Es gibt 120 Antworten in diesem Thema, welches 4.805 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (26. November 2024 um 21:35) ist von sophia_me.

  • Hier wie versprochen der nächste Abschnitt. Das ist jetzt nicht das ganze nächste Kapitel, weil mir gesagt wurde, dass das hier doch etwas zu lang ist ;) Aber es sollte diese erste Szene auf jeden Fall erstmal abrunden. Und dann könnte ihr mir ja gerne sagen, wie ich besser in die ganze Geschichte starten könnte.


    Die Asche von Reqem

    Ich erwache keuchend, ringe nach Luft und huste Asche aus meinen Lungen. Ich schwitze und fühle wie Rauch und Sand auf meiner Haut kleben. Alles um mich herum ist stickig. Plötzlich sehe ich wieder die Flammen vor meinen Augen, spüre wie Rauch in meine Lungen dringt und meine Kehle zuschnürt. Panik ergreift mich.
    Ich will aufspringen, losrennen, aber irgendetwas hält mich gefangen. Ich winde mich auf dem Boden, kämpfe gegen den immer fester werdenden Halt an. Dann bemerke ich den schweren Stoff auf meinem Gesicht. Ich will ihn runterreißen, denke, ich wurde verschleppt. Bis mir klar wird, dass mein ganzer Körper in ein dickes Tuch gehüllt ist.
    Ich befreie mich aus den Bahnen, wickle meine Füße, Beine und Arme aus, bis ich endlich wieder sehen kann. Statt der ersehnten Luft, schlägt mir sengende Hitze ins Gesicht, raubt mir erneut den Atem. Gleißendes Sonnenlicht brennt sich in meine noch vom Ruß tränenden Augen. Ich hülle mein Gesicht sofort wieder in das Tuch ein.
    Erst jetzt wird mir klar, dass ich nicht verschleppt und eingewickelt liegen gelassen wurde. Ich wurde nicht zum Sterben hierher gebracht. Jemand hat mich aus dem Feuer gerettet und vor der Sonne geschützt. Jemand gab mir sein Tuch, damit ich eine Chance in dieser ansonsten schutzlosen Wüste habe.
    Plötzlich stürzen alle Erinnerungen der letzten Nacht auf mich ein. Die Flammen, der Rauch, die Schreie meiner Eltern und meine reglose Schwester neben mir. Mir bleibt erneut die Luft weg und Panik regt sich in mir wie ein wildes Tier.
    Ich renne los, stolpere über den heißen Sand unter meinen Füßen. Dünen, nichts als ewige Dünen und Berge aus Sand breiten sich vor mir aus. Reqem ragt wie ein schwarzes Loch in der Landschaft hervor. Rauch steigt noch immer aus den niedergebrannten Ruinen empor. Nur noch die Mauern der Stadt und eine Handvoll der größeren Gebäude ragen aus dem Schutt hervor. Das Tor zu unserer Stadt ist eingebrochen und liegt als riesiger Haufen voll verkohltem Schutt zu meinen Füßen.
    Ich klettere auf allen Vieren darüber, achte kaum auf meine Füße. Ich rutsche ein paar Mal ab, schneide mich an den scharfen Kanten der Steine. Ich spüre den Schmerz kaum. Alles, woran ich denken kann, ist meine Familie. Normalerweise würde ich unser Haus im Schlaf finden. Könnte mit verbundenen Augen durch die Straßen laufen. Doch was einst unsere Stadt war, ist nun ein riesiger Trümmerhaufen. Keine Straßen, keine Häuser oder Feuerstellen weisen mehr den Weg.
    Ich bahne mich durch die Trümmer. Meide die letzten Flammen, die noch über die nackten Steine tanzen. Ich rufe Namen, die in der Hitze versengen. Ich stolpere weiter, suche nach irgendetwas, das unser Haus verrät. Ich denke, ich habe unsere Straße gefunden. Unweit von hier liegt eine freie Stelle, die ich als unseren Marktplatz erkenne. Asche und verbrannter Schutt rieseln auf den ehemals hellbraunen Boden herab und hüllen auch ihn in ein dunkles Grau.
    Ich wühle in den Steinen, mache die Mauern der Ruinen ausfindig. Vor mir liegt ein schmaler Durchgang, wo einst eine Tür war. Ich schmiere den Ruß beiseite und erkenne gerade noch die kleinen Figuren, die meine Schwester und ich einst eingeritzt haben. Damit wir immer nach Hause finden würden. Nach Hause.
    Ich falle vor dem kleinen Stück Mauer zu Boden. Tränen laufen meine Wangen hinab. Ich krieche in die Trümmer hinein. Suche nach etwas, nach jemandem. Doch die Flammen haben alles zu Asche und Staub verwandelt.
    Ich breche zusammen. Liege in der Asche meiner Familie und wünschte, ich könnte Teil von ihnen werden. Könnte mich auflösen und gemeinsam mit ihnen vom Wind verweht werden. Mich zerstreuen über der ewigen Wüste Arikharrs.
    Ich liege hier, lasse die Sonne meine Haut verbrennen. Meine Hände graben sich tief in die Asche. Halten fest, was längst verloren ist. Schmerz breitet sich in meinem ganzen Körper aus. Ein quälender Schmerz, der tief aus meinem Inneren kommt und nun jedes Teilchen meines Seins erfüllt. Ich kann mich nicht bewegen. Der Schmerz hat meinen Körper fest in seinen Klauen. Tag wird zur Nacht, Flammen erlöschen um mich herum und der Rauch wird schließlich von der kühlen Nachtluft davongetragen.
    Um mich herum breitet sich Dunkelheit aus, legt sich über mich wie eine beruhigende Decke. Irgendwann beginne ich zu zittern. Kälte, Erschöpfung und Trauer haben mich übermannt. Ich ziehe das große Tuch von meinem Kopf und hülle mich darin ein. Wickle mich ein wie meine Mutter einst Leyna einwickelte, als sie noch ein Baby war.
    Tränen rinnen erneut über mein Gesicht und ein schwerer Schlaf legt sich auf meine Brust. Schlafen und Wachen kommen in Wellen über mich und bilden einen neuen Rhythmus, der mich gefangen hält. Die feine Sichel des Mondes wandert über die eingefallenen Mauern hinweg, wirft Schatten in die Dunkelheit. Die Zeit scheint sich ins Unendliche zu dehnen und dennoch geht die Nacht in wenigen Wimpernschlägen vorüber.
    Erst als die Sonne am Himmel aufgeht, rege ich mich wieder. Versuche meine steifen Gliedmaßen zu bewegen. Ich überlebe keinen weiteren Tag in diesem niedergebrannten Friedhof. Die Steine sind jetzt noch warm vom Feuer und wenn erst die Sonne auf sie scheint, werden sie mir die Haut verbrennen und meine Augen erblinden lassen.
    Ich taste meine Kleider ab. Suche nach dem kleinen Tuch, dass ich seit meiner Geburt bei mir trage. Meine Fingerspitzen stoßen auf die feine Seide, in die mich einst die Partera wickelte, und ziehen es hervor. Ich nehme eine Hand voll Asche und binde sie in das Tuch ein ehe ich es wieder sicher unter meinen Kleidern verstaue. Dann taumele ich aus der Stadt.
    Ich nehme meine Schritte und die Trümmer kaum wahr, über die ich klettern muss, um der Stadt für immer zu entfliehen. Ich krieche wie eine Blinde durch die Asche meines Volkes hinaus in die endlose Wüste. Erst als ich wieder zum Stehen komme, spüre ich den Sand, der in meinen aufgeschnittenen Beinen und Füßen brennt.
    Ich schaffe es gerade noch eine Düne hinauf, ehe ich vor Erschöpfung auf die Knie sinke. Ich ziehe ein paar Steine zu mir heran, die um mich verstreut liegen, und befestige das Tuch unter ihnen. Dann krieche ich in mein kleines Versteck. Auch wenn ich der Hitze hier draußen nicht entkommen kann, so wird mich die Sonne unter dem Tuch wenigstens nicht verbrennen.
    Ich lege mich auf den noch von der Nacht kühlen Sand. Meine Augen werden schwer und ich merke, wie Schlaf mich erneut übermannt. Ich sehe nur noch meine geschwärzten Finger vor meinem Gesicht. Das Licht bricht sachte durch die Fäden im Stoff und da bemerke ich ihn. Er glänzt, obwohl Ruß ihn größtenteils bedeckt. Ich erkenne gerade noch das schmale, silberne Band mit dem kleinen Stein, das an meinem Finger steckt, bevor meine Augen zufallen. Der Ring meiner Mutter.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz (Tintenherz, Cornelia Funke)

  • Das sind ein paar wichtige Grundsatzfragen die du stellst. Ich versuche mal meine Sichtweise zu zeigen.

    So wie ihr es aber momentan kritisiert, frage ich mich, ob ich doch ganz klassisch mit der "Actionszene" anfangen sollte? Also mit dem Brand am Ende des Kapitels. Meint ihr, das wäre ein besserer Einstieg in die Geschichte?

    Nicht unbedingt. Viele Fantasygeschichten fangen ja tatsächlich so an wie du es machst. Zuerst die "Heile Welt" beschreiben. Dann wird der Held da mit Gewalt rausgerissen und muss sich Abenteuern stellen. Das passt durchaus gut. Da darf die Welt auch am Anfang heile sein.

    Zu dem behütet: Sie lebt in einer Stadt inmitten der Wüste. Essen ist super rar und wie ich ja auch geschreiben hatte Wasser sehr rationiert. Ihr Stamm und ihre Familie sind quasi den Umständen entsprechend glücklich. Sie wissen, dass es eben nicht mehr viel gibt und haben sich mit dem arrangiert, was sie haben. Nämlich einander.

    Ich komme da mit dem Setting noch nicht so richtig klar. Im Prolog schreibst du dass quasi alles zerstört ist. Alles Wüste und kaputt. Flüsse und Wälder existieren quasi nicht mehr. Im ersten Kapitel scheint es dann aber überhaupt nicht so dramatisch zu sein. Da leidet niemand Hunger. Wenn die Kinder/die Familie täglich hungrig zu Bett gehen müsste wäre die Stimmung unruhiger. Daher denke ich sie sind wohl arm aber nicht hungrig. Das ist ein großer Unterschied.

    Ich meine - es ist ja dein Setting. Du kannst es so schreiben wie du es haben möchtest. Aber es muss klar und logisch sein. Wenn es lebensbedrohliches Elend sein soll dann lässt sich nicht vermeiden dass die Familie davon etwas abbekommt und dann kommst du um so einen Katniss-Effekt nicht herum weil ich dir das sonst nicht glaube. Wer um sein tägliches Überleben kämpfen muss der freut sich nicht über schöne Geschichten des Lehrers sondern sucht nach Brot und klaut Äpfel.

    Wenn es in deiner Geschichte ein bescheidenes Leben in Armut sein soll das aber Raum lässt für ein knappes Überleben und zwischendurch auch frohe Feste dann ist so ein Szenario wie du beschreibst möglich. Wenn du den Prolog weglässt dann würde diese andere Erwartungshaltung ("Elend") bei mir auch nicht entstehen. Aber der Prolog zusammen mit dem ersten Kapitel passt für mich irgendwie nicht zusammen. Daher denke ich: Wenn du mit dem ersten Kapitel anfangen würdest könntest du die Familie ruhig so beschreiben wie du es getan hast.

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince

  • Ja ich glaube das Problem entsteht durch die unterschiedliche Perspektive. Aleyna kennt ihr Leben nur so wie es ist und so ist es ok. Nicht toll, ab und an gibt es mal hungrige Tage, aber sie kommen über die Runden. Eben so wie du es in deinem zweiten Absatz beschreibst. Im Prolog schreibe ich ja aus Nikolas Perspektive, der noch ein kleines Kind ist und hauptsächlich das Wissen seiner Familie und Gelehrten wiedergibt. Und die sehen eben den großen Kontrast zu dem üppigen Leben das es einst gab und dem mageren, das jetzt überall außerhalb der Königsstadt herrscht. Und natürlich auch deren Perspektive in die Zukunft, dass wenige Jahrhunderte für so einen Verfall gesorgt haben und wie soll es dann weitergehen. Dazu kommt, dass diese Elben mehrere Jahrhunderte alt werden, somit also auch den krassen Zerfall miterlebt haben. Ich glaube, das ist eben dieser Kontrast aus dem Prolog zu Aleynas Sicht. Kann das sein?

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz (Tintenherz, Cornelia Funke)

  • Jemand zog mich aus dem Haus, auf die Straßen der brennenden Stadt. Überall um uns herum ragten die Flammen bis hoch in den Himmel.

    Ich erwache keuchend, ringe nach Luft und huste Asche aus meinen Lungen.

    Hier wechselst du von einem Kapitel zum nächsten die Zeit. Würd ich eher nicht machen.

    Der neue Abschnitt gefällt mir. Könnte auch der Anfang der Geschichte sein. Dann wären da zwar viele Fragezeichen beim Leser, aber eindringlich wäre es. Ich hab mal etwas drin herumgemalt (spoiler).

    Spoiler anzeigen

    Ich erwache keuchend, ringe nach Luft und huste schleimige Asche aus meinen Lungen. Ich schwitze, Rauch und Sand kleben auf meiner Haut. und fühle wie Rauch und Sand auf meiner Haut kleben. Alles (eigentlich kann nur Luft stickig sein) um mich herum ist stickig. Plötzlich sehe ich wieder die Flammen vor meinen Augen, spüre wie Rauch in meine Lungen dringt und meine Kehle zuschnürt. Panik ergreift mich.
    Ich will aufspringen, losrennen, aber irgendetwas hält mich gefangen. Ich winde mich auf dem Boden verzweifelt, kämpfe gegen den immer fester werdenden Halt (Druck?) an. Dann bemerke ich den schweren Stoff auf meinem Gesicht. Ich will ihn runterreißen. Wurde ich verschleppt?denke, ich wurde verschleppt. Dann wird mir klar, dass mein ganzer Körper in ein dickes Tuch gehüllt ist.
    Ich befreie mich aus den Bahnen, wickle meine Füße, Beine und Arme aus, bis ich endlich wieder sehen kann frei bin. Statt der ersehnten Luft, schlägt mir sengende Hitze ins Gesicht, raubt mir erneut den Atem. Gleißendes Sonnenlicht brennt sich in meine noch vom Ruß tränenden Augen. Ich hülle mein Gesicht sofort wieder in das Tuch ein.
    Erst jetzt wird mir klar, dass ich nicht verschleppt und eingewickelt liegen gelassen wurde. Ich wurde nicht zum Sterben hierher gebracht. Jemand hat mich aus dem Feuer gerettet und vor der Sonne geschützt. Jemand gab mir sein Tuch, damit ich eine Chance in dieser ansonsten schutzlosen Wüste habe.
    Plötzlich stürzen alle Erinnerungen der letzten Nacht auf mich ein. Die Flammen, der Rauch, die Schreie meiner Eltern und meine reglose Schwester neben mir. Mir bleibt erneut die Luft weg und Panik regt sich in mir wie ein wildes Tier.
    Ich renne los, stolpere über den heißen Sand unter meinen Füßen. Dünen, nichts als ewige Dünen und Berge aus Sand breiten sich vor mir aus. Reqem ragt wie ein schwarzes Loch in der Landschaft hervor. Rauch steigt noch immer aus den niedergebrannten Ruinen empor. Nur noch die Mauern der Stadt und eine Handvoll der größeren Gebäude ragen aus dem Schutt hervor. Das Tor zu unserer Stadt ist eingebrochen und liegt als riesiger Haufen voll verkohltem verkohlter Schutt zu meinen Füßen.
    Ich klettere auf allen Vieren darüber, achte kaum auf meine Füße. Ich rutsche ein paar Mal ab, schneide mich an den scharfen Kanten der Steine. Ich spüre den Schmerz kaum. Alles, woran ich denken kann, ist meine Familie. Normalerweise würde ich unser Haus im Schlaf finden. Könnte mit verbundenen Augen durch die Straßen laufen. Doch was einst unsere Stadt war, ist nun ein riesiger Trümmerhaufen. Keine Straßen, keine Häuser oder Feuerstellen weisen mehr den Weg.
    Ich bahne mich durch die Trümmer. Meide die letzten Flammen, die noch über die nackten Steine tanzen (weiß was du meinst aber Steine brennen nicht, Balken?). Ich rufe Namen, die in der Hitze versengen (Namen die versengen? Seltsame Formulierung). Ich stolpere weiter, suche nach irgendetwas, das unser Haus verrät. Ich denke, ich habe unsere Straße gefunden. Unweit von hier liegt eine freie Stelle, die ich als unseren Marktplatz erkenne. Asche und verbrannter Schutt rieseln auf den ehemals hellbraunen Boden herab und hüllen auch ihn in ein dunkles Grau.
    Ich wühle in den Steinen, mache die Mauern der Ruinen ausfindig. Vor mir liegt ein schmaler Durchgang, wo einst eine Tür war. Ich schmiere den Ruß beiseite und erkenne gerade noch die kleinen Figuren, die meine Schwester und ich einst eingeritzt haben. Damit wir immer nach Hause finden würden. Nach Hause.
    Ich falle vor dem kleinen Stück Mauer zu Boden. Tränen laufen meine Wangen hinab. Ich krieche in die Trümmer hinein. Suche nach etwas, nach jemandem. Doch die Flammen haben alles zu (in?) Asche und Staub verwandelt.
    Ich breche zusammen. Liege in der Asche meiner Familie und wünschte, ich könnte Teil von ihnen werden. Könnte mich auflösen und gemeinsam mit ihnen vom Wind verweht werden. Mich zerstreuen über der ewigen Wüste Arikharrs.
    Ich liege hier, lasse die Sonne meine Haut verbrennen. Meine Hände graben sich tief in die Asche. Halten fest, was längst verloren ist. Schmerz breitet sich in meinem ganzen Körper aus. Ein quälender Schmerz, der tief aus meinem Inneren kommt und nun jedes Teilchen meines Seins erfüllt. Ich kann mich nicht bewegen. Der Schmerz hat meinen Körper fest in seinen Klauen. Tag wird zur Nacht, Flammen erlöschen um mich herum und der Rauch wird schließlich von der kühlen Nachtluft davongetragen.
    Um mich herum breitet sich Dunkelheit aus, legt sich über mich wie eine beruhigende Decke. Irgendwann beginne ich zu zittern. Kälte, Erschöpfung und Trauer haben mich übermannt. Ich ziehe das große Tuch von meinem Kopf und hülle mich darin ein. Wickle mich ein wie meine Mutter einst Leyna einwickelte, als sie noch ein Baby war.
    Tränen rinnen erneut über mein Gesicht und ein schwerer Schlaf legt sich auf meine Brust (Formulierung nicht optimal). Schlafen und Wachen kommen in Wellen über mich und bilden einen neuen Rhythmus, der mich gefangen hält. Die feine Sichel des Mondes wandert über die eingefallenen Mauern hinweg, wirft Schatten in die Dunkelheit. Die Zeit scheint sich ins Unendliche zu dehnen und dennoch geht die Nacht in wenigen Wimpernschlägen vorüber.
    Erst als die Sonne am Himmel aufgeht, rege ich mich wieder. Versuche meine steifen Gliedmaßen zu bewegen. Ich überlebe keinen weiteren Tag in diesem niedergebrannten Friedhof. Die Steine sind jetzt noch warm vom Feuer und wenn erst die Sonne auf sie scheint, werden sie mir die Haut verbrennen und meine Augen erblinden lassen. (Sie müsste jetzt auch Durst haben)
    Ich taste meine Kleider ab. Suche nach dem kleinen Tuch, dass ich seit meiner Geburt bei mir trage. Meine Fingerspitzen stoßen auf die feine Seide, in die mich einst die Partera wickelte, und ziehen es hervor. Ich nehme eine Hand voll Asche und binde sie in das Tuch ein ehe ich es wieder sicher unter meinen Kleidern verstaue. Dann taumele ich aus der Stadt.
    Ich nehme meine Schritte und die Trümmer kaum wahr, über die ich klettern muss, um der Stadt für immer zu entfliehen. Ich krieche wie eine Blinde durch die Asche meines Volkes hinaus in die endlose Wüste. Erst als ich wieder zum Stehen komme, spüre ich den Sand, der in meinen aufgeschnittenen Beinen und Füßen brennt.
    Ich schaffe es gerade noch eine Düne hinauf, ehe ich vor Erschöpfung auf die Knie sinke. Ich ziehe ein paar Steine zu mir heran, die um mich verstreut liegen, und befestige das Tuch unter ihnen. Dann krieche ich in mein kleines Versteck. Auch wenn ich der Hitze hier draußen nicht entkommen kann, so wird mich die Sonne unter dem Tuch wenigstens nicht verbrennen.
    Ich lege mich auf den noch von der Nacht kühlen Sand. Meine Augen werden schwer und ich merke, wie Schlaf mich erneut übermannt. Ich sehe nur noch meine geschwärzten Finger vor meinem Gesicht. Das Licht bricht sachte durch die Fäden im Stoff und da bemerke ich ihn. Er glänzt, obwohl Ruß ihn größtenteils bedeckt. Ich erkenne gerade noch das schmale, silberne Band mit dem kleinen Stein, das an meinem Finger steckt, bevor meine Augen zufallen. Der Ring meiner Mutter (Super!).

  • Wieder ein sehr schöner Abschnitt.

    Ich erwache keuchend, ringe nach Luft und huste Asche aus meinen Lungen. Ich schwitze und fühle wie Rauch und Sand auf meiner Haut kleben. Alles um mich herum ist stickig. Plötzlich sehe ich wieder die Flammen vor meinen Augen, spüre wie Rauch in meine Lungen dringt und meine Kehle zuschnürt. Panik ergreift mich.

    Hier fehlt mir die Beschreibung dessen was sie sieht. Ich denke das ist wohl der wichtigste Sinneseindruck, auf den man baut in so einer Situation?

    denke, ich wurde verschleppt

    Das würde ich dann auch als Gedanke formulieren. Wurde ich verschleppt?

    oder noch besser um das Passiv zu vermeiden: Hat mich jemand verschleppt?

    Ich hülle mein Gesicht sofort wieder in das Tuch ein.

    Vorher hatte ich den Eindruck dass das eher eine Decke als ein Tuch ist. Oder eine Art Umhang mit dem man den ganzen Körper einhüllen konnte. Von daher geht es eigentlich nicht dass sie dieses selbe sehr große Tuch nun nur für das Gesicht benutzt. Es muss wohl auch Sinn gemacht haben vorher den ganzen Körper darin gehabt zu haben?

    Dünen, nichts als ewige Dünen und Berge aus Sand breiten sich vor mir aus. Reqem ragt wie ein schwarzes Loch in der Landschaft hervor. Rauch steigt noch immer aus den niedergebrannten Ruinen empor. Nur noch die Mauern der Stadt und eine Handvoll der größeren Gebäude ragen aus dem Schutt hervor. Das Tor zu unserer Stadt ist eingebrochen und liegt als riesiger Haufen voll verkohltem Schutt zu meinen Füßen.

    Die erste Beschreibung erzeugt in mir das Gefühl: Sie befindet sich in einer Wüste und die Stadt liegt weit entfernt. Sie sieht ja offenbar die gesamte Stadt von dort aus wo sie ist.

    Dann plötzlich liegt das Stadttor "zu meinen Füßen". Huch? Sie liegt also direkt vor dem Stadttor? Also liegt sie eigentlich nicht in der Wüste sondern direkt vor der abgebrannten Stadt? Von dort aus kann sie dann eigentlich auch nur die Ruinen in ihrer direkten Nähe sehen und nicht die ganze Stadt. Hier würde ich sehr genau überlegen was sie da sieht damit das Bild in sich stimmig wird.

    Ich ziehe das große Tuch von meinem Kopf und hülle mich darin ein.

    Dann hatte sie das große Tuch also ungefähr wie einen Turban in vielen Lagen um den Kopf gewickelt? (Warum nur um den Kopf und nicht um den Körper?) Stelle mir das etwas seltsam vor.

    Wickle mich ein wie meine Mutter einst Leyna einwickelte, als sie noch ein Baby war.

    Leyna bedeutet also hier wieder "Leyanna"? Wie hat man die Mädchen denn unterschieden wenn "Leyna" sowohl die eine als auch die andere Schwester oder auch beide zusammen bedeuten konnte? Das gibt Raum für unendliche Verwechslungen. Würde ich daher so nicht machen. Man gibt ja eineiigen Zwillingen auch nicht denselben Namen selbst wenn solche üblicherweise auch eine sehr enge Bindung haben.

    aufgeschnittenen Beinen und Füßen

    Dass der heiße Sand brennt kann ich mir vorstellen. Also brennende Füße würde ich plausibel finden. Vielleicht auch Schnitte in den Füßen durch geborstene Balken oder so. Aber wodurch sollten ihre Beine aufgeschnitten worden sein?

    Dass sie den Ring trägt finde ich auch spannend! :)

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince

  • Hallo ihr Lieben,

    ich war die letzten Tage ein wenig vom Leben abseits vom Schreiben eingenommen, deshalb melde ich mich erst jetzt.

    Sensenbach Ich überlege tatasächlich auch, das als Anfang der Geschichte zu nehmen. Ich will ja das ganze Buch im Präsenz schreiben. Fand es aber irgendwie ganz cool im ersten Kapotel ein bisschen zu wechseln zwischen Präsenz und Präteritum, um diesen Kontrast zwischen hier und jetzt bin ich und das waren meine Erinnerungen bis jetzt zu unterstreichen. Vielleicht kann ich das aber auch ein bisschen besser ausarbeiten.

    Und vielen Dank dir für die konkreten Anmerkungen im Text. Die berücksichtige ich auf jeden Fall beim Umschreiben. Obwohl ich das Wort schleimig echt nicht gerne verwende :D Besonders in Verbindung mit Rauch assoziiere ich aber auch eher Trockenheit...? Und das mit dem Durst kam bei mir dann im nächsten Abschnitt. Ich glaube, ich erzähle einfach langsamer. Das hab ich jetzt schon ein paar mal bei euren Kommentaren gedacht. Also das ich darauf eingehe, aber etwas später. Weiß jetzt nicht so ganz, ob das schlecht ist, weil man die Information sofort braucht. Oder, ob das auch ok ist manche Infos ein bisschen zu strecken

    Kirisha Ich glaube auch, die Brandszene könnte vielleicht ein bisschen mehr ausgebaut werden. Ich schaue mal. Mit dem inneren Monolog hatte ich am Anfang wirklich so meine Probleme. Später mache ich das nur noch mit direkten Fragen. Aber am Anfang hab ich glaube ich noch häufig "Ich frage mich" geschrieben. Das verbessere ich natürlich!

    Das mit dem Tuch hatte ich mir wirklich wie ein sehr großes Leinentuch vorgestellt, in das man den ganzen Körper einhüllen kann, das aber am Tag um den Kopf gewickelt wird, um sich vor der Sonne zu schützen, und dann im Wind weht. Ein bisschen so, wie man es oft bei Beduinen sieht.

    "Zu meinen Füßen" hatte ich gedacht, weil sie von einer Düne auf die Stadt hinunterschaut.

    Ich glaube, das mit dem Namen muss ich einfach ändern. Das ist dann doch zu verwirrend und jeder bleibt bei seinem eigenen Namen.

    Genau, die Füße sind durch die Steine am Boden aufgeschnitten. Sie kraucht ja durch die Ruinen und steigt über Schuttberge...

    -

    Also, nur um euch auf dem Laufenden zu halten: Euer ganzes Feedback und die letzten Tage über meine Geschichte insgesamt zu senieren, hat mich dazu inspiriert, den Anfang nochmal neu zu schreiben. Um einfach auch mehr Tiefe in ihren Charakter zu bekommen. Ich glaube, das hat sie auch für den Verlauf der Geschichte nötig, dass da von Anfang an mehr Spannung und Motivation da ist.

    Deshalb werde ich mich jetzt für ein paar Tage aus dem Forum zurückziehen und daran arbeiten. Ich hoffe, das ist so ok für euch? Und ich melde mich dann mit der überarbeiteten Version zurück :) Bis dahin, frohes Schreiben und habt eine schöne Zeit!

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz (Tintenherz, Cornelia Funke)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo sophia_me,

    ich wollte auch mal meinen Senf bezüglich der Erzählperspektive dazugeben :D
    Deren Auswahl ist nämlich nicht unwichtig und sie eignen sich alle für unterschiedliche Dinge. @Acala hat das in diesem Beitrag (LINK) recht gut zusammengefasst - vielleicht schaust du dir den mal an, der sollte dir bei der Entscheidung, welche du wählen möchtest deutlich weiterhelfen. Besonders der letzte Punkt zur narrativen Distanz :)

    Zum Text:

    Falls du wirklich 1. Person Präsens schreiben möchtest, würde es sich empfehlen, eine sehr geringe Narrative Distanz zu wählen, weil diese Perspektive quasi dafür gemacht ist, sehr eng am Charakter zu sein - es ist immerhin die Perspektive die wir alle im Alltag durchgehend selbst erleben.

    Das ist auch der Punkt auf den viele der vorgeschlagenen Korrekturen der anderen Abzielen (an der Stelle: Vielleicht wäre es sinnvoll zu erklären, WARUM ihr etwas anders schreiben würdet :D )

    Das würde ich dann auch als Gedanke formulieren. Wurde ich verschleppt?

    oder noch besser um das Passiv zu vermeiden: Hat mich jemand verschleppt?

    Als Beispiel hier von Kirisha:
    Dein Ursprünglicher Satz war "ich denke ich wurde verschleppt", was eine gewisse Aussenperspektive ist.
    Hier wird impliziert, dass der Erzähler von außen auf die Szene schaut und feststellt dass er selbst etwas denkt.
    In Kirishas Vorschlägen fällt diese Ebene weg - der Erzähler denkt es einfach direkt -> man ist näher am Charakter und erlebt das gelesene quasi direkt(er) mit. Dafür ist deine gewählte Perspektive wie gesagt sehr gut geeignet (und imo NUR dafür). Daher empfiehlt es sich das auch so umzusetzen.

    Anderes Beispiel von Sensenbach:

    Ich erwache keuchend, ringe nach Luft und huste schleimige Asche aus meinen Lungen. Ich schwitze, Rauch und Sand kleben auf meiner Haut. und fühle wie Rauch und Sand auf meiner Haut kleben.

    Auch hier ist dein Ursprünglicher Satz von außen betrachtet, was nicht zur 1. Person Präsens passen will - wie gesagt, nähe zum Charakter ist hier das Sale-Argument, nutze es :D


    Zu guter letzt:

    So wie ihr es aber momentan kritisiert, frage ich mich, ob ich doch ganz klassisch mit der "Actionszene" anfangen sollte? Also mit dem Brand am Ende des Kapitels. Meint ihr, das wäre ein besserer Einstieg in die Geschichte? Ich wollte einfach nicht so Clichee sein und gleich mit dem riesen Unglück anfangen. Aber vielleicht ist es auch nicht ohne Grund der Standarttipp. Was meint ihr?

    Diese Entscheidung können (und sollten) zu diesem Zeitpunkt keine anderen Leute für dich treffen, weil wir noch viel zu wenig über die Geschichte wissen.
    Der Prolog sollte Interesse des Lesers wecken, das muss abe rnicht zwangsläufig Action sein. Auch Intrigen oder Mystery kann das tun. Imo ist es wichtig, dass das Interesse und die damit verbundene Erwartung des Lesers zu dem passt, was die Geschichte auch liefert. Es macht beispielsweise wenig Sinn, mit einer epischen Actionszene anzufangen und dem Leser quasi zu versprechen, dass es damit in der Geschichte weitergeht, wenn im Rest des Buchs dann keine Actionszene mehr vorkommt und es nur noch um eine Romanze geht (nur als Beispiel). Das Enttäuscht nämlich die Leser, die Action wollen/erwarten und keine bekommen und die, für die eine Romanze interessant wäre kommen evtl gar nicht so weit, weil sie die Actinszene sehen und das Buch weglegen, weil das nicht ihre Zielstory ist.

    Daher musst du selbst schauen, welchen Aspekt deiner Geschichte du hervorheben und "bewerben" willst. Auf jeden Fall sollte der Prolog aber eine Relevanz in der Geschichte haben.


    Ich hoffe ich konnte helfen :D

    LG Chaos :chaos:

  • Hallo Chaos Rising

    Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast reinzulesen und mir Feedback zu hinterlassen! Ich habe mich tatsächlich sehr bewusst für die 1. P. Präs. entschieden. Als die Geschichte quasi "zu mir" kam, hatte ich direkt das Gefühl, dass es ihre Geschichte ist und von ihren Gefühlen, Eindrücken und Beziehungen lebt. Ich sehe jetzt aber auch, dass ich da einige Unstimmigkeiten am Anfang drin habe. Ich hoffe, dass ich die in Zukunft vermeiden/beheben kann :) Finde es aber super, dass ihr auf diese Fehler hinweist!

    Das mit dem Versprechen fürs Buch finde ich momentan noch ziemlich schwierig. Ich schreibe sehr intuitiv, weshalb ich zwar mittlerweile das grobe Gerüst meiner Geschichte kenne, aber eben noch nicht jedes Detail. Meine Überlegung war bisher immer, wie beginnt man die Geschichte interessant und so, dass man gleich ganz autenthisch in die Protagonistin schlüpfen kann. So, dass man eben wenns geht gleich von Anfang an in der Geschichte steckt und mit ihr mitfiebert. Ich glaube einfach, dass ich vielleicht noch ein paar Mal den Anfang schreiben muss, bis er dann wirklich sitzt. Aber Übung macht ja den Meister... Und das trifft dann wahrscheinlich eh auf die meisten Szenen zu.

    Ich habe mich jetzt erstmal dazu entschieden mit dem Brand zu beginnen, weil das am Ende des Tages der Grund ist, warum ihre Geschichte überhaupt beginnt. Warum sie sich überhaupt auf den Weg macht. Ich denke, auch wenn wir manchmal Missstände in unserem Leben haben, werden wir erst aktiv, wenn wir durch äußere Umstände dazu gezwungen werden. Und das ist auch Aleynas Geschichte. (Ich will sie dann natürlich trotzdem als aktiven Charakter gestalten. Sie soll ja nicht passiv durch ihre Geschichte geschoben werden)

    Ich setze mich jetzt mal wieder an mein Kapitel, LG :)


    So, ich saß jetzt ganz fleißig am Laptop und habe meinen freien Tag genutzt. Ich hab jetzt erstmal nur den ersten Abschnitt von meinem neuen Kapitel geschrieben. Würde aber gerne eure Meinung wissen, ob da eine Verbesserung zu sehen ist? Das wäre dann mein neuer Anfang für das Buch, ohne Prolog... (Achso, und ich benenne die Kapitel momentan immer, damit ich selbst nach 20 Kapiteln und mehr noch weiß, wo was war. Würde das am Ende aber wahrscheinlich nur bei Kapitel 1 etc belassen. Nur zur Info ;) )

    Kapitel 1 - Feuer

    Die meisten unserer Tage sind still. Leise wie die Hitze, die sich in den staubigen Straßen staut. Ein müdes Schweigen legt sich über unsere kleine Stadt, sobald der Mond im Licht der aufgehenden Sonne verblasst. Wir schütteln den Sand aus unseren Kleidern, kämmen ihn aus unseren Haaren. Wasser ist zu kostbar geworden, um sich den feinen, roten Film von der Haut zu waschen, der sich jeden Tag aufs neue bei der Arbeit in den endlosen Wüstenfeldern auf uns legt. Also wischen wir ihn fort, nehmen ihn mit in unsere Betten.
    Erst wenn die Sonne über unsere Dächer gewandert ist und hinterm Horizont verglüht, wenn die kühle Nachtluft uns aus unseren Betten ruft, füllt sich unsere Stadt wieder mit Leben. Mit dem Geräusch knarzender Fensterläden, die geöffnet werden. Mit knisternden Feuern, die uns vor den eisigen Nachtwinden schützen, und dem Klirren von Töpfen, in denen Tee köchelt und die Luft mit dem Geruch bitterer Kräuter erfüllt.
    Auch heute legt sich die Stille über uns. Die Sonne brennt auf unsere Dächer und Straßen nieder, während wir in unseren Betten schlafen. Aber heute werde ich nicht von dem kühlen Wind geweckt, der durch die Ritzen und Löcher im Haus weht. Heute sind es Schreie, die mich aus dem Schlaf reißen.
    Verzweifelte Rufe, die die Stille zerreißen. Namen hallen durch die Straßen. Schritte rennen an unserem Haus vorbei.
    „Schnell!“, meine Mutter zieht mich aus dem Bett. Nimmt mein Gesicht in ihre Hände und sieht mich flehend an.
    „Lauft so schnell ihr könnt und schaut nicht zurück!“
    „Mama, was ist los?“, ich schaue ihr verwirrt in die Augen.
    Sengende Hitze treibt Schweißperlen auf ihre Haut und dunkler Qualm kriecht durch den Spalt unter unserer Tür in den kleinen Raum. Streckt seine Hände nach uns aus. Angst tobt in meiner Brust wie ein wildes Tier.
    „Nimm deine Schwester. Passt auf einander auf.“
    Sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände und küsst meine Stirn. Dann rüttelt sie Lyana an den Schultern, ruft ihren Namen. Meine Schwester schaut irritiert zu uns auf. Dann sieht auch sie die Angst in unseren Gesichtern, den Rauch, der unser Zimmer langsam füllt. Schreie kommen immer näher, werden lauter und lauter.
    „Was…?“, sie schaut fragend zu unserer Mutter auf. Sie küsst nun auch Lyana und greift nach ihren Händen. Tränen laufen über ihre schmutzigen Wangen.
    „Ihr müsst gehen. Jetzt!“
    Sie läuft zur Tür und späht auf die Straße hinaus. Ich schiebe mich an ihr vorbei und bleibe wie erstarrt stehen. Die ganze Stadt ist in schwarzen Rauch gehüllt, der den hellen Tag in finstere Nacht verwandelt. Flammen lodern bis hoch in den Himmel. Lecken an Hauswänden und färben die hellen Steine dunkel. Balken liegen brennend am Boden und die Hitze treibt Tränen in meine Augen.
    Lyana stolpert hinter mir aus der Tür und blinzelt, als würde sie versuchen aus einem Traum zu erwachen. Ich greife nach ihrer Hand und drücke sie fest.
    „Lauft!“, die Stimme meiner Mutter bricht. Pure Verzweiflung liegt in ihrem sonst so zarten Gesicht.
    „Was ist mit dir?“
    Sie schüttelt den Kopf.
    „Ich kann die anderen nicht alleine lassen. Ich muss ihnen helfen.“
    „Wir kommen mit dir“, Lyana dreht sich schon um, aber meine Mutter greift nach ihren Schultern und hält sie fest.
    „Nein“, sagt sie ruhig, aber bestimmt. „Ihr müsst gehen!“
    „Warum? Ich will bei dir bleiben und helfen.“
    „Wir treffen uns hinter den Stadttoren. Ich helfe nur den anderen Familien, ihre Kinder sicher aus der Stadt zu kriegen. Dann komme ich zu euch. Los, geht schon!“
    Lyana sieht mich unsicher an. Aber ich sehe den entschlossenen Blick meiner Mutter. Sehe die Angst und das stumme Flehen in ihren Augen. Sie würde unsere Stadt niemals im Stich lassen. Würde nie gehen ohne alles zu tun, um die anderen zu retten. Aber solange wir hier sind, kann sie nichts für die anderen tun.
    Also ziehe ich meine Schwester mit mir. Hinein in das Chaos und die Flammen. Als ich mich umdrehe, sehe ich gerade noch den Umriss meiner Mutter im Rauch verschwimmen. Dann ist sie fort und wir laufen weiter in Richtung Stadtmauer. Brennende Balken fallen vor uns auf den Weg und wir ducken uns. Funken sprühen in die Luft und brennen kleine Löcher in meine Kleider. Die Luft wird immer schwerer, immer heißer. Meine Lunge brennt und das Atmen fällt mir mit jedem Schritt schwerer. Lyana taumelt und ihre Finger rutschen aus meiner Hand. Aber ich halte sie fest und ziehe sie hinter mir her.
    Schatten huschen an uns vorbei, rennen durch die Straßen neben uns. Ich höre nur noch das Knistern und Krachen und dann ein Surren in meinem Kopf, das alle anderen Geräusche übertönt. Ich sehe kaum noch den Weg vor meinen Füßen. Flammen schlagen mir ins Gesicht. Der Rauch ist jetzt überall. Vor meinem Gesicht, in meinem Kopf und meinen Gliedern. Meine Beine sacken unter mir zusammen und ich schlage mit den Knien auf dem Boden auf. Ich weiß nicht, ob ich noch Lyanas Hand halte, fühle meine eigenen Finger kaum noch. Ich will nach ihr rufen, aber es fühlt sich an, als würde ich das Feuer einatmen.
    Verzweifelt taste ich um mich. Lyana, wo bist? Staub und Ruß. Geröll. Habe ich sie irgendwo auf dem Weg verloren? Ich krieche weiter. Zwinge meinen Körper zur Bewegung, auch wenn ich nichts mehr sehen kann, nichts mehr hören kann. Etwas weiches gleitet zwischen meine Finger. Ein Arm, eine Hand. Ich taste nach dem Gesicht, spüre die langen feinen Haare inmitten von Schutt und Geröll. Lyana? Dann spüre ich etwas warmes zwischen meinen Fingern. Feucht und klebrig. Mein Schrei verbrennt noch bevor er meine Lippen verlässt. Dann breche ich auf dem regungslosen Körper zusammen und meine Welt wird schwarz.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz (Tintenherz, Cornelia Funke)

    Einmal editiert, zuletzt von Chaos Rising (4. Oktober 2024 um 19:57) aus folgendem Grund: Ein Beitrag von sophia_me mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Hallo ihr Lieben,

    ich habe jetzt ein paar Tage darüber nachgedacht, was ich euch da geschickt habe. Ich persönlich komme irgendwie zu dem Schluss, das vielleicht eine Kombination aus meinem ersten und zweiten Versuch die goldene Mitte sein könnte. Also ein Kapitel aus ihrer Perspektive (ich würde dann bei der 1.P.Präs. bleiben), in dem sie quasi einen "ganz normalen Tag" bei sich beschreibt. Vielleicht mit der Arbeit auf den Wüstenfeldern und ein bisschen Dialog mit ihren Eltern. Ich will nämlich wirklich gerne das mit dem Ring einbauen, bevor die Stadt brennt. Und dann würde ich das schreiben, was ich euch am Freitag geschickt habe.

    Falls ihr zum Lesen kommt, könnt ihr ja gerne sagen, was ihr davon haltet :)

    Euer Feedback hat mir aber für meinen Denkprozess bei den späteren Kapitel schon viel geholfen. Auch ein bisschen in Abgründe und Schreibblockaden gestürzt... Aber total berechtigt. Ich glaube nämlich auch, dass der Char von Nikolas (dem Prinzen) wesentlich mehr Tiefe und mehr zu verlieren braucht. Also danke nochmal an dieser Stelle!

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  • Also ein Kapitel aus ihrer Perspektive (ich würde dann bei der 1.P.Präs. bleiben), in dem sie quasi einen "ganz normalen Tag" bei sich beschreibt. Vielleicht mit der Arbeit auf den Wüstenfeldern und ein bisschen Dialog mit ihren Eltern.

    Die Idee klingt gut. Das hatte ich nämlich in dem Anfang deines ersten Kapitels vermisst. Das war ja eher so ein grober Überblick über viele Jahre. Ein einziger Tag mit Details und der die Stimmung "vor dem Unglück" vermittelt ist auf jeden Fall ein guter Ansatz!

    Und lass dich nicht beirren. Du bekommst es ganz sicher gut hin.

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince

  • Kirisha Fandest du denn die zweite Version meines ersten Kapitels schon besser (abgesehen von dem Fehlen vom ersten Tag, was dann noch davor gesetzt werden würde)? Oder hattest du immernoch so Probleme mit ihrer Perspektive?

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    • Offizieller Beitrag

    Hi, sophia_me

    ich möchte an dieser Stelle mal anmerken, dass es manchmal Sinn macht, die Geschichte einfach mal weiter zu schreiben und nicht dauernd den Anfang umzustellen :D Gerade wenn du keine große Plotterin bist (was ich aus deinen bisherigen Beiträgen so unterschreiben würde), würde ich einfach mal weitermachen und schauen, wo ich rauskomme. Sonst bist du nur damit beschäftigt, den Anfang zu ändern und kommst nicht weiter - das killt die Motivation sehr schnell :D
    Später, wenn du den Band in der Rohfassung fertig hast, weißt du auch, wo du hinwillst und kannst besser abschätzen, welcher Anfang dann am besten passt :)

    Also mach dir nicht zuviel Gedanken um die ersten Kapitel und schreib einfach mal weiter :D


    Noch ein Mod-PS: Bitte Doppelposts vermeiden :)

    LG Chaos :chaos:

  • Den Text hatte ich ganz übersehen! Ich finde ihn sehr gelungen. Nur der Anfang ...

    Wer erzählt das denn? Warum spricht die Erzählerin in der "wir"-Form? Würdest du das tun wenn du etwas über dein Leben erzählen solltest? Ich würde versuchen auch diesen Teil aus Sicht der Erzählerin zu schreiben und nicht verallgemeinernd für das ganze Volk.

    Die Erzählerin ist wohl noch zu jung um auf den "Wüstenfeldern" zu arbeiten? (Was wächst da? Kakteen?) Oder hütet sie die Kamele? ("Wüste" und "Feld" scheint mir ein Widerspruch zu sein. Wenn da was wachsen soll brauchen sie ein Bewässerungssystem und es wäre keine Wüste mehr sondern mindestens eine Oase).

    Die meisten unserer Tage sind still. Leise wie die Hitze, die sich in den staubigen Straßen staut. Ein müdes Schweigen legt sich über unsere kleine Stadt, sobald der Mond im Licht der aufgehenden Sonne verblasst. Wir schütteln den Sand aus unseren Kleidern, kämmen ihn aus unseren Haaren. Wasser ist zu kostbar geworden, um sich den feinen, roten Film von der Haut zu waschen, der sich jeden Tag aufs neue bei der Arbeit in den endlosen Wüstenfeldern auf uns legt. Also wischen wir ihn fort, nehmen ihn mit in unsere Betten.
    Erst wenn die Sonne über unsere Dächer gewandert ist und hinterm Horizont verglüht, wenn die kühle Nachtluft uns aus unseren Betten ruft, füllt sich unsere Stadt wieder mit Leben. Mit dem Geräusch knarzender Fensterläden, die geöffnet werden. Mit knisternden Feuern, die uns vor den eisigen Nachtwinden schützen, und dem Klirren von Töpfen, in denen Tee köchelt und die Luft mit dem Geruch bitterer Kräuter erfüllt.
    Auch heute legt sich die Stille über uns. Die Sonne brennt auf unsere Dächer und Straßen nieder, während wir in unseren Betten schlafen.

    Dass die Mutter nicht primär ihre kleinen Kinder retten will sondern sich um die Allgemeinheit sorgt ... ich meine das müsstest du noch besser begründen. Ich denke der Instinkt würde sie ganz bestimmt dazu treiben zuerst ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Es wäre unverantwortlich die Kleinen einfach in die Flammen rauszuschicken. Und dann müsste da auch ein mehr konkreter Gedanke sein wen oder was sie noch retten muss. ("Die Stadt" finde ich zu schwammig). Ich denke sie würde zuerst ihre Kinder irgendwohin bringen wo sie sie sicher glaubt (und eventuell irrt sie sich da - aber dann hätte sie in der besten Absicht gehandelt). Vielleicht will sie dann noch die Kinder ihrer Schwester oder ihre alte Mutter oder ein Waisenhaus wo sie die Vorsteherin ist oder sowas evakuieren. Ich würde das etwas konkreter fassen damit die Mutter nicht in ein komisches Licht gestellt wird.

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince

  • Kirisha Ja da gehe ich total mit. Deshalb hatte ich dann auch das Gefühl, dass eine Kombination aus der ersten und zweiten Version vermutlich das Beste wäre. Das "wir" hat sich glaube ich so eingeschlichen, weil ich es total gewohnt bin von oben in die Geschichte einzutauchen (deshalb auch der Prolog und dann die Geschichte ihrer Geburt... Ich glaube das ist eine Macke von mir :D). Aber ich werde versuchen da strikter an der Figur zu bleiben.

    Das mit den Wüstenfeldern kommt noch, werde ich dann aber auch genauer im Anfang einbauen. Sie graben quasi Wüstenpflanzen aus dem Sand aus...

    Und ja für die Mutter muss definitiv eine bessere Lösung her. Das fand ich in meiner ersten Version eigentlich ganz gut, dass das Feuer sie so sehr im Schlaf überrascht, dass nur Aleyna aus den Flammen gerettet wird. Es kam mir dann nur so passiv vor. Ich muss da glaube ich einfach für mich klären, wie wichtig die Nebenstory ist, wer sie gerettet hat.

    Chaos Rising wegen dem Doppel Post: Ich finde es irgendwie ganz schön viel in einem Post zu antworten und ein neues Kapitel zu posten. Dadurch, dass du es zusammengefasst hast, ist es glaube ich auch komplett untergegangen, wenn ich das so richtig mitbekommen habe. Aber wenn es euch so lieber ist, passe ich mich natürlich den Forums Regeln an :)

    Und ich schreibe mittlerweile schon auf Seite 200, also die Story ist schon ziemlich ausgereift. Aber weil ich immer wieder über manche Dinge stolpere, tut mir das Feedback zum Anfang auch richtig gut. Dadurch stelle ich mir neue Fragen, die ja dann auch wichtig für den gesamten Verlauf sind. Aber natürlich werde ich hier jetzt nicht zehn verschiedene Anfänge posten ;)

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    Also, um dem gleich nachzusetzen schicke ich euch mal den nächsten Abschnitt vom letzten Kapitel. Nur zur Erinnerung: Sie war gerade durch ihre verbrannte Stadt gelaufen und in der Wüste zusammengebrochen :)

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    Hitze erschlägt mich, als ich wieder zu mir komme, und staut sich in meinem kleinen Versteck. Nur das Tuch schützt mich vor der gleißenden Sonne und den ewig wehenden Winden. Dem Sand, der sich auf alles legt, alles bedeckt.
    Zwei Tage lang kauere ich hier, lasse nur in der Nacht die kühle Luft durch einen schmalen Spalt vor meinem Gesicht hinein. Ich kann die Ruinen, mein altes Leben nicht einfach so hinter mir lassen. Ertrage es kaum zu sehen, wie mein Stamm immer weiter vom Wind fort getragen und mein Haus vom Sand verdeckt wird. Jeden Tag kämpfe ich gegen meine Alpträume und winde mich im Schlaf unter dem engen Tuch. Jede Nacht bleibe ich wie erstarrt liegen und ringe mit meinen Ängsten.
    Ich frage mich, ob meine Stadt angegriffen wurde, ob der Brandt durch fremde Hand ausgelöst wurde. Fürchte mich davor, entdeckt zu werden und gleichzeitig allein hier zu verweilen.
    Ich fühle mich elend. Wenn ich am ersten Tag noch nichts außer dem zerreißenden Schmerz in meiner Brust gefühlt habe, so überrollen mich nun Hunger und Durst. Ich klebe von meinem eigenen Schweiß und Ruß und den Tränen, die immer wieder kommen und nicht verebben wollen.
    Immer und immer wieder habe ich die letzten Tage in meinem Kopf abgespielt. Die bedrückte Stimmung bei uns zuhause. Das Feuer, das an einem einzigen Tag eine ganze Stadt ausgelöscht hat. Und jemand hat mich aus unserem brennenden Haus, durch die lodernde Stadt bis hier in die Wüste geschleppt. Niemand sonst scheint dem Brand entkommen zu sein. Und doch hat man mich hier alleine liegen gelassen, dem Schicksal überlassen.
    Fragen überschatten bald alle anderen Gedanken in meinem Kopf. Wer hat mich gerettet und warum? Warum hat der Ring seinen Weg aus den Flammen an meine Hand gefunden? War der Brand nur ein Unglücksfall, ein fahrlässiges Feuer, das sich in der Hitze des Tages unbeobachtet ausbreiten konnte? Alle Bewohner Reqems schienen unheilvoll auf den Tag meiner Blüte zu blicken. Meinen Geburtstag. Der Tag, der jenem Feuer gefolgt war.
    Ich hatte bisher kaum einen Gedanken daran verloren, dass ich nun ein Mädchen in der Blüte war. Was interessierte es mich noch. Mein Stamm war tot, meine Familie für immer verloren. Für mich würde es weder ein Fest noch eine Vermählung geben.
    Und doch kann ich mich ohne eine Antwort auf all jene Fragen nicht der Wüste übergeben. Kann mich nicht zu meiner Familie legen und ruhigen Gewissens zu Asche werden. Ich schulde ihnen und auch mir selbst eine Antwort. Schulde ihnen wenigstens den Versuch zu überleben. Schulde es meiner Mutter, die all ihre Liebe in uns steckte und uns nie an uns selbst zweifeln ließ. Meinem Vater, der jeden Tag mit ein klein wenig Magie zu erfüllen versuchte. Und meiner Schwester, meiner fröhlichen und ausgelassenen Schwester, die noch so viele Jahrhunderte an meiner Seite hätte verbringen sollen. Leyna. Ich werde sie immer mit mir tragen. Ich werde für uns beide überleben.
    Vorsichtig schiebe ich das Tuch von mir. Sand rieselt an mir herunter und kommt aus meinen Kleidern. Ich krieche aus meinem improvisierten Zelt und ziehe das übrige Tuch unter den Steinen hervor.
    Die Landschaft um mich herum hat sich gewandelt. Neue Dünen haben sich geformt und Täler klaffen dort, wo einst Berge aus Sand aufragten. Ich suche meine Umgebung nach den Ruinen Reqems ab.
    Statt einer verkohlten Ruinenstadt finde ich einen Friedhof im Sand vor. Windstürme haben einstige Straßen und eingestürzte Häuser mit Sand bedeckt. Lediglich verbrannte Mauern ragen dort in den Himmel, wo einst unsere höchsten Gebäude standen. Meine Heimat wurde von der Wüste verschluckt und die Toten liegen nun unter ihr begraben. Über mir erstreckt sich ein gnadenlos blauer Himmel. Eine Sonne, die alles verbrennt, das ihr zu lange ausgeliefert ist.
    Ich hülle mich in das Tuch, sodass nur noch meine Augen daraus hervorlugen. Ich kann meinen Blick in dem gleißenden Licht und dem blendenden Sand kaum fokussieren. Mein Volk hat sich vor vielen Jahrzehnten den Bedingungen der Wüste angepasst. Einst wandelten auch wir unter der Sonne. Doch nun leben wir in den Schatten der Nacht, wenn der Mond aufgeht und die Wüste in sein kühles Licht taucht. Wenn unsere Augen in die Ferne blicken und jedes Detail erkennen können. Wenn die kalte Nachtluft unsere Haut umschmiegt und unsere Feuer Essen kochen können, ohne alles in Brand zu setzen.
    Mit wackeligen Beinen wage ich meine ersten Schritte über den Sand. Ich sinke tief ein und jeder Schritt ist anstrengend. Ich kämpfe gegen den Drang, mich wieder fallen zu lassen, mich einzurollen und der Erschöpfung nachzugeben. Aber ich muss Wasser finden. Wasser ist meine oberste Priorität, wenn ich überleben will.
    Ich werfe einen letzten Blick auf die Überreste unserer Stadtmauer. Selbst, wenn ich es über mich bringen könnte, noch einmal einen Schritt in die Stadt zu setzen, würde ich den Brunnen niemals unter all dem Sand und den Trümmern finden. Könnte nichts außer Asche und Sand aus ihm schöpfen. Also mache ich einen großen Bogen um die Ruinen der Stadt und bahne mir einen Weg um sie herum. Ich muss diesen Ort und mein Volk hinter mir lassen.
    Ich wende meinen Blick ab, konzentriere mich auf die Landschaft vor mir. Wenn ich in dieser Wüste überleben will, muss ich meine Trauer hinter mir lassen. Muss meine Familie gehen lassen und nur ihre Erinnerungen mit mir nehmen. Ich taste mit meinen Fingern nach dem kleinen Beutel Asche vor meiner Brust, umklammere ihn kurz, bevor ich der Stadt endgültig den Rücken zukehre.
    Vor mir breitet sich die Wüste mit ihren ewigen Bergen und Tälern aus Sand aus. Felsen ragen in der Ferne aus dem Boden empor und kleinere Gesteinsformationen formen das ansonsten karge Land. Ich habe keine Karte, keinen Kompass, die mir einen Weg weisen könnten. Nur das Wissen, das der Scriptor mit uns teilte. Geschichten, die unsere Eltern und Freunde an uns weiter gaben.
    Die nächste Stadt liegt drei Tagesmärsche nach Osten von hier entfernt. Doch Krieg und der Kampf ums Überleben haben unsere Völker feindlich gegeneinander gestimmt. Kein Stamm kann sich noch vor dem anderen in Sicherheit wähnen. Wer weiß, ob einer von ihnen den Funken gezündet hat, um die Konkurrenz über Nahrung und den letzten Tropfen Magie auszulöschen. Solange ich hier alleine in der Wüste umherstreife, bin ich vor niemandem sicher. Einfach so in eine fremde Stadt zu marschieren ist sicher nicht der Weg, um zu überleben.
    Der einzige Fluss, der noch durch unser Land fließt, liegt im Norden. Unser Scriptor hatte uns einmal seinen Weg aus der Hauptstadt zu uns beschrieben.
    „Einmal zu jedem Neumond kehre ich für eine Woche in den Palast zurück. Petrea ist eine herrliche Stadt. Eines Tages werdet auch ihr mich dort besuchen.“
    „Warum bleibst du nicht hier, solange du uns unterrichtest?“, hatte ich ihn gefragt.
    „Nun, ich unterrichte nicht nur euch zwei. Auch andere Stämme haben junge, neugierige Mädchen wie dich. Sie alle stehen von ihrer Geburt bis zur Blüte unter dem Schutz und der Fürsorge des Königs. Also kehre ich in den Palast zurück, tausche alte gegen neue Bücher, packe meine Taschen mit neuen Bildern und Skizzen. Und dann ziehe ich los, von Stadt zu Stadt, von Stamm zu Stamm. Erst besuche ich die Städte im Westen, dann die im Osten und zuletzt wandere ich den Fluss hinunter zu eurem kleinen Reqem.“
    „Erzähl uns von dem Fluss! Fließt das Wasser schnell oder langsam? Ist es flach oder tief?“, fragten wir den alten Mann aus.
    Wir hatten noch nie so viel Wasser an einem Ort gesehen. Selbst unser Brunnen war zu tief, um das Wasser darin zu sehen. Ein Eimer voll Wasser war das meiste, das wir je gesehen hatten.
    Der Scriptor lachte und setzte sich neben uns auf den Boden.
    „Der Fluss verändert seine Form stetig, müsst ihr wissen. In Petrea ist er tief und still. Dann strömt er aus den Toren hinaus in die grüne Flusslandschaft. Er wird hier breiter und flacher als in der Stadt und verzweigt sich bald in viele schmalere Flüsse. Ich folge dem Fluss nach Süden, wo er durch eine Steppe in die steinige Ebene strömt. Hier wird er von kleinen Felsen geformt und gebogen und nimmt an Fahrt auf. Doch dann wird er wieder flacher und langsamer und versiegt schließlich im Wüstensand.“
    Wir hörten ihm mit großen Augen zu und versuchten uns ein Bild von diesem Fluss zu machen, der ewig lang zu sein schien.
    „Wenn ich groß bin, werde ich zu diesem Fluss gehen und darin baden. Ich werde mit all meinen Kleidern hineingehen und alles an mir wird vollkommen nass sein.“
    Für Leyna gab es keine Wünsche oder Träume. Für sie waren es Tatsachen, Zukunftspläne und feste Vorhaben. Sie würde eines Tages in diesem Fluss baden, egal was irgendjemand dazu zu sagen hatte.
    Ich beneidete sie um diese Einstellung. Wollte selbst so sehr an meine Träume glauben können, dass sie sich schon jetzt real anfühlten. Doch Leyna würde nie in diesem Fluss baden. Würde nie das Wasser und die nassen Kleider auf ihrer Haut spüren. Wissen, ob der Fluss warm oder kalt, wunderschön oder beängstigend ist.
    Norden. Ich werde nach Norden gehen und es für sie herausfinden. Ich werde baden und das frische Wasser trinken und dann werde ich dem Fluss weiter nach Petrea folgen. Ich werde in die Stadt des Königs gehen und dort ein neues Leben beginnen.


    Kirisha Sorry, es ist wieder so lang. Vielleicht kannst du mir mal in Wörtern/Zeichen oder so sagen, was für dich eine gute Länge zum Posten wäre? Einfach damit ich ein Gefühl dafür bekomme...

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz (Tintenherz, Cornelia Funke)

  • Das ist sehr schön geworden! Ich kann mir das alles sehr gut vorstellen. Die beste Stelle ist die Erinnerung an den Lehrer wie er über den Fluss redet. Ein schöner Dialog und sehr anschaulich.

    Was ich noch nicht ganz plausibel finde ist ihr Verhalten. Sie flüchtet aus der Stadt und liegt zwei Tage lang hungernd und durstend unter einem Tuch. Würde sie das wirklich machen? Hunger und Durst dürfte sie schon zum Frühstück bekommen (das es ja nicht mehr gibt) und dann anfangen zu überlegen wie sie sich versorgen soll. Sofort. Nicht nach zwei Tagen. Sie muss ja einen Plan machen wie es weitergehen soll. Klar könnte es sein dass sie erst damit überfordert ist und sich zu nichts entscheiden kann. Vermutlich würde ich es eher so darstellen.

    Und doch kann ich mich ohne eine Antwort auf all jene Fragen nicht der Wüste übergeben. Kann mich nicht zu meiner Familie legen und ruhigen Gewissens zu Asche werden. Ich schulde ihnen und auch mir selbst eine Antwort. Schulde ihnen wenigstens den Versuch zu überleben.

    Sie hat wohl nicht wirklich überlegt ob sie einfach aufgeben und sterben soll? Ich glaube jeder würde versuchen zu überleben.

    Alle Bewohner Reqems schienen unheilvoll auf den Tag meiner Blüte zu blicken. Meinen Geburtstag. Der Tag, der jenem Feuer gefolgt war.

    Diesen Satz musste ich zweimal lesen um ihn zu verstehen.

    Der Tag nach dem Brand war also ihr Geburtstag. Der Tag der groß gefeiert hätte werden sollen. Das würde ich mehr betonen.

    Also: Am Tag nach dem Brand liegt sie unter der Decke neben den Ruinen der Stadt. Hungrig und durstig und den Tod quasi vor Augen. Und denkt daran dass dies ihr Geburtstag und der Tag ihrer Blüte hätte sein sollen und weitere Gedanken zu dem Thema. Ich glaube dann wird es viel deutlicher. Das könntest du also mehr betonen und es würde auch betroffen machen.

    Warum waren die Leute in der Stadt betrübt vor ihrem Geburtstag und haben ihr aber nicht gesagt was los ist? Gibt es da ein Geheimnis das sie noch herausfindet? (Falls ja ist es gut! Dann verrate es jetzt nicht).

    Meine Geschichten: * Meermädchen * Kriegerkönigin * Dark Prince

  • Ja ich habe mir jetzt mal eine Liste mit all den Punkten gemacht, die eigentlich schon im ersten Kapitel viel deutlicher gemacht werden sollten. Ich glaube, ich habe mich da viel zu sehr auf das große Überthema "unsere Magie schwindet und unser Volk lebt so uns so" als auf Aleyna konkret. Das wird mir mit deinen ganzen Fragen total klar. Deshlab werde ich das definitiv nochmal neu schreiben mit Fokus auf: Wie lebt sie konkret, wie ist das mit dem Tag-Nacht-Rhythmus, ihr Geburtstag und die Blüte und eben auch das Thema Essen konkret. Ich habe diese ganzen "kleinen" Sachen nämlich erst in die folgenden Kapitel eingebaut. Aber vermutlich stolpert man da einfach serh drüber und man kann die größeren Themen im laufe der Kapitel einbauen...

    Es ist nämlich so gedacht gewesen, dass sie Pflanzen primär als Quelle von Magie zu sich nehmen. Dass sie also gar kein "Essen" zum Leben brauchen, sondern Magie ihre Lebensquelle ist und sie ohne diese nicht überleben können. Und Magie können sie eben auf verschiedenen Wegen aufnehmen, am leichtesten über Nahrung. Deshalb hat sie auch nicht wirklich "Hunger" im klassischen Sinne. Und Durst setzt bei ihr auch etwas später ein als er das bei uns tun würde. Ich hoffe, das macht so Sinn und klingt nicht zu abwegig. Ich versuche das mal ins erste Kapitel einzubauen :)

    Und ja, das Buch dreht sich um einige Geheimnisse, die sie im Laufe der Zeit aufdeckt ;)

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  • Es ist nämlich so gedacht gewesen, dass sie Pflanzen primär als Quelle von Magie zu sich nehmen. Dass sie also gar kein "Essen" zum Leben brauchen, sondern Magie ihre Lebensquelle ist und sie ohne diese nicht überleben können. Und Magie können sie eben auf verschiedenen Wegen aufnehmen, am leichtesten über Nahrung. Deshalb hat sie auch nicht wirklich "Hunger" im klassischen Sinne. Und Durst setzt bei ihr auch etwas später ein als er das bei uns tun würde. Ich hoffe, das macht so Sinn und klingt nicht zu abwegig. Ich versuche das mal ins erste Kapitel einzubauen

    Aha. Du musst das noch nicht alles in das erste Kapitel einbauen. Mach das ruhig langsam. Es reicht ein kleiner Hinweis an dem man als Leser merkt "die essen nicht so wie wir". Dann wird man dir als Leser auch folgen und sich darauf einrichten dass man darüber noch mehr erfahren wird.

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  • Das macht Sinn. Ich schreibe gerade die dritte Version vom ersten Kapitel :D Fühlt sich aber irgendwie richtig an und ich merke richtig den Fortschritt, den meine Geschichte macht, auch wenn es nur das erste Kapitel ist. Also auch wenn ich mich zum zigsten Mal wiederhole: Vielen vielen Dank für das ganze Feedback!! Sollte ich euch das neue erste Kapitel dann auch nochmal vorsetzen, sobald es fertig ist oder lieber einfach nur posten wie es weiter geht? :)

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