Beiträge von melli

    Sorry, Nymphos, aber es ist kaum lesbar. Es fehlen die Satzzeichen! Ich habe diesen kleinen Abschnitt mehrfach lesen und mir die Satzzeichen dazu denken müssen, um ihm einen Sinn entnehmen zu können. Einen längeren Text ohne Satzzeichen wird niemand lesen.

    Dann solltest du auf die Zeit achten, die du verwendest. Mal schreibst du in der Vergangenheit, mal in der Gegenwart.

    Auch inhaltlich überzeugt mich dein Text nicht. Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es um eine entscheidende Schlacht, wo sich 5 Männekes grinsend auf zehntausende von Feinden stürzen und sterben? Wo ist der Sinn? Und wer ist Fiora?

    Alles in allem einfach nur sehr verwirrend. ?(

    LG
    Melli

    Danke. Das hier ist immer noch die allererste Rohfassung, ich verarbeite deine Kritiken im Originaltext. ^^
    Ich bin ganz happy, dass du meine Kampfszene nicht blöde fandest, denn Kämpfe zu beschreiben fällt mir schwer.

    Ich hab mir tatsächlich gedacht, dass Gembries Metalle mit Substanzen zu mischen versucht. Darauf kann ich aber nicht näher eingehen, denn dazu müsste er genau wissen, was er da tut und das weiß er nicht - er folgt einem Gefühl, mehr so einer fixen Idee. 8)
    Hm....ich lese aus deiner Antwort irgendwie heraus, dass du Gembries für einen Menschen hältst (vielleicht ist das Wunschlesen) und das gefällt mir. Er selbst hält sich ja auch dafür und weiß es nicht besser, aber ich fürchtete schon, dass ich ihn manchmal zu deutlich beschrieben habe. :D

    Die Nasen tief in die Futtersäcke vergraben, zogen die beiden Ochsen den rumpelnden Karren gleichmütig über die Strasse. Nie zuvor war Alastair aufgefallen, was für einen Höllenlärm der Wagen machte. An den Stangen, die die Plane trugen, hatte Gembries allerlei Zeug an Haken aufgehängt. Meist das, was er am häufigsten brauchte. Pfannen, Töpfe, einen Kessel, den Blasebalg für die Esse, Zangen, Hämmer verschiedenster Größen und noch einiges andere Werkzeug. Es klapperte und schepperte bei jeder Bewegung, die der Wagen machte. “Wo fahren wir jetzt hin?” “Erstmal raus aus dem Hoheitsgebiet der Feste, und zwar fix. Danach zu meinem Onkel, wie geplant.” Gembries schien tief in Gedanken versunken. “Er ist der einzige Mensch, dem ich zur Zeit noch traue, und vielleicht hat er eine Idee, wie wir den Hüter wach kriegen. Dann sehen wir weiter.” Alastair nickte. “Was mir am meisten Sorgen macht, sind die Kreaturen, die vielleicht bald nach uns suchen werden.” sagte Alastair leise. “Ich weiß nichts über die alten Geschichten. Aber ich weiß, dass die hohe Feste den Bann aufrecht erhält. Was ist, wenn der Verbrecher, der sich als Eliazar ausgibt, diesen Bann lockert? Was kommt dann auf uns zu?” “Ich hab keine Ahnung, Junge. Mein Onkel ist Gelehrter. Leider haben wir uns nie so gut verstanden, dass ich ihm lange zuhören wollte. Was sich ab sofort ändern wird.” Alastair nickte. Seit Stunden drehten sich seine Gedanken im Kreis, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Dankbar griff er die Möglichkeit auf, sich etwas abzulenken. “Warum versteht ihr euch nicht?” Gembries seufzte. “Keine Ahnung. Mein Vater und er waren Zwillinge. Zweieiig. Mein Vater war der Erstgeborene, ein ganzer Kerl und quietschgesund. Mein Onkel sagt, ich sehe ihm ähnlich. Mein Onkel hingegen ist eine mickrige Gestalt und war immer etwas kränklich. Da ich schon bei der Geburt Vollwaise wurde, bin ich bei meinem Onkel groß geworden. Er hatte einen Sohn, der nur etwas älter war als ich. Und der kam mit einem schwachen Herzen zur Welt. Ich glaub, mein Onkel hat das Gefühl, dass mein Vater ihm die guten Sachen schon im Mutterleib weg genommen hat. Und das sich dieses Erbe auch in der zweiten Generation zeigte. Es war schwer für ihn, zu sehen, wie sein Sohn dahinsiechte und ich gedieh.” “Oh.” “Das zum einen. Zum anderen war mein Cousin sehr intelligent. Er konnte Wissen aufsaugen wie ein Schwamm Wasser. Ich hingegen bin eher ein Mann des Praktischen. Was dazu führte, dass ich mich um die alltäglichen Dinge zu kümmern hatte, während mein Onkel ausschließlich damit beschäftigt war, Rador schlau zu machen. Ab etwa meinem vierten Lebensjahr hatte ich die Stellung einer ungeliebten Dienstmagd inne, und das hatte ich schnell satt. Wenn ich etwas satt habe, bin ich nicht gerade diplomatisch, wie du weißt. Vier Jahre ging es noch gut, dann war ich meinem Onkel körperlich überlegen. Und wenn ich nicht gegangen wäre, hätte es geknallt, aber heftig.” “Du bist schon mir acht Jahren aus dem Haus gegangen?” “Ja, aber nur, weil ich das Glück hatte eine Lehrstelle zu finden. Ein Schmied hat mich genommen.” “Dann bist du ein richtiger Schmied?” “Nein.” Ein grimmiges Lächeln spielte um Gembries Lippen. “Die Ausbildung zum Gesellen hätte sieben Jahre gedauert. Der Kerl hat mich nach 5 Jahren rausgeworfen. Seit dem friste ich mein Leben als Kesselflicker. Aber das war bisher ein gutes Leben, ich will nicht klagen.” “Warum hat er dich rausgeworfen?” “Weil ich der Meinung war, alles besser wissen zu müssen als er. Nach fünf Jahren hatte ich einiges gelernt, aber das, was ich machte, war mir nicht gut genug. Ich hab versucht, das Eisen zu verbessern, indem ich es mit verschiedenen Substanzen vermischte. Das hat aber nicht geklappt. Wahrscheinlich hatte ich die richtige Menge noch nicht raus. Er war es einfach nur zu schnell leid, mich sein Eisen versauen zu sehen.” Alastair musste grinsen. “Ich kanns mir vorstellen. Hast du deine Versuche wo anders weiterführen können?” “Nein, leider nicht. Es braucht eine große Esse, um Eisen zu schmelzen, nicht das kleine Feuerchen, mit dem wir arbeiten. Aber ich hab die Substanzen immer dabei, und wenn ich je wieder an eine große Esse komme, hält mich nichts mehr, das schwör ich dir. Ich weiß, dass es irgendwie funktionieren wird.” Gembries nahm die Peitsche und ließ sie über den Ochsen knallen. “Nur noch etwa eine Stunde, bis es dämmert.” murmelte er verbissen. “Und wir sind noch verdammt weit von dem Pass entfernt.” “Wir sollten den Elbenkönig warnen.” sagte Alastair unvermittelt. “Erst einmal müssen wir sehen, dass wir lebend hier weg kommen, bevor wir irgendwen warnen können.” “Ich weiß, aber trotzdem. Das ist wichtig. Die hohe Feste wird ihn überfallen.” “Ich weiß zwar nicht, ob Jiron Aell wirklich ein Elbenkönig ist, aber ich weiß sicher, dass er ewig weit weg wohnt. So schnell werden die den nicht überfallen können. Und noch sind sie dabei, ihre Truppen aufzubauen. Bis das Heer der hohen Feste marschbereit ist, wird’s wohl auch noch ein paar Tage dauern. Deswegen können wir das Problem beruhigt vertagen.”

    Nisha träumte schwer. Seit Stunden irrte sie mit Alastair durch die Dunkelheit. Die Angst würgte sie die ganze Zeit. Sie waren auf der Flucht vor etwas Schrecklichem, aber sie wussten nicht wohin sie fliehen konnten. Plötzlich traten sie in ein graues Licht und dort waren viele andere Menschen. Doch Erleichterung oder ein Gefühl von Sicherheit wollte sich einfach nicht einstellen. Die Menschen sahen alle schweigend voller Angst über Nisha und Alastair hinweg. Nisha wusste, wenn sie sich jetzt umdrehte, stand sie dem Feind gegenüber. Ihre innere Stimme sagte ihr, dass der Feind ihr nichts tun könne, solange sie ihm nicht ins Gesicht sah. Aber gegen ihren Willen drehte sie sich um. Hinter ihr stand ganze Armee schwarz verhüllter Gestalten, schweigend, bedrohlich. Eine der Gestalten trat vor und zog langsam seine Kapuze herunter. Nisha wollte nicht hinsehen, konnte ihre Augen aber nicht abwenden. Vaines Gesicht kam zum Vorschein. Seine blutroten Lippen waren zu einem teuflischen Grinsen verzogen, seine schwarzen Augen verhießen Tod und Verdammnis.
    Mit einem Schrei fuhr Nisha in die Höhe. Als sie Vaines Gesicht wirklich vor sich sah, weiteten sich ihre Augen vor Angst und sie wich unwillkürlich vor ihm zurück.
    “Nisha?” Die Plane wurde ein Stück zur Seite gezogen und Alastair sah besorgt herein. “Ich hab nur schlecht geträumt.” sagte sie mit belegter Stimme und strich verwirrt eine Strähne aus ihrem Gesicht. “Es ist schon gut.” Alastair sah, wie Vaine seine Schwester merkwürdig musterte. Dann verschloss sich das bleiche Gesicht und Vaine zog sich schweigend ans Ende des Wagens zurück, um hinten weiter Wache zu schieben. “Soll ich zu dir kommen?” “Danke, Alastair, aber das ist nicht nötig. Es war nur ein Alptraum. Jetzt bin ich wach.” Besorgt sah Nisha nach Eliazar. Er lag immer noch reglos auf dem Lager. Feine Schweisströpfchen bedeckten seine Stirn. Mit der Hand fühlte sie seine Temperatur, die schien aber normal zu sein. Alastair sah ihr zu und musste lächeln. Wie oft hatte sie das bei ihm gemacht, früher, als er noch ein Kind war. Mit Erstaunen stellte er fest, dass Nisha sich gar nicht verändert hatte. Von der Erschöpfung und der Tatsache, dass sie viel Gewicht verloren hatte mal abgesehen schien sie keinen Tag älter geworden zu sein. Und kein Stückchen größer. Alastair überragte sie um mehr als einen Kopf. “Können wir vielleicht anhalten und eine Pause machen?” fragte Nisha. “Ich würde Eliazar gerne etwas Wasser einflößen und das geht schlecht, wenn es so ruckelt.” “Tut mir leid, Nisha, das geht jetzt nicht. Wir wollen vor Anbruch der Dunkelheit den Pass erreichen, und wir haben so schon Mühe, das zu schaffen.” “Okay.” “Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?” “Ja, Alastair, es geht mir gut.” Alastair lächelte ihr noch einmal zu, dann ließ er die Plane wieder sinken. Nisha biss sich auf die Lippe. Vaine saß still wie eine Statue am Ende des Wagens und blickte nach draußen. Nisha fragte sich insgeheim, ob es ein Fehler war, die Umstände, unter denen sie Vaine gefunden hatte, zu verschweigen. Denn auch wenn sich an seinem Verhalten bisher nichts Böses gezeigt hatte, so war sie doch erleichtert gewesen, Eliazar lebend vorzufinden. Gleichzeitig schämte sie sich ihrer Gedanken. Etwas anderes erregte ihre Aufmerksamkeit. Es stank nach Urin. Betreten musste sie feststellen, dass Eliazar in nassen Decken lag. Nisha spürte, wie ihre Augen feucht wurden. Sie schätzte Eliazar sehr, und ihn jetzt so hilf - und würdelos daliegen zu sehen, ohne ihm helfen zu können, tat ihr weh. Aber erst mussten sie sich und ihn in Sicherheit bringen.
    Der Himmel hatte sich schon rot verfärbt, als Gembries in der Ferne die ersten Felsen durch die Bäume erkennen konnte. Sie näherten sich dem Pass. Erneut ließ er seine Peitsche in der Luft knallen, aber die Ochsen reagierten nicht mehr darauf. Sie waren am Ende. Normalerweise machte Gembries öfter Pause, damit sich die Tiere erholen konnten. Und der Wagen war durch das zusätzliche Gewicht von drei Menschen schwerer geworden. Besorgt runzelte Gembries die Stirn. “Wir werden heute Nacht ausspannen müssen. Die Tiere brauchen dringend Ruhe, sonst stecken wir morgen fest.” “Und wenn wir fliehen müssen?” fragte Alastair. “Die Ewige hat dir zwei Beine gegeben, Junge, die werden dann reichen müssen.” “Na toll.” Alastair dachte an Nisha und Eliazar, und Gembries finsteres Gesicht verriet, dass ihm das Problem durchaus bewusst war. “Du solltest nach hinten gehen und deine Schwester bewaffnen, gib ihr einen Dolch oder so, etwas, womit sie umgehen kann. Für den Fall der Fälle. Und du nimmst dir auch was für den Nahkampf, aber nur für den Notfall. Spiel heute Nacht nicht den Helden, Junge. Das machen Vaine und ich. Schick ihn mal zu mir.” Alastair nickte stumm und verschwand im Wagen.
    Gembries war an das Klappern seines Wagens so gewöhnt, dass seine Ohren normalerweise mühelos alle anderen Geräusche herausfiltern konnten. Er hörte Alastair hinten murmeln, aber als ihn eine Hand am Rücken berührte, zuckte er zusammen. Vaine konnte offenbar schleichen wie eine Katze. “Alles in Ordnung mit dir?” fragte Gembries. “Sicher. Warum?” “Bist du nicht müde nach eurer aufregenden Flucht?” Gembries drehte sich soweit um, dass er Vaine ins Gesicht sehen konnte. Der sah einen Moment lang aus, als fühle er sich ertappt. “Nein. Ich kann lange ohne Schlaf auskommen.” Sein Gesicht wurde wieder zu einer undurchschaubaren, bleichen Maske. “Ich mein ja nur. Jetzt wäre noch Gelegenheit, sich eine Mütze Schlaf zu nehmen. Nicht, dass du heute Nacht schwächelst. Da brauch ich dich in guter Verfassung.” “Keine Sorge, ich bin bereit.” lächelte Vaine. “Was ist mit dir? Willst du dich noch hinlegen?” Gembries überlegte einen Moment, schüttelte dann aber den Kopf. “Ich würde eh nicht schlafen können. Wir müssen heute Nacht die Ochsen ausspannen.” “Das habe ich schon gehört.” Vaine war unbeeindruckt. “Sprich, Flucht wäre keine Option.” “Das habe ich verstanden.” “In der grünen Kiste im Wagen ist noch ein Kettenhemd. Es ist nicht mehr besonders gut, etwas rostig, und es hat meine Größe, aber vielleicht solltest du es anziehen. Sicher ist sicher.” “Gib es dem Jungen, ich brauche es nicht.” Indigniert sah Gembries in das weiße Gesicht. Und überlegte, ob der falsche Eliazar vielleicht doch in einem Recht hatte und hier ein Schatten hinter ihm saß. “Wie du meinst.” sagte er nur und konzentrierte sich dann wieder auf die Ochsen.
    Die Strasse stieg nun steil an und ihr Untergrund wurde felsiger. Ein paar harte Stöße erschütterten den Wagen. Die Ochsen schwitzten und wurden merklich langsamer, und der Wald ging in eine karge Wiese über. Die Sonne selbst war schon nicht mehr zu sehen, aber noch leuchtete der Himmel in den Farben des Abendrots.
    Auf Geheiß Gembries setzte sich Alastair auf den Kutschbock und nahm die Zügel. Gembries selbst begann, den Wagen von hinten zu schieben. Tatsächlich schien seine Kraft zu reichen, es den Ochsen etwas leichter zu machen. Vaine saß am Ende des Wagens und hatte Alastairs Langbogen zur Hand, falls ausgerechnet jetzt Verfolger auftauchen sollten. Mühsam bewegte sich der Wagen die steile Strasse weiter hoch. Inzwischen ragten Felswände zu beiden Seiten auf. Sowohl Gembries wie auch seine Ochsen kannten den Lachiell gut, und kaum hatten sie die Felsgrenze erreicht, mobilisierten die Tiere ihre letzten Kräfte und wurden etwas schneller. Nach etwa fünfhundert Metern erreichten sie eine kleine Hochebene, wo sich zur Rechten ein Bach durch eine üppige Wiese schlängelte. Sobald sie diese erreicht hatten, blieben die Ochsen einfach stehen und warteten mit sehnsüchtigen Blicken aufs saftige Gras darauf, ausgeschirrt zu werden. Gembries sicherte die Hinterräder mit Holzklötzen, da die Strasse immer noch, wenn auch kaum merklich, ein leichtes Gefälle hatte, Alastair befreite die Tiere aus ihrem Joch und brachte sie zum Gatter, dass Gembries mittlerweile auf der Wiese errichtet hatte. Dem sonnigen Tag folgte eine sternenklare Nacht, und inmitten der funkelnden kleinen Punkte erhob der Mond stolz sein rundes Antlitz. Es war hell genug, die Umgebung noch zu erkennen. Bis an die Zähne bewaffnet standen die drei Männer am Wagen und beobachteten die Strasse. Nisha mühte sich, Eliazars Decken auszutauschen. “Habt ihr vielleicht ein Stück Seife im Wagen?” fragte sie Gembries. Alastair grinste, sprang kurz in den Wagen und reichte ihr eins. “Danke.” sagte sie und machte sich mit den Decken, der Seife und einem Krug auf den Weg zum Bach. Das Wasser war so kalt, dass ihre Hände schmerzten, aber es tat gut, sich zu beschäftigen. Sie wrang die Decken aus und legte sie zum Trocknen auf Felsen. Dann füllte sie den Krug mit Wasser und ging in den Wagen zurück. Eliazar war immer noch in seiner tiefen Bewusstlosigkeit und reagierte auf gar nichts. Nisha nahm seinen Kopf auf den Schoss und versuchte, im tröpfchenweise das Wasser einzuflößen, aber es lief ihm aus den Mundwinkeln wieder heraus. Er schluckte nicht ein einziges Mal, so oft sie es auch versuchte.
    Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Alastair sich aufrichtete. Auch Vaine spannte sich, und Gembries griff zu seinen Waffen. Nisha legte sich ganz still neben Eliazar, schloss die Augen und schickte Gebete zur Ewigen.
    In der Ferne war Hufgetrappel zu hören. Alastair hatte den Bogen in der Hand und nahm einen Pfeil, spannte die Sehne aber noch nicht. Ihre Jäger hatten den Wald noch nicht verlassen. Er versuchte, die Anzahl der Pferde zu schätzen. “Etwa ein Dutzend.” flüsterte er. Gembries nickte kurz. Er hatte in beiden Händen je eine Streitaxt und schien nur darauf zu warten, sie zum Einsatz bringen zu können. Vaines Hände waren leer, aber zum Zugreifen bereit. Seine Arme waren leicht angewinkelt nah an seinem Körper. An seiner Seite trug er ein Schwert, und in seinem Gürtel steckten alle Dolche, die er in Gembries Wagen hatte finden können.
    Die Pferde näherten sich schnell. Als Alastair den ersten Reiter aus dem Wald kommen sah, spannte er seinen Bogen und schoss. Schneller, als ein Auge gucken konnte, hatte er bereits den nächsten Pfeil auf der Sehne und schoss erneut. Inzwischen waren gut ein Dutzend Reiter aus dem Wald gekommen. Sie jagten ihre Tiere über die Strasse und waren auf der kargen Wiese gut zu erkennen. Alastair wusste, dass sein Langbogen auf die Entfernung traf, er hatte es auf der Jagd mehr als einmal bewiesen. Aber keiner der Reiter zeigte eine Reaktion auf die Pfeile, obwohl er mindestens zwanzig abgefeuert hatte. “In den Wagen, Junge.” zischte Gembries und setzte ein “Sofort!” hinterher, als Alastair erneut nach einem Pfeil greifen wollte. Die Reiter waren nur noch fünfzig Meter entfernt. Plötzlich bewegte sich Vaine und warf in rasender Schnelligkeit seine Dolche. Als sein Gürtel leer war zog er sein Schwert. Nicht ein einziger Reiter war gefallen, und sie erreichten das Hochplateau.
    Gembries war davon ausgegangen, dass die Reiter bis zu den Haarspitzen gerüstet waren und ihnen deshalb Pfeile und Dolche nichts anhaben konnten. Das fahle Mondlicht offenbarte ihm seinen Irrtum. Die Männer, die auf den Pferden herangeschossen kamen, waren schon tot. Ihre Gesichter waren wachsig gelb, manchen fehlte ein Auge, einer hatte ein klaffendes Loch im Hals, manchen hatte man die Kehlen durchgeschnitten. Einem hing der Kopf etwas seitlich. Andere hatten nur große dunkle Flecken auf ihrer Kleidung, meist in der Herzgegend. Vielen steckten Pfeile und Dolche im Körper. Auch die Pferde waren schon tot, manche durch beginnende Verwesung bereits aufgebläht. Ein schwaches rötliches Glimmen war in den Augen der Pferde und der toten Reiter zu erkennen. Gembries spürte, wie sein Herz vor Entsetzen ein paar Mal stolperte. Gebrochene Augen erfassten das Ziel und die toten Reiter griffen zu ihren Waffen. Sie bewegten sich im Gegensatz zu ihren Tieren schwerfällig und ungelenk. “Na dann auf ein Neues, Jungs.” murmelte Vaine und sprang mit seinem Schwert auf sie zu. Gembries krampfte seine Fäuste um seine Beile und stürzte sich ins Getümmel. Es war einfach nur widerlich. Die toten Reiter bewegten sich so langsam, dass es ein leichtes war, ihnen den Arm abzuhacken, bevor sie mit dem Schwert zuschlagen konnten. Nur durch ihre Überzahl konnten sie den einen oder anderen Treffer landen, zumindest bei Gembries, der aber durch sein Kettenhemd geschützt war. Vaine war für sie zu schnell. Wie ein Tänzer duckte und drehte er sich unter den Schlägen weg, während sein Schwert alles zerschnitt, was ihm in den Weg kam. Die Getroffenen bluteten nicht. Sie schrien oder stöhnten auch nicht. Aber sie kämpften weiter. Auch die Pferde kämpften jetzt und versuchten, nach den beiden Angreifern zu treten. Sie waren erheblich schneller, bäumten sich auf und warfen zum Teil ihre Reiter ungewollt dabei ab. Gembries Klingen durchschlugen etliche Pferdebeine. Die Tiere fielen um, wenn ihnen die Vorderbeine fehlten, doch noch im Liegen keilten sie mit den Hinterbeinen nach den Männern aus. Tote Reiter ohne Arme kamen mit geöffneten Mündern auf sie zugekrochen und versuchten, sie zu beißen. Gembries schlug blindlings nach allem, was sich in seiner Nähe bewegte. Die Augen traten ihm dabei vor Entsetzen fast aus den Höhlen und er spürte, wie er kurz davor war, wahnsinnig zu werden. Vor ihm schlug Vaine einem kriechenden Beißer den Kopf ab. Ein grauer Nebel löste sich aus dem Hals, stieg mit einem leisen, klagenden Heulen in die Luft und löste sich dort einfach auf. Der Körper blieb still liegen. “Aha, so geht’s also! Runter mit den Rüben!” rief ihm Vaine zu und schlug nun gezielt nach den Köpfen von Mensch und Tier. Gembries tat es ihm gleich. Nach wenigen Minuten hatten sie den Alptraum beendet. Nichts rührte sich mehr, und der Boden war übersät von Leichenteilen. Ungerührt begann Vaine, seine Dolche einzusammeln und Alastairs Pfeile aus den Körpern zu ziehen. Gembries wandte sich ab, beugte sich vornüber und kotzte. “Ich muss gestehen, ich hätte dich nicht für so sensibel gehalten.” grinste Vaine ihn leicht spöttisch an, als er sich wieder umdrehte. “Das war einfach nur ekelhaft. Grässlich. Ich glaube, das wird mich bis in meine Träume verfolgen.” Gembries spuckte noch mal aus und wischte sich mit dem Unterarm über den Mund. “Zumindest ging die erste Runde an uns, und nur das zählt.” sagte Vaine. Gembries spürte einen kalten Schauer über seinen Rücken laufen. “Du meinst, die haben noch mehr davon auf Lager?” fragte er mit einem Kopfnicken zum Schlachtfeld hin. “Davon nicht, aber sie werden was anderes schicken.” “Woher willst du das wissen?” “Die Reiter waren noch keine vierundzwanzig Stunden tot. Offenbar ging das nur mit frischen Leichen, und mehr hatte ich ihnen nicht hinterlassen.” Vaine zwinkerte ihm zu. Gembries schnaubte und ging dann zum Wagen. Alastair hockte mit immer noch weit aufgerissen Augen und ziemlich blass am Ende des Wagens, er hatte alles mit angesehen. Noch etwas zeigte sich in seinem fein geschnittenen Gesicht, und das war Entschlossenheit. “Ich geh wieder in Stellung. Vaine, könntest du mir die Pfeile geben? Vielleicht haben wir beim nächsten Mal ja mehr Glück damit.” sagte er flach und sprang aus dem Wagen. “Wie geht’s deiner Schwester?” fragte Gembries. “Nisha liegt neben Eliazar und schläft.” “Wie bitte?” Alastair lächelte schwach. “Ich weiß von früher, dass sie immer die Augen zugemacht hat, wenn ihr irgendwas Angst eingejagt hat - und offenbar ist sie heute dabei eingeschlafen.” Alastair zuckte die Schultern. “War wahrscheinlich das Beste, was sie machen konnte, oder?” Gembries runzelte die Stirn. “Bin ich etwa wirklich sensibel?” murmelte er leise vor sich hin.

    Ich habe zuletzt Wolfsrache von Nicholas Pekearo gelesen. Es ist ein Thriller und die Hauptperson ein Werwolf. Und den fand ich enorm gut dargestellt - da war mal nix mit der Romantik. Der Werwolf war ein ziemlich fertiger Typ mit sehr deutlicher Sprache und einem großen Problem. Er konnte sich an das, was in Vollmondnächten geschieht, nicht erinnern und hatte kaum Einfluss auf seinen Wolf. Wie er versucht, sich mit seinem Fluch zu arrangieren und den Wolf zu kontrollieren und wie er manchmal damit scheitert war klasse zu lesen.

    Ich hab mal Runes of Magic gespielt, aber das war ein absoluter Speicherfresser auf meinem PC. Jetzt spiel ich seit 3 Jahren Farmerama :D und hab ein paar Figuren bei Drankensang online. Da zock ich aber meist nur im Winter.

    “Boah!” Ehrfürchtig staunte Alastair die hohe Feste an. Seit sie um die letzte Kurve geritten waren und damit die Bergflanke passiert hatten, hinter der sich die Feste verbarg, hatte der Junge den Mund nicht mehr zugemacht. Gembries konnte es ihm nicht verdenken. Sie hatten Glück. Die Sonne schien, die weißen Mauern leuchteten vor dem dunklen Fels, der versprochene Regenbogen spannte einen vielfarbigen Rahmen um die hohen, schlanken Türme und Tauben flogen in großer Zahl um die vielen Fensteröffnungen. ”Ich hab noch nie etwas so Schönes gesehen. Diese Feste hat etwas so …Edles.” “Hmhm.” brummte Gembries nur. “Stimmt es, dass die Feste auch eine Schule ist?” “Hmhm.” “Aber nur für Menschen mit magischen Fähigkeiten, oder?” “So sagt man.” “Schade, dass ich keine habe.” Die Pause währte nur kurz.
    “Was meinst du, haben die auch eine Fußballmannschaft?” “Klar. Aber die ist nicht so gut.” “Warum nicht?” Gembries zuckte ergeben die Schultern. “Vielleicht verträgt sich die Zauberei nicht mit dem wilden Bolzen auf dem Platz.” “Warst du schon mal drin?” “In der Feste?” “Ja.” “Sicher. So etwa jedes zweite Jahr mache ich auf meiner Tour hier gute Geschäfte.” “Kennst du hier auch ein gutes Gasthaus?” “Alle.” Alastair grinste. “Und kann ich hier vielleicht irgendwo meine Sachen waschen lassen und ein Bad nehmen?” “Wozu?”
    Mit einem betont kritischen Blick wanderten Gembries Augen an der von vielen grünen Streifen verschmutzten Kleidung des Jungen herab. “Das bleibt doch kaum vier Stunden sauber.”
    “Ich gelobe Besserung. Aber in so einem edlen Gemäuer will ich nicht rumlaufen wie ein Frosch.” “Möchtest wohl Eindruck schinden, was?” Alastair wurde rot. “Du musst dich ja für mich schämen, so wie ich grad aussehe. Und das, wo du mir all die schönen neuen Sachen gekauft hast.”
    “Was wollen die denn?” Mit zusammen gekniffenen Augen starrte Gembries gegen die Sonne. Ein Trupp Berittener hielt auf sie zu. Alastairs Augen waren besser als die des Kesselflickers. “Sie tragen die Farben rot und blau und einen weißen Baum als Wappen.” “Wachen der Feste also. Seltsam, wir sind ja noch nicht mal um den Berg rum.” “Wir sollten vielleicht einfach Platz machen und sie vorbei lassen?” “Fröschlein, ich glaube, die wollen zu uns.” Tatsächlich kamen die Wachen mit sehr ernsten Gesichtern genau auf ihren Wagen zu. “Guten Morgen.” schnarrte der Hauptmann schon, “Wohin des Wegs?” “Na, zur Feste?” antwortete Gembries respektlos. Die Augen des Mannes verengten sich etwas. Auf ein kurzes Kopfnicken hin sprangen drei der sieben Reiter von ihren Tieren. Zwei der Männer kletterten hinten in den Wagen und begannen, ihn zu durchsuchen. Einer legte sich auf die Erde und guckte unter den Wagen. Alastair konnte spüren, wie es in Gembries zu kochen begann. “Wenn ihr mir sagt, was ihr genau sucht, kann ich euch vielleicht behilflich sein.” Der Hauptmann setzte sich noch etwas gerader auf sein Pferd und zog die Zügel an. “Ich bedaure euch davon in Kenntnis setzen zu müssen, dass drei Schwerverbrecher aus der Feste geflohen sind. Bis auf Weiteres ist Fremden der Zugang zur Feste nicht gestattet. Außerdem bittet der Hüter darum, umgehend das Hoheitsgebiet der Feste zu verlassen, zu eurem eigenen Schutz.” “Wir können auf uns aufpassen, Herr Hauptmann.” Mit diesen Worten schlug Gembries seinen Umhang zurück und gab den Blick auf seinen gewaltigen Körper und die Axt in seinem Gürtel frei. “Das mag unter normalen Umständen der Fall sein, aber die Verbrecher verfügen über Fähigkeiten, gegen die eure Axt machtlos ist, ich bedaure. Würdet ihr also bitte euren Wagen wenden und fortfahren? ”blieb der Hauptmann unbeeindruckt. Stumm fochten sie ein Duell mit ihren Blicken aus. “Ich werde das Hoheitsgebiet umgehend verlassen, Herr Hauptmann. Und zwar indem ich dieser Strasse weiter folge, an der Feste vorbeifahre und hinten aus eurem Gebiet heraus.” “Guter Mann, dass darf ich euch nicht erlauben auf Anweisung vom Hüter selbst.” “Dann möchte ich umgehend den Hüter selbst sprechen, um von ihm die Erlaubnis zu erhalten. Er kennt mich nämlich persönlich, und ich bin sicher, das kleine Missverständnis ist schnell beseitigt.” Zum ersten Mal zeigte sich etwas Unsicherheit auf den Zügen des Hauptmanns. “Dann seid so gut und folgt mir.” schnarrte er schließlich. Begleitet von den Wachen, rumpelte der Wagen weiter die Strasse entlang. Alastair fühlte sich etwas unbehaglich. Gembries war ein feiner Mann und der beste und treueste Freund, den er jemals hatte, aber sein Starrsinn und seine hohe Konfliktfreudigkeit waren Alastair manchmal peinlich. Alastair selbst war immer bemüht, sehr freundlich zu dem Menschen zu sein und möglichst erst gar keinen Ärger aufkommen zu lassen. Verlegen ließ er seinen Blick über die Landschaft schweifen in der Hoffnung, dass man seine Anwesenheit gar nicht wahrnahm. In einem langen Bogen führte sie die Strasse über sanfte Hügel durch eine Blumenwiese, die sich bis zur Steilwand erstreckte. Hinter dem Grat konnte Alastair das junge Grün einiger Baumkronen erkennen, und als sie den Grat passierten, lag ein großes, rundes Tal vor ihnen. Zur Linken schmiegte sich ein Mischwald mit hohen Bäumen an den Berg und grenzte an die Ufer eines Sees, der dem Berg zu Füssen lag. Im tiefblauen Wasser spiegelten sich weiße Wölkchen, die über den Himmel zogen. Zur Rechten lag eine weitere große Wiese, die mit einem Saum aus Büschen gegen einen hügeligen Wald abgegrenzt war.
    Der Berg Anzahar war auf dieser Seite weniger steil, und die Strasse führte an dem See vorbei. Eine Abzweigung schlängelte sich dann in seinem Rücken in Serpentinen am Berg empor, mal war sie von unten zu sehen, mal verschwand sie im Stein. Und über allem thronte die hohe Feste, deren gigantische Ausmaße erst wirklich sichtbar wurden, wenn man den Berg fast umkreist hatte. Fast widerwillig wandte Alastair seine Aufmerksamkeit dem Ende der Strasse zu, denn dort standen einige Menschen, zum Teil mit Wagen, zum Teil zu Fuß, und warteten. Er erkannte auch Gruppen von berittenen Wachleuten. Einige Wachen hatten auf der Strasse eine Barriere gebildet, so dass niemand der Reisenden weiter konnte. “Gesellt euch zu den anderen. Der Hüter selbst wird gleich zu euch sprechen.” Der Hauptmann zügelte sein Pferd und seine Männer taten es ihm gleich. Erst, als er sicher sein konnte, dass die Wachleute an der Barriere auf den Wagen aufmerksam geworden waren, wendete er sein Tier und ritt mit seinen Männern zurück. “Schöner Mist.” schimpfte Gembries. “Als ob ich für so ein paar blöde Strauchdiebe einen Umweg von mindestens drei Wochen auf mich nehme. Pah.” Wütend spuckte er aus. “Die haben sie doch nicht mehr alle stramm!” “Es scheint sich um mehr als nur Strauchdiebe zu handeln, Gembries.” warf Alastair vorsichtig ein. “Wenn ich die Wachen richtig verstanden habe, sind da verbrecherische Zauberer geflohen. Ich hab noch nie Magie bei jemandem gesehen, Gembries, ich weiß nicht, was man damit anstellen kann. Und du?” Finster starrte der Mann vor sich hin. “Nein, auch nicht.” gab er unwillig zu. “Zauberer sind selten gesät in unseren Tagen. Der Ewigen sei Dank!” fügte er heftig hinzu. “Kennst du den Hüter wirklich persönlich?” “Japp.” “Darf ich fragen woher?” “Mein Cousin litt an einem seltenen Herzfehler. Er hat uns ein paar Mal besucht, um den Verlauf zu beobachten und ihm Linderung zu verschaffen. Mein Onkel war damals zu nichts mehr zu gebrauchen, er hat den Kummer um seinen Sohn mit Alkohol ertränkt. Eliazar hat ihn davon geheilt.” “Du hast noch nie einen Cousin erwähnt.” “Er starb letztes Jahr.” “Das tut mir leid. Und dein Onkel? Hat er sich wieder gefangen?” “Ach der. Ja, er säuft nicht mehr, wenn du das meinst. Aber sonst hat er bei aller Gelehrtheit einen ziemlich großen Knall davongetragen.” Alastair musste grinsen. “Wieso?” “Na das wirst du ja selbst sehen.” Gembries schüttelte den Kopf. “Wenn du es schaffst, wäre ich dir sehr dankbar, wenn du mir die alte Krähe vom Hals halten könntest. Wir verstehen uns zur Zeit nicht besonders.” brummte er. “Okay.” “Und jetzt lass uns mal gucken, was hier los ist.” Gembries ließ mit finsterer Miene die Ochsen einfach langsam in die Menge trotten, was die Leute murrend zum Ausweichen zwang. Böse Blicke verfolgten sie und manch einer hatte schon Luft geholt, bis ihn ein Blick auf den Kutschbock zur Vorsicht riet. Unbehelligt schafften sie es nach ganz vorne. Die Wachen standen nebeneinander und hielten ihre Hellebarden aufrecht. Sie begegneten dem unwilligen Murmeln der Menschen mit ausdruckslosen Gesichtern. “…noch nie vorgekommen.” und …”Frechheit, so was…” hörte Alastair aus den Gesprächsfetzen. Hufgeklapper war zu hören. Die Wachen traten beiseite, um eine weitere Abteilung Berittener durchzulassen. Dieses Schauspiel wiederholte sich in wenigen Minuten drei mal. Langsam fragte sich Alastair, was das für Verbrecher waren, die da gesucht wurden, und auch die Wut der Menge wich einer unbestimmten Angst. Dann kam von oben eine halbe Armee die Strasse herunter. Diesmal legten die Wachen ihre Faust aufs Herz, als sie zur Seite traten. Die vordersten Reihen der Reiter schwärmten in Gruppen aus und gaben die Sicht frei auf einen großen alten Mann, der vor dem Rest seiner Armee in einem silbrig grauen Gewand sehr aufrecht auf einem Apfelschimmel saß. Der Hüter der Feste persönlich. Sein langes weißes Haar umrahmte ein schmales Gesicht, in dem die leicht vorstehenden Augen und die hoch angesetzten Augenbrauen dominierten. Seine Stirn war zerfurcht von Querfalten, die Nase lang und die Lippen unter dem weißen Bart schmal. Es war kein schönes Gesicht, aber ein beeindruckendes, eins, das man nicht vergaß. Die Menge verstummte. “Ich weiß, dass viele von euch einen weiten Weg zurücklegen mussten, um hierher zu gelangen. Ich weiß, dass viele von euch dafür auch Entbehrungen und Gefahren auf sich genommen haben.” Seine Stimme war angenehm, fest und volltönend und seine Augen schienen jeden in der Menge direkt anzusehen. Um Worte suchend, machte er eine Pause. “Dunkle Zeiten brechen an.” sagte er leiser und machte noch eine kleine Pause, damit die Menschen seine Worte sacken lassen konnten. “In diese Feste, dem Ort der Gelehrtheit, dem Ort, der seit 500 Jahren Sinnbild ist für die Kraft, die Ehre und den Edelmut der Menschen” wieder schien er jeden einzeln anzusehen “…ist ein Schatten eingedrungen.” Es war totenstill. Einen Moment hofften die Menschen, dass er noch etwas hinzufügt, ein Schatten der Korruption, ein Schatten der Ungerechtigkeit, irgendetwas. Es kam nichts weiter. Betroffenheit machte sich breit. “Aber…aber wie ist das möglich? Es gibt doch gar keine Schatten mehr. Der Bann hält sie doch fern?” fragte ein reich gekleideter Kaufmann fassungslos. “Wir alle wissen, dass vor 500 Jahren, am Ende der großen Kriege, der Bann gewirkt wurde, der uns Menschen Schutz bot vor den alten Völkern.” sagte Eliazar. “Aber nur wenigen ist bekannt, dass das Wirken des Bannes mehrere Tage in Anspruch nahm. Und in diesen Tagen noch tobten die letzten erbitterten Kämpfe zwischen den Menschenarmeen und den Heeren der Alten.” Er vergewisserte sich der ungeteilten Aufmerksamkeit, bevor er fortfuhr. “König Guntram von Weißenburg, einer der tapfersten und edelsten Könige dieser Zeit, hatte mit seinem Heer das Heer der Elben und ihres Großkönigs Anju Aell nahezu aufgerieben, als vom Himmel seltsame Lichter fielen und den Bann ankündigten. Da wusste der Elbenkönig, dass die Stunden seines Volkes gezählt sind und ließ sich zu einer schändlichen Tat herab. Er ließ seine Männer im Stich, stahl sich an Guntrams Heer vorbei in die Burg des edlen Königs - und dort warf er seinen verfluchten Elbenzauber über Guntrams Königin und lag ihr bei. Mit dem Erstarken des Banns verschwanden die Elben vollständig aus dieser Welt, wie auch alle anderen alten Völker. Guntrams Frau aber, die sich aufgrund des Elbenzaubers nicht erinnern konnte, dem Elbenkönig je begegnet zu sein, schenkte neun Monate später einem Sohn das Leben. Sie starb bei dessen Geburt, wie alle Frauen sterben bei der Geburt eines Elbenbastards. Aber auch sonst sterben Frauen im Kindbett, und niemand dachte sich etwas dabei.
    Der Junge wuchs zu einem edlen Mann heran. Und nach dem Tode Guntrams übernahm er die Krone und wurde ein weiser und gerechter Herrscher. Und er regierte sein Volk zweihundertdreißig Jahre lang! Denn wisset, ihr Leute, wenn sich ein Elb zu einer Menschenfrau legt, wird das Kind immer ein Junge und immer ein vollblütiger Elb.”
    Eliazar legte erneut eine kurze Pause ein. “Allerdings kann ein Elb nur ein einziges Mal in seinem langen Leben ein Kind mit einer Nicht Elbin zeugen. Die damaligen Hüter der Feste haben lange überlegt, wie sie mit dieser Situation verfahren sollten. Und kamen überein, sie zu belassen. Denn das Volk des Elben liebte seinen König und war ihm treu ergeben. Inwiefern er mit Elbenzauber nachhalf, ist nicht geklärt. Aber auch so schien ein einzelner Elb in dieser Welt keinen Schaden anrichten zu können und sich in die Gemeinschaft der Menschen zu fügen. Zumindest galt dies für die ersten beiden Elbenblutkönige, auch wenn sie ganz offen ihren menschlichen Namen ablegten und sich fortan Aell nach ihrem wahren Vorfahren nannten. Doch der dritte dieser Linie, Jiron Aell….” Eliazar suchte erneut nach Worten. “Er heiratete erst im höheren Alter die Schwester des Großkönigs Alasthorn von Thulien und verbündete sich damit mit einem der stärksten Könige der Menschheit. Er hat seine Burg Irieldaj über Jahrzehnte zu einer unbezwingbaren Festung ausbauen lassen.” Eliazar holte tief Luft. “Vor ein paar Wochen nun musste ich sehr zu meiner Bestürzung feststellen, dass meine langjährige persönliche Dienerin eine Spionin in Aells Auftrag war. Nur die Ewige weiß, was sie ihm alles verriet. Zum ersten Mal zeigt der Elb damit seine wahren Absichten. Ich ließ die Frau sofort einkerkern, um sie später vernehmen zu können. Leider hatte ich mich doppelt in ihr getäuscht. Sie war nicht nur eine Spionin, sondern auch eine Hexe, und es gelang ihr tatsächlich, einen Schatten zu beschwören, der ihr zur Flucht verhalf. Und nicht nur das. Sie haben einem der Wachen einen Fluch auferlegt. Er sieht jetzt so aus wie ich, lebt aber kaum noch. Wer weiß, was in ihm steckt und ich ahne, was sie mit ihm vor hatten. Es scheint, als würde der letzte Elbenkönig selbst vor einem Bündnis mit der Finsternis und übelsten Schlichen nicht zurückschrecken, um nach so langer Zeit schreckliche Rache zu nehmen für die Vernichtung seines Volkes.” Eliazar seufzte tief und die Menschen mit ihm. “Dieser Schatten hat auf der Flucht eine blutige Spur hinterlassen, eine sehr blutige. Viele Frauen weinen heute um ihre Männer, die nicht mehr heimkommen werden.” Mit gesenktem Blick gedachte er der Toten. Mit ernstem Gesicht sah er auf. “Sie sind noch auf der Flucht. Die Ewige allein weiß, was ein Schatten anzurichten vermag oder welche Zauber die Hexe noch beherrscht. Deshalb kann ich nicht anders handeln, als alle Reisenden strikt aus dem Hoheitsgebiet der Feste zu weisen, bis wir die Verräterin und ihren mordenden Unhold gefasst und vernichtet haben. Die Wachen werden euch Geleitschutz geben bis an die Grenze. Um Aell werden wir uns kümmern, wenn seine Handlanger gefasst sind. Die Gnade der Ewigen sei mit euch.”
    Mit einem Kopfnicken des Hüters setzten sich die Soldaten in Bewegung, um die Reisenden in ihre Mitte zu nehmen.
    Erschüttert von den schlechten Nachrichten fügten sich die Leute in ihre sofortige Abreise. Sie waren ja froh, dass ihnen Schutz geboten wurde. Nur Gembries blieb einfach mit seinem Wagen stehen. Alastair saß wie betäubt neben ihm. Er konnte kaum glauben, was er eben alles gehört hatte. Der Hüter sah Gembries fragend an. “Auf ein Wort bitte, Eliazar.” bat Gembries. Irritiert kam Eliazar näher. “Was gibt es denn, guter Mann?” Ungeduld ließ ihn leicht unfreundlich wirken und sein Pferd begann, unruhig zu tänzeln. “Zunächst einmal ist es schön, euch wieder zu sehen, wenn auch unter traurigen Umständen.” Gembries deutete eine Verbeugung an. “Ich versichere euch, ich habe euch gut zugehört. Und ich möchte euch meine Hilfe und Unterstützung anbieten. Erlaubt mir, der hohen Feste meine Loyalität zu beweisen.” Gembries legte feierlich die Hand aufs Herz. “Der Junge und ich könnten mit dem Wagen über den Lachiell Pass aus eurem Hoheitsgebiet entschwinden. Ich verlange dafür keine Eskorte. Ihr wisst, dass ich genauso gut kämpfen kann wie drei eurer Männer, und auch der Junge weiß sich zu verteidigen. Sollten wir auf die Gesuchten stoßen oder uns etwas seltsam erscheinen, werden wir euren Männern hiermit sofort ein Signal geben.” Mit einem Griff holte Gembries ein Horn unter seinem Sitz hervor. “Es ist weithin zu hören. Somit hättet ihr vier Augen mehr, die euch bei der Suche helfen, wenn auch nur vorübergehend. Und sollte uns etwas zustoßen, wird euch niemand einen Vorwurf machen, denn ich war hier und habe eure Rede gehört und viele Menschen können das bezeugen.” Eliazar überlegte, und Misstrauen schlich in seinen Blick. “Warum solltet ihr das tun wollen?” ´”Aus Dankbarkeit für eure Hilfe damals.” Gembries lächelte ihn offen an. “Und weil ich über den Lachiell etwa drei Wochen Reisezeit spare.” setzte er ehrlich hinzu. “Ihr wisst, dass ich niemanden fürchten brauche.” Eliazar zuckte die Schultern und holte ein Stück Papier aus seiner Satteltasche. “Auf eure Verantwortung, guter Mann. Habt Dank und die Ewige begleite und schütze euch.” Er übergab Gembries einen Passierschein, wendete sein Pferd und ritt die Strasse zur Feste hoch. Gembries schnalzte den Ochsen zu und
    Folgte der Strasse zum Pass.
    Es blieb sehr still neben dem Kesselflicker.

    Insgeheim fragte sich Gembries, ob er zu weit gegangen sei mit seiner eigenmächtigen Entscheidung. Da der Junge bisher jederzeit hätte gehen können, wenn ihm was nicht passte, hatte er es beibehalten, seine Entscheidungen ohne vorherige Absprachen zu treffen. Er war es so gewohnt. Zuvor war er immer allein unterwegs gewesen und fühlte sich niemandem verantwortlich. Aber jetzt hatte er den Jungen in Gefahr gebracht und der konnte nicht weg. Nicht, dass Gembries sich fürchtete, auch nicht vor einem Schatten oder einer Hexe. Es brauchte gewiss Zeit, um Zauber zu wirken, und er war sehr schnell mit seiner Axt, wenn es drauf ankam. Genauso, wie der Junge sehr schnell mit seinem Bogen war.
    Aber vielleicht würde der Junge seine Entscheidung zum Anlass nehmen, sich bei der nächsten Gelegenheit von ihm zu verabschieden und sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Er hatte eine schnelle Auffassungsgabe und war geschickt in allen Arbeiten, die man ihm auftrug. Und er hatte ein sehr sonniges Gemüt, war zwar manchmal noch sehr naiv und manchmal plapperte er zuviel, aber mit seiner Lebensfreude und seiner Aufrichtigkeit war er ein angenehmer Zeitgenosse. Er würde bestimmt schnell jemanden finden, der ihn als Lehrjungen bei sich aufnahm.
    Zu seinem Erstaunen entdeckte der Kesselflicker, dass ihm dieser Gedanke gar nicht behagte. Er hatte sich an den Jungen gewöhnt. Und er würde ihm fehlen.
    Dann schalt er sich einen Narren. Eines Tages würde Alastair sowieso gehen. Vielleicht, um einen Beruf zu erlernen, vielleicht, um eine Familie zu gründen, vielleicht, weil er es einfach satt hatte, ständig durch die Gegend zu ziehen. Wahrscheinlich war er überhaupt nur so lange mit ihm unterwegs, weil er noch nichts von der Welt kannte und sie sich erst anschauen wollte, bevor er sich entschied, an einem Ort zu bleiben und sesshaft zu werden. Und überhaupt sollte er jetzt lieber aufmerksam sein anstatt sich seltsamen Gedanken hinzugeben. Die Strasse führte noch etwa tausend Meter durch offenes Gelände, dann in einen Wald. Und verwundert stellte Gembries fest, dass von den vielen Wachleuten, die von der Feste ausgerückt waren, nicht ein einziger zu sehen war. Schon die ganze Zeit nicht.
    “Du, Gembries?” “Hm?” “Hast du gewusst, dass es noch einen Elbenkönig gibt?” “Hm? Nein. Ich wusste, dass es einen König namens Jiron Aell gibt, aber nicht, dass er ein Elb ist.” “Boah, was für eine Geschichte. Ich bin noch ganz beeindruckt. Überleg doch mal, ein Elbenkönig!! Irgendwie finde ich es schade, dass er böse ist. Verstehen kann ich es zwar, wo sein ganzes Volk tot ist, aber trotzdem….Was für eine Geschichte. Und was für ein Mann. Den Hüter mein ich jetzt. Wer hätte gedacht, dass ich ihm je gegenüberstehe. Findest du nicht auch, dass er schon wahnsinnig klug und mächtig aussieht?” “Hmhm.” “Kannst du mir bitte alles erzählen, was du über den Elbenkönig gehört hast?” “Ein anderes Mal, Fröschlein. Vergiss nicht, dass hier Verbrecher unterwegs sind. Wir sollten lieber wachsam sein und uns nicht in Gespräche vertiefen.” “Ja, du hast recht.” Gelassen nahm Alastair seinen Langbogen und legte ihn griffbereit auf seinen Schoss, einen Pfeil in der Hand. “Vielleicht sollte ich mich lieber hinten in den Wagen setzen, damit keiner zu uns reinklettern kann, was meinst du, Gembries? Und nach einer Weile wechseln wir uns dann ab?” “Das ist eine gute Idee, Junge.” Wachsam fuhren sie in den Wald hinein.
    Es war ein schöner Tag. Die Sonne fiel in gebündelten, weichen Strahlen durch das Blätterdach der Bäume, der Walboden war übersät von den weißen Sternchen blühender Anemonen und Vögel begrüßten zwitschernd den Frühling. Das einzige, was sich in dem Wald regte, war, abgesehen von ihrem Karren, das Wild. Einhörnchen jagten sich munter durch die Bäume, eine kleine Rotte Wildschweine zog grunzend und quiekend durch das Unterholz und auf einer fernen Lichtung stand ein ganzes Rudel Rehe, die friedlich ästen. Die Luft roch intensiv nach frischem Waldboden, klar und sauber. Sie waren seit drei Stunden in diesem Idyll unterwegs und hatten nichts Bedrohliches entdecken können. Verträumt saß Alastair auf dem Kutschbock. Gembries hatte hinten Platz genommen und vertrieb sich die Zeit damit, sein Werkzeug durchzusehen. “Wie wäre es mit einer kleinen Rast?” schlug der Junge vor. “Ich könnte uns schnell einen frischen Braten schießen.” “Ich weiß nicht, Junge. Denk an die Verbrecher.” “Gembries, wenn hier jemand durch den Wald schleichen würde und dazu noch ein Schatten, wäre das Wild längst über alle Berge. Außerdem kann ich sehr gut Spuren erkennen und bewege mich fast geräuschlos. Und ich habe Hunger.” Es blieb erst mal still. “Also gut, meinetwegen. Aber entferne dich nicht zu weit vom Wagen.” “Wahrscheinlich haben sie die drei Gesuchten schon an einer ganz anderen Stelle geschnappt, sonst hätten wir doch Wachleuten begegnen müssen.” beruhigte ihn Alastair. “Ich verspreche aber, trotzdem sehr vorsichtig zu sein. Guck mal, da hinten ist ein Bach, da können die Ochsen trinken. Ich bin gleich wieder da.” Gembries setzte sich nach vorne, und Alastair verschwand mit glänzenden Augen zwischen den Bäumen. Der Junge hatte recht, es sah wirklich nicht so aus, als würde heute noch etwas passieren. Gembries freute sich über die eingesparte Reisezeit und brachte den Wagen in der Nähe des Bachlaufes zum Stehen. Trotzdem würde er die Ochsen nicht ausspannen. Er nahm einen Eimer aus dem Wagen und ging los, um ihn mit Wasser zu füllen. Nachdem er die Tiere versorgt hatte, sammelte er schon mal Feuerholz und schichtete es auf.
    Alastair bewegte sich währenddessen lautlos durch den Wald. Er liebte die Jagd und Gembries war ein guter Koch. In Vorfreude auf das kommende Mahl lugte er zwischendurch zu Gembries rüber, der schon die Feuerstelle fertig hatte und jetzt begann, Zwiebeln zu hacken.
    Und dann sah er einen Mann lautlos zur kleinen Lichtung laufen und sich hinter einem Baum verstecken. Er spähte zu Gembries rüber, drehte sich dann mit dem Rücken zum Stamm und zog einen langen Dolch hervor. Der Mann hatte ein schneeweißes Gesicht mit kohlschwarzen Augen und seine blutroten Lippen verzogen sich zu einem leichten Grinsen. “Sie sind zu dritt!” schoss es Alastair durch den Kopf, während er feststellte, dass Zweige und Äste ihm einen sicheren Schuss unmöglich machten. Der Schatten war aus der Richtung des Unterholzes gekommen.
    Gembries stand auf, nahm einen Topf vom Wagen und ging zum Bach, um ihn mit Wasser zu füllen.
    Der Schatten blieb hinter seinem Baum, beobachtete ihn und wartete auf einen günstigen Moment.
    Alastair pirschte sich so schnell er konnte ans das Unterholz. Treffer. Die Hexe saß mit dem Rücken zu ihm auf dem Boden. Blitzschnell und lautlos hatte er seinen Bogen gespannt.
    Gembries saß inzwischen wieder vor der Feuerstelle, und der Schatten hatte den Baum verlassen und schlich hinterrücks auf ihn zu.
    “Mach nur eine Bewegung und ich erschieße die Hexe.” brüllte Alastair.
    Gembries fuhr herum und sah etwa zehn Meter hinter sich einen Kerl mit Dolch stehen. Er schien mitten in der Bewegung eingefroren zu sein, und in seinen schwarzen Augen spiegelte sich erst Fassungslosigkeit, dann Hass, und dann Angst. Er ließ den Dolch fallen und wagte nicht, sich zu rühren. Alastair konzentrierte sich auf den schmalen Rücken vor ihm. “Ich bin keine Hexe.” flüsterte eine sehr junge Stimme erstickt. “Bitte, wir haben nichts getan, und wir brauchen Hilfe.” Ein Schluchzen schüttelte die Frau. Alastair blieb kalt. Ganz langsam hob die Frau beide Hände in die Luft, damit Alastair sehen konnte, dass sie unbewaffnet war, dann drehte sie sich vorsichtig um. Sie wagte es nicht, den Kopf zu heben. “Bitte,” flehte sie weinend, “wir wurden Opfer einer schrecklichen Verschwörung, wir haben nichts getan. Und wir brauchen dringend Hilfe.”
    Währenddessen zog Gembries die Streitaxt und sein Schwert und sah dem Schatten grimmig ins bleiche Gesicht, während er sich seitlich zum Wagen bewegte. Er legte das Schwert auf den Kutschbock und nahm entschlossen das Horn. Der Schatten bewegte sich immer noch keinen Millimeter und folgte ihm nur mit den Augen.

    “Nisha?” flüsterte Alastair fassungslos. Sie sah zu ihm hoch und glaubte, ihren Augen nicht zu trauen. Er war gewachsen, sein Gesicht hatte die kindlichen Rundungen verloren und war kantiger geworden. Aber er war es eindeutig. “Alastair?” hauchte sie. “Gembries halt!” schrie Alastair, als er sah, dass Gembries das Horn bereits an den Lippen hatte. “Nicht!” Alastair klang so aufgewühlt, dass Gembries das Horn wieder runter nahm. Der Schatten stand immer noch reglos. “Die angebliche Hexe ist meine Schwester!” tönte es von oben. Gembries zog die Augenbrauen zusammen. “Lass dich nicht einlullen, Junge, das ist nur ein Hexentrick. Schließlich haben sie auch einen zweiten Eliazar gemacht, oder?” Misstrauen kehrte in den Blick des Jungen zurück. Solange er den Schatten in Gembries Nähe wusste, hatte er sich nicht getraut, den Bogen zu entspannen. “Du hast ein Geburtsmal auf deinem Hintern, rechts. Es sieht aus wie der Kopf eines Falken.” flüsterte Nisha, die ihn früher gewickelt hatte. Sie weinte und lächelte gleichzeitig. “Sie ist es wirklich, Gembries.” rief Alastair und legte seinen Bogen ins Gras. ”Vaine, das sind Freunde.” schluchzte Nisha. “Oh Alastair, ich bin so froh, dich zu sehen.” Heulend fiel sie ihm in die Arme.
    “Schöner Mist.” knurrte Gembries. Er hatte immer noch seine Streitaxt in der Hand und den Schatten im Blick. Der Schatten stellte sich ganz vorsichtig entspannt hin und ließ Gembries nicht aus den Augen. Dann lächelte er ihm zu. “Mein Name ist Vaine. Ich kann auch nicht gerade sagen, dass ich erfreut bin, eure Bekanntschaft zu machen, aber es hätte schlimmer kommen können.” Es raschelte im Wald, und Alastair trat mit dem zweiten Eliazar in seinen Armen aus dem Unterholz. Neben ihm kam eine magere junge Frau im Gewand eines Heilers hervor. Die grüne Kapuze hing ihr im Rücken und langes, braunes Haar fiel ihr bis auf die Hüfte. Sie hatte Schürfwunden und blaue Flecke im Gesicht und tiefe Ringe unter ihren Augen, und sie war so schwach, dass sie schwankte. Vaine wollte hoch laufen, um ihr zu helfen, aber sie streckte schon die Hand nach Alastair aus und hielt sich an seinem Arm fest. “Da hol mich doch einer.” flüsterte Gembries und steckte die Axt in den Gürtel. Mit sichtlich verstörtem Gesicht kam Alastair zum Lagerplatz. Der Mann in seinen Armen sah wirklich genauso aus wie Eliazar. Sein Kopf und seine Arme hingen schlaff herunter und er machte absolut keinen gesunden Eindruck. Die Frau hielt sich nur noch mühsam auf den Beinen. Sie sah halbverhungert aus. Nur dem Schatten schien es wirklich gut zu gehen, er wirkte so frisch, als sei er grad nach einem erholsamen Schlaf aus dem Bett gestiegen.
    Gembries sah finster von einem zum anderen. “Dir ist klar, dass diese Situation dem Wort Ärger eine ganz neue Dimension verleiht, Alastair?” Gembries klang feindselig. “Gembries, das ist meine Schwester! Und was immer hier auch geschehen ist, Nisha ist keine Hexe und keine Spionin. Und sie braucht Hilfe.” Vorsichtig legte Alastair den bewusstlosen Eliazar ins weiche Gras. “Und warum ist deine Schwester mit so einem unterwegs?” Gembries nickte zu Vaine hin. “Gembries!” fuhr Alastair auf. “Du solltest dich lieber fragen, warum es zwei Eliazars gibt und warum die hohe Feste solche Lügen verbreitet.” “Die Erklärungen der Feste waren zwar erschreckend, aber einleuchtend. Wir haben hier drei Leute, auf die die Beschreibung der Feste passt. Und nur einer davon ist aufgrund deiner Aussage unschuldig.” Gembries wurde etwas lauter. “Dann sei doch bitte so gut und lass Nisha erklären, was wirklich passiert ist. Setz dich hin und hör auf zu meckern.” wurde jetzt auch Alastair wütend. “Wenn ihr noch lauter werdet, verschwinden wir wieder, mit Verlaub.” ließ Vaine seidenweich vernehmen. “Zwar sind keine Wachen in der Nähe, aber das könnte sich ändern, wenn ihr euch jetzt kräftig anbrüllt.” “Du hältst am Besten gleich mal die Klappe!” knurrte Gembries. Er traute diesem Kerl nicht und es ärgerte ihn, dass der gerade recht hatte. Nisha ließ sich aufseufzend auf den Boden neben Eliazar sinken.
    Alastair sprang in den Wagen und kam mit einem Laib Brot zurück, den er Nisha in die Hand drückte. Dankbar lächelnd riss sie ein gutes Stück davon ab und reichte es an Vaine weiter. Vaine sah sichtlich irritiert auf das Brot, riss sich auch ein kleines Stück ab und beobachtete Nisha. Diese biss ab und begann zu kauen. Ganz vorsichtig, als könne es schreien, biss auch Vaine in sein Stück Brot. Überraschung flackerte über seine Züge, als er zu kauen begann, und dann Freude. Es schien ihm zu schmecken. “Als ob er zum ersten Mal in seinem Leben etwas isst.” dachte Alastair und hatte ein komisches Gefühl.
    “Ich bin Eliazars Dienerin.” begann Nisha, und dann erzählte sie in kurzen Worten, wie Eliazar sich Sorgen machte, wie er sich plötzlich veränderte und wie sie eingekerkert wurde, als ihr das auffiel. Und sie erzählte, wie ihr die Flucht aus ihrer Zelle gelang und dass sie Vaine aus einem anderen Verlies befreien konnte und wie sie aus der Feste entkommen waren.
    Dabei sah sie die ganze Zeit zu Boden und wagte erst zum Schluss, Vaine ins Gesicht zu sehen.
    Er stand ganz ruhig und gelassen etwas abseits der anderen und sah verträumt in den Wald. Inzwischen kannte Nisha ihn gut genug um zu wissen, dass er wachte. Im Umkreis von hundert Metern würde sich keine Maus im Wald bewegen können, ohne von Vaine gehört zu werden.
    Die Nachricht, dass er dem Hüter der Feste zur Flucht verholfen hatte, schien ihn allerdings nicht zu interessieren.
    Gembries nahm zum ersten Mal die Hand von seiner Axt und fuhr sich durch die Haare. “Das gibt’s doch nicht.” murmelte er fassungslos. Alastair ließ sich neben Nisha nieder und legte ihr beschützend einen Arm um die Schultern. “Ich glaube ihr, Gembries. Erinnerst du dich, dass der falsche Eliazar dich immer nur mit `guter Mann´ angesprochen hat? Ich wette, er hatte keine Ahnung, wer du eigentlich bist.” Gembries überlegte. “Das ist die übelste Geschichte, die ich je gehört habe, bei der Ewigen.” brummte er. “Und das allerübelste ist, dass wir mitten drin stecken. Denn wenn ich das richtig sehe, wissen nur wir fünf davon, dass es in der hohen Feste einen erfolgreichen Putsch gab und das bedeutet, die werden alles daran setzen, uns zu töten.” Kopfschüttelnd setzte er sich hin. “Und mit der Geschichte, die der falsche Eliazar verbreiten lässt, haben wir keine Hoffnung, irgendwo Hilfe zu finden. Ehrlich gesagt wundert es mich nur, dass es hier nicht von Wachleuten so wimmelt.” “Sie haben die Wachen an die Grenzen geschickt.” sagte Vaine. “Um sicherzustellen, dass sich niemand Fremdes hier aufhält. Die eigentlichen Häscher wird die Feste in der Nacht ausschicken. Das werden Wesen sein, von denen niemand sonst wissen darf, nicht mal die eigenen Leute.” Gembries und Alastair wurden blass. “Woher wollt ihr das wissen?” fragte Gembries stumpf. Vaine lächelte nur. “Ich weiß es eben. Ich war länger in Gefangenschaft als Nisha, und ich habe etwas mehr mitbekommen.” “Wisst ihr auch, was man uns da hinterherschicken wird?” Vaine überlegte einen Moment. “Nein, nicht wirklich. Wir werden uns überraschen lassen müssen.” antwortete er. “Aber egal, was sie schicken - sie sind noch nicht sehr stark. Ein Putsch zur jetzigen Zeit war zu früh, sie mussten voreilig handeln, weil Eliazar Verdacht geschöpft hatte. Und auch wir setzen sie unter Druck. Ich glaube nicht, dass wir Angst haben müssen.” Er lächelte entspannt. “Eure Zuversicht hätt ich auch gern.” sagte Gembries kopfschüttelnd. “Wir werden entkommen. Vertraut mir.” Gembries warf ihm einen argwöhnischen Blick zu. “Ich vertraue ihm.” sagte Nisha leise. “Es schien genauso aussichtslos, aus der Feste fliehen zu müssen, und doch sind wir hier.” “Nisha, du solltest dich hinlegen und schlafen, du scheinst sehr erschöpft zu sein.” Alastair war das leise Zittern in ihrer Stimme nicht entgangen. “Leg dich in den Wagen, ich mach dir da ein Lager zurecht. Und auch Eliazar sollten wir in den Wagen legen. Was fehlt ihm eigentlich?” Nisha zuckte die Schultern. “Ich weiß es nicht, Alastair. Er war bewusstlos, als wir ihn fanden, und er ist bisher nicht einmal aufgewacht.” “Es wäre nicht schlecht, wenn er wach werden würde.” sagte Gembries. “Denn wenn einer weiß, wo wir Hilfe finden könnten, dann er. Ich schlage vor, sobald die beiden liegen, fahren wir los. Je schneller wir hier weg kommen, desto besser. Und wenn das stimmt, was Vaine sagt, könnten wir heute noch ein gutes Stück zurück legen.” “Es wäre gut, wenn wir noch vor Einbruch der Dunkelheit den Pass erreichen könnten.” stimmte Vaine ihm zu. “Dort können sie uns höchstens von zwei Seiten angreifen. Hier im Gelände können sie uns einkreisen, dass sähe dann nicht gut aus für uns.”
    Erneut musterte Gembries den seltsamen Mann mit dem bleichen Gesicht und den schwarzen Augen. Was immer er auch war, er schien auf ihrer Seite zu stehen. Und er war ein erwachsener Mann und nach dem, was Nisha erzählt hatte, auch sehr erfahren im Kampf. Bei allem Argwohn musste Gembries einräumen, dass er froh war, die Verantwortung für ihre kleine Gruppe nicht allein zu tragen. “Du setzt dich am Besten auch in den Wagen, Vaine. Falls wir einer Patrouille begegnen, müssen sie dich nicht direkt sehen. Alastair und ich werden auf dem Kutschbock sitzen und so tun, als wäre alles in bester Ordnung. Der Junge ist gut mit dem Bogen, aber im Nahkampf unerfahren. Sollte es dazu kommen, sind wir beide gefragt. Und da zähle ich auf dich.” Vaine deutete lächelnd eine leichte Verbeugung an. “In der rot beschlagenen Kiste im Wagen sind Waffen. Nimm, was du brauchen kannst.”

    Weiter gehts.
    Ich beginne bei den Elementarvölkern mal von "unten", bei den Gnomen. Der Staub ist kein stolzer oder mächtiger Elementar und die Aroya Weide ein sehr heilkräfiger Baum, der eine bestimmte Bodenfeuchtigkeit braucht. Entsprechend gestaltete sich das Volk der Gnome. Sehr bescheiden und ganz und gar den Heilkünsten verschrieben, werden Gnome gerade mal durchschnittlich 150 Jahre alt. Sie leben in Feuchtgebieten und haben gerne eine Aroya Weide in der Nähe, um ihre heilende Magie zu stärken (und dem Baum eine rituelle Verehrung zuteil werden zu lassen).
    Gnome sind ein sehr ernsthaftes Völkchen. Nicht groß und eher zierlich von Gestalt, vermeiden sie alles, was sie in Ausübung der Heilkunst in einen Gewissenskonflikt bringen könnte. Im Falle eines Krieges würden sie beide Parteien heilen. Wirtschaftlich sind sie Selbstversorger auf einfachem Niveau, und für ihre Heilkünste nehmen sie kein Geld.
    Gnome können, um mobil zu sein, das Grundwasser an die Oberfläche holen. Das befähigt sie, überall, wo sich der Boden eignet, einen Sumpf entstehen zu lassen. Eine junge Aroya Weide haben sie stets im Gepäck.
    Das Auftauchen des Menschen mit seinen ihnen unbekannten Krankheiten war für die Gnome eine heilerische Herausforderung, der sie sich mit der ihnen eigenen Ernsthaftigkeit und tollen Erfolgen gewidmet haben.
    Ihre Hingabe an das Wohlergehen anderer und ihr bescheidenes, fast unterwürfiges Auftreten machten sie zu einer äußerst angenehmen Gesellschaft. Es ist bekannt, dass zwischen Gnomen und Menschen Ehen geschlossen wurden, aus denen problemlos Nachwuchs beiderlei Geschlechts hervorgingen.

    Elben:
    Der Wind weht überall und ist ein unsteter Geselle.
    Den Elben ist kein Lebensraum eigen, sie siedeln überall und passen sich an. Die Bindung an ihren Elementaren ist schwach (falls sie überhaupt noch besteht). Der Wind hat sie geboren und zog weiter.
    Elben werden um die 300 Jahre alt. Sie sind kulturell und wirtschaftlich führend, sehr offen für neues, intelligent, hochgewachsen von Gestalt und meist gutaussehend. Elben sind ehrgeizig. Sie sind stets bestrebt, sich charakterlich und leistungsmäßig zu verbessern. Das Zusammenleben der Elben wird von vielen Regeln bestimmt, die Ehre ist ihnen heilig. Elben haben ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl und eine starke soziale Bindung zu ihresgleichen. Ihre Regierungsform ist die Monarchie, und der Erfolg eines Monarchen misst sich bei ihnen am Wohlergehen der einfachen Bevölkerung. Die Elben lieben alles, was ihre Intelligenz beschäftigt und sind zudem große Anhänger sportlicher Wettstreite.
    Vom Menschen waren sie regelrecht begeistert, da er ihnen sowohl kulturell wie auch sportlich viel Neues mitbrachte, man denke nur an den Fußball, der die Elben in wahre Euphorie versetzte. Natürlich gab es auch "schlechte" Menschen, die dem Ehrenkodex der Elben schwer widersprachen, aber hier freuten sie sich über einen Feind, der ihnen die Möglichkeit bot, sich militärisch zu beweisen und ihnen gleichzeitig das Gefühl geben konnte, die Welt etwas besser zu machen.
    Über die speziellen Fähigkeiten der Elben wird in der Geschichte noch berichtet werden, dem will ich hier nicht vorweg greifen...
    Aber anzumerken ist, dass eine zeitlang auch Eheschließungen zwischen Menschen und Elben statt fanden, wobei sich folgendes zeigte: der Same eines Menschen war nie stark genug, im Schoß einer Elbe Leben zu erzeugen. Das Kind eines Elben raubte der menschlichen Mutter soviel Lebenskraft, dass diese die Geburt nicht überlebte. Die geborenen Kinder waren immer Söhne.

    Zwerge:
    Anders als bei den Elben haben die Zwerge eine sehr starke Bindung an ihren (weiblichen) Elementar, welcher Ursa heißt. Man kann auch sagen, ihr Elementar ist eine Übermutter, sie hält ihre Kinder bei sich und läßt sie geborgen in ihrem Leib heranwachsen. Den Zwergen gelang es nie, die Nabelschnur zu durchtrennen. Zwar betreiben die Zwerge regen Handel mit den Elfen, aber ansonsten interessieren sie sich herzlich wenig für Dinge, die außerhalb ihres Berges passieren. Ihre Grundhaltung ist: was geht uns das an? Genauso sind sie wenig mitteilsam über ihre Kultur: was geht euch das an? Dabei brauchen sie sich nicht zu verstecken: Zwerge sind, von einem Bären geboren, die körperlich stärksten Vertreter der elementaren Völker. Ihre durchschnittliche Lebensdauer beträgt 500 Jahre, was auf sehr starke magische Fähigkeiten hinweist. Aber die werden auch im Verlauf der Geschichte eine Rolle spielen und deshalb hier nicht erwähnt werden.
    Die Zwerge waren anfangs sehr echauffiert über die Menschen, die als erstes Volk gleichfalls einen Zugang zu Ursas heiligem Inneren forderten, aber mit sowas sind sie schnell fertig. Sie machten die Tür zu. Ein Zwerg außerhalb eines Berges ist ein starker Gegner. Innerhalb der Berge aber ist er unbesiegbar.
    Eheliche Verbindungen zwischen Zwergen und anderen Völkern gab es nie. Es ist nie einer Nichtzwergin oder einem Nichtzwerg gelungen, das Interesse eines Zwerges zu wecken. Warum auch immer.

    Orks:
    sind immer präsent, wenn das Gute einen Feind braucht. Dabei wird ihnen das nicht gerecht. Orks sind weder gut noch böse. Sie sind einfach das, was sie sind, nämlich ungewöhnlich hochentwickelte Raubtiere, die viel öfter auf 4 statt auf 2 Beinen laufen.
    Körperlich sind sie an ihrem Lebensraum angepasst - und an ihre natürlichen Feinde. Die Orks sind nämlich nicht die einzigen Raubtiere der Steppe. Beschreibe ich doch erstmal diese Steppe: fast so groß wie ein ganzer Kontinent, überwiegen im Sommer wüstenähnliche Verhältnisse und erst mit Beginn der Regenzeit im Herbst setzt das Wachstum von Gras ein. Dann beginnt die Wanderung der großen Tierherden in die Steppe und der Tisch der Orks ist reich gedeckt. Doch im Sommer ist darben angesagt, und nicht nur bei ihnen. Die Orks müssen sich ihren Lebensraum mit Gierlaugs teilen, riesigen Echsen, die dem irdischen Tyrannosaurus Rex gleichen. Im Sommer fressen sie sich gegenseitig. Der Ork mit seinen fast 3m Endgröße (aufgerichtet) beeindruckt vielleicht die anderen Zweibeiner, aber ein Gierlaug ist 10x so groß und so kräftig. Um gegen ihn bestehen zu können, mussten sich die Orks weiter entwickeln, und tatsächlich kommt es dazu, dass sie sich zu großen Horden zusammenschließen, eine Verständigung untereinander finden (die aber von einer richtigen Sprache noch weit entfernt ist) und Jagdrituale entwickeln - bis hin zu einem sehr primitiven Schamanismus, der Zeichen verwendet, um Jagdglück herbeizurufen.

    :rolleyes:

    Hm....jetzt wollt ich hier einen weiteren Teil der Geschichte reinstellen und es klappt nicht? Wie zuvor hab ich den Text kopiert und eingefügt, aber in der Vorschau wird er nicht angezeigt. Seltsam.... ?(

    Dann mach ich halt mit den alten Völkern weiter :D

    Ich beginne mit den Elfen.
    Warum? Weil sie das erste Volk waren. Die Elfen sind die Kinder der Ewigen selbst, ihre einzige Schöpfung auf 2 Beinen.
    Ihre Lebenserwartung beträgt durchschnittlich 800 Jahre.
    Die Elfen bleiben das dem Menschen unbegreiflichste Volk.
    Sie haben nichts, was als Kultur zu verstehen wäre, gar nichts. Keine Städte, keine Häuser, keine Kleidung, keine Werkzeuge, keine Waffen, keine Bücher...es sind nichts weiter als nackte Leute, die planlos durch die Wälder ziehen, unvermutet meist einzeln auftauchen und behaupten, irgendein Platz sei ihnen ein heiliger Ort, weshalb er nicht besiedelt werden darf.
    Dazu kann man nur sagen: die Menschen haben einen Mittelfinger und wissen den zu gebrauchen.
    Die Elben scheinen den nicht zu haben - tatsächlich reissen sie ganze Städte wieder ab, wenn so eine Elfe kommt und meint, die Stadt gehört da nicht hin.
    Tja...
    Was machen die Elfen, was können sie?
    Ein Zwerg würde sagen, die kümmern sich ums Grünzeug. Die Elben beschreiben es edler: sie dienen der Ewigen.
    Beide haben recht.
    Die Elfen kümmern sich um die Pflanzen (ja, hier schreibt ein Gärtner ^^ ). Als einziges Volk können sie nämlich die feinen Töne hören, die die Pflanzen Nachts von sich geben. Jede Pflanze hat ihren eigenen Ton und ihren eigenen Rhythmus, der vom Boden und der Nachbarbepflanzung beeinflusst wird. Die Elben komponieren mit ihren Pflanzungen also Musik (die der Ewigen gefällt). Und sie laufen durch die Welt und gucken, dass es überall gut klingt (und klar tanzen sie auch dazu, nachts halt...). Aber das weiß außer ihnen keiner.
    Die Elfen sind schon ziemlich abgehoben. Reden zum Beispiel finden sie lästig. Elfen kommunizieren per Telepathie.
    Neben der Gestrüpp - Pflege ist die Liebe ein wesentlicher Teil ihres Lebens. Das mag damit zusammen hängen, dass ihnen ihre vollen Kräfte erst zugänglich werden, wenn sie den Mann/ die Frau fürs Leben gefunden haben. Elfen lieben nur einmal, deshalb ist Partnerwahl ein ganz wichtiges Thema. Sie tun sich etwas schwer mit dem Kinderkriegen, dass ist ihr großer Schwachpunkt. Es ist selten, dass eine Elfe mehr als zwei Kinder bekommen kann, weshalb ihre Population nicht anwächst - Elfen sind das zahlenmäßig kleinste Volk. Sie sind nicht kämpferisch veranlagt (außer jemand zeigt ihnen den Mittelfinger und baut aufs heilige Plätzle, das mögen sie gar nicht). Sie haben keine Waffen, aber man sollte jetzt nicht glauben, dass sie deshalb wehrlos sind!
    Elfen lassen den Wald für sich kämpfen. Wer einmal von Efeu oder Brombeerranken gewürgt und von Bäumen geschlagen wurde weiß, was ich hier andeute. Damit sind die Elfen aber noch nicht am Ende! Sie können sich auch außerhalb eines Waldes gut verteidigen. Hierzu dient ihnen das Elfenfeuer - ein weißes Licht hüllt den Gegner ein und wech isser.
    Außerdem befinden sich Elfen immer in unangenehmer Gesellschaft, den Alsen. Das sind so kleine, weiße Waberschemen, die des Nachts auftauchen und Lebenskraft aus dem Mündern Schlafender saugen.
    Da diese Dinger keinen greifbaren Körper haben, kann man sich nicht dagegen wehren. Diese Alsen sind für Elfen mit ihrer gewaltigen Lebenskraft schlimmstenfalls etwas lästig, so wie Mücken für uns. Für Menschen aber sind sie tödlich. Das machte die Elfen nicht gerade zu willkommenen Nachbarn.
    Zumal sie es gar nicht für nötig befanden, die Existenz dieser Alsen zu erklären. Alsen werden von kranken oder schwachen Pflanzen abgesondert, die sich auf diese Weise etwas "Kraft" von den Elfen holen. Man kann Alsen auch ganz leicht abwehren,da sie bestimmte Kräuter nicht mögen, aber das haben die Elfen den Menschen nicht verraten. Was auf etwas Nickeligkeit schließen läßt...
    Was vielleicht selbst die Elfen nicht wissen ist, dass ihre Pflanzenkompositionen ungeheure Kraftfelder bilden (natürlich nur,wenn die Musik stimmt). Ich sage extra vielleicht, denn dass sie irgendeine Energie produzieren müsste den Elfen klar sein - sie "ernähren" sich davon (tatsächlich essen Elfen ein paar Früchte, die sie finden, aber sonst wirklich nichts).
    Diese Kraftfelder verwehren zum einen Schattenwesen, in diese Welt einzudringen. Zum anderen führen sie dazu, dass manchmal Elementare erwachen.
    Das können die Elfen nicht steuern, entweder es passiert, oder auch nicht.

    Das Erwachen eines Elementes ist ein interessanter und sehr langwieriger Prozess, der sich in mehrere Phasen einteilt.
    Normalerweise ist ein Element tot.
    Das Erwachen beginnt damit, dass es, wenn auch passiv, das Leben um sich herum spürt/wahrnimmt. In dieser Phase spricht man vom elementaren Schläfer.
    In Phase zwei entwickelt das Element erstmals ein Bewußtsein seiner selbst. Es ist. Aber auch das ist noch ein Schläfer.
    Phase drei beginnt, wenn ein Element den Wunsch verspürt, sich mit dem Leben zu verbinden. Hier heißt es schon elementares Erwachen. Tatsächlich ist das Element jetzt in der Lage, sich das Leben und seine verschiedenen Formen genau anzusehen und es ist in der Lage, zu denken und Entscheidungen zu treffen. Manche sagen, in dieser Phase ist es am machtvollsten.
    Um sich mit dem Leben verbinden zu können, braucht das Element einen lebendigen Körper, in den es sein jetzt entwickeltes Bewußtsein fahren lassen kann. Es wird sich einen aussuchen. Sobald es in diesem Körper sitzt, wird es schnellstmöglich versuchen, entweder schwanger zu werden oder Nachwuchs zu zeugen (je nach Geschlecht des ausgesuchten Körpers).
    Erst dann ist es mit dem Leben verbunden.
    Man kann sich vorstellen, dass so ein Elementar keinen für seinen ausgesuchten Körper normalen Nachwuchs bekommt.
    So ging der Berg als Bärin und gebar Zwerge, der Wind als Falke und gebar Elben, der Staub fuhr in eine Aroya Weide und als ihre Samen ins Wasser fielen, erwuchsen daraus die Gnome... ;)
    Und weil eben die Elfen ursächlich für das Erwachen der Elementare verantwortlich sind, werden sie von allen anderen auch das hohe Volk genannt und genießen entsprechend Narrenfreiheit. 8)
    Und ich geh jetzt ein wenig Schlaf genießen...... :D

    Dankeschön :) .
    Da ich ja schon relativ viel geschrieben habe, könnte ich hier viel abliefern.....dazu vielleicht später.
    Zwischen den Kapiteln habe ich in Kursiv immer ein paar kleine Texte aus der alten Zeit eingefügt. Das sind erstmal nur Platzhalter, die werden später ordentlich gemacht und sinnvoll sortiert.
    Um puzzeln zu können, muss eine Logik vorhanden sein. Und hier brauchts die Logik aus der alten Zeit, um die Probleme in der aktuellen zu verstehen und damit eine Lösung finden zu können.
    Und ich würde jetzt gerne einfach mal von der Geschichte abweichen und die Hintergründe vorstellen, die im Laufe der Geschichte zwar erkenntlich werden, aber das halt erst in einem langen Verlauf.
    In der alten Zeit kamen die Menschen in eine von Elfen, Zwergen, Elben, Gnomen und Orks besiedelte Welt.
    Nun sind gerade diese Völker in vielen Geschichten beschrieben. Orks sind groß, kräftig, hässlich und böse, Elben sind gut und haben spitze Ohren, Elfen sind bessere Elben, Zwerge sind klein, kämpferisch und brummig, Gnome sind auch klein und leben im Sumpf. Ein jeder Schreiber fügte seinen Völkern die ihm genehmen Eigenschaften hinzu, aber ich denke, diese grobe Beschreibung erfasst die Gemeinsamkeiten der Ausführungen.
    In vielen Geschichten ist es auch so, dass der Mensch die magischen Fähigkeiten hat und diese Völker sich hauptsächlich durch kulturelle und körperliche Eigenschaften vom Menschen unterscheiden.
    Wenn es so wäre, würden sich diese Völker heute Geschichten vom Menschen erzählen, nicht umgekehrt, oder?
    Deshalb haben bei mir die alten Völker Magie, die Menschen nicht.
    Die Magie: Magie fasst Eigenschaften zusammen, die über das körperliche Vermögen herausgehen.
    Die Frage, die ich mir bei der "Erfindung" meiner alten Völker stellte, war: warum ist das so?
    Und die Antwort konnte ich nur in der "Erschaffung" der alten finden.
    Wo kamen sie her, wer hat sie gemacht, und warum haben sie welche Eigenschaften? Wie passen sie zusammen, wie leben sie miteinander?
    Frage 2: warum führte das Auftauchen des Menschen dazu, dass ein Bann geschaffen werden musste, der die alten Völker von ihnen trennt?
    Frage 3: wie kam es dazu, dass Menschen ebenfalls, wenn auch nur selten, magische Fähigkeiten entwickeln konnten?
    Frage 4: woher kommen die Schatten (die früher eben NICHT in der alten Welt zu finden waren, jedenfalls nicht vor dem Eintreffen des Menschen)
    :D
    Dazu später mehr, das wird einiges an Text und ich geh jetzt in den Garten ;)

    Fortsetzung hab ich ja schon in der Tasche, allerdings als unbearbeitete Rohfassung. :D
    Ich weiß nicht, ob sich Alastair zu diesem Zeitpunkt schon ernsthaft Gedanken zu seiner Zukunft macht. Er ist kein Sklave mehr, hat aber auch nichts gelernt. Ich hab versucht ihn sehr jung zu schreiben. Er kommt aus dem Waisenhaus, hat wenig Ahnung von der Welt und zieht mit Gembries, der ein wenig Vaterersatz einnimmt, erst einmal herum. ;)


    Sie sind ein junges Volk. Noch stehen sie am Anfang ihrer Entwicklung. Sie lernen unsere Sprache und interessieren sich für unsere Kultur. Natürlich machen sie auch Fehler, aber sollten wir nicht Nachsicht üben wie bei unseren Kindern? Deshalb bitte ich um Mäßigung!” “Mäßigung? Mäßigung? Der Herr Elb hat leicht reden mit seiner Mäßigung, ihm rücken diese albernen Kreaturen ja auch nicht ins Haus. Sie sind keine Kinder der Ewigen und sie sind auch keine Söhne Ursas, ihr Gott heißt Energie und er frisst Erze und schwarze Steine namens Kohle, die unseren Brennsteinen ähnlich sind. Und diese Menschen lassen nichts unversucht, um in unsere Hallen einzudringen und uns die Erze und Brennsteine zu klauen. Das können und werden wir nicht dulden. Mögt ihr sie mit eurer Mäßigung und Nachsicht erfreuen, wenn sie einst zu tausenden eure Wälder überlaufen, denn wir werden dieses Gesocks aus unseren Bergen jagen.
    Auszug eines Protokolls einer großen Versammlung aus der Sammlung “Die Anfänge”


    “Regnet es hier eigentlich immer?” Seit 4 Tagen waren sie ununterbrochen durch einen feinen Nieselregen gezogen, und die dicken, grauen Wolken ließen das Land darunter farblos und trist aussehen. Die Luft war so feucht, dass selbst innerhalb des Wagens alles klamm geworden war, und es war unangenehm kalt dabei. Geräuschvoll zog Alastair die Nase hoch. “Ich war bisher etwa 10 mal hier und davon hats 8 mal geregnet.” brummte Gembries gleichmütig. Alastairs Blick schweifte ungeduldig über die Landschaft. Abseits der breiten, überraschend guten und festen Strasse verschwand der Boden zum größten Teil in einer feinen, weißlich grauen Nebelschicht, aus der die hohen Ähren verschiedenster Gräser lugten. Im Hintergrund streckten knorrige Bäume ihre Kronen dem trüben Himmel entgegen, die Äste silbrigweiß geschmückt und behangen mit langen, grau grünen Bärten. “Ich könnte jagen gehen.” schlug Alastair vor. “Hier gibt es bestimmt viel Kleinwild.” Amüsiert zuckten Gembries Mundwinkel, und er warf dem Jungen einen spöttischen Blick zu. “Du wirst schön artig auf dem Kutschbock sitzen bleiben und keinesfalls die Strasse verlassen, noch nicht mal zum Pinkeln, ist das klar?” “Warum nicht?” schnappte Alastair etwas pikiert. “Siehst du nicht die Bäume da hinten?” “Doch, natürlich sehe ich die Bäume da hinten, ich bin ja nicht blind. Und?” “Das sind Weiden.” “Und? Sind die gefährlich? Greifen die mich an, wenn ich hinter einem Busch stehe? Oder wenn ich jagen gehe?” “Nein, natürlich nicht.” grinste Gembries genussvoll. “Aber Weiden wachsen da, wo der Boden sehr feucht ist.” “Und?” forderte Alastair ihn heraus. “Ich weiß ja, dass es einem jungen und tatendurstigem Mann schwer fällt, ruhig auf seinem Hintern sitzen zu bleiben, wenn er einen guten Langbogen sein Eigen nennt.” spöttelte Gembries “aber da wir gerade durch einen der tückischsten Sümpfe ziehen, wird sich dein Hintern wohl ans Sitzen gewöhnen müssen. Denn sobald du die Strasse verlässt, geht deine Geschichte mit “Blubbblubb weg war er“ zu Ende. Und auch wenn du grad eine furchtbare Nervensäge bist, wärs doch irgendwie schade um dich.” Enttäuscht sackte der Junge etwas zusammen. “Wann sind wir….” “Nein, frags nicht!” hob Gembries abwehrend die Hand. “Ich kann es nicht mehr hören.” “Aber wir haben nichts mehr zu essen.” warf Alastair vorwurfsvoll ein. “Das ist mir sehr wohl bewusst.” erwiderte Gembries mit steifem Rücken und gerunzelter Stirn. “Und zwar seit dem Moment, als ich das Brot verschimmelt fand, weil so ein jugendlicher Nichtsnutz in seiner nervösen Ungeduld keine Zeit gefunden hatte, es ordentlich ins Wachstuch einzuschlagen.” Alastair stöhnte auf. “ Ich weiß es langsam, Gembries und es tut mir ja auch wirklich leid, aber wie lange willst du mir das noch vorwerfen?” “Solange du mir mit deinem Geheul wegen Hunger und der blöden Frage, wann wir endlich da sind, auf die Nerven gehst.” Sein harscher Ton brachte ihm einen empörten Blick ein, und verletzt schwieg Alastair. Gembries genoss den Moment der Stille, doch der währte nicht lang. “Du Gembries, warum weiß dein Onkel eigentlich so viel über die alten Geschichten?” “Weil ers halt gelernt hat.” “Du meinst, er hat eine Schule besucht?” fragte der Junge mit einem fast ehrfürchtigen Ton. “Quatsch, er wurde von seinem Vater unterrichtet, wie jedermann. Und sein Vater wusste es von seinem Vater und so weiter und so fort, und irgendwann kommen wir dann in die Zeit, wo die Väter die großen Kriege persönlich miterlebt haben. Das nennt man Überlieferung.” “Aber dann wird dir dein Vater doch auch etwas überliefert haben!” “Nur, dass man Pferden nicht trauen sollte.” “Wie meinst du das?” “Er starb noch vor meiner Geburt, kam wortwörtlich unter die Hufe von so einem blöden Gaul.” “Oh, das tut mir leid.” Alastairs Betroffenheit währte zehn Sekunden. “Und deine Mutter? Hat sie dir nichts überliefert?” “Sie starb bei meiner Geburt.” “Oh.” Echtes Mitgefühl zeigte sich in den Augen des Jungen. “Und deine Eltern, Junge? Du sprichst nie von ihnen. Leben sie noch?” Diesmal währte die Stille so lange, dass Gembries sich erstaunt nach dem Jungen umsah. “Ich weiß es nicht. Ich wurde als Baby in einem Waisenhaus abgegeben. In einer weißen Decke aus feinstem Stoff, in die mein Name gestickt war.” sagte er leise, dann lächelte er bitter. “Immerhin! Ich hab mir jahrelang vorgestellt, dass sie mich lieb hatten und sich auf meine Geburt freuten, und dass ich nur wegen schrecklicher Umstände ins Waisenhaus musste. Und ich hab jahrelang gewartet, dass sie kommen um mich zu sich zu holen. Aber sie kamen nicht.” Er zuckte die Schultern. “Wer weiß, was mit ihnen ist.” “Hast du die Decke noch?” “Was? Nein, die hat die Hausmutter verkauft, kaum dass sie die Türe zugemacht hat. Meine große Schwester hats mir erzählt.” “Wie jetzt, du hast eine Schwester?” “Nein, nicht wirklich. Ich nannte sie nur immer so, sie war ein älteres Mädchen aus dem Waisenhaus und hat sich immer um mich gekümmert, als ich noch klein war.” “Und was ist mit ihr?” Alastair seufzte tief. “Was soll schon mit ihr sein, Gembries? Sie wurde verkauft, als ich etwa 12 Jahre alt war. Ich hab sie nie wieder gesehen.” Gembries zuckte zusammen, als hätte er einen Schlag in den Magen erhalten. “Die verkaufen die Kinder?” Alastair lachte bitter. “Nur die großen. Die bringen dann das Geld rein, um die kleinen Rotznasen großzuziehen. Wie sonst sollte ein Waisenhaus funktionieren?” Gembries knirschte mit den Zähnen. “Gut, dass du mir das sagst, Junge. Sollte ich je wieder auf ein Waisenhaus treffen, werde ich reingehen, der Hausmutter die Zähne in den Hals schlagen und mir die ganzen Rotznasen auf die Karre laden. Kinder in die Sklaverei zu verkaufen ist ja wohl das allerallerletzte. Wo steht dieses beschissene Waisenhaus?” “Ich weiß es nicht. Es steht allein an einem Waldrand. Als Junge hab ich es nie verlassen und weiß deshalb nicht, welche Ortschaften in der Nähe waren. Und als ich verkauft wurde, sind wir lange gereist. Und jetzt will ich nicht mehr drüber sprechen, Gembries. Bitte.”


    Mir reicht es! Fort mit diesem Geschmeiß. Sie reden geschmeidig wie mit Elbenzungen und doch haben sie keinen Sinn für die Ordnung der Dinge. Und dem nächsten, den ich mit der Hacke an meinem Berg erwische, spalte ich das Haupt bis zum Arsch, so wahr ich ein Mann Ursas bin.

    Auszug aus dem Protokoll einer Clanversammlung, aus der Sammlung “Die alten Völker”


    Die Wachstube war tatsächlich leer. Nisha atmete auf. Ein morscher Stuhl und ein mit Staub bedeckter Tisch ließen vermuten, das schon lange niemand mehr hier war. Mehrere Schlüsselbunde hingen an Haken an der Wand, aber sie waren rostig und von dichten Spinnweben überzogen.
    Was, wenn die Verschwörer die Schlüssel der Verliese, in denen ihre Gefangenen waren, stets mit sich führten? Die Scholare trugen immer große Ringe mit vielen Schlüsseln an ihren Gürteln. Es würde gar nicht auffallen.
    Eine Fackel erhellte den Raum mit seltsam blauer Flamme, die sich kaum bewegte. Nisha vermutete ein magisches Feuer und verspürte leises Unbehagen, als sie die Fackel aus ihrer Halterung nahm. Dann schalt sie sich eine dumme Gans und steckte die Fackel wieder zurück. Sollte jemand kommen, während sie hier durch die Gänge schlich, würde das Licht sie verraten. Aufmerksam sah sie sich in dem Raum um, aber außer dem Tisch ´gab es hier nichts. “Etwas zu Essen und eine Waffe wären nicht schlecht gewesen, so für den Anfang.” dachte sie. “Und ein Bad, etwas Wundsalbe, eine Haarbürste und ein frisches Kleid. Herrje, ich glaube, ich bin verwöhnt.” Es musste auch so gehen. Nisha besann sich auf das, was sie konnte. Die Natur hatte sie mit einem sehr feinen Gehör ausgestattet. Und sie konnte sich fast lautlos bewegen. Geschmeidig wie eine Katze verschwand sie im Dunkel des nächsten Ganges. Ihre Fingerspitzen ließ sie über die felsige Wand gleiten, um die Orientierung nicht ganz zu verlieren und um Türen finden zu können. Aber außer der Wand gab es nichts.
    Das Licht der Wachstube war nur noch als kleiner, weit entfernter Fleck zu erkennen, als sie innehielt und lauschte. Absolute Stille, hier tropfte noch nicht einmal Wasser. Seufzend lief sie, die Wand gegenüber abtastend, zurück und probierte ihr Glück im nächsten, von der Wachstube abgehenden Gang. Auch hier ging sie mit der gleichen Methode lange Zeit durch die Finsternis, ohne etwas anderes als glatten Fels zu spüren. Wenigstens war der Boden überall eben und sie musste nicht befürchten, zu stolpern. Der Lichtfleck hinter ihr war kaum noch sichtbar. Einen Moment kämpfte sie mit der Versuchung, noch weiter zu gehen, aber die Furcht siegte. Sie war hier noch nie zuvor gewesen und kannte sich nicht aus. Eliazar hatte ihr einmal erzählt, dass die Feste an einen alten Zwergenstollen angebaut wurde. Damals ´war sie von der Vorstellung fasziniert, die Relikte eines alten Volkes so nahe zu wissen, aber Eliazar hatte ihr das nicht erzählt, um sie zu unterhalten, sondern um sie eindringlich zu warnen. “Es ist nicht sicher, dass in den alten Tagen der Feste wirklich alle Zugänge zum Zwergenreich verschlossen werden konnten. Deshalb geht hier niemand tiefer als in die obersten zwei Kelleretagen, und darum möchte ich auch dich bitten.” “Hat denn nie jemand die Stollen erforscht?” “Deshalb warne ich dich ja. Es sind verschiedene Male im Laufe der Jahrhunderte Expeditionen aufgebrochen, allein schon in der Hoffnung, einen der sagenhaften Schätze der Zwerge zu finden. Aber nie kam auch nur ein Mensch zurück. Es ist zu vermuten, dass sie umkamen. Die Zwerge waren Meister im Erbauen tödlicher Fallen und sie haben alles ihnen mögliche getan, um ihr Reich vor uns zu schützen. Deshalb: gehe nie in den tiefen Keller. Dort ist es dunkel und so weitläufig, dass man sich sehr leicht verirren kann - und vielleicht sogar unwissentlich in den Bereich der Zwerge gerät.”
    Nisha erlaubte sich noch hundert Schritte in die Dunkelheit, dann wechselte sie die Wand und ging enttäuscht wieder zurück. Sie war sich sicher, aus der Richtung der Wachstube in ihr Verlies gebracht worden zu sein. Irgendwo musste es hier einen Weg nach oben geben. Unbewusst streckte sie ihr Kinn vor. Sie würde diesen Weg finden. Und sie würde Eliazar finden. Sie hatte nichts zu verlieren. Plötzlich war Leere unter ihren Fingerkuppen. Aufgeregt hielt sie an und ertastete einen glatten Torbogen. Ein Nebengang! Na also! Ein Grinsen legte sich auf ihr Gesicht, jedenfalls so lange, bis ihr nackter Fuß schmerzhaft vor eine steinerne Stufe stieß. Nisha unterdrückte sowohl einen Fluch wie auch ein Jubeln. Sie hatte eine Treppe nach oben gefunden.
    Die Treppe war lang und steil, und sie musste mehrfach Pause machen, da ihr Atem laut und damit hörbar wurde. Verdammt, sie war schwach geworden. Plötzlich mündeten die Stufen auf ebenem Boden. Nisha hielt die Luft an und lauschte. Es war nichts zu hören. Es war leider auch nicht zu sehen, völlige Schwärze umfing sie. “An der Wand bleiben.” mahnte sie sich. Nach drei Schritten ertastete sie eine Ecke, die Wand ging nach Rechts. Und nach weiteren drei Schritten wieder. Nisha erstarrte. Vor ihr lag eine weitere Treppe. Und am Ende derselben schien es für den Ausschnitt eines Durchgangs etwas heller zu werden.
    Es war ein sehr schwaches Licht oder besser gesagt, das Schwarz wurde zu einem Grau. Was bedeutete, dass nicht unmittelbar an der Treppe jemand mit einer Fackel stand oder der obere Gang beleuchtet war, weil er häufig benutzt wurde. Gut. Zuversichtlich schlich sie hoch und sah sich um. Ihre Augen hatten sich so sehr an die völlige Dunkelheit des unteren Geschosses gewöhnt, dass sie in dem Grau Konturen erkennen konnte. Weit hinten auf der linken Seite war ein hell erleuchteter Fleck zu sehen, dort schienen die Verschwörer für Licht gesorgt zu haben. Der Gang vor ihr war lang, die Decken gewölbt und hoch. Das rechte Ende verschwand in Dunkelheit. In regelmäßigen Abständen waren auf der anderen Seite Gittertüren in die Wand eingelassen. Nisha konzentrierte sich auf ihre Ohren, aber alles, was sie hören konnte war ein flüchtiges Tapsen kleiner Pfoten und ein leises Quitschen. Ratten. Niemand schien hier zu atmen. Vorsichtig näherte sie sich einem Verlies und sah hinein.
    Dort drin war es dunkler als auf dem Gang und sie konnte nicht viel erkennen. Eine Gestalt lag in der Nähe des Gitters auf dem Boden, einen Arm ausgestreckt bis fast zur Türe. Eliazar? Sie hörte immer noch keinen Atem. Nisha ging in die Hocke und tastete ganz vorsichtig nach der Hand, die sie erreichen konnte. Erleichterung und Entsetzen durchfuhren sie zugleich, als sie blanke Knochen ertastete. Offenbar wurden diese Verliese seit langem nicht mehr genutzt. Langsam, ihre Sinne aufs äußerste angespannt, ging sie auf den hellen Fleck zu.

    Je eine Fackel links und rechts von einer schweren Holztüre, in der auf Kopfhöhe eine vergitterte Öffnung eingelassen war, und zwei Fackeln an der gegenüberliegenden Wand. Die normal gelb orangen Flammen tanzten in einem kaum spürbaren Luftzug. Unter den Fackeln an der Wand saß ein Mann, den Rücken an die Wand gelehnt, der Kopf hing zur Seite, die Augen waren geschlossen. Er trug eine Kettenhaube, seine Wangen waren im Schlaf leicht gerötet, sein Gesicht unter dem sauber gestutzten schwarzen Bart entspannt. Zum Schutz vor der Kälte hatte er eine leichte, graue Decke um seinen Oberkörper gelegt, seine ausgestreckten Beine steckten in einer mehrfach geflickten grünen Hose und seine Stiefel hatten Löcher in der Sohle. Neben ihm stand ein irdener Topf, aus dem ein Löffel ragte. Nur eine Wache. Und die sah nicht so aus, als erwarte sie Ärger. Ganz langsam, den Mann nicht aus den Augen lassend, bewegte sich Nisha auf die Holztüre zu. Die Türe war mit einem Riegel gesichert, durch den eine schwere Eisenkette gezogen war, und an dieser Eisenkette prangte ein dickes Schloss. Nisha schickte ein Stoßgebet an die Ewige, die Wache nicht gerade dann aufwachen zu lassen, wenn sie ihm den Rücken zukehrte. Sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um durch die Öffnung in das Verlies sehen zu können. Verdammter Mist. Die Öffnung war nicht groß genug, um Licht in die Zelle zu lassen und es war so dunkel darin, dass Nisha nichts erkennen konnte. Aber sie hörte jemanden atmen, flach und unruhig. Das Gefühl der Überforderung sprang sie an wie ein hungriges Tier und jagte ihr einen kalten Schauer durch die Adern. Hastig zog sie sich in den dunkleren Gang zurück und blieb ratlos dort stehen. In der Zelle wurde jemand gefangen gehalten, der wichtig genug war, ihn zu bewachen. Ein normaler Sträfling konnte es nicht sein, denn die Verbrecher saßen in den Türmen und die Wärter dort trugen stolz ihr Uniformen in den Farben der Feste, rot und blau. Egal, wer in dem Verlies saß - er war ein Feind der Verschwörer und damit ein Verbündeter. Aber wie konnte sie ihn befreien? Sie konnte sich ja schlecht durch die Tür nagen. Nisha fühlte sich erbärmlich, während ihre Gedanken fieberhaft nach einem Ausweg suchten. Und dann hörte sie, erst leise, dann lauter werdend, Schritte. Vorsichtig zog sie sich noch ein Stück weiter in die Schatten zurück und versuchte, mit der Wand zu verschmelzen. Jemand kam hierher. Obwohl die Schritte sehr energisch immer lauter wurden, rührte sich der Wachposten nicht. Es gab einen kurzen Moment der Stille, dann waren die Schritte sehr nah. Nisha hörte einen Tritt und gleich darauf zerschellte etwas klirrend an der Wand. Ein Geruch nach Eintopf machte sich breit und löste bei ihr ein schmerzhaftes Ziehen im Magen aus. “Hey, Mann, was soll das?” fuhr die Wache erschreckt aus dem Schlaf. “Du kannst von Glück reden, dass ich dich so gefunden habe. Bist du eigentlich wahnsinnig, hier zu schlafen?” Obwohl sehr wütend, hielt der andere seine Stimme leise. “Ich kann nichts dafür, Mann, das Baby hat die ganze Nacht geschrien, ich hab keine Auge zugetan. Da hat mich der Schlaf hier einfach übermannt.” Auch der Wächter sprach gedämpft. “Lass dich nie wieder beim Pennen erwischen! Und jetzt mach, dass du nach Hause kommst, ich übernehme. Grüß Gerrit und die Kinder.” Nisha konnte hören, wie der Wächter aufstand und sich gähnend streckte. “Danke, Oleg. Wir sehen uns dann morgen früh.”
    Einer der Männer ging fort und begann, dabei ein fröhliches Lied zu pfeifen, der andere schnaubte kurz. Nisha hörte erst, wie eine Fackel aus ihrer Halterung gezogen wurde, dann wenige Schritte. Vor ihrem inneren Auge tauchte das Bild auf, wie die neue Wache die Fackel an die Öffnung der Holztür hielt und nach dem Gefangenen sah. Wieder Schritte. Aber die Fackel wurde nicht wieder zurückgesteckt. Der Lichtschein am Anfang des Ganges nahm zu. Der Neue machte einen Kontrollgang.
    Und er kam auf ihren Gang zu. Voll Panik drehte sich Nisha um und rannte, so schnell sie konnte, in die Dunkelheit.
    Die Schritte hinter ihr verstummten kurz - dann beeilte sich der Mann. Offenbar hatte er sie hören können. Unbarmherzig fraß sich das Licht seiner Fackel den Gang entlang, und es würde nicht mehr lange dauern, bis er sie sehen könnte. Die Angst drückte ihr den Hals zu, und ihr Atem bekam einen leise pfeifenden Unterton. Bald würde sie keuchen müssen, und dann war sie geliefert. Tränen liefen ihr übers Gesicht, während sie blindlings dem Licht entfloh, und plötzlich konnte sie wieder etwas vor sich erkennen. Es wurde dort etwas heller, sie sah schwache Konturen. Die Schritte hinter ihr wurden zögerlicher und verstummten schließlich. Auch Nisha blieb stehen, um jetzt bloß keinen Lärm zu machen. Sie drehte sich um. Die Fackel weit vor sich haltend starrte der Mann in ihre Richtung, ohne sie zu sehen. Er sah irgendwie ängstlich aus. Mit einem leisen Fluch drehte er sich um und ging zurück. Erst, als er die Wachstube erreicht hatte und aus dem Gang verschwunden war, gab sie ihren weichen Knien nach und sank auf den Boden. ”Ich bin nicht zum Helden geboren.” dachte sie bitter. “Ist alles in Ordnung mit dir?” Die Stimme war so leise, dass Nisha nicht sicher war, ob sie real oder nur in ihrem Kopf war. “Ja.” flüsterte sie kaum hörbar zurück. “Fein. Kannst du mich hier los machen?” Verwundert stand sie auf und sah sich um. “Wo bist du denn?” “Geh den Gang runter und bieg hinten links ab, dem Licht nach. Ich bin in der Kammer, die Tür ist offen, aber ich bin festgebunden.” Wie konnte sie ein so leises Flüstern hören, wenn er noch so weit weg war? Oder war die Stimme doch in ihrem Kopf, schnappte sie jetzt über? Zögernd bewegte sie sich vorwärts. Es dauerte, bis sie links abbiegen konnte, aber da war tatsächlich eine Türe, aus der ein flackernder Lichtschein fiel. Und je näher sie der Türe kam, desto seltsamer wurde ihr zumute. Schon der erste Blick in die Zelle ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Der Boden war mit seltsamen Zeichen aus Blut bemalt, auf denen kleine schwarze Kerzen in einem bestimmten Muster aufgestellt waren. Die fremdartige, böse Macht, die von diesen Runen ausstrahlte, erfüllte sie mit blankem Entsetzen. Dunkle Magie. “Hab keine Angst, dir kann hier nichts geschehen.” Diesmal war die Stimme etwas lauter. Sie war jung und weich und klang völlig entspannt. Gegen ihren inneren Widerstand zwang sich Nisha, näher ran zu gehen und nach dem Sprecher Ausschau zu halten. In der Mitte des Kerkers stand inmitten der Zeichen eine schwarze Schale auf einem Dreibein. Blut tropfe von oben hinein. Nishas Augen folgten den Tropfen nach oben. Unter der Decke hatte man einen Mann an den Füßen aufgehängt, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Reglos hing er da und sie war froh, sein Gesicht nicht sehen zu müssen. Da sie es nicht über sich brachte, den Raum zu betreten, suchte sie von der Schwelle aus nach dem Sprecher. Aber der Raum war leer. “Ich bin wirklich verrückt geworden.” fuhr es ihr durch den Kopf. Dann erstarrte sie. Der Körper unter der Decke hatte sich gedreht. Aus einem milchweißen Gesicht glänzten sie schwarze Augen an, und rote Lippen gaben lächelnd die weißesten Zähne frei, die sie je gesehen hatte. “Ich freue mich sehr, dich kennen zu lernen.” sagte er mit seiner weichen Stimme und strahlte sie an. Nisha spürte, wie ihr Herz vor Angst ein paar Schläge aussetzte. Man hatte ihm mit einem Messer eine der entsetzlichen Runen tief in die Stirn geschnitten, und fast nebenbei bemerkte sie, wie ein weiterer Blutstropfen aus dem Schnitt hervorquoll und langsam in die schwarzen Haare lief, bevor er von dort in die Schale tropfte.
    Was hatte man da nur heraufbeschworen? Das war doch kein Mensch. Das Wort Schatten kam ihr in den Sinn und sie fragte sich, ob die Runen dazu dienten, ihn in diesem Raum festzuhalten.
    “Machst du mich bitte los?”
    Stumm den Kopf schüttelnd, wich sie zurück bis an die Mauer des Ganges. “Oh.” Die Stimme klang überrascht und enttäuscht zugleich. “Warum nicht? Habe ich dir etwas getan? Habe ich dich vielleicht gekränkt?” Nisha presste ihre Lippen fest zusammen, ihre Haare richteten sich am ganzen Körper auf. Die böse Aura des Raumes schien nach ihr zu greifen. Mit Sicherheit kam sie von diesem Wesen, dass sie mit seiner seidenweichen Stimme einzulullen versuchte. Sie spürte förmlich, wie es nach einem neuen Trick suchte. “Ich werde dir auch helfen, hier heraus zu kommen, wenn du mich los machst. Alleine schaffst du es nicht. Und ich verspreche dir, dass du keine Angst vor mir haben musst, ich tue dir nichts. Wirklich.” Nisha rührte sich nicht, presste sich an den kalten Stein in ihrem Rücken. Sie glaubte ihm kein Wort. “Schade.” flüsterte er leise. Plötzlich erschallten Stimmen, der Wächter sprach mit jemanden. “Jetzt kommen sie. Sieh zu, dass du dich in Sicherheit bringst, Mädchen.” Diesmal hörte er sich wirklich ängstlich an. Und irgendwie auch sehr traurig. “Jemand hat ihm mit einem Messer in die Stirn geschnitten. Wer weiß, was sie als nächstes tun.” schoss es ihr durch den Kopf. Man hörte Schritte im Gang. Der Schatten guckte sehr überrascht, als Nisha wieder in der Türe stand. Noch bevor sie drüber nachdenken konnte, eilte sie über die grässlichen Runen zu der Blutschale, stellte diese beiseite und lief dann zu dem Ring an der Wand, wo das Seil festgemacht war, dass ihn oben hielt. Sie brauchte bloß fest an einer Schlaufe zu ziehen, um es zu lösen, und dann keuchte sie unter der Anstrengung, ihn langsam herunter zu lassen. Die Schritte kamen näher. Der Schatten ließ sich auf dem Boden abrollen, brachte in der gleichen Bewegung seine Arme nach vorne und löste die Handfesseln mit den Zähnen. Mit einer Kopfbewegung bedeutete er Nisha, sich hinten in die Ecke zu stellen.
    Die Schritte hielten vor der Türe überrascht inne, als der Schatten aus der Hocke auch schon mit einem gewaltigen Satz auf die Männer zusprang. Nisha hörte einen Ast knacken und ein ersticktes “Nein”, dass in einem Gurgeln endete. Geschmeidig kam der Schatten in den Kerker zurück. Verwischtes Blut zog sich über sein Kinn und die Wangen. Aber seine Miene zeigte keine Grausamkeit, fast schüchtern sah er Nisha an. “Wir könnten jetzt gehen. Kommst du?” Über die Runen zu gehen war, als ob sie auf dünnen Ästen über eine Fallgrube lief. Mit schreckengeweiteten Augen sah sie zwei Männer vor der Türe liegen. Des einen Kopf stand in einem unnatürlichen Winkel zur Schulter, der Schatten hatte ihm das Genick gebrochen. Der andere hatte ein klaffendes, blutiges Loch im Hals. Nisha legte unwillkürlich ihre Hand schützend über ihren eigenen und sah den Schatten entgeistert an. “Was hast du getan?” hauchte sie. Er zuckte die Schultern. “Was sollte ich denn machen, ich hatte keine Waffe. Aber jetzt habe ich eine.” Lächelnd und stolz hielt er einen Dolch hoch. “Kannst du sie nicht einfach k.o. schlagen? Musst du sie gleich töten?” Überrascht sah er sie an. “Aber wenn ich sie nur k.o. schlage, werden sie wieder wach. Und dann machen sie uns nur Ärger.” “Trotzdem….” Nisha erschauerte. “Wir könnten sie doch fesseln.” Amüsiert starrte der Schatten sie aus seinen dunklen Augen an. “Mädchen, sie sind Zeuge dessen, was hier unten geschieht. Solange sie uns bewachen ist es gut, aber was glaubst du geschieht mit ihnen, wenn wir hier weg sind?” “Dafür sind wir dann aber nicht verantwortlich.” blieb sie fest. Seufzend verdrehte er die Augen. “Na gut, wenn du so ein großes Problem damit hast, werde ich mir Mühe geben, niemanden umzubringen. Und jetzt lass uns fliehen.” “Moment.” “Was ist denn noch?” Nisha schluckte. “Sie halten meinen Freund gefangen, wir müssen ihn befreien. Er sitzt wahrscheinlich in einem Verlies bei der Wache. Ohne ihn gehe ich nicht.” Zum ersten Mal glitt Unmut offen über das bleiche Gesicht. “Sonst noch was?” fragte er kühl. “Nein.” “Na, da bin ich aber froh. Und jetzt komm.”
    Sie folgte ihm, bis er ihr ein Zeichen gab, stehen zu bleiben. Er selbst verschwand völlig geräuschlos in das erleuchtete Rund des Wachraumes. Nisha hörte einen überraschten Ausruf und direkt darauf Geräusche eines Kampfes, die mit einem harten Schlag und dem Fall eines Körpers endeten. Sie war erleichtert, dass es der Schatten war, der sie schließlich zu sich winkte.
    “Wir müssen das Schloss öffnen.” sagte Nisha und begann hektisch, die Taschen des Wächters nach einem Schlüssel zu durchsuchen. Während dessen machte sich der Schatten mit der Spitze seines Dolches am Schloss zu schaffen. Kurz darauf ertönte ein Klicken. “Ta - da!” grinste er und zog die Kette geräuschvoll vom Riegel. Nisha schickte ein Stoßgebet zur Ewigen, dass sie Eliazar in der Zelle finden würden. Der Schatten war schon in der Zelle verschwunden, bevor Nisha sich vom Boden erhoben hatte. Und gerade als sie ihm folgen wollte packte eine Hand ihr Fußgelenk und versuchte, sie zu Fall zu bringen. Sie schrie erschrocken auf. Der Wächter hatte sich mit hassverzerrtem Gesicht schon zu Hälfte erhoben, als etwas sehr dicht an Nisha vorbei flog. Mit einem eklig stumpfen Geräusch bohrte sich der Dolch bis ans Heft ins Auge des Mannes. Nisha biss in ihre Faust um einen Schrei zu unterdrücken. Ein Ausdruck von Erstaunen glitt über das Gesicht des Wärters, bevor er tot zusammenbrach. Nisha spürte, wie seine Hand an ihrem Fußgelenk noch einmal krampfhaft zuckte, dann gab er sie frei. “Ich bedaure, dein Freund ist nicht in der Zelle.” sagte der Schatten leise. Mit Tränen in den Augen drückte sich Nisha an ihm vorbei, um sich selbst davon zu überzeugen. In der Mitte des Raumes lag gekrümmt eine Gestalt auf dem Boden. Das lange weiße Haar verdeckte das Gesicht und der lange Bart war mit Erbrochenem besudelt. Vor Erleichterung schluchzte Nisha auf. Eliazar! Sie kniete sich zu ihm, strich das Haar aus seinem Gesicht und bettete seinen Kopf auf ihren Schoss. Er atmete noch, wenn auch flach. “Ewige Mutter, ich danke dir.” flüsterte sie unter Tränen. Der Schatten sah sie schockiert an. “Dieses senile Gereck ist dein Freund?” fragte er nach einer Weile ungläubig. “Nicht so, wie du denkst.” gab sie errötend zurück. “Mädchen, der Mann ist fertig, der steht nicht mehr auf. Lass uns gehen!” “Nicht ohne ihn!” Beschwörend sah der Schatten sie an. “Ist er es denn wirklich wert, für ihn zu sterben? Wo er so alt ist, dass er jeden Tag von selbst tot umfallen könnte? Und würde er wollen, dass du dein junges Leben für seine letzten paar Tage aufs Spiel setzt?” “Du verstehst das nicht.” flüsterte Nisha, den Blick fest auf das Gesicht Eliazars gerichtet. “Sein Überleben ist wichtiger als unser beider Leben zusammen. Mehr kann und will ich dir nicht dazu sagen.”
    “Du traust mir nicht, oder?” Verlegen zuckte Nisha die Schultern. “Okay.” Der Schatten seufzte tief. “Verrätst du mir denn wenigstens deinen Namen? Oder ist der auch ein Geheimnis?” Gegen ihren Willen musste sie grinsen. “Ich heiße Nisha. Und du?” “Vaine. Werte Dame Nisha, es ist mir eine Ehre, eure Bekanntschaft zu machen.” Elegant verneigte er sich. “Wenn auch unter finsteren Umständen, die einzig von Eurer Schönheit erhellt werden.” Dabei lächelte er sie auf betörende Weise an, als ob er seine Worte ernst meinte. Nisha spürte, wie ihr erneut flammende Röte ins Gesicht schoss. “Danke für das Kompliment, Vaine, mein Retter in der Not, aber zufällig habe ich schon eine Vorstellung davon, wie ich grad aussehe.” Sein Lächeln blieb betörend. “Mir gefällst du.” sagte er ernst. “Und jetzt lass uns aufbrechen.” Er zog seinen Dolch aus der Leiche des Wächters, säuberte ihn an dessen Wams, nahm ihm sein Schwert ab und fand noch einen Dolch in einer Armscheide, den er Nisha übergab. “Für den Fall der Fälle, trag ihn bei dir.” Widerwillig steckte sie ihn in ihre Schürze. “Wie kriegen wir meinen Freund hier weg? Er scheint sehr krank zu sein.” Vaine zuckte die Achseln. “Na, wie wohl?” Er hob den alten Mann auf, als wiege er nichts, und legte in sich über eine Schulter. Eliazar war zwar hager, aber groß, größer als Vaine. Trotzdem lief dieser leichtfüßig voraus. Nisha eilte sich, ihm zu folgen. Anscheinend kannte er sich gut hier unten aus, nicht einmal zögerte er, irgendwo abzubiegen oder eine Treppe zu nehmen. Nisha war sich sicher, ihn noch nie zuvor in der Feste gesehen zu haben. Und mit seiner milchweißen Haut und seinen dunklen Augen wäre er ihr bestimmt aufgefallen.
    Ohne, dass sie einem weiteren Wächter begegneten, erreichten sie den Teil der Feste, der ihr bekannt war. Vaine lief weiter zügig voran, aber Nisha merkte, wie ihre Beine von Schritt zu Schritt stärker zitterten. Ihre Lungen brannten, ihr Hals war ausgetrocknet, ihr Herz raste stolpernd in der Brust und schwarze Nebel zogen an ihren Augen vorbei. “Vaine, lass uns in die Waschküchen gehen, da ist jetzt niemand, es ist tiefe Nacht. Ich brauche dringend eine Pause, ich kann nicht mehr.” japste sie kläglich. Als sie zu schwanken begann, war er sofort an ihrer Seite und stützte sie mit seinem freien Arm. Nisha bekam das kaum noch mit. Ihre Welt versank in Schwindel und Schwärze. Mühsam quälte sie sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, dann gaben ihre Beine unter ihr nach.
    Sie erwachte auf einem Stapel ungewaschener Decken. Erschrocken fuhr sie in die Höhe. Jemand hatte in sicherer Entfernung von den Decken eine kleine Kerze auf den Boden gestellt. In ihrem Licht konnte Nisha erkennen, dass Eliazar ein Stückchen neben ihr lag. Ängstlich strengte Nisha ihre Ohren an. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie hier gelegen hatte. Wenn die Nacht schon vorbei war, würde es gleich hier von Personal nur so wimmeln. Man würde sie erkennen und sofort wieder festnehmen, und diesmal wahrscheinlich sicherstellen, dass sie nicht mehr lange genug leben würde, um erneut eine Flucht zu versuchen. Ein grimmiges Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel. Die Verschwörer hätten allerdings Schwierigkeiten, das Auftauchen eines zweiten Eliazars zu erklären. Außer dessen Atemzügen hörte sie nichts. Besorgt beugte sie sich zu dem alten Mann. Sein Gesicht war immer noch bleich und er schien weiterhin in einer tiefen Bewusstlosigkeit gefangen zu sein, aber seine Atmung war weniger flach und regelmäßiger als zuvor. Es schien ihm etwas besser zu gehen. Mutlos sank sie zusammen. Offenbar hatte sich der Schatten davon gemacht. Nisha konnte es sogar verstehen. Eine Flucht aus der Feste war bestenfalls sehr schwer, und Eliazar und sie waren für Vaine nichts als unnützer Ballast und machten sein Entkommen so gut wie unmöglich. Jetzt war sie mit Eliazar allein und hatte keine Ahnung, wie sie ihn von hier fortbewegen sollte. Tragen konnte sie ihn nicht. Und ihn an den Armen hinter sich herschleifen, versprach auch wenig Aussicht auf Erfolg. Nun hatte sie den Preis dafür zu zahlen, dass sie in all den Jahren ein sehr zurückgezogenes Leben geführt hatte. Nisha hatte keine Freunde in der Feste. Anfangs hatten viele aus der Dienerschaft den Kontakt zu ihr gesucht, aber nur, um sie nach Eliazar auszufragen oder über sie Bitten an ihn heranzutragen. Sie hatte sich so reserviert verhalten, dass die Menschen schließlich aufgegeben hatten.
    Angestrengt überlegte sie, wer von den Scholaren noch vertrauenswürdig genug war, um ihn um Hilfe zu bitten und ihm die Situation zu erklären. Sie seufzte tief, als ihr niemand einfiel. Das Risiko, sich unwissentlich an einen der Verschwörer zu wenden, war zu hoch. Vaine würde die Flucht allein bestimmt gelingen. Hätte sie sich ihm anvertraut, hätte er vielleicht sogar von außen Hilfe geholt. Wie von selbst tauchte vor ihrem inneren Auge das Bild auf, wie Vaine an den Füßen über diesen grässlichen Runen hing. Wahrscheinlich schon seit vielen Stunden, bevor sie ihn fand. Und sein Gesicht hatte sich nicht rot verfärbt, wie es bei einem Menschen der Fall gewesen wäre. Wenn er wirklich ein Schatten war, dann war er im Kern böse. Und der Hüter der Feste sein natürlicher Gegenspieler. Nein, es war richtig gewesen, sich Vaine nicht anzuvertrauen. Wer weiß, ob er ihr dann überhaupt geholfen hätte. Mit Schaudern erinnerte sie sich daran, dass er dem einen Mann die Kehle durchgebissen hatte. Sie sollte sich nicht von seinem Charme und seinen dunklen Augen einlullen lassen.
    Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. Zu Tode erschrocken fuhr Nisha zusammen und griff reflexartig nach dem Dolch in ihrer Schürze. “Ich bins doch nur.” flüsterte Vaine. “Es tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe. Geht es dir wieder besser?” Nisha zitterte am ganzen Körper und konnte ihn nur verstört anstarren. “Wieso hilfst du uns eigentlich? Ohne uns wärst du doch längst schon draußen.” entfuhr es ihr spontan. “Vielleicht.” lächelte er ihr amüsiert zu. “Aber du hast mich doch befreit. Und ich habe dir versprochen, dir zu helfen. Erinnerst du dich nicht daran?” Verlegen wandte Nisha den Blick von diesen dunklen Augen ab. “Doch, ja, aber unter diesen Umständen hätte es mich nicht gewundert, wenn du dich davongemacht hättest.” Für ein paar Sekunden blieb es still. “So denkst du also von mir?” Er klang erschüttert und verletzt. Plötzlich schämte sie sich abgrundtief. Er hatte sich ihr gegenüber bisher stets freundlich verhalten. Und sie hatte ihn gerade beleidigt. Dabei nutzte sie ihn aus, um seinen Erzfeind unter Einsatz seines Lebens hier heraus zu bringen. Falls er überhaupt sterblich war. Eines Tages würde Vaine sie dafür hassen. Und obwohl er ein Schatten war, schmerzte der Gedanke.
    “Es tut mir leid, ich hab es nicht so gemeint.” flüsterte sie ehrlich zerknirscht. “Man hat übrigens unser Verschwinden entdeckt.” sagte er kühl. “Es fiel auf, dass die beiden Männer, die zu mir wollten, nicht zurück kamen. Noch zögern sie, einen wirklich großen Alarm auszulösen, warum auch immer. Aber etwa zwei Dutzend Soldaten durchstöbern den tiefen Keller.” “Oh.” hauchte Nisha entsetzt. “Ich habe sie noch für eine Weile da unten beschäftigt gehalten.” grinste Vaine. Nisha sah ihn fragend an. “Ich bin an ihnen vorbeigeschlichen und habe die Männer getötet, die sich am weitesten nach unten vorgewagt hatten. Sie werden uns also eher auf dem Weg in die Stollen vermuten als hier. Das sollte uns etwas Zeit verschaffen.” Nisha schluckte. “Du bist sehr mutig.” brachte sie hervor und verscheuchte das Bild von durchgebissenen Hälsen. Erst jetzt bemerkte sie, dass er zwei Schwerter an den Hüften trug und mehrere Dolche in seinem Gürtel hatte. Provozierend sah er ihr direkt in die Augen. “Ich habe dir versprochen, dich und deinen Freund hier heraus zu bringen, Nisha, und ich werde mein Wort halten. Auch wenn du mir nicht traust. Wir haben noch etwa eine Stunde, bis die Sonne aufgeht, und ich habe eine Idee. Wo ist der Friedhof?” “Der ist unten im Tal.” sagte sie überrascht. “Das habe ich gehofft.” lächelte er. “Ich habe ein paar Sachen geholt, zieh dich um. Deinen Freund nähe ich hier in einen Sack ein, und hinten steht ein Handkarren. Wir werden als kleiner Totenzug die Feste verlassen. Ich vorneweg in einem dunklen Umhang mit Kapuze und einer Ratsche, die die Menschen warnen soll, dass unser Toter an einer ansteckenden Krankheit starb, ich denke an Lepra. Du ziehst den Handkarren als Heiler verkleidet, ich hab für dich eine Hose und ein Wams gefunden. Und den grünen Heiler Umhang, auch mit Kapuze, unter der du deine langen Haare verstecken kannst. Bind dir dann hier das weiße Tuch um Nase und Mund. Du hast Verletzungen im Gesicht, die werden oben rausschauen und die Leute glauben machen, dass du dich mit Lepra angesteckt hast. Aber wasch dir vorher die Stirn, Heiler sind nicht so schmutzig.” Munter begann Vaine, den langen Körper Eliazars in einen Jutesack zu packen. “Das könnte klappen.” hauchte Nisha begeistert. “Wir müssen nur schnell und ungesehen aus den Waschräumen hier raus. Noch geht das, wo alle schlafen, also beeil dich.” sagte Vaine und holte Nadel und Faden aus einer Tasche. Nisha unterdrückte ein Kichern. Es war so absurd, dass ein mordender Schatten Nähzeug dabei hatte. Beflügelt von der Aussicht auf ein Entkommen begab sie sich zu dem Waschzubern, säuberte ihr Gesicht und zog sich dann hinter einem Zuber versteckt um. Ihre alten Sachen vergrub sie tief unter einem Haufen schmutziger Wäsche. Ihren Dolch steckte sie seitlich in ihren Gürtel. Als sie zu Vaine zurück kam, hatte er den Totensack bereits mit wenigen, groben Stichen geschlossen. “Perfekt.” nickte er ihr anerkennend zu. “Es gibt hier ein Seitengelass, wo sonst immer die Seifen hereingebracht werden.” sagte Nisha. “Vielleicht haben wir Glück und die Türe ist offen.” “Ich kann auch verschlossene Türen öffnen.” grinste Vaine. “Und denk dran: den Blick immer schön zu Boden gesenkt halten, egal, was passiert. Ich werde schon auf uns aufpassen.”
    Kurze Zeit später setzte sich im beginnenden Morgengrauen gemessenen Schrittes ein Leichenzug in Bewegung. Laut rumpelte der Handkarren über das Kopfsteinpflaster. Die ersten Geräusche drangen aus den Häusern in den Hof. Man hörte Gähnen, das Rauschen von Wasser, das Klappern von Türen und irgendwo krähte ein Hahn. Als die ersten Menschen auf die Strasse traten, begann Vaine, die Ratsche zu drehen. Die Leute traten beiseite und manche verneigten sich kurz mit einer Hand auf der linken Brust, um dem Toten die letzte Ehre zu erweisen. Nishas Herz gebärdete sich wie ein vor Angst verrückter Vogel und flatterte wild in ihrer Brust, aber äußerlich ließ sie sich nichts anmerken. Starr auf dem Boden blickend folgte sie dem Geräusch der Ratsche. Die Feste war groß und es war schon fast taghell, als sie endlich aus den Augenwinkeln die Stiefel der Wachleute am Tor erblickte. Erneut schickte sie ein Stoßgebet zur Ewigen. “Bitte, lass die Verschwörer noch keinen Alarm ausgelöst haben.” Die Stiefel fuhren zusammen, die Hacken knallten - die Wachleute erwiesen dem Toten ihren Respekt und ohne Anzuhalten waren sie unter dem Falltor durch. Nisha erlaubte sich ein breites Grinsen unter ihrem Tuch. Aber noch waren sie nicht außer Gefahr. Es gab nur diese eine Strasse, die von der Feste ins Tal führte. Und die Strasse war lang und steil. Der Karren begann, sie von hinten zu schieben. Ungewollt wurden ihre Schritte schneller. Schon war Vaine an der anderen Seite und packte mit an, um den Karren zu bremsen. Beide die Stange des Wagens haltend, erlaubten sie sich einen flotten Schritt. Sie betraten den ersten Tunnel. Und waren noch nicht wieder draußen, als Hörner aus der Feste erklangen. Nisha wartete auf das Geräusch des fallenden Torgitters. Rasselnd fuhr es runter und sein Auftreffen auf den Boden war sogar hier im Tunnel als leichtes Beben zu spüren. Mit dem dumpfen Knall setzen sich Pferdehufe in Bewegung. Ihr Körper bewegte sich weiter, aber ihre Gedanken erfroren in Angst. Es dauerte nicht lange, und die galoppierenden Wachen hatten sie eingeholt. Vaine begann, seine Ratsche zu drehen, kaum dass der Hufschlag näher kam. “He, ihr da!” “Ja bitte?” Vaines Stimme war bewundernswert ruhig. Fast schon zu ruhig für jemanden, der einen Karren bergab zu bremsen versuchte. Fünf Reiter tauchten an ihrer Seite auf und beäugten sie misstrauisch im Schein ihrer Fackeln. “Es sind drei Schwerverbrecher entflohen.” sagte der Anführer, betonte dabei das Wort drei und musterte sie prüfend. “Mein Herr, ich muss euch bitten, zurück zu treten. Der Verstorbene litt unter einer sehr ansteckenden Form der Lepra.” bat Vaine höflich. Unbehagen zog über die Gesichter der Wachen, und vier hielten ihre Pferde tatsächlich ein paar Schritte entfernt. Der Anführer zögerte kurz, dann glitt ein listiges Funkeln in seine Augen. Er zog sein Schwert und ließ sein Pferd direkt neben den Karren treten. “Ich werde mich nur davon überzeugen, dass der Verstobene wirklich tot ist, dann könnt ihr unbehelligt weiter ziehen.” sagte er mit frostigem Lächeln und setzte an, die Klinge senkrecht in den Sack zu stoßen. Vaines Dolch fuhr ihm ins Auge, bevor er seine Bewegung zu Ende bringen konnte, und dann brach die Hölle los. Nisha hörte das Klirren von Waffen, konnte sich aber nicht umdrehen, denn Vaine hatte den Karren losgelassen und dieser schob sie mit einer ungeheuren Wucht bergab. Sie ließ ihre Füße weit vortreten, schaffte es aber nicht, ihn abzubremsen. Immer schneller rumpelte er hinter ihr her und drohte, sie zu überfahren. Es war ein ganz einfacher Karren ohne bewegliche Achsen. Nisha klammerte sich an der Stange fest und betete, bloß nicht hinzufallen, während ihre Füße in einem irren Stakkato über den Boden flogen. Sie wusste, dass gleich irgendwann eine Kurve kommen musste, und dann würde der Wagen am Felsen zerschellen. Sie hörte ein Pferd herangaloppieren. Plötzlich wurde der Karren leichter, und gleich darauf umfasste sie ein Arm und hob sie ans Pferd. Das Pferd wechselte so abrupt die Richtung, dass ihre Beine wie die einer Puppe durch die Luft flogen und sie hörte den Karren gegen den Stein knallen. Hart wurde das Pferd zum Stand gebracht. Der Arm ließ sie los und sie wich ängstlich vor dem unruhigen Pferd zurück, bevor sie sich traute, zu dessen Reiter zu blicken. Es war Vaine, der versuchte, das Tier zu beruhigen. Vor ihm lag der Sack mit Eliazar. Nisha hörte ihren eigenen Atem stoßweise gehen und das unruhige Schnauben des Pferdes. “Sitz hinter mir auf. Die anderen Pferde sind leider zurück gelaufen. Die werden gleich noch mehr Häscher schicken, also beeil dich.” Sie hatte noch nie auf einem Pferd gesessen. Mühsam zog sie sich am Sattel hoch, Vaine half, so gut er konnte. “Halt dich gut an mir fest.” Das hätte er ihr nicht zu sagen brauchen, sie hatte ihm die Arme schon um den Bauch geschlungen, bevor er seinen Satz zu Ende gesprochen hatte. Sie spürte, wie ein Ruck durch seinen Körper ging, als er dem Pferd in die Flanken trat, und wie das Tier widerwillig losrannte. Schmerzhaft schlug ihr die Sattelkante im Takt des Galopps in den Bauch und sie kniff die Augen fest zusammen. Tageslicht fiel durch ihre Lider, dann wurde es wieder dunkel und nach einer Weile wieder hell. Das Pferd wurde langsamer und sein Atem zu einem angestrengten Keuchen. Pferdeschweiß hatte Nishas Hose durchnässt und die Flanken des Tieres pumpten unter ihren Beinen. Vaine ließ das Tier anhalten und Nisha öffnete ängstlich die Augen. “Es hat keinen Zweck.” sagte er. “Mit drei Leuten auf einem Pferd haben wir keine Chance, den Soldaten davon zureiten. Kannst du schwimmen?” Sie standen auf einem offenen Stück der Strasse, neben ihnen gähnte ein Abgrund. “Ja, etwas.” “Dann steig ab.” Unbeholfen rutschte sie vom Pferd. Vaine sprang elegant aus dem Sattel und nahm Eliazar runter, dann machte er die Zügel am Sattel fest und ließ das Pferd laufen. Nisha wurde flau, als sie ´Vaine an den Rand des Abgrunds treten sah. “Da unten ist ein See. Wenn wir etwas Anlauf nehmen, schaffen wir es locker. Ich nehme deinen Freund.” “Vaine, das kann ich nicht.” stammelte Nisha entsetzt. “Ich kann da nicht runterspringen, wirklich nicht. Auf gar keinen Fall.” Vaine trat auf sie zu und sah sie liebevoll an. “Ganz ruhig, Nisha.” sagte er fast zärtlich. “Alles wird gut.” “Ich kann das nicht.” Tränen stiegen ihr in die Augen. “Glaub an mich, Nisha.” sagte er leise und wischte ihr sanft eine Träne mit dem Daumen weg. ”Alles wird gut und dir wird nichts Schlimmes passieren, solange ich bei dir bin. Glaub einfach an mich. Versuch es.” Der verträumte Blick seiner dunklen Augen hielt sie gefangen und sie spürte tatsächlich, wie sie ruhiger wurde. Vaine lächelte, nickte ihr kurz zu - und dann griff er sie unter den Armen, wirbelte sie zweimal im Kreis herum und warf sie mit Schwung in den Abgrund. “So ist es also, zu sterben.” dachte sie noch, dann schlug kaltes Wasser über ihr zusammen.


    Weiß Gott, das wir in friedlicher Absicht kamen, doch von den Segnungen, die Technik und Fortschritt mit sich bringen, will hier niemand etwas wissen. Neulich versuchte ich, einem Zwerg den Vorteil des modernen Bergbaus zu erklären. Erst hörte er mir schweigend zu, dann wollte er wissen, wie ich es bewerkstelligen würde, einen Stollen zu bauen. Ich glaubte, meine Chance sei gekommen und erklärte ihm in möglichst einfachen Worten, wie so etwas mit Technik geht. Er ließ mich die Maschinen erklären und wollte auch wissen, wie diese gebaut werden und aus welchem Material. Den ganzen Tag habe ich erklärt, in den Sand gemalt, zu überzeugen versucht in der Hoffnung, einen Zugang zu ihm und seinem Volk zu finden. Aber als ich fertig war, legte er mir den Arm auf die Schulter, lächelte mich mitleidig an und sagte nur: “Das Problem deines Volkes ist, dass ihr nicht Ursas Segen habt.” Damit ließ er mich stehen. Es scheint, dass die primitiven Völker so sehr in ihrer Religion verhaftet sind, dass nur Gewalt eine Lösung zu schaffen vermag. Wir leben hier wie im tiefsten Mittelalter, und so kann es nicht weiter gehen.
    Auszug aus dem Tagebuch eines Erstlings, aus der Sammlung “Das fremde Volk”

    Ich muss gestehen, ich habe die Bücher, fand das erste toll und danach ging es für mich mit dem Lesevergnügen stetig abwärts....irgendwann hab ich aufgehört. Die Geschichte ging für mich in den vielen Schlachten unter, ich verlor den Überblick und konnte mich nach Lesepausen nicht mehr erinnern, was eigentlich los war, ich hab den roten Faden verloren. 8|
    Vielleicht nehme ich das Werk noch mal in Angriff, wenn ich viel Zeit habe.
    LG
    Melli

    Über den Winterkönig grübel ich seit etwa 5-6 Jahren, an dieser Version schreibe ich seit 3 Monaten. Es gab jedes Jahr mal einen Versuch, die Geschichte zu schreiben, aber der endete meist schon vor Seite 20, weil die Geschichte in meinem Kopf noch nicht ganz fertig war.
    Mein Problem ist (neben der Tatsache, dass ich vorher noch nie geschrieben habe) die Länge der Geschichte. Sie entwickelt sich auf der Reise von Gembries und Alastair an 11 Punkten, und auf Seite 158 sind sie erst am 3. Punkt angelangt. :S
    Dazu kommt, dass es keine Prophezeiung geben wird und damit dem Leser das Hinweisschild fehlt, wo es eigentlich hingeht. Er soll mit meinen Figuren diese Geschichte entdecken. Dazu braucht es einen logischen Hintergrund, der im Laufe der Geschichte freigelegt wird - sozusagen wie ein Puzzle, dass man langsam zusammensetzt. Und erst mit dem letzten Puzzleteil wird die Geschichte komplett verständlich und, wenn ich Glück habe und es funktioniert, im Nachhinein noch epischer, als man sie gelesen hat.
    Meine Sorge ist, dass ich den Leser unterwegs verliere, weil ich schreibtechnisch noch völlig unerfahren bin.
    Andererseits tröste ich mich damit, dass, wenn ich die Logik nicht verletze und den roten Faden nicht verliere, ich jedes Segment des Winterkönigs später noch feinschleifen kann. Die Frage ist nur, ob es mir gelingen wird, mit dem logischen Lösungsansatz eine Spannung aufzubauen, die den Leser dazu bringt, die Geschichte zu lesen.... ?(