@Rainbow
Fortnite ist mir ein Begriff, aber ich habe mich damit nie großartig auseinander gesetzt und kenne mich auch nicht besonders damit aus. Das Spielprinzip ist nichts, was mich jetzt persönlich sonderlich reizen würde, obwohl es nicht ganz uninteressant aussieht, (Ich bin eher auf den Blizzard Spielen hängen geblieben - WoW, Overwatch, Hearthstone) aber gleichzeitig würde ich das Spiel auch nicht als übermäßig krass oder blutig einstufen.
Aus eigener Erfahrung kann ich zumindest sagen, dass sich der "Ich muss xyz jetzt TÖTEN TÖTEN TÖTEN"-Gedanke nach einer halben Stunde komplett abnutzt und, dass dann das schlichte Gameplay als Ganzes im Vordergrund steht. Das ging mir bis jetzt in jedem Spiel so. Aussenstehende identifizieren sich immer über alle Maßen hinaus mit dem Prinzip, dass man etwas in der Hand hat und einen realen Gegenspieler damit abmurkst. Die Idee "Tod im Game" ist als Grundbaustein in etlichen Spielen und in noch viel verschiedeneren Formen vorhanden und hat nur den Sinn, als Strafe zu dienen, wenn man nicht achtsam genug ist. (Im Fußball ist es die Rote Karte, bei Mensch-ärgere-dich-nicht ist es das Haus, bei Monopoly ist das "Gehe-zurück-auf-Start" - Beschränkungsprinzip eben) Selbst in großen Sportevents greift das Prinzip in der Form, dass nur der Gewinner weiterkommt und der Verlierer rausfliegt.
Wenn ich dran denke, was wir mit 11 Jahren gespielt haben... da kommen mir vor allem Grand Theft Auto und Konsorten in den Sinn und Spielmodi, in denen wir uns mit der Bazooka hochgejagt haben - bei mir war das aber halt reines spielen und nichts, was irgendeinen Bezug zur Realität gehabt hat.
Ich würde mich in dem Fall "Fortnite" also weniger auf den Spielinhalt konzentrieren, als vielmehr ein Auge auf die Community drumherum werfen, weil da auch andere Altersklassen vertreten sind und es meines Wissens nach auch verbal mal etwas harscher zugehen kann.
Die Spiele in der heutigen Zeit haben auf jeden Fall, das Potenzial, den Spieler zu fesseln. Ohne Frage. Bei den Blizzard Games, die ich hier so oft und gerne anführe, gibt es mittlerweile Einschränkungsoptionen für Eltern, um die Zeiten ihrer Sprösslinge zu überwachen und anzupassen. Keine Ahnung, ob das bei Epicgames auch irgendwo zu finden ist.
Ich muss aber auch sagen, dass viele den Lerneffekt (auch und gerade in solchen Spielen) stark unterschätzen. Ich habe mit 14 angefangen WoW zu spielen - ja gut, ich weiß, dass das jetzt nicht in die selbe Kategorie wie Fortnite passt, aber vielleicht genügt es als Anschauungsbeispiel)
Nun, ich habe zeitweise wirklich viel vor dem Rechner gehangen und weiß daher auch um die positiven Seiten der "Szene", wenn man so will.
Aus eigener Erfahrung kann ich nur betonen, dass neben dem Spaß auch viele andere Sachen hängen geblieben sind. Man musste sich in dieser riesigen, unbekannten Welt zurechtfinden, Questtexte lesen und die Informationen anwenden um Gegenstände aufzutreiben oder an bestimmte Orte zu gelangen. Man hat sich mit seinem Charakter auseinandersetzen müssen, um ihn zu verbessern und überlebensfähiger zu machen, überhaupt, man musste erstmal das Spielprinzip begreifen.
Das hat schon bald mein taktisches Verständnis geschult und meinen Wortschatz maßgeblich erweitert, mein Englisch verbessert und, man möchte es kaum glauben, auch mein soziales Verhalten innerhalb und ausserhalb des Spiels geprägt, weil man eben mit anderen Spielern kommunizieren musste. Zu kleineren Teilen scheint wohl damals auch meine Entscheidungsfähigkeit und meine Hand-Auge-Koordination was abbekommen zu haben und nicht zuletzt die Fähigkeit, am PC zu schreiben, weil man im Internet dauernd etwas recherchieren musste.
Das Flaggschiff meiner Argumentation an der Stelle ist aber der Lerneffekt an sich.
Schule und irgendwelche Aufgaben im Unterricht waren immer nur: Wir lösen jetzt diese Aufgabe und anschließend eine andere und dann noch eine...
Und das in jedem Fach.
Im Spiel habe ich aber das erste mal meine eigene Lernkurve anschaulich beobachten können. Das war so das erste mal für mich, dass ich gemerkt habe, - unmittelbar und unverfälscht - dass mein Einsatz und das Anhäufen dieses spezifischen Wissens eine Auswirkung hat und dass ich dadurch etwas erreichen kann. Dass ich besser werde. Dass sich Mühe auszahlen kann.
Und nun wage ich zu behaupten, dass vieles davon auch in anders klassifizierten Spielen gelernt werden kann.
Zum Thema Berichterstattung:
Ich verfolge die Artikel und Fernsehberichte schon lange und ich bin die Diskussionen auf diversen Plattformen mittlerweile leid. 80% der Berichte beschäftigen sich mit "Killerspielen" und damit, dass ohne Ausnahme alle eine an der Waffel haben, die sowas in die Hand nehmen und die restlichen 20% schimpfen über die Suchtgefahr. Mir ist in dem Bereich noch nicht ein einziger Bericht unter gekommen, der objektiv genug war, um auch mal die positiven Seiten zu beleuchten oder auch nur anzureißen. Bisher war es immer nur dieses "in Schubladen abkanzeln", als würde von man von Drogendealern reden, oder hinter vorgehaltener Hand von einem zweiköpfigen regenbogenfarbenen Hund.
Ich kann nur nochmal betonen, dass an dem Kern dieser Berichte etwas dran ist. Ja, ist so. Es gibt definitiv Leute, die süchtig danach werden und es gab auch schon Personen, die gemeint haben, sie müssten jetzt mit einer Knarre den letzten Abend in Call of Duty an ihrer Schule nachstellen - wir alle wissen das.
Aber das sind Einzelfälle. Ich sage ja auch nicht, weil mir ein jemand mit seinem VW hinten drauf gefahren ist, dass alle VW-Fahrer generell zu blöd sind, um am Straßenverkehr teilzunehmen. Genauso wenig, sage ich, dass, wenn eine Kassierer unhöflich zu mir war, alle Kassiererin keine Manieren besitzen. (In der selben Schiene laufen im Moment auch ausnahmslos alle Flüchtlings- und Terrordiskussionen - einer hat das gemacht, alle sind potenziell so)
Stattdessen wird gerne ausser Acht gelassen, dass Spiele auch einen fördernden Charakter besitzen, ganz ähnlich wie es in Teamsportarten und Vereinen der Fall ist.
Durch meine Zockervergangenheit habe ich die engsten meiner Freunde kennen gelernt, mit denen ich über alles reden kann. Offene, herzensgute und gebildete Menschen, die selber Familien und Freunde, Haustiere und Kinder haben und mitten im Leben stehen UND, die immer noch aktiv spielen - ganz im Kontrast zu dem pickeligen, ungepflegten 16-jährigen, der sein Rollo seit drei Tagen nicht mehr hoch zieht, weil er nicht mehr aus seinem Zockersessel raus kommt.
Es ist ein Hobby.
Und wie jedes andere Hobby, wie eigentlich jeder Handgriff im Leben, macht die Dosis das Gift. Das Maß entscheidet.
Ich kenne euch natürlich nicht und kann mir dahingehend kein Urteil erlauben, schon gar nicht, was die Erziehung angeht, aber ich bin der Meinung, dass du als Elternteil dieses besagte Maß jetzt festlegen kannst und solltest, aber dass striktes verbieten zu keinem sinnvollen Ergebnis führt. Deine Kinder können dieses Maß für sich noch nicht bestimmen, du schon. Und hey, wir waren alle mal Kinder... und wenn wir etwas wirklich wollten, haben wir Wege gefunden, das auch zubekommen, selbst wenn Mutti und Vati es verboten hatten. Daher ist es wohl besser wenn man mit führender Hand den Weg bestimmt, anstatt das Kind vor eine Mauer aus einem "Nein" zu stellen.
Ich hätte mir damals gewünscht (so wie es auch bei einem Bekannten gehandhabt wird), dass meine Eltern ein Anlaufpunkt für mich sind, um über dieses Hobby zu reden oder auch mal was davon zu zeigen, oder, dass man sogar mal mit mir spielt, anstatt eben immer nur gesagt zu kriegen "mach das blöde Spiel jetzt aus". Interesse an meinem Hobby seitens meiner Eltern, auch wenn sie nicht viel davon halten.
Denn auch wenn manchmal deswegen andere Sachen zu kurz gekommen sind, möchte ich die Zeiten nicht missen, weil sie mir auf unterschiedlichsten Ebenen Dinge, Werte, Abläufe vermittelt haben, die ich in Retrospektive als gut und wichtig bezeichnen würde.