Also dann, auf ins kalte Wasser! Sofern ich euer Interesse an meinem neuen Gedankensalat wecken kann, würde ich mich über Feedback sehr freuen. Es gibt viele Aspekte beim Schreiben, bei denen ich unsicher bin und da ist's natürlich immer hilfreich, wenn ich weiß, dass ich etwas richtig mache (und interessant gestalte) oder wenn ich erfahre, wo ich es noch anpassen sollte, damit es richtig wird und die Leserschaft fesselt. Na gut, mehr gibt's vorab eigentlich auch gar nicht so sagen. Damit übergebe ich das Wort dann direkt an den Ich-Erzähler.
Kapitel 1
In der Dunkelheit der Nacht war es schwer zu erkennen, doch ich glaubte einige Meter weiter vorne die Schemen einer Eisenstange auszumachen, an deren oberen Ende ein rechteckiges Schild angebracht war. Ich zögerte einen Moment, bevor ich meinen Schulterbeutel auf den feuchten Feldweg niederließ und darin zu wühlen begann. Das dezente Säuseln des Windes wurde kurz von einem Rascheln übertönt, bis ich meine Taschenlampe in meinen klobigen, verfilzten Fingern hielt. Ich richtete das Gerät auf den mutmaßlichen Wegweiser und als ich den Kippschalter umlegte, offenbarte mir ein gedimmter Lichtkegel, dass ich noch etwa fünf Kilometer von der nächsten Ortschaft entfernt war. Mühlenbach. Ich fragte mich, ob es sich erneut um einen Bauernhof handelte oder ob nach längerer Zeit wieder eine Siedlung auf mich wartete. Ich hoffte auf den Bauernhof, auch wenn das mit dem Risiko von freilaufenden Hunden einherging. Letztlich war das aber immer noch das kleinere Übel.
Ich schaltete die Taschenlampe wieder aus, warf sie zurück in meinem Beutel und setzte meinen Weg fort. Während ich langsamen Schrittes dem Gemisch aus Kies und Erde vor mir folgte, begleitete mich links ein weitläufiges Feld voller geschorener Schattenstängel und rechts ein tiefer schwarzer Streifen, der vor einigen Jahren womöglich mal einen Bach beherbergte. Bei dem Gedanken an fließendem Wasser fuhr meine raue Zunge beinahe selbstständig über meine runde Schnauze. Das flache Fell fühlte sich feucht, kalt und zerzaust an. Ich hatte schon lange kein Bad mehr genommen. Oder anders gesagt, es war schon eine ganze Weile her, seit ich am letzten Weiher vorbeigekommen war. Ich schüttelte mich, in der falschen Hoffnung, den Dreck und den strengen Geruch aus meinem Fell abwerfen zu können.
Etwa eine halbe Stunde verging ohne erwähnenswerte Vorkommnisse, bis mir ein dunkles Dreieck in der Ferne auffiel, das hinter einigen unförmigen, ineinandergreifenden Schatten emporragte. Je weiter ich mich der Stelle näherte, desto mehr bestätigte sich meine Annahme, dass es sich bei der Form um das Dach eines Hauses handelte. Ein einzelnes Haus, das frei auf einer windumspielten verwahrlosten Wiese stand.
Als mich nur noch wenige Meter von dem Haus trennten, erkannte ich weitere Details. Die Fensterscheiben waren herausgeschlagen, die Tür fehlte, und die unregelmäßigen Schemen am Schrägdach deuteten auf ein vereinzelte Durchbrüche hin. Auch das äußere Backsteinmauerwerk hatte seine besten Tage bereits hinter sich. Ich lächelte wehmütig und trat neugierig über die leicht eingekerbte Türschwelle, in der sich eine kleine Pfütze aus Regenwasser gebildet hatte. Während ich mich vorsichtig ins Innere des Hauses bewegte, zog ich mit meinen großen, pfotenähnlichen Füßen und mit meinem kraftlos herunterhängenden Zottelschweif eine leichte Spur von Feuchtigkeit über den Betonboden. In meinen Gedanken kleidete ich den vom Verfall infizierten Raum mit einem gemütlichen Wohnzimmer aus. Links eine weiß bezogene Couch, die von fröhlichen Plüschtieren bevölkert war, vorne ein großer Flachbildfernseher, in dem sich Oliver Welke über grimmige Diktatoren lustig machte, rechts der Durchgang zur Küche, die mit dem Duft von frischen Kekse lockte.
Kalte Wassertropfen, die von der Decke in meinen Nacken rieselten, rissen mich aus meiner Tagträumerei heraus und entlockten mir ein gequältes Jaulen. Die Couch und der Fernseher waren wieder verschwunden, der Durchgang war hingegen noch da, und führte mich auf einen vollkommen verdunkelten Flur. Ich bemühte meine Taschenlampe ein weiteres Mal und während ich den Lichtkegel über die Wände wandern ließ, registrierte ich weitere türlose Durchgänge zu beiden Seiten, umgeben von vereinzelten Tapetenresten. Meine Aufmerksamkeit fiel allerdings auf eine kleine Kammer am Ende des Flurs, in der sich drei große, gut gefüllte IKEA-Tüten stapelten. Aus der obersten Tüte ragten verrosteter Schrott, verdreckte Kleidungsstücke und ein paar Flaschenhälse.
Plötzlich ertönte das Klirren von Glas aus dem rechten Durchgang. Ein schwaches Licht flackerte auf und Schritte näherten sich lautstark. Ich geriet in Schockstarre und ließ meine Taschenlampe fallen, die mit dem Aufprall auf dem harten Betonboden ihren Dienst quittierte. Doch an Licht mangelte es in dem schmalen Flur nicht mehr. Vor mir stand ein alter Mann in einem abgewetzten grauen Parka. In der linken Hand eine Petroleumlampe, mit der rechten Hand richtete er die Unterseite einer zerschlagenen Bierflasche auf mich. Er zitterte. Und er stank entsetzlich nach Alkohol. "Was zm Teufl..." Mit weit aufgerissenen Augen starrte er mich aus seinem zerfurchten Gesicht an.