Hallo, da ist sie wieder: Die Königin der Geschichten-Anfänge. Nicht besonders gut, aber oft. Wieder mal was ganz was andres. Mal sehen, wie lang ich diesmal durchhalte...
Seelensplitter
„Verdammter Kackmist!“ Schnaufend starrte Jonna auf das Stück Weg, das vor ihr lag. Es ging steil bergan. Das war jetzt nicht wirklich ungewöhnlich für Wege im Harz… aber irgendwie hatte sie verdrängt, dass der letzte Abschnitt zum Hotel einfach mal fies heftig nach oben abdriftete.
Der Weg aus der Stadt heraus zum Hotel war schon eine Herausforderung gewesen, zwar nur „sanft“ im Anstieg, aber extrem langgezogen. Und jetzt das! „Klasse, Jonna Kern! Du hast dich damit eindeutig für den Darwin Award qualifiziert!“ Die Idee, an dem freien Tag in die Stadt zu gehen, war schon lang nicht mehr reizvoll, jetzt aber war sie nur noch dämlich. Jonna war sich sicher, dass sie bereits noch vor der Hälfte des Berges ihre persönlichen Herzkasper begrüßen konnte. Außerdem meldete die Arthrose im linken Knie kichernd Anwesenheit…
„Verdammter Kackmist!“ wiederholte Jonna und ging los. Wenn alles gut ging, schaffte sie es zur Bank, die etwa auf der Hälfte der Steigung stand. Wenn es nicht gut ging, würde der nächste Wanderer auf dem Weg zum Hotel ihren fetten leblosen Körper auf’m Asphalt liegen sehen. Tolle Aussichten. Ver – damm – ter – Kack - Mist… im Rhythmus ihrer Selbstbeschimpfung machte sie einen Schritt nach dem anderen. Ver – damm – ter….
Und wie schon so oft in ihrem Leben nahm sie sich vor, wenn sie das hier überlebte, endlich abzunehmen… Als ihr der Puls bereits unter der Schädeldecke pochte und die Luft immer knapper wurde, sah sie die Bank. Fünf Meter Weg noch… aber gefühlt 20 Meter höher. „Ver – damm – ter – Kack – Mist!“
Das Bänkchen ächzte bedenklich, als sich Jonna drauffallen ließ. Aber es hielt und Jonna schloß erschöpft die Augen. So saß sie mehrere Minuten. Oder Stunden. Egal. Der Herzschlag fuhr wieder auf normal-hektisch herunter und auch das Atmen wurde wieder beschwerdefrei. Jonna öffnete die Augen und sah niedergeschlagen den Weg entlang, der noch vor ihr lag. Dann senkte sie den Blick auf ihre Füße. Sie taten schrecklich weh, quollen aber noch nicht über den oberen Schuhrand, wie sie es manchmal taten, wenn sie sich übernommen hatte… „Na, da geht do no was!“ murmelte Jonna bitter. Wie lange konnte sie hier sitzen bleiben, ohne dass es blöd aussah? Jonna sah sich um: Hier war niemand. Nur sie selber. Also sollte die Frage lauten: Wie lange konnte sie hier sitzen bleiben, ehe sie sich blöd fühlte? Der Punkt war eigentlich bereits erreicht. Also beschloß Jonna, kurz was zu trinken und dann den Weg fortzusetzen. War ja nicht mehr viel…. Und im Hotel konnte sie ins Bett fallen. Oh ja! Verlockender Gedanke. Entschlossen griff Jonna nach ihrer Trinkflasche im Rucksack-Außenfach, als es im Gebüsch auf der anderen Seite des Weges raschelte. Irgend ein Tier sicher… Hoffentlich nix großes! Es soll ja im Harz Luchse geben. Und Bären? Ne, gabs Bären? Ne! Oder?
Ringsrum war es still geworden. Sehr still. Beängstigend still… nicht mal ein Vogel piepserte durchs Geäst. Vorhin noch waren die Viechter so laut am flöten, dass es schon fast wie hämisches Gelächter klang. Und jetzt kein Pieps. Nur dieses Rascheln im Gebüsch. Mit explosiv anspringender Panik starrte Jonna auf das Grün.