Chronik von Draemor - Asha (Arbeitstitel)

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 683 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (5. November 2025 um 11:36) ist von Jennagon.

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag alle miteinander,

    seit Jahren habe ich wieder die Muse zum Schreiben gefunden. Also, an was ganz Eigenem. Ich habe auch ordentlich vorgeschrieben, um sicherzugehen, dass die Muse nicht nach drei Parts wieder weg ist. :rofl:

    Welche Kommentare wünsche ich mir? Mir grundsätzlich egal, solange der Fokus auf der Handlung, den Charakteren und die Nachvollziehbarkeit (innere Logik) basieren. Ich bin offen für Ideen ^^ . Rechtschreibung und Grammatik darf auch sein. xD Aber ich hänge mich selbst selten an Formulierungen auf, die man zig mal bearbeitet.

    Ich möchte wieder aktiver werden. Daher kommentiere ich wieder einiges - aber versuche auch, wieder bisschen was neben der Buchreihe zu schreiben.

    Daher wünsche ich erstmal Spaß für einen vermutlich recht klassischen Prolog, aber der ist nicht endgültig, einfach, da ich noch nicht 100% weiß, was ich neben meiner Grundidee und ect. noch alles ändern werde.
    Liebe Grüße
    Jennagon


    Prolog


    „Sie sind mit den Vorbereitungen beinahe fertig, Cerath“, flüsterte Aeryn. Sie hatte lange Zeit beobachtet, wie die Menschen mitten im Wald einen runden Ritualplatz errichtet hatten. Ganz außen hatten sie riesige Megalithen aus dem Gebirge vor dem südlichen Eismeer aufgestellt. Darauf folgte ein Kreis aus unzähligen Federn, der ihr gewidmet war. Nur die exotischsten Federn hatten darin Platz gefunden, um sich bei der Göttin der Winde Gehör zu verschaffen. Nach ihrem Kreis kam der für Cerath, bestehend aus Holz der ewigen Bäume. Aeryn musste schmunzeln. Allzu ewig waren diese Bäume dann wohl doch nicht.
    Der Flammenfürst erhob sich langsam aus seinem brennenden Thron in der riesigen Halle und trat neben sie. Er sah in eine der unzähligen Schalen, die überall verteilt standen. Er beobachtete, wie Wasser in einen ausgehobenen Graben geschüttet wurde. Jener bildete den innersten Ring. „Die Menschen und ihre Hybris ...“, zischte er. „Sie werden immer maßloser und sind nicht bereit, die Konsequenzen ihres eigenen Handelns zu tragen.“
    „Wie immer bist du zu streng mit ihnen“, erklang die Stimme von Nyrra und manifestierte ihre Gestalt durch Wasser aus der Umgebung. „Sie sind verängstigt und verzweifelt.“ Sie sah wohlwollender auf das Volk hinunter, da sie wusste, was es auf sich genommen hatte, um an dieses ganz bestimmte Quellwasser zu kommen.
    „Und warum?“, keifte Cerath, wodurch die Flammen der Fackeln im Raum stärker aufleuchteten. „Sie verschwenden mehr Zeit damit, sich gegenseitig zu schaden, anstatt zu helfen. Jeder von ihnen giert nur nach dem, was er nicht hat, anstatt dankbar dafür zu sein, was ihm gegeben wurde.“
    „So ist es bereits seit Jahrhunderten. Und jetzt fängt es dich an zu stören?“ Diese Worte stammten von Brannoc, dem Gott der Erde. Seine Stimme war tief und donnernd, wie das Grollen eines abrutschenden Berghangs. Er formte sich aus dem Sand zwischen den Fugen und schaute ebenfalls in die Schale.
    „Es stört mich ... immer“, antwortete Cerath und wandte sich von der Schale ab.
    „Das Reich Draemor ist besonders verzweifelt“, flüsterte Aeryn.
    „Und der König betet nicht nur aus eigennützigen Gründen zu uns, sondern auch im Namen seines Volkes“, fügte die sanfte Stimme Elyndras hinzu. Neben den Göttern der Elemente verkörperte sie Aura, die Essenz. Vier Götter, die die Welt erschufen, eine, die sie belebte.
    „Kommt das nicht auf das Gleiche heraus?“, wollte Aeryn wissen. Obwohl sie meist leise sprach, waren ihre Worte nicht weniger schneidend. „Letztendlich ist es auch wieder für ihn. Sein Volk hungert, ist krank, auf den Feldern wächst nichts ... Die Zufriedenheit seines Volkes ist an ihn gebunden.“
    „Und das heißt?“, verlangte Nyrra zu wissen. „Ab wann ist ein Gebet für jemanden eigennützig? Weil der Mensch sich nicht mit dem Schlechten anderer Menschen abgeben möchte? Er es loswerden will? Dann wäre jedes Flehen um Linderung aus egoistischen Gründen geformt.“
    „Vielleicht ist es das“, mischte sich Cerath ein. „Ich weiß es nicht mehr. Vielleicht sollten wir sie alle vernichten. Oder den Großteil. Die, die es schaffen zu überleben, sind dann vielleicht wieder ... zufriedener.“
    „Wenn du lange genug wartest, vernichten sie sich wahrscheinlich selbst“, mutmaßte Brannoc und grinste schief.
    „Willst du dich von ihnen abwenden, Cerath?“, wollte Elyndra wissen. „Ohne sie zu prüfen? Ohne ihnen eine Chance zu geben?“
    „Vor Jahrhunderten gaben wir ihnen eine Chance, halfen ihnen ohne Gegenleistung. Deswegen besitzen sie Magie. Wie soll diese Chance jetzt aussehen, Elyndra? Sie machen aus einer Gabe immer mehr einen Fluch! Weil sie gierig sind!“ Cerath wandte sich der Göttin mit fragendem Blick zu.
    „Ein Test!“, schlug Brannoc vor, um zu schlichten. „Einen, den sie nicht zu deuten vermögen. Der ihnen nicht ohne Gegenleistung hilft.“ Er schaute in die Schale. „Sie beten uns alle fünf gleichzeitig an. Etwas, das noch nie vorgekommen ist. Ja, es ist maßlos, aber mutig.“
    „Dann sollte die Antwort auch von uns allen stammen“, flüsterte Aeryn. „Als letzte Chance für sie. Das könnte amüsant werden.“
    Elyndra nickte einverstanden, genauso wie Nyrra, und betrachtete das Ritual, das alsbald vollzogen wurde. Aber wie sollte der Test aussehen, ohne dass Cerath gewinnen würde? Jeder der Götter hatte andere Interessen, andere Ansichten, die sie gleichermaßen wichtig machte. Deshalb betrachtete sie das Ritual noch einmal genau. Sie sah das Tier, das in der Mitte des Platzes angebunden wurde. Eine Opfergabe an sie. An die Schwebende. Etwas Lebendiges, aber auch Entbehrliches in den Augen der Menschen. Kaum mit den Opfergaben der anderen vergleichbar, aber für sich selbst sprechend. Sie konnte die Angst des Pferdes spüren. Dass es nicht wusste, warum es da war. An jenem Ort, zu jener Zeit. „Nicht wir werden Richter, Vernichtung oder Erlösung sein ...“, murmelte sie schließlich, während eine Idee in ihr keimte, und mit sanften Bewegungen eine Lichtkugel über der Schale formte. „Das Schicksal soll entscheiden! Wir sind uns uneins und finden kein Urteil. Aber ... ich schenke diesem Wesen die Fähigkeit, die Welt zu verstehen und zu verbinden. In Mehrsamkeit, aber auch in Einsamkeit.“
    Brannoc verstand ohne ein Wort der Erklärung und schlug seine Fäuste gegeneinander, wodurch ein Diamant in der Mitte der Lichtkugel erschien. „Ich gebe diesem Wesen meine Loyalität, aber auch die Fähigkeit, weise abzuwägen.“
    Cerath hob seine rechte Augenbraue und grinste schelmisch. „Ihr wollt etwas erschaffen? Nun gut, dann gebe ich dem Wesen Willenstärke, Impuls und Leidenschaft!“ Die leuchtende Kugel wurde von Flammen eingehüllt. Es sah aus, als würde die Kraft des Feuerfürsten die Gaben der anderen verschlingen. Deswegen drängte sich Nyrra dazwischen und hielt ihre Hand über die Kugel. „Zum Ausgleich gebe ich diesem Wesen Empathie und Melancholie. Es soll nicht nur sich sehen, sondern auch andere.“ Deutlich presste sich Wasser zwischen das Feuer und ließ es aussehen, als würden beide gegeneinander ringen.
    Zuletzt war Aeryn an der Reihe. Sie erhob ihre Hände und der Wind brachte alles deutlich in Bewegung. „Diesem Wesen gebe ich meine Wissbegierde! Es soll stets auf der Suche nach der Wahrheit sein, was ebenso Ratlosigkeit nach sich ziehen kann.“
    Nachdem alle fünf Götter ihre Fragmente in einem vereint hatten, sandten sie es zur Erde. In einem Tanz der Elemente entlud sich ihre Magie im Reich der Menschen. Der brennende Kreis loderte haushoch auf, das Wasser formte einen reißenden Fluss. Der Wind ließ alle Elemente sich verbinden. Es zischte, dampfte ... die Erde bebte und flog umher. Die Stute in der Mitte wurde vollständig eingehüllt. Die Götter hörten sein verängstigtes Wiehern und beobachteten dieses Schauspiel, das selbst den König sowie sein Geleit verängstigte. Das konnten sie sehen und spüren. Doch bevor sich die Menschen gewahr wurden, was geschah, zerplatzte das Pferd wie Glas, das auf einen steinernen Boden traf. Blut spritzte über den Platz, und getreue Männer stellten sich schützend vor den König von Draemor.
    Plötzlich herrschte Stille in der Schale. Rauch und Dampf waren noch nicht vollständig verzogen, als die Götter sehen konnten, wie ein anderes ... neues Wesen aus den Eingeweiden kroch. Schwach, noch unfähig, seine Beine zu gebrauchen, blutbeschmiert. Es klammerte sich an die wenigen dürren Grasbüschel vor sich und zog sich aus der Mitte, bis es geschwächt liegen blieb und schrie. Es schrie so laut, dass sein Echo über die Lichtung nachhallte. Fast wie der Schrei eines neugeborenen Kindes, das zum ersten Mal die Kälte der Welt auf seiner Haut spürte. Kurz darauf verlor es das Bewusstsein und verharrte mit einer Hand im Wassergraben.
    „Ab jetzt liegt es nicht mehr in unserer Hand“, flüsterte Aeryn, „sondern in ihrer.“
    Die Götter wandten sich ab und vergingen in ihren Elementen – zumindest für den Moment ...


    nächster Part

    • Offizieller Beitrag

    So, ich mach mal weiter. ^^


    Kapitel 1

    Aldric


    Müde saß der König am Abend in seinem Arbeitszimmer. Umgeben von Tinte und dem Geruch von altem Papier. Nur das Knistern des Feuers im Kamin durchbrach die Stille. Er fühlte sich zermürbt. Sicherlich hatte er neue weiße Strähnen in seinem blonden Haar angesammelt. Viele Fragen brannten in seinem Inneren. Hatte der Zirkel ihn nicht eindringlich genug gewarnt? Zumindest einige seiner obersten Magier? Was hatte er sich und seinem Land aufgebürdet? Er vermochte es nicht zu sagen. Er hatte um Regen, fruchtbare Erde und Heilung für die Kranken gefleht, aber bekommen hatte er sie. Sie!
    Magistra Lysandra hatte sie auf den Namen Asha getauft. Auf den Namen der Stute, die er inmitten des Ritualkreises hatte festbinden lassen. Sie war der Meinung, dass das zumindest ein Funken Respekt gegenüber des Tieres wäre. So sollte es sein, denn Asha schien keinen Namen zu haben. Und er war nach dem Ritual nicht willens gewesen, ihr einen zu geben. Das hätte er nicht einmal jetzt gekonnt, obwohl zwei Wochen seit jener Nacht vergangen waren. Zudem leerte sich die Schatzkammer zunehmend. Er hatte viel für die Opfergaben des Rituals ausgegeben, und Gryndal erhöhte immer weiter die Preise für Weizen, Gemüse und Saatgut.
    Müde rieb er sich über sein Gesicht und atmete schwer aus. Für all das Gold hatten sie nicht bekommen, worum sie gefleht hatten. Sie war nicht Heilung, nicht Regen. Niemand wusste, wer oder was sie war. Er schaffte es kaum, ihrem Blick standzuhalten. Sie starrte ihn immerzu unverwandt an. Ohne jegliche Ehrfurcht vor seinem Amt oder vor ihm als König. Es schien ihm, als durchbohrten ihn ihre tiefschwarzen Augen auf der Suche nach dem Grund ihrer Existenz. Augen, die nur das Gegenüber widerspiegelten, aber keinen Funken ihrerseits preisgaben. Und er fühlte Schuld dabei. Als hätte er ein uneheliches Kind in die Welt gesetzt. Doch half das alles nichts. Seit zwei Wochen entzog er sich bereits seinem Rat, aber die morgige Versammlung konnte er nicht erneut verlegen. Er musste sich dem Rat des Zirkels stellen, um zu überlegen, was sie mit Asha anstellen sollten. Was sie war – und wofür sie bei ihnen sein könnte.
    Aldric griff nach der Glocke auf seinem Schreibtisch und schüttelte sie.
    Kurz darauf erschien ein Diener in der Tür. „Sehr wohl, Hoheit?“, fragte der Diener während einer Verbeugung.
    „Schickt den Hauptmann zu mir!“
    „Sehr wohl!“ Der Diener verschwand wieder und schloss die Tür.
    Aldric nahm das Glas Wein vor sich und trank einen großen Schluck daraus, während er auf seinen getreuen Vasallen wartete. Thoren von Caevarn sollte ihm täglich mit Berichten versorgen, bevor der König seinen Sohn besuchte. So erfuhr er wenigstens, wie sich Asha einlebte – ob sie sich einlebte.
    Es dauerte nicht lange und es klopfte. „Tretet ruhig ein, Hauptmann“, sagte Aldric und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er wollte entspannt wirken und nicht, als lastete zu viel Verantwortung auf ihm.
    Die Tür öffnete sich und Thoren von Caevarn trat ein.
    Aldric musterte ihn genau. Wie immer sah der junge Hauptmann tadellos aus. Seine Rüstung war poliert und der blau-schwarze Umhang faltenfrei. Das verriet dem König, dass Thoren heute nicht viel gesessen hatte, weshalb er ihm umgehend den Sessel vor sich anbot und ihm Wein einschenkte. „Wie ... macht sie sich?“
    Thoren setzte sich, nahm dankend den Wein an und atmete tief aus. „Laut den Zofen lernt sie viel und schnell. Wie auch die Tage zuvor. Mussten wir ihr vorher noch erklären, wie man Nahrung zu sich nimmt, äußert sie mittlerweile konkrete Wünsche zu ihren Speisen. Frau Magda Thorne und Fräulein Liora geben sich viel Mühe mit ... der Frau.“
    Die Art, wie Thoren Asha beschrieb, brachte den König zum Lachen. „Die Frau? Ich liebe es, wenn Ihr pragmatisch seid. Aber glaubt Ihr nicht, dass sie mehr als das ist? Ein Kind der Götter oder eine Göttin selbst?“
    „Das ändert nichts an der Tatsache, dass sie eine Frau ist“, antwortete Thoren und führte den Wein zu seinem Mund.
    Aldric lächelte und trommelte in Gedanken mit seinen Fingerspitzen auf dem Schreibtisch. „Das ist wohl wahr, und keinem so bewusst wie Euch, da Ihr sie ins Schloss gebracht habt.“ Aldric sah auf und grinste.
    Thoren hielt in seiner Bewegung inne. „Auf Euren Befehl, Hoheit!“ Erst danach trank er, ohne eine Miene zu verziehen.
    Kalt wie der Stahl, den er um seine Hüfte trägt, dachte Aldric. War auch das seine Schuld? Hatte er ihn zu früh zum Hauptmann gemacht, sodass Thoren neben seinem Erbe, seiner Pflicht, vergessen hatte, wie man lächelte? Aldric wollte Thoren für seine Verdienste im Kampf ehren, so wie es sein Großvater schon bei Thorens Großvater getan hatte. Jener hatte die Familie Caevarn zu Vasallen gemacht und ihnen ein Lehn südlich der Hauptstadt gegeben. Aber wenn er den jungen Mann vor sich betrachtete, kam es ihm vor, als wäre das weniger Dank als Fluch. Als würden die Männer der Caevarns sich selbst aufbürden, dass jeder Nachkomme besser sein müsste als der Vorangegangene. Vor allem, da Thorens Vater viel zu früh aus dem Leben gerissen wurde. „Wie geht es der werten Mutter?“, lenkte Aldric das Thema auf etwas anderes.
    „Es geht ihr gut. Dem Lehn geht es natürlich den Umständen entsprechend, aber das wisst Ihr sicherlich.“
    Aldric nickte. Das wusste er, ja. Es wäre auch ein seltsamer Umstand gewesen, wenn das Lehn von der Dürre verschont geblieben wäre. Die Augen seines Hauptmannes musterten ihn. Sicherlich fragte er sich, ob es mehr zu klären gab, aber Aldric genoss nur gerade seine Anwesenheit, obwohl er dem Blick aus grauen Augen ausweichen wollte. Diese standen im starken Kontrast zum dunkelbraunen Haar des Hauptmannes, das ordentlich im Nacken zusammengebunden war. Es verlieh ihm noch mehr Härte, Strenge ... Sein Bart, nicht mehr als ein gepflegter Schatten, der den Blick auf den scharf geschnittenen Kiefer offenbarte, den er bei jedem Widerwillen zu bewegen wusste. Seine Stimme war tief und rau. Thoren musste nicht schreien, um sich Gehör zu verschaffen. Immer mehr drängte sich Aldric der Gedanke auf, sollte sein eigener Sohn sich nicht von seinem Leiden erholen, ihn zum Erben des Landes zu machen. Was war er nur für ein König? Obwohl sie keine zwanzig Jahre trennten, wirkte er neben ihm wie ein gebrechlicher Mann. Und das, obwohl sie gemeinsam auf Schlachtfeldern gestanden hatten, kaum dass Thoren dem Kindesalter entwachsen war. In Aldrics Augen waren sie mehr als König und Untergebener. Für ihn war er beinahe ein Sohn. Nur ein Mal hatte er dies zur Sprache gebracht. Kurz nachdem bei seinem Sohn die Schwäche festgestellt wurde. Ein Leiden, dass den Kronprinzen an sein Bett fesselte und mit Fieber plagte. Aber auch dieses Zugeständnis schien Thoren nicht zu ehren. Er berief sich darauf, dass er nicht Aldrics Sohn sei. Und dass seine Ansicht bedeuten würde, seinen Vasallen als Kind wahrzunehmen, worauf er verzichten wollte.
    Ich scheine alles falsch zu machen!
    „Wollt Ihr noch etwas wissen?“, durchbrach Thoren das Schweigen.
    Aldric räusperte sich. „Nein. Wenn nichts vorgefallen ist, dann ist nichts vorgefallen. Und Eurer Mutter geht es gut ... das ist ... gut. Ich möchte Euch nur mitteilen, dass ich dem Rat morgen beiwohnen werde. Und ich will, dass Ihr mich begleitet.“
    Kurz zuckte die rechte Augenbraue Thorens. „Sehr wohl! Wenn das Euer Wunsch ist.“
    Aldric wusste die kurze Reaktion zu deuten. Thoren war nie begeistert davon, seinen Vetter Valon zu sehen. Den Magister für das Element Erde. Obwohl sich beide sehr ähnlich waren, kamen sie nicht gut miteinander zurecht. Das lag vermutlich daran, dass beide diszipliniert waren, aber jeder in einem anderen Bereich das Sagen hatte. Der eine durch reine Muskelkraft, der andere durch Magie.
    „Wenn das dann alles wäre, würde ich mich gerne in mein Quartier zurückziehen“, sagte Thoren, und Aldric erlaubte es ihm.
    Sein Hauptmann erhob und verneigte sich. „Dann bis morgen.“, fügte er bei und verschwand durch die Tür.
    Aldric rutschte in seinem Sessel tiefer. Er sollte auch zu Bett gehen. Er musste sich mental auf den Besuch des Rates vorbereiten. Der Rat sollte nicht merken, dass der König verzweifelt war. Vermutlich waren sich die fünf Arme des Zirkels bereits uneiniger als jemals zuvor. Und als letzte Instanz sollte er auch dies ausstrahlen.


    nächster Part

  • Habe gerade deinen Prolog entdeckt, zu dem ich dir gerne ein paar Worte schreiben möchte.

    Was mir gefallen hat: Weltenbau und Atmosphäre, die Ritualszene ist gut geschrieben, mit den konzentrischen Kreisen. Als alter Tierfreund hatte ich natürlich auch Mitleid mit der armen Stute.

    Dann die Götter, die ein wenig klischeehaft sind, aber was bleibt einem anderes übrig bei dieser Thematik. Ist halt einfach so, Mittel zum Zweck. Dennoch gelingt es dir durch die Dialoge ein vielseitiges Pantheon zu kreieren, mit klaren Rollen und unterschiedlichen Perspektiven auf die Menschheit.

    Dein Text hat eine gewisse philosophische Tiefe. Die Diskussion über Eigennützigkeit, Gier und göttliche Verantwortung verleiht dem Ganzen eine konzeptionelle Substanz. Die Frage „Ab wann ist ein Gebet eigennützig?" ist ebenfalls interessant.

    Der Höhepunkt ist wohl die gemeinsame Schöpfung in Kombination mit der brutalen Verwandlung des Pferdes. Die Beschreibung des neuen Wesens ist eindringlich aber nicht zu detailliert. Genau richtig um die Neugier in einem Leser zu wecken.

    Verbesserungspotenzial: Eine der Gaben hat mich dann doch nicht so überzeugt. „Die Fähigkeit, die Welt zu verstehen und zu verbinden" ist für mich zu philosophisch. Was bedeutet das praktisch? Oder auch der Satz „Jeder von ihnen giert nur nach dem, was er nicht hat" wirkt etwas klischeehaft.

    Cerath scheint verbittert zu sein, das "wieso" ist aber nicht greifbar. Vielleicht ist das absichtlich so, keine Ahnung, ist nur mein persönlicher Eindruck. Du siehst schon, viel Kritik habe ich nicht. Denn grundsätzlich finde ich den Prolog sehr gut und würde das gerne weiterlesen, ich geb mal 8/10 Punkten dafür. :)

    • Offizieller Beitrag

    Cerath scheint verbittert zu sein, das "wieso" ist aber nicht greifbar. Vielleicht ist das absichtlich so, keine Ahnung, ist nur mein persönlicher Eindruck. Du siehst schon, viel Kritik habe ich nicht. Denn grundsätzlich finde ich den Prolog sehr gut und würde das gerne weiterlesen, ich geb mal 8/10 Punkten dafür. :)

    Wuff, 8/10 - das hätte ich dem Prolog nicht mal zugeteilt. :rofl: Ja, er ist noch sehr klischeehaft, aber da ich weiß, dass sich das verändern kann ... Man muss die Geschichte leider erst geschrieben haben, um den Prolog dann anzupassen. Der Prolog ist bisher nur eine vage Vorstellung dessen, was folgt. :D Der wird vermutlich Aufgrund aller Anmerkungen im Text dann angepasst.

    Was mir gefallen hat: Weltenbau und Atmosphäre, die Ritualszene ist gut geschrieben, mit den konzentrischen Kreisen. Als alter Tierfreund hatte ich natürlich auch Mitleid mit der armen Stute.

    Ich auch, aber da muss man durch xD

    Dann die Götter, die ein wenig klischeehaft sind, aber was bleibt einem anderes übrig bei dieser Thematik. Ist halt einfach so, Mittel zum Zweck. Dennoch gelingt es dir durch die Dialoge ein vielseitiges Pantheon zu kreieren, mit klaren Rollen und unterschiedlichen Perspektiven auf die Menschheit.

    Man kann das Rad nicht neu erfinden, aber, man kann es abwandeln. :D

    Der Höhepunkt ist wohl die gemeinsame Schöpfung in Kombination mit der brutalen Verwandlung des Pferdes. Die Beschreibung des neuen Wesens ist eindringlich aber nicht zu detailliert. Genau richtig um die Neugier in einem Leser zu wecken.

    Danke, dann kam es richtig rüber :D

    „Die Fähigkeit, die Welt zu verstehen und zu verbinden"

    Das kommt tatsächlich später. Einfach, das gewisse Verständnis. Babys - Kinder lernen durch uns, die Welt zu verstehen. Sie muss da weitergehen. ^^

    Cerath scheint verbittert zu sein, das "wieso" ist aber nicht greifbar.

    Das ist Subtext. Er weiß nicht mehr, wann ein Mensch uneigennützig handelt.

  • Wuff, 8/10 - das hätte ich dem Prolog nicht mal zugeteilt. :rofl: Ja, er ist noch sehr klischeehaft, aber da ich weiß, dass sich das verändern kann ... Man muss die Geschichte leider erst geschrieben haben, um den Prolog dann anzupassen. Der Prolog ist bisher nur eine vage Vorstellung dessen, was folgt. :D Der wird vermutlich Aufgrund aller Anmerkungen im Text dann angepasst.

    Ich bin vielleicht ein wenig grosszügig, da ich schon den übelsten Schund gelesen habe. ;)

    Aber es ist ernst gemeint, du schreibst MMn wirklich gut.


    Ich auch, aber da muss man durch xD

    Das macht es dafür umso besser. Emotionen, die guten wie die schlechten, sind Teil des Leseerlebnisses.

    Man kann das Rad nicht neu erfinden, aber, man kann es abwandeln. :D

    Genau! Hauptsache es rollt, dass ist aber schwer zu beurteilen, wenn man nur einen Prolog hat.

    Danke, dann kam es richtig rüber :D

    Ich denke der Teil passt jetzt schon, da musst du nichts gross überarbeiten.

    Das kommt tatsächlich später. Einfach, das gewisse Verständnis. Babys - Kinder lernen durch uns, die Welt zu verstehen. Sie muss da weitergehen. ^^

    Ach so war das gemeint. Die fürsorgliche Ader der Überwesen, die uns als ihre Kinder sehen.

    Das ist Subtext. Er weiß nicht mehr, wann ein Mensch uneigennützig handelt.

    Der Subtext ging direkt über meinen Kopf drüber. :blush: Da kannst du dich aber schon mal dran gewöhnen, passiert mir öfters.


    Übrigens, cool dass du schon weiterschreibst. Werde es mir nachher mal gönnen, aber zuerst will ich nen Post bei den Vorstellungen machen. Bisher bin ich einfach nur hier und gebe meinen Senf zu den Werken anderer, dabei kennt mich hier noch niemand.


    So, Kapitel 1 gelesen und verarbeitet, wie versprochen hier meine Gedanken dazu:

    Die Figurenzeichnung von Aldric ist wirklich stark. Du portraitierst einen König in der Krise, der mit Selbstzweifeln kämpft und die Konsequenzen seines Handelns spürt.

    Die Beziehung zwischen Aldric und Thoren ist das Herzstück des Kapitels. Diese komplexe Dynamik zwischen König und Vasall, die väterlichen Gefühle Aldrics, Thorens kühle Professionalität, das wirkt äusserst vielschichtig und hat mich überzeugt. Besonders gelungen finde ich die Passage, wo Aldric über Thoren nachdenkt und sich fragt, ob er ihm mit der frühen Beförderung einen Fluch statt eines Segens aufgebürdet hat, das wirkt authentisch.

    Die Atmosphäre ist ebenfalls gut: das Arbeitszimmer, der Geruch von altem Papier, Aldrics Erschöpfung. Man spürt geradezu die Schwere der Situation.

    Asha als mysteriöse Präsenz funktioniert auch gut, insgesamt ein starkes Bild.

    Verbesserungspotenzial: Manchmal wirkt die Sprache etwas uneinheitlich. "Sie starrte ihn immerzu unverwandt an" – das "immerzu" zusammen mit "unverwandt" fühlt sich leicht redundant an. Auch "beinahe ein Sohn" und dann gleich darauf die Erklärung, dass er das mal angesprochen hat. Vielleicht könnte man da straffen.

    Der kranke Sohn wird nur am Rande erwähnt. Für so einen wichtigen Plot-Punkt (Aldric denkt sogar daran, Thoren zum Erben zu machen!) hätte ich mir etwas mehr emotionale Gewichtung gewünscht. Das wirkt fast zu beiläufig für so eine drastische Überlegung. Immerhin denkt er daran seinen eigenen Sohn zugunsten eines Fremden zu benachteiligen.

    Die Exposition über die Caevarn-Familie und ihre Geschichte ist informativ, unterbricht aber etwas den Fluss. Vielleicht könnte man das organischer einbauen? Ich sehe schon, dass es den Hinweis braucht, aber ich denke du hättest es besser lösen können.

    Insgesamt aber ein solides Kapitel, das die Geschichte gut weiterspinnt. Die politischen und persönlichen Spannungen sind spürbar, und ich bin neugierig, wie sich die Ratssitzung entwickelt und was sie mit Asha anfangen werden. Die Charakterarbeit scheint wirklich stark zu sein, und die Welt fühlt sich geerdet an. Ich würde sagen 7,5/10 Punkten, mit Potenzial nach oben, wenn die Geschichte an Fahrt aufnimmt.

    Auch wenn das jetzt ein wenig stark kritisierend wirkt, ich möchte dir eigentlich nur zeigen, wie du es noch besser machen könntest, also bitte die Kritik nicht persönlich nehmen.

    Ausserdem möchte ich dir mitteilen, dass Aldric einer der Namen ist, die eine KI gerne als mögliche Namen ausspuckt. Ich weiss nicht inwiefern du KI beim Brainstorming-Prozess benutzt hast, aber ich, als versierter KI User (nur Brainstorming, niemals Prosa), kann dir sagen, dass Aldric einer der am meisten vorgeschlagenen Namen (Referenz KI Modell Claude von Anthropic) ist. Den würde ich auf jeden Fall ändern. ;)

    Einmal editiert, zuletzt von Jennagon (21. Oktober 2025 um 08:00) aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Sikadian mit diesem Beitrag zusammengefügt.

    • Offizieller Beitrag

    Die Figurenzeichnung von Aldric ist wirklich stark. Du portraitierst einen König in der Krise, der mit Selbstzweifeln kämpft und die Konsequenzen seines Handelns spürt.

    Vielen Dank ^^

    Ausserdem möchte ich dir mitteilen, dass Aldric einer der Namen ist, die eine KI gerne als mögliche Namen ausspuckt. Ich weiss nicht inwiefern du KI beim Brainstorming-Prozess benutzt hast, aber ich, als versierter KI User (nur Brainstorming, niemals Prosa), kann dir sagen, dass Aldric einer der am meisten vorgeschlagenen Namen (Referenz KI Modell Claude von Anthropic) ist. Den würde ich auf jeden Fall ändern. ;)

    Tatsächlich benutze ich KI manchmal, wenn mir keine Namen einfallen wollen :rofl: Dann mache ich es mir ein wenig einfach - das oder Google. Da hat man dann oft auch direkt die Bedeutung. Aber danke, dass du mich drauf hingewiesen hast, dass die KI gerne die gleichen Namen ausspuckt. :thumbsup: Ich hab gezielt nach keltisch/walisische Namen gesucht für Draermor. Dass Aldric häufiger vorkommen könnte, macht mir aber nichts aus ;) Ich fand den Namen irgendwie passend für einen Mann mittleren Alters. Aller: Weißt du noch, als vor ein paar Jahren jeder zweite Junge Steffi heißen musste, und alle Mädchen Boris? (Disney Herkules) In den Jugendromanen heißt auch jeder Kerl gefühlt Aiden, Caleb oder Lucien. :pardon:

    Der kranke Sohn wird nur am Rande erwähnt. Für so einen wichtigen Plot-Punkt (Aldric denkt sogar daran, Thoren zum Erben zu machen!) hätte ich mir etwas mehr emotionale Gewichtung gewünscht. Das wirkt fast zu beiläufig für so eine drastische Überlegung. Immerhin denkt er daran seinen eigenen Sohn zugunsten eines Fremden zu benachteiligen.

    Das werde ich ausbauen, danke. Da muss ich auch unbedingt verdeutlichen, dass Aldric meint, wenn sein Sohn sterben sollte. Anscheinend hat man das nicht rausgelesen :thumbup:

    Die Exposition über die Caevarn-Familie und ihre Geschichte ist informativ, unterbricht aber etwas den Fluss. Vielleicht könnte man das organischer einbauen? Ich sehe schon, dass es den Hinweis braucht, aber ich denke du hättest es besser lösen können.

    Genau wie hier. :hmm: Ich denke, ich werde bestimmt im weiteren Verlauf bessere Stellen dafür finden. ^^

    Auch wenn das jetzt ein wenig stark kritisierend wirkt, ich möchte dir eigentlich nur zeigen, wie du es noch besser machen könntest, also bitte die Kritik nicht persönlich nehmen.

    Ach, iwo ... kunstruktive Kritik nehme ich immer gerne an. ^^ Die beiden Sätze, die du angemerkt hast mit dem immerzu und beinahe werd ich ändern, danke :D

    • Offizieller Beitrag

    Liora

    (Part 1)

    Liora ging den Gang Richtung Waschküche entlang. Dabei schwang ihr langer brünetter Zopf sanft hin und her, während sie den vollen Wäschekorb vor sich trug. Kleider, ein Bettlaken und Handtücher befanden sich darin. Sie musste nur noch diese Kleinigkeit erledigen, dann durfte sie sich in ihr Zimmer zurückziehen. Ihre Füße begrüßten diesen Umstand sehr, da sie den ganzen Tag unterwegs gewesen war. Die Sonne war bereits untergegangen, und die Kerzen tauchten das Schloss in ein warmes Licht. Der Geruch von Bienenwachs schwängerte die Luft.
    Der König hatte sie damit betraut, die Neugeborene zu betreuen. So nannte Frau Magda Asha gelegentlich. Das war eine wichtige Aufgabe. Liora wusste, dass das teils ihrem Bruder zu verdanken war, aber allein durch seinen Ruf hätte der König es auch nicht gestattet. Sie summte und hatte die Waschküche fast erreicht, als sie plötzlich an ihrer Hüfte gepackt wurde. Zwei kräftige Hände zogen sie von hinten in die Vorratskammer, wodurch ihr der Wäschekorb aus den Händen glitt.
    Nachdem Liora ihren Blick sortiert hatte, sah sie in ein bekanntes Gesicht. „Bran ...“, hauchte sie lachend und ergab sich dem Überfall.
    Er küsste sie, und sie erwiderte den Kuss.
    „Was machst du hier?“, wollte sie wissen. „Müsstest du nicht am Schlosstor sein?“
    Der junge Mann grinste schelmisch. „Einen kurzen Moment wird mich niemand vermissen. Ich sagte, ich müsste austreten. Ich habe dich seit zwei Tagen nicht mehr gesehen. Ich dachte, du würdest mich vermissen.“
    Liora lächelte. „Das tue ich auch, aber ...“
    „Ein Aber?“, unterbrach Bran sie und löste seine Hände von ihrer Hüfte.
    Liora seufzte. „Benimm dich nicht wie ein Kind. Ich habe viel zu tun und will meine Aufgabe anständig machen. Das kommt uns auch zugute.“
    Bran atmete tief durch. „Das verstehe ich. Wirklich. Trotzdem ...“, gestand Bran gespielt schmollend und nahm ihre rechte Hand, „wollte ich dich kurz sehen. Wie ist sie denn? Wie nennt dein Bruder sie? Die Frau?“ Bei den letzten Worten verstellte Bran seine Stimme so, dass sie nach der ihres Bruders klang.
    Liora rollte mit ihren Augen. „Ja, so nennt er sie. Aber sie heißt Asha. Fräulein Asha. Und sie ist ...“ Sie überlegte. „Sie ist wie ein Buch mit leeren Seiten, das allmählich beschrieben wird. Ich denke, das dürfte passen.“
    „Das ist eine nette Beschreibung.“ Bran lächelte, während eine strohblonde Strähne in sein Gesicht fiel. Gerade, als er sich zu ihr hinunterbeugen wollte, um sie erneut zu küssen, erklang eine Stimme im Flur.
    „Liora?“
    Beide rissen ihre Augen auf.
    „Woher ...?“, flüsterte Bran und ließ Lioras Hand los.
    Liora hingegen stieß Bran an seinem Wappenrock in die dunkle Ecke des Zimmers und wandte sich der Tür zu. „J... ja?“ Sie schaute um die Ecke und erspähte ihren Bruder im Gang, der zunächst fragend den Wäschekorb ansah, dann sie.
    Liora trat nach außen und schloss die Tür hinter sich. „Du hier? Ich dachte, der König hätte nach dir verlangt.“
    „Unser Gespräch ist bereits beendet.“
    „Und?“ Liora wollte den Wäschekorb aufheben, aber Thoren kam ihr zuvor.
    Er legte das Bettlaken zurück, nahm den Wäschekorb hoch und behielt ihn in der Hand. „Es gab nicht viel zu bereden. Der König will die morgige Sitzung wahrnehmen.“
    Liora nickte. „Ich verstehe. Dann geht es hoffentlich voran.“
    Thoren schaute sie fragend an, als plötzlich ein Geräusch aus dem Nebenzimmer kam, das mehr Aufmerksamkeit auf sich zog.
    „Lass uns weitergehen“, wandte Liora ein, aber ihr Bruder hielt inne.
    Ohne etwas zu sagen, überreichte er ihr den Wäschekorb und öffnete die Tür.
    Liora wusste, dass Thoren kein unbekanntes Geräusch übergehen würde, aber hätte es gehofft. Die Räumlichkeiten waren für Untergebene reserviert, die mit ihren hohen Herren zu Besuch waren, da aber momentan kein Besuch im Schloss war; sollte es unbewohnt sein.
    Liora kniff die Augen zusammen, nachdem ihr Bruder im Zimmer verschwunden war. Kurz darauf waren Stimmen zu hören, eine lauter als die andere.
    Als sie sich wieder traute, die Augen zu öffnen, hatte Thoren Bran an seinen Schulterplatten aus dem Raum gezogen.
    „Kehre umgehend wieder an deinen Posten zurück, Bran Igorson!“
    „Jawohl, Hauptmann!“ Bran warf Liora einen flüchtigen Blick zu, den sie erwiderte.
    Sie hoffte, eine Entschuldigung durch ihre Augen sollte genügen, dabei konnte sie nichts für seine Entdeckung. Aber sie hatte immer das Gefühl, sich für das forsche Handeln ihres Bruders entschuldigen zu müssen.
    Erst nachdem Bran aus ihrem Blickfeld verschwunden war, drehte sich Thoren wieder zu ihr um. „Der Sohn eines Schmieds? Machst du Witze?“, fuhr er sie an.
    Schon lange hatte sie sich auf die Standpauke ihres Bruders vorbereitet. An jedem Tag, seit sie sich ihre Zuneigung zueinander zugestanden hatten, rechnete sie damit. Ihr Bruder war das Familienoberhaupt. Derjenige, der die Regeln machte. Und sie hatte sich geschworen, nicht nachzugeben, sollte dieser Moment kommen.
    „Was ist daran falsch?“, wollte sie wissen und schaute Thoren fest in die Augen. Ja, Bran war nur ein Gardist, aber so hatte ihre Familie auch einst angefangen. Und bisher war nichts geschehen, das eine Verbindung unwiderruflich machen würde. Bran war ein Mann der Ehre, der wusste, dass Liora ihre Wahl nicht leichtfertig treffen durfte.

  • Hey

    Bin dir noch ne Rückmeldung schuldig, habe es direkt gelesen als du es gepostet hast, kam aber bisher noch nicht dazu, eine sinnvolle Antwort zu schreiben. Here we go:

    Die Beziehung zwischen Liora und Bran wird gut etabliert und Thoren kommt als echte Autoritätsfigur rüber. Die Figurenkonstellation ist klar. Die pflichtbewusste, aber verliebte Schwester; der ungestüme, aber ehrbare Gardist; der strenge Bruder als Familienoberhaupt. All das schilderst du mit genügend Nuancen, um nicht aufgesetzt zu wirken. Lioras Spagat zwischen Pflicht und persönlichem Glück, die gestohlenen Momente mit Bran, ihre Sorge um ihre Position, das wirkt lebendig.
    Die Dialogführung ist ebenfalls gut. Brans spielerisches Schmollen und seine Imitation von Thorens Stimme verleihen der Szene eine gewisse Leichtigkeit und zeigen die Vertrautheit zwischen den beiden.

    Aber insgesamt wirkt alles zu konsequenzlos. Das unterstreicht gerade das Ende, sie deutet an dass etwas kommt, aber dann endet das Kapitel mit einer rhetorischen Frage. Die aufgebaute Spannung entlädt sich irgendwie nicht. Entweder brauchst du eine richtige Auseinandersetzung oder eine andere Lösung, so bleibt es für mich unbefriedigend, wie in einer Schwebe. Die Szene verspricht mir mehr Konflikt, als sie liefert.

    Thorens Charakterisierung schwankt. Er wird als akribischer Hauptmann etabliert, der "kein unbekanntes Geräusch übergehen würde", sollte dann nicht ein wenig mehr kommen, als ein simpler, strenger Verweis? Keine Konsequenzen für Brans Pflichtversäumnis, keine ernsthafte Standpauke für Liora. Auch die Exposition über Asha fühlt sich eingeschoben an. "Sie ist wie ein Buch mit leeren Seiten" Die Metapher finde ich zwar schön, aber sie kommt aus dem Nichts und wirkt wie eine Information für den Leser, nicht wie etwas, das Liora in dieser Situation natürlich sagen würde.

    Sprachliche Kleinigkeiten:

    "Der Geruch von Bienenwachs schwängerte die Luft", das "schwängern" wirkt zu gewollt poetisch. Wieso nicht einfach "erfüllte"?

    "Liora rollte mit ihren Augen" Possessivpronomen würde ich weglassen.

    "Schon lange hatte sie sich auf die Stammpauke ihres Bruders vorbereitet." Standpauke!

    Weitere Gedanken: Wenn die Romanze später wichtig wird, müsstest du mehr Grundlagen legen: Was steht auf dem Spiel? Warum ist Thoren dagegen, reines Standesdenken oder konkrete Pläne für Liora? Wenn es ein Charaktermoment ist: Vielleicht mehr innere Reflexion von Liora?

    Wirkt teilweise auch so, als ob es unter seinen Möglichkeiten bleibt. Ich denke das kannst du noch besser schreiben, aber die Grundlagen sind schon mal gut.

    • Offizieller Beitrag

    So, es geht weiter:

    Bin dir noch ne Rückmeldung schuldig, habe es direkt gelesen als du es gepostet hast, kam aber bisher noch nicht dazu, eine sinnvolle Antwort zu schreiben. Here we go:

    Alles gut, ich bin geduldig. ^^

    Aber insgesamt wirkt alles zu konsequenzlos. Das unterstreicht gerade das Ende, sie deutet an dass etwas kommt, aber dann endet das Kapitel mit einer rhetorischen Frage. Die aufgebaute Spannung entlädt sich irgendwie nicht. Entweder brauchst du eine richtige Auseinandersetzung oder eine andere Lösung, so bleibt es für mich unbefriedigend, wie in einer Schwebe. Die Szene verspricht mir mehr Konflikt, als sie liefert.

    Thorens Charakterisierung schwankt. Er wird als akribischer Hauptmann etabliert, der "kein unbekanntes Geräusch übergehen würde", sollte dann nicht ein wenig mehr kommen, als ein simpler, strenger Verweis? Keine Konsequenzen für Brans Pflichtversäumnis, keine ernsthafte Standpauke für Liora. Auch die Exposition über Asha fühlt sich eingeschoben an. "Sie ist wie ein Buch mit leeren Seiten" Die Metapher finde ich zwar schön, aber sie kommt aus dem Nichts und wirkt wie eine Information für den Leser, nicht wie etwas, das Liora in dieser Situation natürlich sagen würde.

    Das liegt daran, dass der Part nicht vorbei war. :rofl: Ich bin es nicht gewohnt, Kapitel für Kapitel zu posten. Das beim König war ein Zufall, aber wenn Parts zu lang werden, teilen wir sie. ^^ Ich werde aber versuchen, das kenntlich zu machen. Du kannst das natürlich nicht wissen.

    Weitere Gedanken: Wenn die Romanze später wichtig wird, müsstest du mehr Grundlagen legen: Was steht auf dem Spiel? Warum ist Thoren dagegen, reines Standesdenken oder konkrete Pläne für Liora? Wenn es ein Charaktermoment ist: Vielleicht mehr innere Reflexion von Liora?

    Das kommt noch. Ich showe eher, als dass ich telle :D

    . Auch die Exposition über Asha fühlt sich eingeschoben an. "Sie ist wie ein Buch mit leeren Seiten" Die Metapher finde ich zwar schön, aber sie kommt aus dem Nichts und wirkt wie eine Information für den Leser, nicht wie etwas, das Liora in dieser Situation natürlich sagen würde.

    Sind auch nicht ihre Worte, aber gut erkannt :D


    (Part 2)

    „Weiß Mutter davon?“, wollte Thoren wissen.
    „Nein“, antwortete Liora, „aber ich bin mir sicher, dass sie es erlauben würde. Vermutlich wäre sie glücklich darüber, dass eines ihrer Kinder in die Zukunft schaut.“
    „Das denkst du?“, spie Thoren heraus.
    Liora plusterte beleidigt ihre Wangen auf und lief weiter. Jedoch kam sie nur ein paar Schritte weit, bis die Hand ihres Bruders ihren Unterarm packte.
    „Denkst du das wirklich? Und was ist mit mir? Mir obliegt solch eine Entscheidung“, fuhr er ruhiger fort.
    Liora blieb stehen und überlegte. Sollte sie ehrlich sein? Es war ihr älterer Bruder, mit dem sie sprach. Acht Jahre trennten sie. Als ihr Vater starb, wurde sie noch von Ammen gestillt, während er kurz danach auf einem Schlachtfeld stand. Aber nein, sie musste Grenzen setzen! Sie war kein Säugling mehr. „Ich entscheide mich wenigstens für jemanden“, entgegnete sie, während sie weiterlief.
    „Was?“
    Liora blieb genervt noch einmal stehen. „Weißt du, ich werde immer mit allem konfrontiert. Hier am Hof. Den Gerüchten und dem Geflüster ... Dir traut sich keiner die Wahrheit ins Gesicht zu sagen, aber alle wissen von deinen Liebschaften. Du nimmst dir Frauen ohne Verpflichtungen. Du sagst jeder, dass du vor Gefühlen nicht niederknien wirst, aber ... du bist ein einsamer Mann. Ich will nicht so einsam enden! Komm nicht zu mir, wenn es so weit ist, dass du kniest. Vor allem nicht, wenn du einen Keil zwischen Bran und mich jagst. Ich bin deine Schwester, nicht einer deiner Gardisten!“ Liora wählte diese Worte gut bedacht, zumindest teilweise, obwohl es nicht so wirkte. „Ich erfülle meine Rolle, damit der König als letzte Instanz meinem Flehen nachgeben wird. Egal, ob Bran und mich Stand oder Namen trennen. Er ist lieb und aufmerksam. All das, was du nicht bist!“ Sie lief weiter und ließ ihren Bruder zurück. Es tat ihr weh, so direkt zu sein, aber er verstand es nicht. Sie hatte das Gefühl, selbst in ihr sah er nur eine lästige Pflicht. Sie hörte, wie er ihren Namen rief. Immer wieder.
    „Was?“, schrie Liora und drehte sich um.
    „Du hast meine Erlaubnis, wenn er dir würdig ist“, rief ihr Thoren zu. „Ich will nicht der Keil sein, aber ... du bist jung. Und wenn du weißt, wie ich bin ...“
    „Er ist anders!“ Liora unterbrach ihn. Ihr Bruder hatte vergessen, dass das Leben auch gute Seiten hatte. Selbst jetzt. Das Volk versank nicht nur in Traurigkeit, sondern feierte jeden Erfolg. Selbst wenn es nur die Geburt einer Tochter war – wie beim Bäcker, der diese Kleinigkeit in der Scheune feiern wollte. Dazu war sie eingeladen, aber auch sie stellte ihre Pflicht vor dieses Vergnügen. Nicht, weil sie müde war, sondern, weil sie am Morgen für Fräulein Asha da sein wollte. Nicht benebelt oder müde – gänzlich. Dieses neugeborene Wesen hatte es verdient, dass sie sich ihr widmete. Und Liora ahnte, dass sie eine Seite war, die der Hof ihr sonst nicht zeigen würde. Voller Hoffnung, voller Leben. Jung und ungebrochen.
    „Wenn du das sagst, will ich dir glauben“, schlichtete Thoren.
    Liora sah ihren Bruder an. Sie glichen sich optisch durch Haar – und Augenfarbe, aber im Wesen waren sie komplett unterschiedlich. Während sie daran festhalten wollte, dass es gute Dinge im Leben gab, schien er jedwedes Licht aus seinem Inneren entfernt zu haben. Sie wusste, dass das daraus resultiert war, dass er sehr früh das Oberhaupt gewesen war, aber ... es schmerzte sie, dass er nie lächelte, lachte, tanzte ... sich freute. Ob für sich oder andere. Sie hingegen lebte, sie feierte und liebte. Sie waren sehr unterschiedlich. Sie seufzte. Vielleicht war das ihr Schicksal. Immer die Person zu sein, die ihren Bruder entschuldigte und das Gute vor Augen hielt. Sie lächelte. „Falls Bran etwas Dummes macht, darfst du ihn töten. Wäre das ein Kompromiss?“
    Thoren lachte tatsächlich. „Ist das ein Versprechen?“
    Liora verzog ihre Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln. „Eher eine vage Zusage. Aber wenn es dir wichtig ist, dann hast du meine Erlaubnis. Und bestrafe ihn für seinen jetzigen Fehler nicht zu hart. Wir ... haben uns seit Tagen nicht gesehen.“
    Thoren brummte. „Das ist viel verlangt. Das weißt du.“
    Liora versuchte, zu lächeln. „Wenn du ihn verschonst, werde ich Ewona weiterhin von dir fernhalten!“
    Ihr Bruder stutzte.
    Oh ja, ich weiß alles, dachte Liora und fühlte ihren Triumph.
    Thoren massierte seine Nasenwurzel und nickte schlussendlich. „In Ordnung“, räumte er ein. „Sein Fehlen hat niemand gemeldet, daher ... kann ich ihn vermutlich verschonen. Dieses Mal!“
    Liora nickte und brachte danach die Wäsche zu den Waschfrauen. Danach begab sie sich in ihre Räumlichkeiten. Sie legte sich auf ihr Bett. Ihre Worte waren nicht gelogen. In keiner Weise. Gerade Ewona war eine Frau, die nicht von ihrem Bruder abließ und sie immer belästigte, dabei konnte sie auch nichts daran ändern, dass Thoren nicht auf der Suche nach einer Ehefrau war. Und selbst wenn, würde sie Ewona als Schwägerin meiden. Sie war verschlagen und schämte sich nicht, Gerüchte und Halbwahrheiten weiterzutragen. Frau Magda nannte Ewona immer eine zweiköpfige Schlange. Der eine Kopf konnte nett und zuvorkommend sein, der andere gehässig und gemein. Von der ehemaligen Hohepriesterin stammte auch die Metapher, dass Fräulein Asha ein unbeschriebenes Buch sei. Worte, die Liora nur zu gerne übernommen hatte. Die alte Frau, die ihren Dienst ganz Draemor verschrieben hatte, war ein leuchtendes Vorbild für sie. Vielleicht nicht gänzlich. Denn immerhin hatte Frau Magda davon abgesehen, jemals zu heiraten und Kinder zu bekommen. Aber sie war eine weise Frau, mit offenem Mundwerk und Herzen. Liora musste sich eingestehen, dass sie diese Entscheidung nicht verstand. Obwohl Frau Magda schon beinahe sechzig war, konnte man ihre Schönheit nicht verleugnen. Wie schön sie wohl mit zwanzig gewesen war? Aber vielleicht war es genau das gewesen. Vielleicht hatte sie so viel Auswahl gehabt, dass sie lieber niemanden als den falschen Mann gewählt hätte.
    Liora schloss ihre Augen. Sie würde ihren Dienst tun. Denn es musste einen Grund haben, dass der König sie und keine andere gewählt hatte.


    nächster Part

  • Das liegt daran, dass der Part nicht vorbei war. :rofl: Ich bin es nicht gewohnt, Kapitel für Kapitel zu posten. Das beim König war ein Zufall, aber wenn Parts zu lang werden, teilen wir sie. ^^ Ich werde aber versuchen, das kenntlich zu machen. Du kannst das natürlich nicht wissen.

    OK, jetzt weiss ich es. War halt auffällig, deshalb habe ich es erwähnt.

    Der zweite Teil macht das ganze dann doch besser und merzt einige der Kritikpunkte aus.

    Es ist gut, wenn du das besser kennzeichnest ab jetzt, denn ich möchte bei dieser Geschichte auch keine unvollständigen Kapitel bewerten, bringt dir schliesslich auch weniger, als wenn etwas Vollständiges vorhanden ist.

    Sie wusste, dass das daraus resultiert war, dass er sehr früh das Oberhaupt gewesen war, aber ... es schmerzte sie, dass er nie lächelte, lachte, tanzte ... sich freute. Ob für sich oder andere. Sie hingegen lebte, sie feierte und liebte. Warum konnte er das nicht? Warum waren sie so unterschiedlich?

    Jetzt stört mich eigentlich nur noch diese Stelle. Der erste Satz ist ihre Erkenntnis, sie weiss es. Dann eine Beschreibung ihrer Gefühle und Herausstellung der verschiedenen Charakterzüge. Bis dahin alles gut. Die letzten zwei Fragen beissen sich aber mMn mit ihrer Erkenntnis aus dem ersten Satz. Sie kennt doch die Antwort bereits. Der Mann trägt eine Bürde, die sein Wesen massgeblich beeinträchtigt hat.

    • Offizieller Beitrag

    Jetzt stört mich eigentlich nur noch diese Stelle. Der erste Satz ist ihre Erkenntnis, sie weiss es. Dann eine Beschreibung ihrer Gefühle und Herausstellung der verschiedenen Charakterzüge. Bis dahin alles gut. Die letzten zwei Fragen beissen sich aber mMn mit ihrer Erkenntnis aus dem ersten Satz. Sie kennt doch die Antwort bereits. Der Mann trägt eine Bürde, die sein Wesen massgeblich beeinträchtigt hat.

    Das hab ich rausgenommen. Die beiden letzten Fragen waren noch von der Überarbeitung übrig ... :dead:

    Aldric

    (Part 1)

    Der Morgen zerrte bereits an seinen Nerven. Der Hohepriester der Kirche verlangte ebenfalls nach einer Audienz. Aldric wusste, dass man diese Menschen nicht wissenslos stehenlassen durfte, aber er selbst konnte noch nicht sagen, was Asha war. Die Magier waren sich auch nicht einig ... Was sollte er dann der Kirche erzählen? Jene Glaubensbrüder – und Schwestern entstammten einer Zeit vor der Magie. Sie hielten sich für das Sprachrohr der Götter, die ihre Lehren weitertrugen. Waren sie vor Jahrhunderten noch ähnlich gefächert gewesen wie der Zirkel, verkamen sie allmählich nur zu einem Stellvertreter, der in jedem Reich als Lehrer oder Orakel fungierte. Das Letzte, was Aldric gebrauchen konnte, war eine weitere Stimme, die ihm erzählte, wie er mit der jungen Frau umgehen sollte. Er wusste es doch selbst nicht.
    Von einem seiner Diener war ihm zugetragen worden, dass der Hohepriester bereits Reden auf dem Marktplatz hielt. Über einen Beweis für die göttliche Schöpfungskraft, über eine Prüfung der Götter. Wollte Georg damit Angst schüren oder das Volk Hoffnung geben? Aldric wusste es nicht. Er hatte seinen Boten losgeschickt, um Georg ausrichten zu lassen, dass er am frühen Abend das Arbeitszimmer des Königs aufsuchen sollte. Er musste verhindern, dass dieser Prediger noch Panik verbreitete.
    Ein Kammerdiener richtete indes seinen Kragen und Umhang. „Kann ich noch etwas für Euch tun?“, wollte er wissen.
    Aldric verneinte.
    Der Kammerdiener nickte und verschwand aus seinem Ankleidezimmer.
    Aldric sah in den Spiegel und ein alter Mann schaute zurück. Zwar hatte er wenig von seiner einstigen Statur eingebüßt, aber seine blauen Augen waren von dunklen Schatten umrahmt. Sein Gesicht wirkte eingefallen. Er bereute, dass sein Sohn zu jung und krank war, den Thron zu besteigen. Zu spät waren ihm und seiner verstorbenen Königin Kinder vergönnt gewesen. Darunter drei Fehlgeburten und ein Sohn. Nachdem er am Abend bei Eryn gewesen war, wurde ihm erneut bewusst, wie zerbrechlich ein Leben war. Wieder plagte seinen Sohn Fieber, seine Muskeln waren zu schwach, um laufen zu können ... Es schmerzte Aldric, sein Kind so zu sehen. Das einzige Kind. Manchmal wusste er nicht, ob der Tod nicht gnädiger für ihn wäre. Dann wäre es vorbei gewesen, anstatt diese Qualen zu durchlaufen. Dennoch betete Aldric für die Genesung seines Sohnes. An jedem Morgen und an jedem Abend. Wann immer er die Gedanken frei dafür hatte.
    Er verließ sein Zimmer und schaute nach links. Im Gang wartete bereits Thoren.
    „Seid Ihr soweit?“, wollte sein Hauptmann wissen und stieß sich von der Wand ab.
    Aldric nickte.
    Zusammen liefen sie durch das Schloss. Im Ostflügel führte eine ausladende Wendeltreppe in die Katakomben des Schlosses. Dort hatte der Zirkel seinen Sitz. Aldric verlangsamte seinen Schritt mit jeder Näherung an diese Räumlichkeiten.
    Dann war er da und atmete tief durch, bevor er die große Flügeltür von den Wachen öffnen ließ. Alle Magier erhoben und verneigten sich, während er seinen Platz am oberen Ende des Tisches einnahm. Durch ein Handzeichen bedeutete er dem Zirkel, sich ebenfalls wieder setzen zu dürfen.
    Thoren bleib neben den Flügeltüren stehen und lehnte sich an die Wand.
    Lysandra saß dem König am nächsten. Ihr weißblondes Haar war wie immer perfekt in Szene gesetzt. Auch an diesem Tag trug sie wieder eine aufwenig aussehende Hochsteckfrisur, die sie wie eine junge Frau aussehen ließ, anstatt wie eine gestandene Frau. Die Vertreterin der Aura legte viel Wert darauf auch so auszusehen. Jung, frisch ... lebendig.
    Serad mit seinem sandelholzfarbenen Hautton wirkte hingegen blasser als sonst. Niemand war sich einig. Wie Aldric vermutet hatte.
    „Wir müssen sie untersuchen!“, wandte Serad Eflim umgehend ein. Der Vertreter für das Element Feuer.
    „Und dann?“, wollte Serena von Tyfendal wissen. Die Abgesandte für das Element Wasser. „Mit allem, was wir tun, könnten wir die Götter verärgern.“
    „Wir müssen das Wesen beoachten“, wandte Valon ein. „Wir wissen nichts!“
    „Und deswegen ist sie böse?“, entgegnete Lysandra.
    „Vielleicht nicht das eine oder das andere,“ meinte Valon. Er fischte sich eine brünette Strähne aus seinem Gesicht, steckte sie hinter sein Ohr und lehnte sich zurück.
    „Dennoch müssen wir sie beurteilen. Menschen haben Merkmale, wenn sie diese nicht besitzt, dann ist sie kein Mensch“, wandte Serad ein. Seine bernsteinfarbenen Augen musterten den König. Vermutlich wollte er die Reaktion von Aldric abwarten.
    „Dann sollten wir aber alle dabei sein!“, sprach Lysandra. „Nicht, dass die Ergebnisse verfälscht sind.“
    „Vor allem sollte es bewacht werden. Streng bewacht!“, verlangte Valon. „Und das von niemanden, der befangen ist.“
    „Du meinst, durch Glauben oder Politik?“, mischte sich Serena ein. Ihre hellblaue Robe, die sie beiläufig straffte, machte sofort klar, wem sie angehörte.
    Alfons hatte alles beobachtet und nickte. „Es sollte sie jemand bewachen, der ihre Gesinnung positiv beeinflussen kann.“
    Aldric lauschte den Einwänden und nickte. „Zumindest sind wir uns einig, dass wir nichts wissen und uns uneinig sind.“
    Jeder des Zirkels schaute den König an und schwieg für einen Moment.
    „Ihr habt sie einfach isoliert, Hoheit“, beschwerte sich Serad, aber zumindest blieb sein Tonfall respektvoll. „Wäre es nicht Sache der Magier, ein magisches Wesen zu untersuchen und zu beurteilen?“
    Aldric überlegte und nickte leicht. „Das kann schon sein. Ihr allesamt seid die Experten für Magie. Trotzdem ... an eurer Diskussion erkenne ich, dass es richtig war, sie zunächst ... atmen zu lassen. Sie wirkte auf mich, Frau Magda und Fräulein Liora wie ein neugeborenes Kind. Das lassen Eltern auch nicht direkt von fremden Menschen überfallen oder gar ... untersuchen. Es bleibt in Obhut der Mutter und ein paar wenigen. Es hätte sie verschrecken können. Bei allem, was wir wissen wollen, sollten wir eine gewisse Zurückhaltung üben.“
    „Ich stimme dem König zu“, sagte Lysandra. „Alles, was wir tun, sollte mit ihrer Erlaubnis geschehen. In Ruhe und ... Wohlwollen.“
    Es wurde aus Blut geboren. Das ändert nichts daran, dass es potenziell gefährlich sein könnte“, fügte Valon hinzu. „Deswegen pflichte ich Serad bei, dass wir das Wesen streng bewachen sollten. Das sollte auch in dessen Interesse sein. Immerhin könnte auch irgendjemand versuchen, es zu verletzen.“
    Der König dachte nach. Ja, Asha brauchte Schutz. Wenn er an Georg dachte, war es keine gute Idee, sie nur in der Obhut der beiden Frauen zu lassen. Was, wenn ein verwirrter Anhänger der Kirche ein Attentat plante? Oder gar einer der Magier? Die Wache musste unbefangen sein. Jenseits von Politik oder Magie. Aldrics Blick schweifte umher, bis er den gelangweilten Thoren an der Wand lehnen sah. „Mein Hauptmann wird das übernehmen“, sprach er.
    Thoren riss seine Augen in diesem Moment auf, aber Aldric überging dies. Die Magier wollten Asha verstehen. Sie untersuchen, testen. Aber er hatte kein gutes Gefühl dabei. Jeder war nur auf seine Schlussfolgerung bedacht. Gefahr oder Segen? Also musste er sichergehen, dass jemand da war, der alles objektiv beurteilen konnte.
    „Mein Vetter?“, mischte sich Valon ein. „Dann können wir sie auch gleich der Kirche vorwerfen.“
    „Der Hauptmann genießt einen guten Ruf, Valon“, entgegnete Serena.
    „Was Frauen angeht? Eher weniger“, antwortete Valon lachend und musterte die Reaktion seines Vetters.
    „Frau? Eben hat ihr sie noch ständig als ‚Es‘ betitelt, genauso wie Serad“, schimpfte Lysandra.
    Aldric seufzte und überging Lysandras Einwand, obwohl sie recht hatte. Da war sie wieder. Die Rivalität der beiden Männer.
    „Neidisch?“, wollte Thoren wissen, auch wenn er mit seiner neuen Aufgabe sicherlich nicht gänzlich einverstanden war.
    „Du solltest vielmehr auf mich neidisch sein. Ich habe eine liebende Ehefrau und werde bald Vater. Das alles kannst du nicht vorweisen“, erwiderte Valon gelassen, wodurch Thoren seinen Unterkiefer anspannte.
    „Genug, ihr beiden!“, unterbrach Lysandra das Gezeter. „Wenn der König denkt, dass er geeignet ist, will ich mich nicht einmischen. Und Thoren von Caevarn hat seine Loyalität mehr als einmal bewiesen.“
    „Wenn die Götter uns ein Gefäß schicken, sollten wir es mit Freundlichkeit und nicht mit Konkurrenz füllen“, pflichtete Serena Lysandra bei.
    „Wir sollten das Wesen heute Nachmittag aufsuchen.“ Serad kam zum Ursprung der Diskussion zurück. „Dann sehen wir weiter. Wer es bewacht, ist mir egal, solange der Hauptmann fähig ist, sein Schwert gegen jedwede Gefahr zu erheben. Egal, ob es eine Frau ist.“
    Thoren verengte seine Augen. „Ich habe geschworen, das Reich zu beschützen, also ja, das Geschlecht ist mir dabei egal.“
    „Und was geschieht, wenn sie wahrlich nicht von dieser Welt ist?“, wollte Alfons wissen, zupfte nachdenklich an seinem dunklen Bart und behielt die Ruhe. „Was dann? Wirklich? Sollen wir ihr einen Tempel bauen? Sie anbeten? Was?“


    Kleiner Funfact aus Autorensicht!

    Immer, wenn ich Valon und Thoren vor Augen habe, sind das optisch recht ähnliche Gesellen, aber wie zwei Kinder, die sich gegeseitig die Zunge rausstrecken.

    Zu Georg: Ich muss da an Heinrich Kramer denken. Sorry ... :rofl: