Alles endet hier

Es gibt 27 Antworten in diesem Thema, welches 9.123 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (19. Februar 2019 um 09:27) ist von 97dragonfly.

  • Alles endet hier

    Lange habe ich darüber nachgedacht, was ich fühle. Im allgemeinen und für manche Personen und wenn ich könnte, wäre ich über das Ergebnis des Nachdenkens erschüttert gewesen. Ich fühle nichts. Für niemanden. Alles in den letzten Monaten war falsch. So falsch, denn ich habe nicht nur die anderen belogen, sondern auch mich selbst. Ich habe geträumt und bin in dieser Traumwelt geblieben, ohne zu merken, was außerhalb derselbigen passiert. Manche würden jetzt behaupten, ich wäre deprimiert, aber das bin ich nicht. Mir ist lediglich alles egal geworden.
    Alles ist eine Lüge. Ich lächle, ohne Grund. Lächle, wenn ich eigentlich leiden sollte, damit niemand jemals etwas von meinem zerstörten Inneren sieht.
    Zerstört.
    Ja, ich bin zerstört und das schon lange. Ich bin völlig kaputt und doch kann ich nicht aufhören zu lächeln. Vielleicht ist das einfach nur eine Angewohnheit. Warum sollte ich auch weinen. Und vor allem, für und um wen sollte ich weinen?
    Ich habe darüber nachgedacht wie man wohl geht, was danach passiert, wie es sich anfühlt.
    Einmal sah das scharfe Küchenmesser sehr verlockend aus, doch meine Eltern waren daheim.
    Den Gedanken, mich zu ritzen, hatte ich damals verworfen. Das würde eine zu große Sauerei machen. Also überlegte ich weiter. Im Mittelalter hatte man Hexen erhängt oder verbrannt.
    Manche nannten mich Hexe, sollte ich dem nachkommen?
    Ich wollte nicht durch Flammen sterben, doch erhängen wollte ich mich auch nicht.
    Ich wollte keine Schmerzen haben, wollte doch bloß spüren wie es wäre, wenn einem auch die Seele entgleitet und ich wählte…
    Die Brücke.

    Nun stehe ich also allein mit meinem zerbrochenem Ich auf der Brücke, lasse den Wind durch meine Haare wehen und schaue mir den Sonnenuntergang an.
    Ich wollte, ich könnte schreien, aber ich kann nicht. Ich wollte, ich könnte weinen, doch auch dies bleibt mir verwehrt.
    Die Sonnenstrahlen spiegeln sich im Wasser unter mir und tauchen alles in ein frohes Farbenspiel aus Rot-, Gelb- und Orangetönen. Meine Hände liegen locker auf dem Brückengeländer. Mein Herz schlägt ruhig. Ich lausche auf den Takt und atme genüsslich die kühle Luft ein.
    Dann bin ich bereit. Ich sehe ein letztes Mal zurück, doch auch diesmal steigen keine Gefühle in mir hoch. Meine Hände umschließen fest das Geländer und ich hiefe mich hinauf, stehe dort oben und versuche meine Balance zu halten.
    Ich drehe mich vorsichtig um, atme noch einmal tief ein und halte meine Arme gekreuzt vor der Brust. Mein Herz schlägt immer noch ruhig, denn ich habe keine Angst. Dann lasse mich nach hinten fallen und sehe wie sich der Himmel und der Brückenrand schnell von mir entfernen, spüre für einen ewig erscheinenden Augenblick wie es sich anfühlt zu fliegen und genieße wie die Luft an mir vorbei zischt. Mein Körper dreht sich leicht beim Fallen und als mein Rücken auf der Wasseroberfläche aufprallt, bleibt mir für einen Moment die Kraft mich zu bewegen weg. Sterne tanzen vor meinen Augen. Das kühle Nass umschließt mich, während ich langsam tiefer sinke. Instinktiv will ich wieder hinauf schwimmen, um zu atmen, doch halte ich mich davon ab. Ich öffne meinen Mund, stoße die noch vorhandene Luft aus und atme Wasser ein. Freiwillig atme ich mehr und mehr Wasser in meine Lungen, bis ich spüre, dass es weh tut. Dann schließe ich meine Augen und gebe mich der Ruhe und der Strömung des Wassers hin.
    Meine letzten Gedanken sind, dass ich nichts bereue. Auch wenn die letzten Monate und alles, was ich sagte fast nur aus Lügen bestand, waren sie trotzdem wertvoll.
    Einzig und allein eines fehlt. Und das bist Du.
    Du hast gesagt, du würdest mit mir fallen, doch du bist nicht hier.
    Jetzt umfängt mich die süße Dunkelheit allein.
    Dunkelheit

    Keen to the scent, the hunt is my muse
    A means to an end this path that I choose
    Lost and aloof are the loves of my past

    WAKE THE WHITE WOLF, remembrance at last

    Chaos hat gesagt, dass ich "süß und flauschig" bin :love:

  • Woh, Hikari, du machst mir Angst :cursing:

    Aber die Story bewegt mich stark, sehr stark ... wow :thumbsup:

  • @Hika: 8|8|8| muss ich mir Sorgen machen?
    Oder war das jetzt "nur" eine stark geschriebene Kurzgeschichte? ?(
    Sag was....

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

  • Großartige Geschichte. falls man es überhaupt noch Geschichte nennen darf.
    Sehr gute Beschreibungen und vor allem ziehst du den Leser wirklich in deinen Kopf, zerstörst die Distanz und lässt ihn ohne große Umschweife auf höchstem Niveau mitfühlen.
    Wirklich großartige Arbeit!!!

    melli: bleib ruhig, es ist alles klar ^^


    Ich bin unendlich wie ein Ring.
    Ich bin der Schwarze Schmetterling.
    Und mein Gefühl, das keiner kennt
    glüht kurz auf

    und verbrennt.

    [size=20]

    • Offizieller Beitrag

    :thumbup: Super geschrieben, anders kann ich es nicht sagen. Fühle von anfang an mit!!!!
    Goßes Kino!!!! Und hoffe natürlich, dass es trotzdem ein gewisses Maß an Fantasy ist und nicht deine jetzigen Gefühle wiederspiegelt!!!!

    "Habent sua fata libelli."

    ("Bücher haben ihre Schicksale.")

    - Terentianus Maurus

  • Hikari Wow! Sehr authentisch geschrieben. :D Man kann sehr gut nachfühlen was Sie fühlt und warum sie es tut.
    Deine Beschreibungen ziehen einen mit. Toll geschrieben Hikari! :thumbsup:

    Mehr aus meiner Feder: Gefangen im High Fantasy Bereich.

    Der Tag an dem alles begann findet ihr im Urban Fantasy Bereich auf fleißige Leser. ^^

  • Hikari: OMG! Zuerst hatte ich Angst das du wirklich so Psycho denkst xD aber du schreibst so genial, du bringst so viele Emotionen rüber. Man kann sich richtig reinfühlen *^*

  • :thumbup: KLasse geschrieben, man kann wirklich gut mitfühlen ;(

    Spoiler anzeigen

    und ich hiefe mich hinauf


    *hieve mit v

    Sonst noch ein paar kleine schreibtechnische Sachen - willste ne Korrektur?

    LG
    Arathorn

  • Alopex Lagopus:, melli:, Rheuen:, Jennagon:, @Sabrina:, @Legolas:
    Danke Leute :)
    Ich geb mir auch weiterhin Mühe ^^


    melli: und Jennagon:
    Wir hatten ja darüber geredet ;)


    @Arathorn: Ich bitte um eine Korrektur.
    Allerdings ist das für mich eine ziemlich besondere Kurzgeschichte, deshalb werde ich vllt nicht viel verändern :|


    Sry, dass ich erst so spät geantwortet habe XD
    Ich habs einfach immer wieder verpeilt :S

    Keen to the scent, the hunt is my muse
    A means to an end this path that I choose
    Lost and aloof are the loves of my past

    WAKE THE WHITE WOLF, remembrance at last

    Chaos hat gesagt, dass ich "süß und flauschig" bin :love:

  • ohmann xD
    die geschichte hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack... sehr authentisch :thumbsup:
    gefällt mir, ist mal was ganz anderes =) mich interessiert wahnsinnig die Vorgeschichte, was passiert ist, dass sie springt... schade das es "nur" eine Kurzgeschichte ist :(

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Wow ich bin echt begeistert davon:)
    Man kann den Schmerz dieser Person förmlich spüren und die Intensität dieser melancholischen Erzählung gefällt mir sehr gut;)

  • Du wolltest einen Kommi?
    Du bekommst einen Kommi.

    Toll geschrieben, die Gefühle super rübergebracht und auch sonst nichts auszusetzen.
    Das einzige, das mich persönlich ein wenig zum Stolpern bringt, ist die Erwähnung der Lösung (die Brücke). Das hätte ich offen gelassen und dann durch den nächsten Absatz erst geklärt. Aber das ist Geschmackssache.

  • Wow! Das sind selten gut vermittelte Gefühle! Erschreckend schön und schön erschreckend. Ich bin froh, dass ich das wieder ausgegraben habe. Du hattest damals schon echt was drauf, @Hikari ! Und das mit 15? Aber gerade in dem Alter kann es einem leicht so gehen. Nur gut, dass es drei Jahre her ist, sonst müsste ich mir Sorgen machen. Magst du nicht vielleicht eine jüngere Geschichte mit uns teilen? Würde mich freuen!

  • @Windweber Danke :blush: *räusper*

    Ich hab viel durchgemacht in der Zeit davor und zu dem Zeitpunkt, als ich es geschrieben habe. Um ganz ehrlich zu sein, stand ich auch schon auf jener Brücke und habe über das Beschriebene nachgedacht. Demnach ging mir diese Geschichte "relativ leicht" von der Hand.
    Aber Gründe zum Sorgen machen gibt es keine, sonst wäre ich ja jetzt nicht hier :whistling:

    Ich schreibsel im Moment tatsächlich an einigen kleineren Geschichten. Möglich, dass ich mal wieder was rausrücke :pardon:

    Keen to the scent, the hunt is my muse
    A means to an end this path that I choose
    Lost and aloof are the loves of my past

    WAKE THE WHITE WOLF, remembrance at last

    Chaos hat gesagt, dass ich "süß und flauschig" bin :love:

  • Traurig und ergreifend.
    Und doch so beschrieben, dass man meint, man war dabei.

    Eine Bekannte meinte mal, man kann nur tolle Geschichten zu Papier bringen, wenn man es selber erlebt hat. Ist das so?

    Es ist gut, dass es dir besser geht. Ich wünsche dir, das bleibt so.

  • Ich bin grade über die Geschichte gestolpert.

    Wow, das ist ganz schön ergreifend. Aber auch mega gut beschrieben. 8|
    Eine dieser Geschichten, die ich in einem Atemzug lese, weil ich da einfach nicht atmen kann- so spannend und ergreifend wie das ist. Und gleichzeitig so tragisch alles.

    Chaos sagt, Halvars dunkle Seite sei harmlos gegen mich...

    As I´m an Amazone, I need a :jennagorn:

    ~~~ 100 words a day keep the doctor away. ~~~


  • @Sandlov Danke für deinen Kommentar und deine lieben Worte :)

    Ich würde deiner Bekannten durchaus zustimmen. Ich habe auch sehr viel einfließen lassen, was ich selbst an Erlebnissen und Empfindungen hatte. Ich denke, dadurch wirken die Geschichten noch realer und können dem Leser Emotionen stärker vermitteln.


    @BlueRosesInMyHeart Danke dir o.o
    Freut mich, dass sie dir zu gefallen scheint. Ich hoffe aber, dass du nicht irgendwann aus Atemnot ohnmächtig wirst :panik:

    Keen to the scent, the hunt is my muse
    A means to an end this path that I choose
    Lost and aloof are the loves of my past

    WAKE THE WHITE WOLF, remembrance at last

    Chaos hat gesagt, dass ich "süß und flauschig" bin :love:

  • Es steckt zu viel Reales in dieser Kurzgeschichte, als dass der Autor nicht mit persönlichem Interesse jedes Detail durchdacht haben könnte.
    Gut, dass du die Kraft besessen hast, deine Gedanken nur auf Papier und nicht in die Tat umzusetzen.

    Auch aus Leiden kann Schönheit entstehen.

    Wenn du alles Negative in deinem Leben auf diese Weise verarbeiten kannst... das wäre gut.

  • Die Sinnlosigkeit, die diese Welt darstellt, einfach hinter sich lassen... verlockender Gedanke, nicht? ;) nette Geschichte. Sowas mag ich... Texte, in denen die Wahrheit des Innenlebens steckt, nicht gezwungen. Natürlich hast du das selbst erlebt, sonst könntest du es nicht so detailreich darstellen. Interessant. Interessant. Nun, dir geht es momentan auf jeden Fall besser als damals. Gut, dass du dir das ganze von der Seele geschrieben hast. Sollte ich auch mal in Erwägung ziehen :hmm: