Hier wie versprochen der nächste Abschnitt. Das ist jetzt nicht das ganze nächste Kapitel, weil mir gesagt wurde, dass das hier doch etwas zu lang ist Aber es sollte diese erste Szene auf jeden Fall erstmal abrunden. Und dann könnte ihr mir ja gerne sagen, wie ich besser in die ganze Geschichte starten könnte.
Die Asche von Reqem
Ich erwache keuchend, ringe nach Luft und huste Asche aus meinen Lungen. Ich schwitze und fühle wie Rauch und Sand auf meiner Haut kleben. Alles um mich herum ist stickig. Plötzlich sehe ich wieder die Flammen vor meinen Augen, spüre wie Rauch in meine Lungen dringt und meine Kehle zuschnürt. Panik ergreift mich.
Ich will aufspringen, losrennen, aber irgendetwas hält mich gefangen. Ich winde mich auf dem Boden, kämpfe gegen den immer fester werdenden Halt an. Dann bemerke ich den schweren Stoff auf meinem Gesicht. Ich will ihn runterreißen, denke, ich wurde verschleppt. Bis mir klar wird, dass mein ganzer Körper in ein dickes Tuch gehüllt ist.
Ich befreie mich aus den Bahnen, wickle meine Füße, Beine und Arme aus, bis ich endlich wieder sehen kann. Statt der ersehnten Luft, schlägt mir sengende Hitze ins Gesicht, raubt mir erneut den Atem. Gleißendes Sonnenlicht brennt sich in meine noch vom Ruß tränenden Augen. Ich hülle mein Gesicht sofort wieder in das Tuch ein.
Erst jetzt wird mir klar, dass ich nicht verschleppt und eingewickelt liegen gelassen wurde. Ich wurde nicht zum Sterben hierher gebracht. Jemand hat mich aus dem Feuer gerettet und vor der Sonne geschützt. Jemand gab mir sein Tuch, damit ich eine Chance in dieser ansonsten schutzlosen Wüste habe.
Plötzlich stürzen alle Erinnerungen der letzten Nacht auf mich ein. Die Flammen, der Rauch, die Schreie meiner Eltern und meine reglose Schwester neben mir. Mir bleibt erneut die Luft weg und Panik regt sich in mir wie ein wildes Tier.
Ich renne los, stolpere über den heißen Sand unter meinen Füßen. Dünen, nichts als ewige Dünen und Berge aus Sand breiten sich vor mir aus. Reqem ragt wie ein schwarzes Loch in der Landschaft hervor. Rauch steigt noch immer aus den niedergebrannten Ruinen empor. Nur noch die Mauern der Stadt und eine Handvoll der größeren Gebäude ragen aus dem Schutt hervor. Das Tor zu unserer Stadt ist eingebrochen und liegt als riesiger Haufen voll verkohltem Schutt zu meinen Füßen.
Ich klettere auf allen Vieren darüber, achte kaum auf meine Füße. Ich rutsche ein paar Mal ab, schneide mich an den scharfen Kanten der Steine. Ich spüre den Schmerz kaum. Alles, woran ich denken kann, ist meine Familie. Normalerweise würde ich unser Haus im Schlaf finden. Könnte mit verbundenen Augen durch die Straßen laufen. Doch was einst unsere Stadt war, ist nun ein riesiger Trümmerhaufen. Keine Straßen, keine Häuser oder Feuerstellen weisen mehr den Weg.
Ich bahne mich durch die Trümmer. Meide die letzten Flammen, die noch über die nackten Steine tanzen. Ich rufe Namen, die in der Hitze versengen. Ich stolpere weiter, suche nach irgendetwas, das unser Haus verrät. Ich denke, ich habe unsere Straße gefunden. Unweit von hier liegt eine freie Stelle, die ich als unseren Marktplatz erkenne. Asche und verbrannter Schutt rieseln auf den ehemals hellbraunen Boden herab und hüllen auch ihn in ein dunkles Grau.
Ich wühle in den Steinen, mache die Mauern der Ruinen ausfindig. Vor mir liegt ein schmaler Durchgang, wo einst eine Tür war. Ich schmiere den Ruß beiseite und erkenne gerade noch die kleinen Figuren, die meine Schwester und ich einst eingeritzt haben. Damit wir immer nach Hause finden würden. Nach Hause.
Ich falle vor dem kleinen Stück Mauer zu Boden. Tränen laufen meine Wangen hinab. Ich krieche in die Trümmer hinein. Suche nach etwas, nach jemandem. Doch die Flammen haben alles zu Asche und Staub verwandelt.
Ich breche zusammen. Liege in der Asche meiner Familie und wünschte, ich könnte Teil von ihnen werden. Könnte mich auflösen und gemeinsam mit ihnen vom Wind verweht werden. Mich zerstreuen über der ewigen Wüste Arikharrs.
Ich liege hier, lasse die Sonne meine Haut verbrennen. Meine Hände graben sich tief in die Asche. Halten fest, was längst verloren ist. Schmerz breitet sich in meinem ganzen Körper aus. Ein quälender Schmerz, der tief aus meinem Inneren kommt und nun jedes Teilchen meines Seins erfüllt. Ich kann mich nicht bewegen. Der Schmerz hat meinen Körper fest in seinen Klauen. Tag wird zur Nacht, Flammen erlöschen um mich herum und der Rauch wird schließlich von der kühlen Nachtluft davongetragen.
Um mich herum breitet sich Dunkelheit aus, legt sich über mich wie eine beruhigende Decke. Irgendwann beginne ich zu zittern. Kälte, Erschöpfung und Trauer haben mich übermannt. Ich ziehe das große Tuch von meinem Kopf und hülle mich darin ein. Wickle mich ein wie meine Mutter einst Leyna einwickelte, als sie noch ein Baby war.
Tränen rinnen erneut über mein Gesicht und ein schwerer Schlaf legt sich auf meine Brust. Schlafen und Wachen kommen in Wellen über mich und bilden einen neuen Rhythmus, der mich gefangen hält. Die feine Sichel des Mondes wandert über die eingefallenen Mauern hinweg, wirft Schatten in die Dunkelheit. Die Zeit scheint sich ins Unendliche zu dehnen und dennoch geht die Nacht in wenigen Wimpernschlägen vorüber.
Erst als die Sonne am Himmel aufgeht, rege ich mich wieder. Versuche meine steifen Gliedmaßen zu bewegen. Ich überlebe keinen weiteren Tag in diesem niedergebrannten Friedhof. Die Steine sind jetzt noch warm vom Feuer und wenn erst die Sonne auf sie scheint, werden sie mir die Haut verbrennen und meine Augen erblinden lassen.
Ich taste meine Kleider ab. Suche nach dem kleinen Tuch, dass ich seit meiner Geburt bei mir trage. Meine Fingerspitzen stoßen auf die feine Seide, in die mich einst die Partera wickelte, und ziehen es hervor. Ich nehme eine Hand voll Asche und binde sie in das Tuch ein ehe ich es wieder sicher unter meinen Kleidern verstaue. Dann taumele ich aus der Stadt.
Ich nehme meine Schritte und die Trümmer kaum wahr, über die ich klettern muss, um der Stadt für immer zu entfliehen. Ich krieche wie eine Blinde durch die Asche meines Volkes hinaus in die endlose Wüste. Erst als ich wieder zum Stehen komme, spüre ich den Sand, der in meinen aufgeschnittenen Beinen und Füßen brennt.
Ich schaffe es gerade noch eine Düne hinauf, ehe ich vor Erschöpfung auf die Knie sinke. Ich ziehe ein paar Steine zu mir heran, die um mich verstreut liegen, und befestige das Tuch unter ihnen. Dann krieche ich in mein kleines Versteck. Auch wenn ich der Hitze hier draußen nicht entkommen kann, so wird mich die Sonne unter dem Tuch wenigstens nicht verbrennen.
Ich lege mich auf den noch von der Nacht kühlen Sand. Meine Augen werden schwer und ich merke, wie Schlaf mich erneut übermannt. Ich sehe nur noch meine geschwärzten Finger vor meinem Gesicht. Das Licht bricht sachte durch die Fäden im Stoff und da bemerke ich ihn. Er glänzt, obwohl Ruß ihn größtenteils bedeckt. Ich erkenne gerade noch das schmale, silberne Band mit dem kleinen Stein, das an meinem Finger steckt, bevor meine Augen zufallen. Der Ring meiner Mutter.