Also hier mal ein etwas anderer Versuch. So etwas habe ich noch nie geschrieben... mal schauen, was bei rumkommt
betrachtet es erst Mal als Kurzgeschichte, aber wenn es euch gefällt, kann ich mir überlegen auch weiter zu schreiben
Serena
Serena machte langsam einen Schritt nach dem anderen.
Der Schnee unter ihren nackten Füßen war fest und verharscht, knackte bei jedem ihrer Schritte leise. Vorsichtig und bedacht trieb sich in Gedanken immer weiter vorwärts. Erst berührten nur ihre Zehen den Boden, dann der Ballen und schließlich die Ferse. Sie waren so kalt, dass der Schnee nicht einmal mehr eisige Stiche durch ihre Haut jagte.
Sie trug nur ein kurzes, ärmelloses Kleid aus gelben, fast durchsichtigen Stoff. Es glitzerte im Licht der aufgehenden Sonne und umspielte die Oberschenkel ihrer glatten Beine.
Ihre durchtrainierten Arme glitten elegant und passend zu ihrem schwebenden Gang neben ihrem Körper auf und ab.
Die nussbraunenHaare waren zu einem lockeren Zopf geflochten, der unten von einem goldenen Stück Metall fixiert wurde. Oben hatten sich schon einige Strähnen gelöst und fielen ihr ins Gesicht und in den Nacken.
Nervös strich sie sich einige Haare aus den Augen und zögerte kurz beim nächsten Schritt.
Fest umklammerte sie den goldenen Stab, der sich nach oben hin verjüngte.
Das untere Ende war mit einer kunstvollen, spitz zulaufenden Kugel versehen, obenauf war ein schlichter Kreis befestigt, in dem sich ein ebenso schlichtes Kreuz befand. Es war an allen vier Enden mit dem Kreis verschmolzen.
Sie suchte nach dem vertrauten, warmen Gefühl, das sie sonst durchflutete, wenn sie Mut und Hoffnung suchte und deswegen den Stab ihres Herren in die Hand nahm. Doch dieses Mal blieb das wohlige Gefühl aus. Wieso ließ ihr Herr sie in solch einem Moment alleine?
Du irrst, ich habe dich nie alleine gelassen. Das sind meine Spuren. Ich habe dich getragen, rief sie sich die Worte ihres Herrn ins Gedächtnis.
Wie sehr wollte sie ihm glauben, ihm vertrauen, doch es fiel ihr auf einmal so unendlich schwer. Lag es an der Zwischenwelt in der sie sich nun befand? Ausgesandt nach ihrem ersten Schützling zu sehen? Wieso fand sie nicht den Mut zu springen? Sie hatte sich so auf ihre Aufgabe gefreut, endlich war sie alt genug gewesen, um so einen verantwortungsvolle Auftrag übernehmen zu können. Er war noch weit bedeutender, als sie sich ausgemalt hatte, so wie ihr Herr es beschrieben hatte.
Sie durfte nicht versagen. Würde ihr Herr ihr vergeben, wenn sie es doch tat?
Er war gnädig, gütig und liebevoll. Nie hatte er sie angeschrien, wenn sie Fehler gemacht hatte, schwach gewesen war. Doch würde er auch diesmal vergeben können, wenn sie versagte? Könnte sie ihm jemals wieder unter die Augen treten, zurück in ihre Welt kommen?
Als alle diese Gedanken ihren Kopf durchströmten und giftige Zweifel säten, hatte sie die Kante erreicht. Unter ihr erstreckte sich nichts weiter als scharfkantiger, grauer Fels, bedeckt von weichem Schnee, der funkelte und blitzte im goldenen Licht der Sonne.
Sie war schon merklich weiter gestiegen, soweit, dass ihr Herr ihr Hadern bemerkt haben musste.
Hatten die anderen auch gezögert zu springen? Vielleicht war es eine Probe, auf die sie alle gestellt werden mussten? Aber warum brauchte er einen Test, um sich ihrer sicher zu sein? Er hatte ihnen doch persönlich alles beigebracht.
Noch einmal richtete sie den Blick in die Tiefe. Sie konnte den Boden nicht erkennen und weit unter ihr verlor sich ihr Blick in wattigen Wolken, die golden schimmerten.
Ihr wurde schwindelig, alles begann sich zu drehen und Übelkeit schoss ihren Magen hinauf. Sie schloss die Augen und presste sie fest zusammen. Sie durfte nicht nach unten gucken, sonst würde sie sich nie trauen zu springen.
Sie schämte sich vor ihrem Herren. Spürte seinen sonst so sanften Blick nun bohrend im Nacken, auch wenn sie ihn nirgends sehen konnte, weil er zu Hause geblieben war.
Sie fragte sich, was er wohl über sie dachte. War er immer noch so überzeugt davon, dass sie die richtige für diese Aufgabe war? Sie wagte ja nicht mal den Absprung!
Ein Zittern durchrann ihre Glieder und heiße Tränen schossen ihr in die Augen bei dem Gedanken, dass ihr Herr an ihr zweifeln könnte.
Allem bin ich gewachsen, durch den, der mich stark macht.
Noch einmal atmete sie tief ein, sog die eisige Luft bis tief in ihre Lungen, spürte die Wärme der Sonne und die Kälte des Schnees.
Dann öffnete sie entschlossen die Augen, sah starr gerade aus und rannte die letzten drei Schritte der Klippe entgegen und sprang.
Während sich ihre Füße vom sicheren Halt der Kante lösten, durchzuckte sie eine furchtbare Frage.
Wie sollte sie wieder nach Hause kommen?
Doch nun war alles zu spät. Diese Frage musste bis zum Ende ihres Auftrages warten. Mit einem flauen Gefühl im Magen gab sie sich dem Fall hin. Der Wind ließ ihren hüftlangen Zopf flattern.
Allem bin ich gewachsen, durch den, der mich stark macht, wiederholte sie in Gedanken immer wieder, wie eine Formel, einen Zauberspruch, doch das flaue Gefühl wollte nicht weichen.