegen das Zecken war es der Oberhau, bei dem man Beine und Körper zurück nimmt und die Klinge von oben runter klappen lässt. Wer versucht nach den Händen zu angeln wird da dann schön am Kopf oder zumindest den Händen getroffen. Glaube ich. Boah, langes Schwert habe ich echt schon sehr lange nichts mehr gemacht. :/

    Yep - nur Ville hat ein Ding das wie ein Schwert aussieht aber viel biegsamer ist.

    Auch Schwerter können erstaunlich flexibel sein, das geht so weit das man den Schnittest normalerweise komplett verhaut wenn man nicht am Schwingungspunk schneidet. Je leichter das Schwert um so mehr muss man darauf achten...

    Ich (und recht viele aus dem Verein) haben das da von Albion, damals gab es noch Albion-Europe und es war nur halb so teuer (krass wie die Preise rauf sind):
    The Liechtenauer – Albion Swords


    Aber ja, ich hab da echt Glück das unser Trainer eine recht große Sammlung an scharfen Schwertern hat und ich da einiges durchprobieren konnte.

    Da frage ich mich schon woher dieses Wissen kommt :alien:

    Japan natürlich. :ugly:
    Angeblich wurde dort neue Schwerter gerne an Gefangenen getestet, da die aber endlich waren wurde da nach einer Alternative gesucht... XD

    Falken haben doofe Ohren

  • Damit ich damit wirklich sicher bin, muss sich das Gehilz vor und über meinem Kopf befinden, dann kann ich mit der Drehung alle möglichen Oberhäue einsammeln. Gleichzeitig will ich ja den Gegner treffen/bedrohen, das klappt nur wenn der Ort in Richtung Gesicht zeigt, also nach unten (wenn der Gegner nicht massiv größer ist).

    Ich musste das mal kurz draussen ausprobieren, aber wenn ich den nach Manuskript gegen einen Oberhau mache, dann mache ich einen tiefen Ausfallschritt zur Seite - damit bin ich effektiv kleiner als der Gegner und haue meinen Zwerchhau horizontal in Richtung Kopf.

    So kum du vor im mit dem haw vnd spring mit dem rechten fuess wol auff dein rechte seitten gegen ÿm vnd ÿm sprung wind dein swert mit dem gehültz für dein haubt das dein dawmen vnden küm vnd slach ÿm mit der kurtzen schneid gegen seiner lincken seitten zw dem kopff (Peter von Danzig)

    Wuerde ich auch so aus der Abbildung dazu entnehmen (mit dem ueblichen Caveat dass Abbildungen immer trickreich sein koennen)...

    Wenn beide den Zwerchhau mit diese Absicht schlagen kann man sich durch eine minimale Änderung des Winkels/Positionierung in Stichposition bringen während der Gegner blockiert ist...

    Ja, aber der Angreifer schlaegt den ja anders - waehrend der Verteidiger tatsaechlich einen Hieb blocken will der real kommt, will der Angreifer vielleicht nur seine Haende in die richtige Position bringen falls ein Hieb kommt...

    Also - ja - in der Theorie hat das schon alles Hand und Fuss was Du sagst, man kann im Prinzip einen Zwerchhau mit einem anderen fangen - aber ich war in der Praxis nicht gluecklich mit der Technik, das war zu erratisch und hing daran wie Eeva den genau ausgefuehrt hat - an dem Punkt war dann irgendwann ein hoher Schielhau die bessere Variante...

    Da habe ich aber teils für mich gemerkt, das das für mich nicht immer klappt und ich da meine Füße etwas anders setzen muss.

    Ich seh' das als recht situativ - ich muss ja auch auf den Sparringpartner reagieren, wahrscheinlich bleibt der nicht stehen wenn ich angreife, vermutlich geht er zurueck, oder er geht in den Angriff rein, da muss ich meine Beinarbeit waehrend der Aktion drauf abstimmen.

    Meistens kann ich mich auf mein Gefuehl fuer Abstand verlassen, die Beinarbeit dazu findet sich automagisch ohne dass ich gross plane.

    (Ich hab' den Drill dazu damals gehasst - aber rueckblickend ist es echt ein guter Weg das solide zu lernen...)

    Ich (und recht viele aus dem Verein) haben das da von Albion, damals gab es noch Albion-Europe und es war nur halb so teuer (krass wie die Preise rauf sind):

    Ah, sind die schoen!

    Japan natürlich. :ugly:

    Hm, ja - warum frag' ich... Macht Sinn, ja.

  • Ich musste das mal kurz draussen ausprobieren, aber wenn ich den nach Manuskript gegen einen Oberhau mache, dann mache ich einen tiefen Ausfallschritt zur Seite - damit bin ich effektiv kleiner als der Gegner und haue meinen Zwerchhau horizontal in Richtung Kopf.

    Das musste ich jetzt auch grad testen: Ich tendiere da tatsächlich dazu zu springen und keinen Ausfallschritt zu machen. Das mag in gewissen Fällen von Nachteil sein, bringt mich aber gut aus der Linie. Gleichzeitig bleibe ich recht aufrecht (gerader Oberkörper wurde uns immer wieder eingebläut).
    Bzw. komme ich, da ich natürlich trotzdem eine leichte U-Bewegung mache, ein bisschen von unten ans gegnerische Schwert und wenn dann das Gehilz hoch geht habe ich den Vorteil den Dreh und Schlagpunkt kontrollieren zu können.
    Ist aber superschwer zu beschreiben, da das definitiv einige Übung erfordert damit man da spührt wo und wie man da richtig rein muss.

    Ja, aber der Angreifer schlaegt den ja anders - waehrend der Verteidiger tatsaechlich einen Hieb blocken will der real kommt, will der Angreifer vielleicht nur seine Haende in die richtige Position bringen falls ein Hieb kommt...

    Ein sauberer Meisterhau dreht natürlich auch nicht weiter sondern bleibt so stehen das man in Stichposition ist, auch wenn der Gegen nicht dagegen haut. Es entsteht eine Bedrohung auf die der Gegner reagieren muss (sollte. XD)


    Ich hab da letztens auch nochmals drüber nach gedacht: Einer der Gründe wieso wir mit der Feder nicht weiter gemacht haben, war, das die komplette Zwerchhau-Techniken damit extremst schwierig sind. Wenn die Klinge nicht perfekt in der Schnittebene liegt, sind die Feinheiten damit so gut wie unmöglich. Da sind tatsächlich sehr große Unterschiede zwischen Schwert und Feder. :hmm:

    Ich seh' das als recht situativ - ich muss ja auch auf den Sparringpartner reagieren, wahrscheinlich bleibt der nicht stehen wenn ich angreife, vermutlich geht er zurueck, oder er geht in den Angriff rein, da muss ich meine Beinarbeit waehrend der Aktion drauf abstimmen.

    Meistens kann ich mich auf mein Gefuehl fuer Abstand verlassen, die Beinarbeit dazu findet sich automagisch ohne dass ich gross plane.

    Das sowieso, jeder Kämpft anders und die korrekte Mensur kann man zwar ein bisschen Üben, braucht aber einfach auch Erfahrung. Mit den Trainingspartnern gegen die man regelmäßig trainiert kann man das natürlich noch genauer austarieren.

    Kann ich mir sehr gut vorstellen das du da aus dem Sportfechten viel mitnehmen konntest.
    Bei mir war das primär einfach die Übung und ist nach und nach entstanden. Bei wechselnden Waffen ist man da auch automatisch recht flexibel geblieben. Schwert+Buckler haben natürlich ganz andere Mensuren als die Stange.
    Und speziell beim Langen gibt es dann ja noch ein paar Angriffe bei denen man noch ein paar cm reincheaten kann. XD


    Albionschwerter schauen nicht nur gut aus, sondern sind auch unglaublich toll ausbalanciert, orientieren sich dabei auch an historischen Originalen etc. Kann ich absolut empfehlen (mal abgesehen vom Preis. XD)
    Mein Langes von denen hat nach 5-6 Jahren intensiver Benutzung einen Schaden an der Klinge gehabt: Wurde mir anstandslos ausgetauscht. (Aber wie gesagt, da gab es noch eine Europa-Adresse :/)

    Falken haben doofe Ohren

  • Ein sauberer Meisterhau dreht natürlich auch nicht weiter sondern bleibt so stehen das man in Stichposition ist, auch wenn der Gegen nicht dagegen haut. Es entsteht eine Bedrohung auf die der Gegner reagieren muss

    Kann' ich so eher bei Schielhau, Krumphau (wenn er als Kurzhau ausgefuehrt wird) und Zornhau - Zwerchhau fechten bei uns praktisch alle so dass man sofort einen Zwerchhau zur anderen Seite dranhaengt wenn man mit dem ersten keinen Treffer setzt.

    Finde ich aber taktisch sehr interessant wie Du das beschreibst - muss ich mal probieren, ich bin (ausser gegen Anfaenger) selber ein bisschen vom Zwerchhau abgekommen weil er so wahnsinnig populaer ist dass jeder alle Varianten kennt... waehrend ein Krumphau zur rechten Zeit immer wieder fuer Ueberraschungen sorgt.:)

    Ich hab da letztens auch nochmals drüber nach gedacht: Einer der Gründe wieso wir mit der Feder nicht weiter gemacht haben, war, das die komplette Zwerchhau-Techniken damit extremst schwierig sind. Wenn die Klinge nicht perfekt in der Schnittebene liegt, sind die Feinheiten damit so gut wie unmöglich. Da sind tatsächlich sehr große Unterschiede zwischen Schwert und Feder. :hmm:

    Hm...?( Was genau meinst Du da jetzt? Welche Techniken im speziellen?

    Albionschwerter schauen nicht nur gut aus, sondern sind auch unglaublich toll ausbalanciert, orientieren sich dabei auch an historischen Originalen etc. Kann ich absolut empfehlen (mal abgesehen vom Preis. XD)

    Wenn ich mal wieder Geld uebrig habe...:)

  • Kann' ich so eher bei Schielhau, Krumphau (wenn er als Kurzhau ausgefuehrt wird) und Zornhau - Zwerchhau fechten bei uns praktisch alle so dass man sofort einen Zwerchhau zur anderen Seite dranhaengt wenn man mit dem ersten keinen Treffer setzt.

    Da ist dann vermutlich auch der Punkt an dem man an die Grenzen der Fechtfeder kommt: Die ist für den freien Kampf sicher sinnvoll weil schneller und länger. Ist aber dafür optimiert und unterscheidet sich entsprechend an einigen Punkten durchaus von einem Langen Schwert.
    Dadurch ist sie beim Freien Kampf dem Schwert überlegen ich vermute das sie vor allem dafür eingesetzt wurde die Reflexe zu trainieren bzw. schon damals eine eigene "Sportart" wurde.
    Der Kampf mit dem Langen Schwert und die Techniken dazu sind aber meist eher fürs lange (scharfe) Schwert ausgelegt. :hmm:

    Unter Anderem wegen der Schnittebene: Einer Schwertklinge ist da ja etwas breiter, damit hat man ein viel besseres Gefühl und Kontrolle über die Schnittebene. Viele weiterführende Techniken drehen sich darum genau diese Schnittebene zu treffen/manipulieren/brechen z.B. eben auch Zwerch gegen Zwerch. Minimale Änderungen im Winkel beim bzw direkt nach dem Auftreffen können da einen großen Unterschied machen. Auch das Winden und "fühlen am Schwert" kann ich mit der Feder nur bedingt vorstellen.

    Tu mir aber auch echt schwer das zu beschreiben, auch weil meine Erfahrung mit der Feder eben überschaubar sind, vielleicht hat sich bei den Federn da in den letzten 10 Jahren auch was getan. Hast du vielleicht ein Bild von deiner Feder?
    (Die ganzen Sachen mit Schnittebene, drehen und winden am Schwert lassen sich aber eigentlich auch ganz gut mit Einhändern machen um vielleicht ein bisschen zu verstehen was ich meine :hmm: )

    Falken haben doofe Ohren

  • Unter Anderem wegen der Schnittebene: Einer Schwertklinge ist da ja etwas breiter, damit hat man ein viel besseres Gefühl und Kontrolle über die Schnittebene. Viele weiterführende Techniken drehen sich darum genau diese Schnittebene zu treffen/manipulieren/brechen z.B. eben auch Zwerch gegen Zwerch. Minimale Änderungen im Winkel beim bzw direkt nach dem Auftreffen können da einen großen Unterschied machen.

    Also, das geht jetzt in 'cutting' rein - wie bekomme ich die kinetische Energie optimal ins Ziel? Ich hab schon - leidlich - scharfe Schwerter zu Hause - ein Katana und 'Das Schwert' das in den 'Schwert und Held' Filmen zu sehen ist - und ich hab' damit auch mal ein paar Monate genau diesen Punkt geuebt - in... Schnee den ich hier im Winter reichlich habe. Oder um im Garten Pflanzen abzumaehen... Keine Ahnung wie der Vergleich 'Schneemann vs. Tatami' ausgeht, aber die Biomechanik des Aufbaus von Energie und die Mechanik des Treffens ist mir nicht ganz unbekannt.

    Das Endergebnis dieser Beschaeftigung ist, dass ich manchmal - ganz ohne es zu beabsichtigen - ziemlich harte horizontale Konter beim Sparring schlage, weil die einfach von der Hueftdrehung beschleunigt werden wenn ich einen schnellen Schritt mache - was Sparringpartnern verstaendlicherweise nicht immer so wahnsinnig gefaellt.

    An diesem Punkt waere mein Einwand halt - je mehr ich meine Moeglichkeiten optimiere wirklich Verletzungen zu schlagen - und ein scharfes Schwert waere ein guter Schritt in diese Richtung - desto weniger kann ich in eine realistische Kampfdynamik kommen - weil ich mein Gegenueber ja wirklich nicht verletzen will.

    Wir haben diesen Montag das erste Sparring mit den Leuten gemacht die grade durch den Anfaengerkurs gegangen sind - da kann ich Techniken sehr langsam und kontrolliert machen, dem anderen Zeit zum Ueberlegen geben, mir durchdenken was jetzt die passende Technik waere.

    Am anderen Ende der Skala passiert beim Sparring vieles so schnell dass ich es nicht unbedingt bewusst mache - ich visualisiere die ganze Aktion bevor ich mich bewege, dann passiert viellecht etwas unerwartetes, Reflexe und Instinkt uebernehmen... Ich war schon in der Situation dass mein Sparringpartner mich zu einer gelungenen Aktion beglueckwuenscht hat und ich bekennen musste dass ich keine genaue Ahnung hatte was eigentlich passiert ist - ich muss aus dem Reflex 'Kopf zurueck - naechsten Angriff parieren - verzoegern - Riposte' gemacht haben.

    (Die Mischung aus Taktik und Planung, Biomechanik, Psychologie und dann am Ende auch Instinkt und Reflex ist was, was ich am Fechten sehr mag - es ist so vielseitig und fordert ganz viele verschiedene Aspekte)

    Ich kann beim Fechten auf den anderen aufpassen so lange der Austausch so langsam ist dass ich alles bewusst entscheiden kann - aber in dem Moment wo Reflexe ins Spiel kommen und der Austausch wirklich schnell wird muss die Ausruestung das tun - und da waere mir ein scharferes oder auch steiferes (aka breitere Klinge) Schwert doch zu gefaehrlich.

    Der grosse Unterschied zum Mittelalter ist doch irgendwie dass wir den anderen nicht ins Krankenhaus bringen wollen - und optimierte Technik fuer maximale Energie im Ziel ist beim Sparring eher deplatziert...

    Auch das Winden und "fühlen am Schwert" kann ich mit der Feder nur bedingt vorstellen.

    Das Statement das ich gehoert habe ist das Fuehlen mit einer scharfen Waffe 'einfacher' sein soll. Ich hab' jetzt nur den kurzen Vergleich (4 Sessions von meiner Seite eher inkompetentes Sparring) zum Einhandschwert gegen Einhandschwert - beide nicht wirklich scharf geschliffen - ich fand den Unterschied nicht riesig,

    Ich kann definitiv mit dem Federschwert fuehlen und Winden - sogar komplexere Aktionen wie Mutieren bekomme ich im Sparring hin. Mein Hauptproblem ist eher dass viele bei uns keine Klingenbindung moegen und es einfach schwer ist einen unwilligen Sparringpartner effektiv dazu zu zwingen - aber bei den Neuen zum Beispiel gehen diese ganzen Aktionen aus der Bindung ohne weiteres.

    Hast du vielleicht ein Bild von deiner Feder?

    Kann ich machen - welchere Aspekt interessiert dich denn? Eher Profil der Klinge, oder Gesamteindruck?

  • Hm, ich glaub da habe ich mich missverständlich ausgedrückt:
    Mir geht es da nicht um Scharfe vs Stumpfe Waffen (damit wäre richtiges Sparring einfach viel zu gefährlich) sondern um Feder vs (Trainings)Schwert.

    Es geht mir da ja auch nicht darum den anderen zu verletzten überhaupt nicht, sondern um das verhalten der Klinge bzw. Klingen zueinander. Das ist einfach anders bei Schwertern als bei Federn.
    Eine saubere Schnittlinie (also in der sich die Fläche der Klinge perfekt in der Schlaglinie befindet) gibt einem Schlag merklich mehr Impuls und Kontrolle über die gegnerische Klinge. Man kann damit halt wirklich perfekt die nächste Bedrohung aufbauen und die generische Klinge auf die Seite bekommen, speziell wenn dieser nicht so sauber geschlagen hat.
    Bzw halt genau diese Linie des Gegner brechen und so ins Vor gelangen.

    Federn sind halt eben extrem auf Geschwindigkeit getrimmt. Sie sind leicht, haben einen viel längeren Griff etc. Mit schwertförmigen Trainingsschwertern ändert sich auch die Art des Freikampfes. Da geht es nicht mehr nur um Geschwindigkeit sondern auch mehr um Kontrolle, Bindung Impuls etc.
    Bindung in der Feder ist oft eine sehr schwammige Sache die einiges an Übung erfordert damit man damit etwas anfangen kann, entsprechend wird das da wohl eher vermieden...
    Ich glaub auch nicht das es mit Trainingsschwertern wirklich viel gefährlich ist: Fechten ist auch immer auch eine Sache der Kontrolle, speziell die Meisterhäue sind ja kein wildes Draufdreschen sondern genau das Gegenteil. Man haut so, das der Maximale Impuls an der Stelle ist, an der sich die Gegnerische Klinge sich befindet(oder sich befinden soll wenn der Gegner nicht getroffen werden will), ohne durchzuziehen sondern direkt danach die Klinge anzuhalten um einen Stich o.Ä. zu setzen.

    Aber ich vermute wir (bzw. unsere Vereine) haben da auch recht unterschiedliche Ansätze was Waffen und Training angeht. :hmm:

    Kann ich machen - welchere Aspekt interessiert dich denn? Eher Profil der Klinge, oder Gesamteindruck?

    Beides, also die ganze Form und das Klingenprofil fände ich spannend zu sehen ob bzw. inwieweit sich das von dem unterscheidet was ich unter Feder verstehe. ^^

    Falken haben doofe Ohren

  • Man haut so, das der Maximale Impuls an der Stelle ist, an der sich die Gegnerische Klinge sich befindet(oder sich befinden soll wenn der Gegner nicht getroffen werden will), ohne durchzuziehen sondern direkt danach die Klinge anzuhalten um einen Stich o.Ä. zu setzen.

    (Ich geh mal kurz nur auf diesen Punkt ein, der Rest ist nicht vergessen, aber das ist halt mein Steckenpferd...)

    Ja, das hab' ich schon haeufiger gehoert, aber die Physik spielt da einfach nicht mit.

    Weder beschleunigt ein Schwert instantan auf Einschlaggeschwindigkeit noch kann man es instantan abbremsen - und die Energie die es beim Treffer uebertraegt haengt quadratisch von der Geschwindigkeit ab (primaer ist das eine Winkelgeschwindigkeit, die meisten Hiebe sind Rotationen).

    Ich hab' mir das (Physiker...) selber mal angeschaut nachdem ich keine guten Daten im Internet gefunden hatte:

    Hier sind drei verschiedene Hiebe (von verschiedenen Fechtern) - das ist jeweils aus einem Filmclip der mit der Hochgeschwindigkeitskamera mit 100 frames/s aufgenommen wurde und den ich dann mit einem in den Film projizierten Winkelmass vermessen habe - Winkelposition der Klinge vs. Zeit:

    Gruen ist ein 'point in line' cut bei dem die Klinge nahe dem Einschlagpunkt gestoppt wird, rot ein durchgezogener und schwarz so zwischendrin. Ueblicherweise braucht man einen Arc von 30-40 Grad um das Schwert auf die Maximalgeschwindigkeit zu beschleunigen - und aehnlich um es wieder zu bremsen (biomechanisch ist das die gleiche Struktur).

    Nun haengt die Energie beim Treffer - die dann halt dazu dient die andere Klinge beiseite zu schlagen - primaer von der Geschwindigkeit beim Treffer ab, denn es ist praktisch nur kinetische Energie im Spiel.

    Hier ist der Plot wie oben - Energie in der Bewegung des Schwerts (grob Ableitung durch Differenzenbildung ersetzt):

    Man sieht recht klar dass der point-in-line cut gegen Ende eben nicht besonders viel Wucht entwickelt waehrend der durchgezogene seine maximale Wucht gegen Einschlag entfaltet (auch wenn er insgesamt langsamer ist)

    Je nachdem wo man den Stoppunkt der Klinge plant verliert man 10-20% an Zeit und 50-90% an Wucht.

    (Die genaue Energie die aufs andere Schwert uebertragen wird haengt auch ueber die Transferfunktion vom Auftreffpunkt ab - generell ist die Energieuebertragung maximal wenn man nahe am eigenen Heft trifft - das ist fuer viele unerwartet - ein Streiftreffer mit der Spitze uebertraegt wesentlich weniger Energie als den Knauf oder die Parierstange auf die Maske geknallt zu bekommen).

    Die Physik erlaubt keine schnellen Schnitte die aber keine Wucht haben, und die Kontrolle bei einem 'point in line' cut gegenueber einem der durchgezogen wird bezahlt man mit einem Zeitverlust. Quasi-elastischer Energietransfer stellt eigentlich sicher dass mein Schwert steht und das andere fliegt wenn ich mit einem durchgezogenen Hieb auf eine andere Klinge treffe - nur wenn ich nicht treffe gebe ich mir eine Bloesse.

    Was jetzt taktisch vorzuziehen ist haengt von den Umstaenden ab - aber der schnelle und vollstaendig kontrollierte Hieb der trotzdem maximalen Impuls uebertraegt existiert so einfach nicht:(