Beiträge von melli

    Vielen Dank euch allen.
    Voluptuous Mayday: außer Geschichten zu schreiben verbringe ich meine Freizeit gerne damit, mir Geschichten auszudenken :D
    wenns Wetter schön ist, bin ich in meinem Garten und guck den Blumen beim Wachsen zu
    wenns Wetter nicht schön ist, zock ich auch mal Browser Games
    unabhängig vom Wetter lese ich gerne
    LG
    Melli

    Ich hab bis jetzt 158 Seiten fertig, aber angesichts der Geschichten hier kommt mir doch der Gedanke, vieles umzuarbeiten. :S


    Hmmm...

    Alastair hat sich nicht stundenlang befreit, sorry, ich hab grad extra nochmal geguckt.
    Fuchs hatte ihn nachlässig an den Baum gebunden. Es schien ihm nur wie eine Ewigkeit, bis er die erste Hand frei hatte. Er war so fix hinter Drusa, dass er vom Baum aus erstmal gucken musste, ob er den Kesselflicker noch warnen konnte. Offensichtlich hab ich das nicht klar erarbeitet im Text. Wahrscheinlich hab ich zuviel geschrieben, so dass die kurze Zeitspanne für den Leser ziemlich lang wurde. Den Leser totgequasselt sozusagen. Das ist für mich eine sehr wichtige Info - selbst hätte ich das nie gemerkt. Danke!!

    Naja, das war der Anfang. Insgesamt hab ich 158 Seiten zusammengeschrieben, aber inzwischen bin ich mir echt nicht mehr sicher, ob ich von ziemlich weit vorne etwas ändern muss. Ich schick mal einen unbearbeiteten Teil hinterher. 8)


    Wissen ist sehen. Und noch tappen wir im Dunkeln.
    Schólar Aethilius , Vorwort zu seinem Werk “Die verborgenen Kräfte”


    Ihr Arm schmerzte schon, aber es war noch nicht genug Wasser. Zitternd vor Kälte zwängte sie ihre Hand zur Schale geformt durch das Eisengitter ihrer Kerkertüre. Die Mauern des Verlieses waren dick, die Wände feucht, und an der vorderen Seite des Türbogens, außerhalb ihres Gefängnisses, fiel in unregelmäßigen Abständen ein Tröpfchen Wasser vom Fels. Um es auffangen zu können, musste sie den Arm weit hinaushalten. Sie hatte gar nicht gewusst, wie schwer so ein Arm sein konnte. Als sie das starke Zittern nicht mehr unterdrücken konnte, holte sie ihn rein, um das wenige Wasser in ihrer Hand nicht zu verschütten. Gierig nahm sie das kleine Schlückchen. Es schmeckte modrig und verursachte ihr Übelkeit, aber es war wenigstens Wasser. Und obwohl sie nicht hinsehen wollte, wurden ihre Augen magisch angezogen von der Gestalt, die sich schemenhaft in dem Verlies gegenüber abzeichnete. Diese Gestalt saß an die Mauer gelehnt und hielt etwas an ihre Brust gedrückt. An dem Tag, als man sie in diese Zelle geworfen hatte, hatte sie die Frau kurz erkennen können, denn ihre Wärter hatten Fackeln dabei. Sie trug das hellblaue Kleid und die weiße Schürze einer Dienerin, und ihr Haar hatte golden geleuchtet und fiel in dicken Locken frei über die Schultern. Das Gesicht war schwarz gewesen und dort, wo einst blaue Augen schelmisch zwinkerten, krochen Würmer in einem Loch herum.
    Nisha spürte ihre Tränen warm über ihre Wangen laufen.
    Der Name des Mädchens war Rhea gewesen. Sie hatte erst vor zwei Jahren ihren Dienst in der hohen Feste begonnen, ein lustiges, immer fröhliches junges Ding, gerade mal 15 Jahre alt, und sehr fleißig. Zuerst hatte sie, wie alle Neuen, die Hallen und Schulräume putzen müssen, dann stieg sie auf in den Küchendienst, durfte schließlich in der Speisehalle servieren und stach dort mit ihrem hübschen Äußeren und ihrer netten Art einem Scholaren ins Auge, der sie zu seiner persönlichen Dienerin beförderte. Nisha hatte sie danach nur noch einmal gesehen, als sie schweigend und mit verstörtem Gesicht Kohlen aus dem Keller holte. Und später war ihr zu Ohren gekommen, dass Rhea sich in Schande gebracht hatte und zu ihrer Familie zurück musste, um ihren Bastard zur Welt zu bringen.
    Ein leises Wimmern entrang sich Nishas Kehle, als sie sich gleichfalls an der Wand herab gleiten ließ und ihre Beine anzog, ganz genau so wie das junge, tote Mädchen gegenüber, um sich selbst etwas wärmen zu können.
    Vermutlich war das Ding, was Rhea an ihre Brust drückte, ihr Baby.
    Und Nisha ahnte dumpf, woran sie gestorben waren. Solange sie hier war, war noch nicht einmal jemand gekommen, um ihr Wasser oder etwas zu essen zu bringen. Man hatte sie hier eingesperrt und einfach vergessen.
    Da die Verliese in einem längst vergessenen Teil der Feste lagen, tief im Felsen, kam hier kein Fünkchen Tageslicht herein. Nisha wusste nicht, wie lange sie hier schon gefangen war. Das einzige, sehr schwache Licht kam von den Fackeln der Wachstube, die ein ziemliches Stück von ihrer Zelle entfernt war.
    Anfangs hatte Nisha noch gerufen, geschrieen, gebettelt und gefleht. Dann hatte sie, als keinerlei Reaktion darauf kam, damit aufgehört. Sie musste überleben. Allein schon, weil sie unschuldig war. Allein schon, weil hier Ungeheuerliches vorging und sie es bezeugen konnte. Allein schon, um herauszufinden, wo der echte Eliazar war. Und allein schon, um kund zu tun, was der armen Rhea und ihrem unschuldigen Baby wirklich passiert war.
    Es war besser, wütend zu sein als zu verzweifeln. Solange man noch wütend sein konnte, hatte man sich noch nicht aufgegeben. Ihr Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst, begann Nishas Hand fast automatisch über den Boden zu fahren. Hass wallte in ihr auf, als sie sich das Gesicht Santurs vor Augen rief, sein stets freundliches Lächeln und seine tückischen Augen. Dieser Mistkerl von einem Scholaren war es, der die arme Rhea geschwängert hatte, und so, wie Rhea im Kohlenkeller geguckt hatte, war sie nicht freiwillig dabei gewesen. Und dieser Widerling hatte auch etwas mit Eliazars Verschwinden zu tun, da war sie sicher. Nishas Hand fand einen leichten Widerstand und griff zu. Winzige Beine wehrten sich gegen ihre Finger. Mit angewidertem Gesicht steckte sich Nisha die Schabe in den Mund und unterdrückte mühsam einen Brechreiz, als es zwischen ihren Zähnen leicht knirschte und sich die kalten Innereien des Insekts in ihrer Mundhöhle verteilten. Wenn sie noch länger hierblieb, würden diese Schaben eines Tages ihr Fleisch essen.
    Sie musste hier raus. Sofort, sonst würde sie noch wahnsinnig werden. Wild entschlossen sprang sie auf und starrte das Gitter feindselig an. Daran rütteln brachte erfahrungsgemäß nichts. Sie hörte ihren eigenen Atem schnell und gepresst gehen, als wäre sie gerannt. Jetzt werde ich auch noch hysterisch, dachte sie. Und dann hörte sie auf zu denken und gab sich ganz ihrem wilden Überlebenstrieb hin.
    Sie war immer schon schlank gewesen, jetzt aber war sie dürr geworden. Vielleicht schaffte sie es ja, sich durch die Gitter zu zwängen. Probeweise steckte sie ihr Gesicht zwischen die kalten Eisenstangen. Es ging nicht ganz durch, am Ende der Jochbeine begann es zu drücken - aber mit Gewalt müsste es gehen. Ohne weiter drüber nachzudenken, zog sie sich aus, legte sich auf den Boden und versuchte, ihren Kopf durch die unteren Stäbe zu bekommen. Die Eisenstangen hielten ihre Haare so fest, dass sie glaubte, ihre Kopfhaut würde am Scheitel aufreißen. Sie zog den Kopf zurück und versuchte es noch mal, diesmal warf die ihre Haare vorher durch die Gitter und als der Zug auf die Kopfhaut zu groß wurde, zog sie mit ihren Händen an den Haaren die Kopfhaut nach. Ihr Schädel drohte zu platzen, als er Millimeterweise weiter zwischen die Eisen gezwängt wurde, das raue Eisen schabte die Haut auf, aber Nisha arbeitete wie besessen weiter. Drinnen bleiben hieß bis ans Ende der Tage Schaben essen, und das konnte sie nicht mehr ertragen. Schluchzend und wimmernd schaffte sie es, ihren Kopf Stückchen für Stückchen nach draußen zu arbeiten, ungeachtet dessen, dass es unendlich weh tat, ihr die Ohren abzureißen drohte und sie nicht sicher sein konnte, dass sie auch den Rest ihres Körpers durch die Öffnung zwängen konnte.
    Endlich war es geschafft. Weinend und schwach blieb sie einen Moment lang liegen, den Kopf auf den kalten Steinen vor ihrer Zelle, den Leib noch drinnen. Dann arbeitete sie verbissen weiter. Trotz der Kälte begann sie, vor Anstrengung zu schwitzen. Dadurch wurde ihre Haut glitschiger und es ging etwas leichter. Die Querstäbe des Gitters waren weit genug voneinander entfernt, um ihre Schultern und Hüften durchzulassen, aber die Längsstäbe standen sehr eng und Nisha brauchte sehr lange, um ihre Brust durchzuzwängen und durchlitt dabei höllische Schmerzen. Sie blutete an unzähligen Stellen, sie war schwach, hungrig, verletzt und alles tat ihr weh - aber schließlich lag sie vor ihrem Verlies. Sie war frei. Erschöpft griff sie durch die Gitter nach ihrem Kleid und kroch damit den Gang in die Richtung der völligen Finsternis hinunter. Nur einen Moment ausruhen und wieder einen klaren Gedanken fassen, dann würde sie ihre Flucht fortsetzen.


    Sie sind ein seltsames Volk. Licht und Schatten vereinen sich in ihnen wie in keinem anderen.
    Auszug aus dem Bericht des Dion de Laar, Elbenbotschafter, nach seinem Besuch bei König Gondal von Ebrauc, aus Die Überlieferungen der alten Völker


    “ Kerl, nimm deine bescheuerten Ochsen von der Strasse, du stehst uns im Weg.” Herausfordernd bohrten sich die Augen des Anführers der Krieger in Alastairs Gesicht. Sein Schlachtross war den Ochsen schon viel zu Nahe gekommen und tänzelte nervös mit rollenden Augen. Die hinteren Krieger drängten nach und Alastair, der auf der überfüllten Strasse keine Möglichkeit hatte, auszuweichen, sah es zu einer Katastrophe kommen. Im Rücken spürte Alastair, wie sich die Plane des Wagens teilte, und mit einem geschmeidigen Satz nahm Gembries neben ihm auf dem Kutschbock Platz. “Sprichst du etwa mit meinem Jungen?” Die Stimme des Kesselflickers klang drohend, noch viel bedrohlicher allerdings war dessen Anblick. Gembries trug nur ein ärmelloses Wams unter einem Kettenüberwurf , seine gewaltigen Arme waren unbedeckt und ließen den Krieger schon schlucken, bevor er die riesige Streitaxt im Gürtel des Mannes erblickte. Doch noch mehr als der Krieger zeigte sich dessen Schlachtross beeindruckt. Laut wiehernd stieg es, wobei seine Hufe die Ochsen nur knapp verfehlten. Alle Versuche des Mannes, sein Pferd wieder unter Kontrolle zu bekommen, scheiterten im Ansatz. Wie rasend gebärdete sich das Tier. Entsetzte Schreie wurden laut, denn es waren auch Fußgänger auf der übervölkerten Strasse unterwegs und ein durchgehendes Pferd bedeutete Lebensgefahr. Alastair warf Gembries die Zügel des Gespanns auf den Schoss, erhaschte im Sprung die Zügel des sich wieder aufbäumenden Pferdes und kam mit ihm auf den Boden zurück. “Ist ja gut.” sagte er beschwörend, “Beruhig dich mal, du brauchst keine Angst zu haben.” Das Pferd schnaubte nervös und rollte weiterhin mit den Augen, aber es stieg nicht mehr. Alastair drückte den Pferdekopf an seine Brust, tätschelte dem Tier den Hals und sprach ihm leise ins Ohr. Das Pferd schnaubte noch ein paar Mal und stand dann still. Wut verzerrte das Gesicht des Kriegers, noch bevor aus der Menge die ersten Rufe laut wurden, er solle lieber zu Fuß gehen, wenn er mit Pferden nicht umzugehen wisse. “Nimm deine dreckigen Pfoten von meinem Pferd, Junge.” knirschte er mit zusammengebissenen Zähnen. “Das war jetzt der falsche Text, du Trottel.” zischte Gembries. “Der richtige hätte die Worte Entschuldigung und Danke beinhaltet. Aber falls dir diese Worte nicht bekannt sein sollten, meine Fäuste lehren dich sogar deren Schreibweise, wenn du es darauf anlegst.” Kampfeslustig starrten sich die beiden Männer in die Augen. “Dein Gesicht habe ich mir gemerkt.” stieß der Krieger hervor, wissend, dass im Gewühl der Strasse kein Platz für einen Raufhändel war. “Wir sehen uns wieder.” Gembries fletschte die Zähne zu einem fiesen Lächeln. “Das Vergnügen wird ganz auf meiner Seite sein.” Der Krieger riss brutal sein Pferd herum und suchte sich und seinen Männern rücksichtslos einen anderen Weg durch die Menge. Alastair nahm wieder auf dem Kutschbock Platz. Ein vorwurfsvoller Blick streifte Gembries. “War das jetzt nötig?” Gembries grinste und trieb mit einem Schnalzen die Ochsen an. “Ja.” sagte er nur.
    Stundenlang waren sie in der langen Schlange der Menschen, die in die kleine Stadt wollten, gefangen. Wäre das Gelände neben der Strasse nicht so uneben gewesen, hätte Gembries sein Gespann längst von der Strasse abgeführt und wenden lassen. Eigentlich wollte er nichts weiter als ein paar Vorräte kaufen, etwas Brot, ein paar Gewürze und ein paar Ellen Tuch, damit der Junge sich was ordentliches zum Anziehen nähen lassen konnte. Wer hätte diesen Ansturm auf das Kaff erwarten können? Er stellte sich missmutig auf den Bock und versuchte, das Chaos vor ihm zu überblicken. In der Ferne konnte er die Stadtmauern ausmachen, und davor sah er die Dächer großer Zelte, geschmückt mit verschiedenfarbigen Wimpeln, die ihm Winde flatterten. “Wir haben noch gut 2 Meilen bis zum Tor, und es geht einfach nicht weiter.” brummelte er, sich wieder setzend. “Das wird noch ewig dauern, und in der Stadt wird es genauso überlaufen sein. Wisst ihr vielleicht, was da los ist?” rief er dem Lenker eines anderen Gespanns zu. “Ich sehe überall Zeltlager vor den Toren.” “Ihr müsst aber von weit her kommen, wenn ihr es noch nicht gehört habt.” antwortete der Angesprochene. “Die hohe Feste hat Soldaten von überall her rufen lassen. Hier ist einer der Treffpunkte. Hier, in Virsmarschen, in Hengerstedt und in Arskirchen treffen sich Söldner, freie Krieger und die Gesandten der Verbündeten der Feste, rüsten sich aus und warten auf Befehle. Wenn ihr Schmiedearbeiten oder ein anderes Handwerk beherrscht, werdet ihr hier eine Menge Geld verdienen können.” zwinkerte er Gembries zu. “ Da lohnt sich das warten allemal.” “Da hol mich doch einer…” entfuhr es Gembries überrascht. “Die hohe Feste lässt rüsten? Gegen wen?” Der Mann zuckte die Schultern. “Das wurde noch nicht bekannt. Vielleicht haben sie endlich mal eingesehen, dass sie mit Reden allein kein Wohl schaffen in dieser Welt. Aber wer immer es ist, die Soldaten werden alles tun, um das Licht zu schützen und der Ewigen zu dienen. Das war meiner Meinung nach längst überfällig. Seht doch nur, wie es die Wirtschaft in diesem armen Land ankurbelt. Das hätte man längst einmal machen sollen, Gründe gab es stets genug.” “Idiot!” murmelte Gembries so leise, dass es nur Alastair hören konnte. “Habt Dank für die Information und eine gute Reise wünsch ich euch.” rief er laut herüber. “Junge, als Reisender muss man immer wissen, was sich in der Welt tut, sonst überlebt man nicht lange. Also ändern wir unsere Pläne, machen einen Umweg über die Hohe Feste, denn da werden wir ja wohl erfahren können, gegen wen sie rüsten lassen, und fahren erst dann zu meinem Onkel.” Alastair nickte. “Okay. Wie lange dauert der Umweg?” Gembries zuckte mit den Schultern. “Vielleicht drei Wochen, wenn wir gut voran kommen. Wenn´s so geht wie hier, wird der Krieg schon Geschichte sein, bevor wir auch nur eine Zinne der Feste zu sehen bekommen.” “Hast du die Feste schon einmal gesehen?” “Natürlich. Ist ein toller Anblick, den darfst du nicht verpassen. Die hohe Feste wurde an den Berg Anzahar gebaut, der früher, in alten Zeiten, von den Zwergen bewohnt wurde. Die Zwergenstollen bildeten die Grundlage für den Festungsbau, und die berühmtesten Baumeister der damaligen Zeit schufen eine Burg aus fast weißem Granit, die sich in ungeheuren Ausmaßen an eine Steilwand zu schmiegen scheint. Der erste Anblick wird dir den Atem verschlagen. Dieser riesige, dunkle Berg mit einem Kranz weißer Wolken um seine schneebedeckte Spitze, eine Wand, die so steil ist, dass selbst eine Gämse dort stürzen würde und darauf hebt sich in 500m Höhe die Feste mit ihren Zinnen und Türmen ab wie Zauberwerk - das muss man gesehen haben, das ist einfach nur genial.” Genießerisch seufzte Gembries. “Im Rücken der Feste fällt ein Wasserfall die Felswand herunter und bei Sonnenschein brechen sich die Strahlen in der Gischt, so dass es aussieht, als wäre die hohe Feste in einen Regenbogen gehüllt.” “Überschwemmt das Wasser die Feste denn nicht?” Gembries lachte. “Frag mich nicht, wie sie es geschafft haben, Junge, aber das Wasser wird durch die Feste durchgeleitet und kommt am Fuße wieder heraus. Wenn wir einmal da sind, musst du unbedingt dort auf eine Toilette gehen. Und wenn du fertig bist, findest du an der Wand einen Hebel - wenn du den herunter drückst, kommt Wasser aus einem Rohr durch die Schüssel geflossen und nimmt dein Geschäft mit. Danach kannst du dir die Hände waschen an einem Becken, an dem ein Hahn befestigt ist mit einem Rad an der Seite. Drehst du das Rad in eine Richtung, kommt Wasser aus dem Hahn, drehst du es zurück, versiegt das Wasser.” Alastair warf ihm einen schrägen Blick zu. “Du nimmst mich auf den Arm.” Gembries lachte vergnügt. “Nein, nein, du wirst schon sehen!” versprach er. “Allerdings ist die Strasse hoch eine echte Viecherei für die Ochsen. Obwohl sie in Serpentinen verläuft, ist sie sehr steil und streckenweise wurde sie durch den Fels getrieben, so dass man in Dunkelheit unterwegs ist. Wir werden uns natürlich ein paar Fackeln mitnehmen, aber wirklich hell wird die Strasse dadurch auch nicht.”
    Gegen Abend waren sie immerhin in Sichtweite der Stadtmauern gerückt, als das Tor geschlossen wurde. Murrend begannen die auf der Strasse stehenden Menschen, sich für die kommende Nacht einzurichten. Auf dem Gelände neben der Strasse wurden Zäune gesteckt, die Zugtiere wurden ausgeschirrt, gefüttert und mit Wasser versorgt und in die Gatter gebracht, und als die Dämmerung hereinbrach, wurden Lagerfeuer entzündet, an denen sich die Menschen Wärme suchend zusammen drängten. Jemand zupfte eine Laute. Mit leuchtenden Augen mischte sich Alastair unter die Leute, während Gembries sich im Wagen in eine Decke rollte, denn er wollte den Wagen nicht alleine lassen.
    “Hört hört eine Geschichte aus den alten Tagen!” rief ein Mann, und das Gemurmel der Menschen verebbte langsam. “Einst brach ein König auf, um eine Kathedrale zu Ehren der Ewigen bauen zu wollen. Er durchstreifte sein ganzes Reich nach dem schönsten Platze, und als er ihn gefunden hatte, scheute er keine Kosten und Mühen, die besten Baumeister zu finden und die besten Handwerker.
    Sie rodeten die Wildnis und errichteten ein Fundament, und Stein für Stein erwuchs ein wunderbares Gebäude aus dem Boden, so schön, dass von weither die Menschen kamen, um es zu bewundern, noch bevor es fertig war. In einem Frühjahr kam das Richtfest, und es wurde rauschend gefeiert mit dem König selbst, allen Edlen seines Landes und viele einfache Menschen feierten mit ihnen. Doch als die Dämmerung hereinbrach, sprang plötzlich eine fast nackte Frau unter die wohl gekleideten Menschen. Klein von Gestalt, ihre Blößen kaum bedeckt von ein paar welken Blättern und mit seltsamen Zeichen bemalt, schritt sie auf bloßen Füssen aufrecht auf den König zu und sagte: Dies ist mein Land, und ich habe dir nicht erlaubt, darauf zu bauen.
    Der König blickte auf diese seltsame Gestalt herunter und fragte: Wer bist du und was willst du von mir?
    Die Fremde aber ließ es an Ehrfurcht fehlen und antwortete frech: Mein Land zurück, Herr König. Bis Morgen ist dieses Bauwerk verschwunden, und du wirst dieses Land nie wieder betreten, denn du hast es entehrt.
    Der König fragte erneut: Wer bist du?
    Und die Fremde antwortete: Man nennt mich Sarnia.
    Da wusste ein jeder, dass dies die Königin der Elfen war, die von den edlen Elben auch das hohe Volk genannt wurden.
    Der König war ein friedliebender Mann und antwortete der Elfe folgendes: Meine Königin, ich bedaure, wenn mein Gebäude euch ärgert, doch ich errichte es zu Ehren der Ewigen. Es ist ein sehr schönes Gebäude und euer Volk darf gerne mit uns hier Andacht halten. Ich errichte es auf einem Land, dass wir gemeinsam nutzen, dass aber mir gehört, und ich sehe keine Grenzverletzung.
    Die Elfe jedoch erwiderte: Wisse, Mensch, dass dieser Platz meinem Volk heilig ist. Weder gehört er dir noch darfst du ihn nutzen.
    Und mit diesen anmaßenden Worten drehte sie sich um und verschwand in der Dunkelheit.
    Der König jedoch, der vor allen Edlen seines Landes von dieser Frau beleidigt worden war, überlegte, wie er mit diesem Affront umgehen wolle. Und als das Fest zu Ende ging, ließ er Wachen um die Kathedrale aufstellen und hieß die Handwerker weiter zu bauen.
    Doch als er am nächsten Tage zur Baustelle kam, fand er dort nur die Wildnis vor, die seine Männer zuvor gerodet hatten. Von der Kathedrale, den Baumaterialien und den Handwerkerhütten fehlte jede Spur. Die Menschen aber lagen inmitten der Wildnis in tiefem Schlaf und es dauerte Tage, bis sie wieder erwachten.
    Das Vorgehen der Elfe erzürnte nicht nur den König sehr, sondern auch all seine treuen Untertanen. Und so gingen sie hin und rodeten die Wildnis erneut, aber diesmal entzündeten sie ein großes Feuer, dass die zauberischen Bäume niederbrannte bis weit in die Wurzeln.
    Und dies, meine werten Zuhörer, war der Beginn der großen Kriege, die zur Folge hatten, dass die zauberischen Elfen von dieser Erde gebannt wurden und wir in Ruhe die Ewige verehren dürfen.” Vereinzelt gab es Applaus für diese Geschichte. Träge und müde löste Alastair seinen Blick von den Flammen des Lagerfeuers und ging zum Wagen.

    “Du, Gembries, hat es wirklich Elfen gegeben?” “Sicher.” Müde hielt Gembries die Zügel des Gespanns. Kurz vor den Toren war es ihm möglich gewesen, auf eine Seitenstrasse abzubiegen und die überfüllte Stadt zu umfahren. Gembries sehnte sich nach frischer Waldluft und vor allem Ruhe und Platz. Es dauerte einige Zeit, bis die auch volle Seitenstrasse sich leerte, viele hatten sie genommen, um auf ihr zu einem anderen Stadttor zu gelangen, aber endlich ruckelte der Wagen allein durch die Landschaft. Die Strasse war grottenschlecht und Gembries musste den Wagen sehr vorsichtig lenken. “Das wusste ich gar nicht.” Alastair nahm auf seine Müdigkeit keine Rücksicht. “Elfen und Elben und Gnome und Orks und Zwerge und Alsen und Gierlaugs und Schatten.” ergänzte Gembries lahm. “Boah.” Träumerisch sah der Junge auf die Hintern der Ochsen. “Ich glaub, ich hätte gerne damals gelebt.” “Glaub ich nicht, Junge, das waren harte Zeiten.” “Kennst du auch Geschichten aus den alten Zeiten?” “Nein.” “Woher willst du das dann wissen?” Gembries gönnte ihm einen genervten Blick. “Deine Wissbegier kannst du in der hohen Feste stillen. Und wenn die da was Besseres zu tun haben, als einem Jungen Geschichten zu erzählen, solltest du meinen Onkel löchern. Mein Onkel ist so was wie ein Experte auf diesem Gebiet. Wer hat wann wem und warum vor 500 Jahren und länger her den Kopf eingeschlagen. Der hört damit gar nicht mehr auf, wenn er einmal angefangen hat.” “Dann freue ich mich jetzt schon, deinen Onkel kennen zu lernen.” Gembries gab ein Schnauben von sich und hielt die Ochsen nach rechts, um den Achsen des Wagens ein tief klaffendes Loch zu ersparen. “Meinst du, es wird einen Krieg geben?” wollte Alastair wissen. “Es sieht so aus.” Alastair überlegte einen Augenblick. “Sollten wir uns da nicht melden? Du bist ein großer Kämpfer, und ich bin mit meinem Bogen auch nicht schlecht.” “Kommt gar nicht in Frage.” “Wieso?” “Weißt du, gegen wen und warum ein Krieg geführt werden soll?” “Nein?” “Deshalb kommt es gar nicht in Frage.” “Aber wenn es doch die hohe Feste ist, die zu den Waffen ruft?” “Und wenn die Ewige mich persönlich rufen würde, erst will ich wissen, warum und wieso und gegen wen.” Enttäuschung machte sich auf dem Gesicht des Jungen breit, aber an Gembries Gesicht konnte er ablesen, dass jede weitere Diskussion zwecklos war.

    Aufgeschreckt von einem infernalischen Krach verließen wir das Fest und begaben uns nach draußen. Dort fielen Sterne vom Himmel! Und diese Sterne bestanden aus einem Eisen, dass selbst meinem Volk unbekannt war. Wir dachten an ein Geschenk Ursas und wollten sie gerade preisen, als diese Dinger sich öffneten und ein neues Volk entließen. Der Wille Ursas sei uns natürlich heilig. Aber seitdem freut mich der Anblick der Sterne nicht mehr, wer weiß, was uns da noch alles auf den Kopf fallen könnte?
    Tamburil Essenhejzer, aus Die Überlieferungen der alten Völker


    Es war so finster, das sie ihre Hand nicht vor Augen sehen konnte und die absolute Stille wurde nur von Zeit zu Zeit durch das Geräusch eines fallenden Wassertropfens unterbrochen. Nisha hatte sich ihr stinkendes Kleid wieder angezogen, saß mit dem Rücken an eine Wand gelehnt und überlegte, wie es nun weitergehen sollte.
    Nüchtern betrachtet, war ihre Lage ausweglos. Sie wusste ja noch nicht mal genau, wo sie sich befand. Irgendwo in einem tiefen Keller der hohen Feste. Die Feste war riesig. Kaum jemand ging tiefer als in die Vorratsräume. Nur der falsche Eliazar und seine Spießgesellen. Selbst, wenn es ihr irgendwie gelingen sollte, sich an denen vorbeizuschleichen und den ihr bekannten Teil der hohen Feste zu erreichen, würde ihr das nicht helfen. Sie war zu Unrecht des Diebstahls und Hochverrats bezichtigt und mit großem öffentlichen Prozess eingekerkert worden. Eliazar selbst, der falsche natürlich, hatte ihre Kammer vor Zeugen untersucht und darin nicht nur ein wertvolles Medaillon gefunden, dass sie ihm gestohlen haben sollte, sondern auch einen Brief, den sie angeblich geschrieben hätte, der nicht nur voll war mit geheimen Informationen über die hohe Feste, sondern auch mit militärischen Informationen all ihrer Verbündeten.
    Gerichtet war der Brief an einen Jiron Aell. In den fünf Jahren, die sie in der Feste lebte, hatte sie den Namen noch nie gehört. Aber andere schienen ihn zu kennen und die Aufregung war mächtig groß.
    Plötzlich war sie eine miese kleine Spionin, entsandt von diesem ruchlosen Jiron Aell, dem es offenbar gelüstete, die Welt zu erobern. Nisha, deren Stellung als persönliche Dienerin des Hüters bei vielen Neid hervorgerufen hatte, wurde zum Staatsfeind Nummer eins und zur meistgehassten Person in der ganzen Feste. Hätte der echte Eliazar nicht demonstrativ die Todesstrafe abgeschafft und diese bei allen Herrschern immer wieder kritisiert, wäre sie sicherlich unverzüglich hingerichtet worden.
    Jedenfalls war sie jetzt in der Feste bekannt wie ein bunter Hund und beliebt wie eine pestverseuchte Ratte. Und der einzige Weg in die Freiheit führte mitten durch die zu allen Tages und Nachtzeiten sehr belebte Feste.
    Nisha seufzte schwer.
    Da schien sie einmal in ihrem Leben Glück gehabt zu haben, und dann geschah so etwas. Nisha erinnerte sich, wie sie damals von einer fremdländischen Reisegruppe gekauft worden war als Geschenk für einen reichen und mächtigen Herrn. Ihr schwante damals Unheil und sie hatte später oft schmunzeln müssen, wenn sie daran dachte, mit welch finsteren Gedanken im Herzen sie bei Eliazar angekommen war. Dem alten Mann war es sichtlich peinlich, dass ihm ein junges Mädchen als Geschenk überreicht wurde, aber er musste sie annehmen, um seine Gäste nicht zu brüskieren. Und sobald diese sich in ihre Zimmer zurück gezogen hatten, ließ er für Nisha sofort eine Urkunde ihrer Freilassung ausstellen und entschuldigte sich vielmals für das Ungemach, dass sie erfahren hatte.
    Sie hatte vor ihm gestanden, dem Mann, den zu hassen sie sich vorgenommen hatte, und war plötzlich ein freier Mensch mit allen Rechten, die einem Freien zustanden - und war in Tränen ausgebrochen, das erste Mal in ihrem Leben. Nachdem der alte Mann erfuhr, dass sie niemanden hatte, zu dem sie zurück kehren konnte, hatte er sie kurzerhand als seine Dienerin eingestellt. “Bisher hab ich eine solche für mich persönlich immer abgelehnt, aber langsam machen mir die Zipperlein des Alters zu schaffen und ich denke, es wäre an der Zeit, meine Haltung zu ändern.” hatte er nur freundlich gesagt.
    Das war der Anfang der schönsten Zeit ihres Lebens gewesen. Energisch wischte sich Nisha die Augen trocken. Es hatte keinen Zweck, sich jetzt sentimentalen Erinnerungen hinzugeben.
    Wer war ihr Gegner? Sie erinnerte sich, dass Eliazar in den letzten Monaten sehr beunruhigt erschien. Irgend etwas machte ihm große Sorgen, und als sie ihn eines Abends vorsichtig darauf ansprach sagte er nur, dass die Magie bekanntlich zwei Seiten habe und er sich inzwischen nicht mehr sicher sei, welche Magie hier gelehrt würde. Dann hing er wieder schweigsam seinen Gedanken nach und Nisha traute sich nicht, tiefer in ihn zu dringen. Er begann auch, nachts einige seiner Scholare aufzusuchen und kehrte oft erst in den frühen Morgenstunden leise und unbemerkt in seine Kammer zurück.
    Und plötzlich war er anders. Nisha versuchte, den Zeitpunkt festzulegen, vermochte es aber nicht.
    Seine Unruhe war verschwunden. Sein Blick war anders. Sie kannte Eliazar seit fünf Jahren als überaus gütigen und weisen Mann, und niemals zuvor hatte sie diese kalte Berechnung in seinen Augen gesehen. Er behandelte sie plötzlich, als sei sie ein Ding, dass zu seiner Verfügung stand und nicht mehr auf die väterliche Art, die der echte Eliazar ihr entgegen gebracht hatte. Menschen können sich ändern. Aber das schärfte ihren Blick für die anderen Kleinigkeiten. All die kleinen Einschränkungen des Alters schienen verschwunden. In den letzten Jahren hatte der echte Eliazar zunehmend Beschwerden in seinem rechten Knie gehabt und an manchen Tagen, etwa wenn das Wetter umschlug, sah Nisha, dass er sein rechtes Bein etwas weniger belastete als das Linke. Dann machte sie ihm abends einen warmen Breiumschlag, den er auch dankbar annahm.
    Der neue Eliazar hatte anscheinend keine Beschwerden im Knie und war stets flotten Schrittes unterwegs.
    Außerdem sah sie einmal, wie sich Eliazar Zucker in seinen Tee rührte, als er sich allein glaubte. Fünf Löffel. Der echte Eliazar hasste gesüßten Tee.
    Zuletzt wurde sie ungewollt Zeugin, wie dieser neue Eliazar mit einer Dienerin zusammenstieß, er eilte den Gang entlang und sie kam rückwärts aus einer Türe heraus, ein Tablett in der Hand. Eliazar rannte die Frau um, diese ließ das Tablett fallen und ein Becher Tee zerschellte auf dem Boden und befleckte Eliazars Gewand. Er ohrfeigte die Frau augenblicklich und schalt sie eine dumme Kuh. Der echte Eliazar hätte sich entschuldigt, das wusste Nisha. Sie selbst war gerade auf dem Weg in die Waschküchen gewesen und muss Eliazar wohl entgeistert angestarrt haben, und er hatte sie gesehen, als er sich von der Dienerin abwandte. Und ihren Blick. Das war am Tag vor der Anschuldigung wegen Diebstahls und Hochverrats gewesen.

    Irgendjemand war in die Rolle Eliazars geschlüpft und sah genauso aus wie dieser. Und sie saß hier, weil sie vermutlich der einzige Mensch war, dem das auffallen konnte. Nisha lächelte bitter. Mit dieser Geschichte würde sie niemanden von ihrer Unschuld überzeugen können. Aber was war passiert?
    Nishas Gedanken rasten. Eliazar, der echte Eliazar, hatte anscheinend den Verdacht, dass sich jemand der schwarzen Magie zuwendete und hatte Gespräche mit seinen Scholaren geführt, heimlich. Dann verschwand er, jemand nahm seinen Platz ein und sie, der das auffallen konnte, verschwand gleichfalls, wenn auch nicht heimlich.
    Das roch nach Verschwörung. Nisha überlegte, ob der echte Eliazar Opfer schwarzer Magie geworden sein konnte und sein Körper von einem fremden Geist beherrscht wurde. Nein, entschied sie schließlich, denn auf diesem Wege hätte der fremde, böse Geist Zugriff auf all seine Gedanken haben müssen und eine perfekte Imitation Eliazars leisten können. Wahrscheinlicher war, dass die Verschwörer einen Zauber gefunden hatten, einen der ihren so aussehen zu lassen wie den alten Mann.
    Das bedeutete aber auch, dass sie den echten Eliazar verschwinden lassen mussten, damit der falsche seinen Platz einnehmen konnte.
    Und Leute, die verschwinden sollten, landeten hier, im Verlies!
    Nishas Puls schnellte in die Höhe.
    Eliazar musste hier sein! Selbst, wenn sie ihn getötet haben sollten, konnten sie nicht riskieren, dass jemand außerhalb des Verschwörerkreises seine Leiche zu Gesicht bekam.
    Aber, und das wusste Nisha plötzlich, sie konnten ihn nicht getötet haben. Eliazar hatte Freunde und Verbündete in der ganzen Welt und nur er wusste über alles Bescheid, kannte seine Termine und getroffene Vereinbarungen, den Inhalt der letzten Gespräche - und all das mussten die Verschwörer kennen, wollte der Betrüger nicht ganz schnell auffliegen.
    Und noch etwas wusste sie instinktiv: es gab kaum Wachen. Der Verschwörerzirkel war noch klein und durch Eliazars Verdacht zum vorzeitigen Handeln gezwungen worden. Alle mussten brav ihre Rollen in der Feste spielen und kein freier Bürger würde sich zu etwas so ungeheuerlichem hergeben, wie den Hüter der Feste gefangen zu halten.
    Ihre kribbelnden Füße ignorierend, sprang Nisha auf und lief lautlos den Gang Richtung Wachstube entlang.

    für das nette Willkommen. HIer gibt es ja viel Spannendes zu entdecken - das wird ein langer Abend :D

    Gruß
    Melli

    Hallo,
    meine Fantasie bastelt schon seit einigen Jahren am Winterkönig herum. Inzwischen bin ich dabei, ihn zu schreiben - und werde zunehmend von Unsicherheit geplagt, ob es mir wirklich gelingt, aus der in meinem Kopf tollen Geschichte auch ein gutes Buch zu machen. Es ist nämlich mein erster ernsthafter Schreibversuch, und das ist gar nicht so einfach....
    Nachdem ich hier einige tolle Geschichten habe lesen dürfen klopft mir schon das Herz, ob ich hier überhaupt mitstinken kann, aber wer nicht wagt - kurzum, ich stell mal das erste Kapitel ein und hoffe auf ein Feedback.

    Gruß
    Melli


    Gib nichts auf Reichtümer, den Prunk und die Pracht, lasse dich nicht blenden von Zeremoniell und wohlgesetzten Worten, üppiger Speis und Trank, denn all dies bedeutet nichts. Erst wenn dich einer meines Volkes an seine Feuerstelle bittet, hast du einen Grund, stolz und dankbar zu sein, denn erst dann bist du ein Freund geworden, und die Freundschaft meines Volkes ist selten und kostbar.
    Worte des Guntram Ijsenbijs an König Wulfred, aus “Die alten Völker, Überlieferungen”


    Zwei Tage waren sie dem Dicken gefolgt, der es für eine gute Idee zu halten schien, seinen von zwei Ochsen gezogenen schweren Wagen ganz allein durch die Hochebene Khaldrians zu fahren.
    Drusa der Einäugige führte die Truppe Wegelagerer sicher abseits der Strassen, er kannte das Hochland wie seine Westentasche. Ein hässliches, heimtückisches Grinsen verzerrte das narbige Gesicht. Bald würde der Dicke die Furt des Hallaborn erreichen. Die Furt spielte ihnen die Reisenden in die Hand. Ein einzelner Landarm zog sich wie ein krummer Finger fast bis in die Mitte des Flusses, der sich um diese Jahreszeit wie ein tollwütiges Tier gebärdete. An den Tagen der großen Märkte in den Städten Khaldrians wurde diese Furt von Soldaten geschützt, um Drusa und seinesgleichen das Handwerk zu vermiesen. Aber jetzt war sie genauso gottverlassen wie dieser dicke Trottel auf dem Kutschbock des vielversprechenden Wagens. “Ein Kesselflicker, die Taschen voller Geld, den Wagen voll Werkzeug und unser Abendessen hat er auch dabei.” lachte Drusa. Niemand von ihnen bemerkte den angewiderten Ausdruck auf Alastairs Gesicht, aber es hätte auch keinen gekümmert. Alastair war mit fünf anderen Jungs von einem Vorarbeiter für eine Mine gekauft worden und sie waren zur Mine unterwegs gewesen, als Drusa und seine Männer die kleine Reisegruppe überfielen. Den Vorarbeiter hatten sie sofort getötet und ihm alles abgenommen, was er am Leibe trug. Den zwei jüngsten Knaben schnitt Drusa die Kehle durch, als diese zu weinen begannen. “Memmen haben auf dieser Welt nichts zu suchen.” hatte er provozierend gesagt und den vier Überlebenden lauernd ins Gesicht geguckt, während seine Männer hastig den beiden Kinderleichen die ärmlichen Klamotten vom Leibe zogen.
    Mit verbundenen Augen wurden die Überlebenden an einem Seil zum nächsten Lager verbracht, wo eine Gruppe schmieriger, abgerissener Kerle über ihre weitere Zukunft entschied. Drei der Jungs sollten bei ihnen bleiben und zu Bettlern und Taschendieben abgerichtet werden. Alastair aber mit seinen feinen, klaren Gesichtszügen, der “Hübschling”, wie Drusa ihn nannte, sollte an einen Kerl namens Angus verkauft werden und ihnen ein nettes Sümmchen damit einbringen. Und da Drusa und seine Männer eh mit diesem Angus noch einen Handel offen hatten, musste Alastair sie auf dem Weg dahin an Händen und Füßen gebunden begleiten.
    Doch wie sich seit dem Zeitpunkt, an dem sie den Dicken ein Dorf verließen sahen, gezeigt hatte, war Drusa einem “Fischzug” unterwegs nicht abgeneigt.
    Ein Ohrfeigengesicht namens Fuchs wurde angewiesen, auf den Hübschling und das Gepäck aufzupassen. Elf Männer überprüften die Sitze ihrer Dolche und Messer, die sie unter ihren Sachen verborgen trugen und statteten sich zusätzlich aus einem größeren Sack mit Schwertern und Äxten aus.
    Fuchs band Alastair nachlässig an einem Baum fest, setzte sich demonstrativ neben die Bündel, die die Männer nicht mit zum Überfall nehmen wollten und starrte mit glasigen Augen ins Leere. Kaum hatten sich seine Kumpane ein paar Schritte entfernt, stahl sich die Hand des Ohrfeigengesichtes geübt zwischen die Bündel und zog kurze Zeit später eine kleine Flasche heraus, die er mit den Zähnen entkorkte und fast in einem Zug leerte. Fuchs fand noch eine zweite und eine dritte Flasche, und während Alastair nur vorgab, eingeschlafen zu sein, gab Fuchs bald ein echtes, leises Schnarchen von sich. Geräuschlos spannte Alastair seine im Rücken gebundene Arme an und zog, die Schmerzen ignorierend, seine Hände soweit wie möglich auseinander. Es regnete schon den ganzen Tag, seine Hände waren nass und glitschig und wenn ihn sein Gespür nicht trog, hatte der Strick unter der Feuchtigkeit etwas nachgegeben. Schultern und Arme brannten, die Handgelenke fühlten sich an wie rohes Fleisch und die Hände waren geschwollen und ziemlich taub. Alastair biss sich auf die Lippen, um ein Stöhnen zu unterdrücken. Es schien ihm wie eine Ewigkeit, bis er es geschafft hatte, eine seiner Hände zu befreien. Dann ging es schnell. Alastair löste seine Fesseln und schlich geräuschlos an dem schnarchenden Fuchs vorbei zu dem großen Sack, aus dem die anderen sich ihre Waffen genommen hatten. Einen schartigen Langdolch mit dunklem, klebrigen Griff und einen rostigen Morgenstern hatten sie liegen lassen. Angeekelt zuckte Alastair zurück. Etwas abseits lag ein weiterer, wenn auch viel schmalerer Sack, aus dessen Ende etwas hölzernes herauslugte. Nachdem er sich mit einem Blick vergewissert hatte, dass Fuchs immer noch tief und fest schlief, öffnete Alastair diesen Sack und fand einen großen Bogen und einen Köcher mit Pfeilen darin. Er hatte noch nie eine Waffe in der Hand gehalten, aber irgendwie war ihm dieser Bogen viel symphatischer als der Langdolch und der Morgenstern und er hängte sich ihn und den Köcher mit den Pfeilen über die Schulter. Sein Herz raste, doch seine Gedanken waren seltsam ruhig und kühl. Er hätte sich auf den Weg zurück machen können, um in einem der Dörfer, die hinter ihm lagen, Hilfe zu suchen.
    Vor seinem inneren Auge tauchte wieder das Bild auf, wie Drusa den beiden Kleinsten die Hälse durchschnitt und ihr leises Schluchzen in ein blutiges Gurgeln überging. Er hatte die Jungen gekannt, sie waren Brüder gewesen, er hatte die letzten 7 ihrer 10 Jahre mit ihnen in einem Raum geschlafen und im Waisenhaus sein karges Brot mit ihnen geteilt. Es wäre nicht recht gewesen, Drusa davon kommen zu lassen und es war auch nicht recht, den dicken Mann auf dem Kutschbock einfach seinem Schicksal zu überlassen. Alastair wusste, dass er gegen Drusa und seine Spießgesellen keine Chance hatte, aber er war es sich schuldig, es wenigstens zu versuchen. Er atmete einmal tief durch und nahm probehalber den Bogen in die Hand. “Ewige Mutter, wenn ich heute zu dir komme, weise mich nicht von deiner Schwelle.” flüsterte er leise. Mit entschlossenem Gesicht lief er fast lautlos in die Richtung, in die er die Wegelagerer hatte verschwinden sehen.

    Das Gurgeln des Flusses übertönte bald den Regen und wies ihm den Weg. Die Mörderbande war über den Hügel gelaufen, der sich neben dem Weg zur Furt befand und wo ihnen Bäume und Felsen Schutz vor Entdeckung boten. Alastair wusste nicht, wie lange er gebraucht hatte, um sich von seinen Fesseln zu befreien und was vor ihm gerade geschah. Vielleicht hatte er das Glück, den “Dicken” warnen zu können, bevor dieser die Furt erreichte, aber er konnte schlecht über die Strasse laufen, ohne von Drusa entdeckt zu werden. Alastair suchte sich einen Weg hügelaufwärts und fand einen fast freistehenden Baum, eine hohe Silbereiche, von deren Ästen aus er sich einen Überblick erhoffte. Er warf Bogen und Köcher zu Boden, sprang mit Schwung an einen der unteren Äste und hangelte sich flink wie ein Eichhörnchen am Baum hoch. Weit brauchte er gar nicht klettern, um seine Befürchtungen bestätigt zu sehen. Der Wagen des Kesselflickers hielt gerade auf der Landzunge an, weil Drusa und fünf seiner Männer mit gezückten Waffen vor ihm auf den Weg sprangen, während die anderen fünf hinter dem Wagen auftauchten und den Rückweg versperrten. Getrieben von einem furchtbaren, kalten Zorn auf den Einäugigen war Alastair mit wenigen Sätzen auf dem Boden, packte den Bogen, warf sich den Köcher über die Schulter und rannte auf die Landzunge zu, während er mit einer Hand über seine Schulter hinweg einen Pfeil suchte. Sein Denken hatte sich ausgeschaltet. Besessen von dem Wunsch, Drusa zu töten, tauchte er wie ein Waldgeist aus dem unteren Gebüschsaum des Hügels auf und stand unvermittelt etwas oberhalb der Furt, was ihm einen guten Überblick verschaffte. Nur am Rande nahm er wahr, dass der Dicke eingeschlossen in einem Kreis von Wegelagerern kämpfte. Im Rücken des Mannes tauchte das verhasste, einäugige Gesicht auf. Drusa holte Schwung mit einer Axt, um dem Mann hinterrücks das Haupt vom Schädel zu schlagen. Alastair handelte blindlings. Den Blick starr auf das Gesicht Drusas gerichtet, vollführten seine Arme seltsam vertraut scheinende Bewegungen und im Bruchteil einer Sekunde flog ein Pfeil durch die Gruppe der Kämpfenden, streifte fast das Ohr des Kesselflickers und bohrte sich tief in Drusas einziges Auge. Drusa erstarrte in seiner Bewegung, die Axt fiel aus seiner taub werdenden Hand, er brach in die Knie, fiel hintenüber und zuckte noch einmal, dann lag er still. Überrascht stockte der Kampf und aller Augen irrten in die Richtung, aus der sie so unvermittelt unter Beschuss geraten waren. Alastair hatte bereits einen zweiten Pfeil auf die Sehne gelegt und spannte den großen Bogen mühelos. Der Ausdruck in seinem fein modelliertem Gesicht ließ die Männer erschauern. Alle außer dem Dicken, der den Moment der Unaufmerksamkeit seiner Gegner nutze. Mit beiden Händen riss er eine gewaltige Axt hoch, drehte sich einmal um die eigene Achse, um genug Schwung zu bekommen und schlug seine Waffe mit aller Kraft dem nächsten Gegner in die Seite. Sie zerteilte den Mann mühelos in zwei Hälften. Wie ein Derwisch tanzte der Kesselflicker weiter im Kreis und ließ seine Axt einen flirrenden, tödlichen Radius um ihn ziehen. Drei seiner Angreifer fielen tot in den Dreck, bevor die anderen reagieren konnten. Doch dann handelten sie blitzschnell. Einer der Meuchler sprang unter der kreiselnden Axt auf die Beine des Kesselflickers zu und versuchte, sie mit einem Dolch zu durchstechen. Die Waffe glitt ab und die Axt des Dicken landete unverhofft tief in seinem Rücken. Diesen Moment nutzten die anderen, um auf den Kesselflicker einzudringen. Doch egal, wie heftig sie mit ihren Waffen auf ihn einhieben, Alastair sah, wie die gewaltige Axt immer wieder erhoben wurde und einen Räuber nach dem anderen fällte. Es dauerte nur wenige Minuten, dann stand der Dicke alleine da. Schwer atmend zog er die Axt seinem letzten Gegner aus der Brust. Sein eigenes Wams war so zerschlitzt worden, dass es in Fetzen um ihn herum hing und das Kettenhemd freigab, dass er darunter trug. Alastair hatte sich nicht bewegt und stand wie eine Statue mit seinem immer noch gespannten Bogen. Der Mann richtete sich auf und sah ihm über die Entfernung hinweg ruhig ins Gesicht. Plötzlich merkte Alastair, dass seine Arme von der gewaltigen Anstrengung, den Boden gespannt zu halten, zitterten. Langsam entspannte er die Sehne und steckte den Pfeil zurück in den Köcher. Sein Denken setzte wieder ein. Er hatte gerade zum ersten Mal einen Menschen getötet. Und er war zum ersten Mal in seinem Leben frei. Es gab niemanden mehr, der ihn sein Eigentum nennen konnte. Und es gab keinen Ort auf dieser Welt, wo er hingehörte. Benommen ging er auf den Mann zu.

    Erstaunt erkannte Gembries, dass es sich bei dem fremden Langbogenschützen um einen Knaben handelte, der die Schwelle zum Mann noch nicht ganz überschritten hatte. Der Junge war etwas größer als er selbst, aber mager und blass. Er hatte ein ausgesprochen edel wirkendes Gesicht mit sehr feinen, ebenmäßigen Zügen, doch seine Kleidung war ärmlich, abgenutzt, oft geflickt und jetzt nass und schmutzig. Der Bogen in seiner Hand war ein Meisterwerk. Gefertigt aus dem hellen Holz der Agnarbäume, die es selten in der Thuliensenke des Nordens gab und verziert mit dezenten Schnitzereien, welche die Hand eines Aell Meisters verrieten, musste der ein Vermögen gekostet haben.
    Mit dem gleichen Erstaunen nahm Alastair zur Kenntnis, dass der Kesselflicker keineswegs dick war. Er war nur sehr breit in den Schultern und der Hüfte und enorm muskulös. Als der Mann sich eine Strähne seines nassen Haares aus dem Gesicht strich, fiel der Ärmel seines Gewandes zurück und gab einen Unterarm frei, der mehr Umfang hatte als ein Oberschenkel des Jungen, aber nicht ein Gramm Fett war daran zu sehen. “Ich danke dir für deine Hilfe.” sagte der Mann. “Es sah nicht so aus, als hättet ihr wirklich Hilfe gebraucht.” lächelte Alastair unsicher. “Die Unterstützung eines Meisterschützen war mir sehr willkommen. Bei der Ewigen, dein Pfeil hat mich erst richtig erschreckt, ich glaubte, du gehörtest zu denen - aber was für ein Schuss!” Der Junge zuckte leicht zusammen, wurde rot und biss sich verlegen auf die Unterlippe. “Du warst nicht freiwillig mit denen unterwegs, wie?” Gembries deutete auf Alastairs Handgelenke, an denen die Abschürfungen durch die Fesseln rot leuchteten. Ein Schatten fiel über die Züge des Jungen und für den Moment eines Blinzelns schienen seine Augen feucht zu werden. Er schüttelte stumm den Kopf. “Was hältst du davon, wenn wir erstmal diese ungastliche Gegend hinter uns lassen und den Fluss überqueren? Auf der anderen Seite kenne ich eine Stelle, die Schutz vor dem Regen bietet. Dort machen wir ein Feuer und hauen uns den Bauch voll mit einem schönen, heißen Eintopf, bis wir zu Platzen glauben.” Bei dem Wort Eintopf leuchtete es in den Augen des Jungen auf. “Das klingt sehr gut. Ich nehme eure Einladung gerne an.”

    Hi,
    ich bin die Melli und neu hier.
    Gepäck habe ich auch dabei, nämlich meine Fantasy Geschichte. Mit der gehe ich schon lange "schwanger", und inzwischen bin ich bei der Geburt angelangt - ich versuche, sie aufzuschreiben.
    Da es eine Erstgeburt ist, hätte ich gerne Hilfe - in Form von Rückmeldungen, Kritik, Verbesserungsvorschlägen.
    Außerdem habe ich hier eben einen Blick in viele gute Geschichten werfen dürfen und werde da auch rege weiter gucken.
    Lieben Gruß
    Melli