Hier mal einen Teil aus einer meiner Geschichten. Bin gespannt auf Feedback und wünsche viel Spaß beim Lesen.
Sein Blut raubte ihm die Sicht. Metallischer Geschmack dominierte seinen Mund. Seine antrainierten Reflexe und erweckten Instinkte versuchten mit letzten Kräften, dem Wurzelwerk Herr zu werden. Der Waldboden, das übereinander gelappte Gewächs mitsamt ihrem knorrigen Ärmchen, schien seine Flucht verhindern zu wollen. So mühte sie sich nach gegebenen Kräften ab, um den von der Flamme gestärkten Körper des Verhüllten an Ort und Stelle zu halten.
Ein Trommelfeuer aus prasselnden Regen, chaotisch verzerrt durch ihn umringende Bäume aus Kiefer und Buche, dröhnte in seinem Kopf. In der Ferne toste der Donner der vielen Wasserfälle, die anteilslos ihr dampfendes blaues Gut in die Täler beförderten.
Seine gebrochenen Rippen verzehrten jeden seiner Schritte. Sie schnitten geistlos in seine Innereien, verformt und zerbrochen zwangen sie ihn abermals, Blut zu spucken. Dabei überfielen ihm die Bilder des Schattens. Er, schmerzverzerrt am Boden kauernd des Anblicks ausgeliefert, wie das breitmäulige Ding zähnefletschend über seinen Kameraden herfiel. Die Bilder versiegten dank der Worte, die er zu ihrem Heiligen Vater sprach.
"Die Welt verbrannt ... ich bin die Glut, die ihr über bleibt. Ich bin ein Sohn des Feuers!"
Auch wenn es etwas half, seinen Kopf zu befreien, mühte er sich weiter gegen ihn gewandtes Dickicht ab, das Wolken von Raureif in die Luft entsann, als er mit Gewalt, derren Äste und Zweige zerbrach. Sein Körper kam zum Stillstand, sein rechtes Bein verweigerte den nächsten Gang, zitternd verharrte seine untere Hälfte und er schlug dagegen, um sie anzutreiben. Seine Rüstung glich einer Ruine. Das schwarz – gläserne Kettenhemd, einst prächtig schimmernd, eingedrückt und aus seinen Gliedern gerissen. Der lange dunkle Waffenrock, zerschnitten von Sicheln und ebenso hängend wie verlassen, blutverschmiert und von Dreck besudelt, sein weiter Ledermantel ein Abbild einer gegeißelten Seele.
Sich betrachtend, stellte sich ihm die Frage, weshalb er überhaupt noch lebte? Die Flamme war stark, doch ihre Macht hatte Grenzen, die spätestens bei herausquollenden Gedärm erreicht wurde. Wie konnte er entrinnen? Das Schicksal war ihm schon immer ein Dorn im Auge, so bezog er es gar nicht erst mit ein. Eine Ansicht, für die ihm sein einstiger Freund stets zu tadeln wusste.
Sein Fokus lag auf seiner Flamme, das ertasten der Glut und ihrer Entfachung zu einem Feuer.
Die Flucht war kein Mittel der Verhüllten, man durfte seine Ahnen nicht mit Schande beschämen. Der Dienst und die Pflicht waren ihre einzige Doktrin, die Wahl der Flamme bestimmten das Leben der Brüder von Skye. Und ebenso nahm sie es.
Dieser Gedanke beruhigte, ließ ihn Konzentrierter werden und sein Blut geregelter zirkulieren. Die Wunde würde es nicht schließen können, verschaffte er sich jedoch so noch etwas Zeit. Um seiner Liebe willens betete er dafür, dass es ausreichend sei. So zwang er seine Beine weiter zu ziehen, wohlan sein Gang jenen eines Trunkenboldes glich, gelegentlich stürzend, auf eine im Schlamm versunkener Hand stützend.
Schließlich bog er um die Ecke eines aufsteigenden Kammes, der in einer kleinen Schlucht mündete, derren Wurzelwerk hängend die beiden steinernen Wände nach außen zu drücken schienen.
Der Boden war gepflastert mit Laub, rutschig wie Eis und gefangen vom Atem des nahenden Winters. Seine Beine stoppten abermals, nicht wankend, sondern nachgebend und er stürzte auf seine Knie, die Hand seine Wunde verdeckend, seine in Rot getränkten Augen nach Hilfe spähend. Er wusste nicht, wen er erwartet hätte, dennoch blühte der Keim der Hoffnung in seinem Geiste, denn immerhin lebte er noch.
Die Hoffnung geriet in Not, als ein Hustenanfall ihn in die Beuge zwang und er sich abermals stützte, die roten Flocken betrachtend, die aus seinem Rachen spien. Warmes Blut entwich seinen Augen, Rinnsaale verliefen über seine Wangen und er spürte das Brennen, als es auf offene Stellen am Kiefer traf.
Er schluckte den roten Speichel herunter. Scheiterte jedoch am Erheben seines Leibes. Einzig das aufraffen aus der Beuge gelang, letztlich er keinen Fokus mehr Greifen konnte und scheinbar schwerelos jedoch am Boden verharrte, gleich der toten Blätter um ihn herum, ausgeliefert und verbraucht ihrer Zeit gen Ende neigend.
Ein Donnern holte ihn ein. Klagende Stämme, brechender Stein und zerdrückte Wurzeln ertönten in der Symphonie des nahenden Unterganges. Er sah über die Schulter, sein Körper schwieg, seine Flamme entfachte, wohlwissend der Gefahr die mühelos Stein zerbrach, um den Entflohenen wieder einzufangen. Seine Augen kniffen zusammen, sich unsicher des verzerrten Geschöpfes, das sich gleich einer Made aus verfaultem Fleisch durch die Bäume presste. Nun spürte er die Hitze des Vaters, stemmte sich unbeholfen auf und versuchte Abstand zwischen sich und dem Miasma zu gewinnen.
Verhüllte fliehen nicht, hallte es in seinen Gedanken.
Er hielt inne. Wieder ereilte ihn das Bild seines Freundes, dem nicht einmal die Möglichkeit gegeben wurde, sich zu verteidigen. Es geschah so schnell, einzig der Hieb einer Fleischpeitsche, scharfkantig durch verwachsene Knochen, verriet des abnormalen Unheils Ankunft und bestimmte den Sieger, nachdem der Kopf seines gefällten Freundes den Boden berührte. Das Geschöpf war immens, wirbelte durch seinen Körper Erde und Schlamm auf, gleich eines Wildgewordenen von Tollwut geplagten Tieres.
Doch nun sah er es. Es war genau vor ihm, spähte zwischen zwei beiseite gestemmten Stämme hindurch, in Begleitung einer gar finsteren Wolke, die dieses Konstrukt verborgen hielt. Es gackerte und sein Herz blieb stehen.
Warum lachst du? Was ist so verdammt witzig?
Die Wolken siechten dahin, entblößten einen Kiefer verschiedenster Mäuler, zu einem Schlund vereint. Neu geformt als verzerrte Blüte. Teile der Kreatur muteten eigenständig, vom Fell befreite offene Muskeln zuckten, Sehnen fauchten und Knochen splitterten bei jeder kleineren Bewegung. Eine von Leid geplagte Kakophonie präsentierte ihre unheilige Pracht. Jedes der spiral verwachsenen Augenpaare stritt miteinander, sich jedoch in der Vorfreude, des nahenden Fleisches eins.
Es reizte ihn. Es reizte ihn bewusst. Auch wenn seine Chancen schwindend gering waren, der Anblick ihn Übelkeit bereitete, so würde er nicht kampflos zugrunde gehen. Dies war es schließlich, was er lernte. Dies war es, was seine Pflicht doch verlangte. Was sie von ihnen allen Verlangte.
Blutspuckend bedrohte er das Ungetüm.
»Du Mistvieh hast dich mit dem Falschen angelegt. Der Vater ist bei mir.«
Er zog seine einfache graue Waffe, eine Klinge mit tiefer Hohlkehle, verdrehter Parierstange und mit Leder umwickelten Griff.
Die Klinge rammte er in den feuchten Boden, stützte sich auf ihr ab und zog eine weitere Waffe aus der zweiten Scheide hervor. Glas rieb auf Glas, als er die Obsidiane Klinge zückte, ihre gerade Spitze auf das Miasma richtete, seine Augen entflammt im Rot ihres Vaters.
»Bei der Flamme! Du wirst brennen! Wenn es das Letzte ist, was ich tue!«
Sein Schmerz verblasste, sein Körper loderte, die gläserne Klinge flackerte auf und tauchte ihr Innenleben in Feuer, gleich versinkenden Blutes in Wasser.
Die Augen der Kreaturen beendeten ihren Zwist, sahen auf den Verhüllten und abermals litt das Konstrukt unter dem Anspannen seiner Muskelfasern. Blutschäumend und erregt spannte es sich an, gackernd stieß es los und stürzte sich auf das Menschlein. Es hob ab und sprang ihn an.
Ein Funke entsprang der Obsidianen Waffen, entlud sich in einer gleißenden Explosion, die Fleisch verbrannte und Knochen sprengte. Die Druckwelle riss ihn von den Füßen, lächelnd nahm er ihr tosendes Wort entgegen, wissend das dieses Drecksvieh selbiges Schicksal ereilen wird.
Er lag mit dem Gesicht auf dem nassen Boden. Die Ohren taub, einzig ein monotoner Ton verbleibt, sein Atem dahinter verborgen, panisch und verloren.
Sein Leben endete nicht. Seine Sinne vernahmen trübe über ihm schwebende versengte Partikel, sie verwoben sich mit Ruß und tanzten zwischen den strömenden Regen. Zufrieden über ihr Werk, bildeten sie einen flüchtigen Schleier über seinen Kopf, beinahe hütend, das Monster verjagt. Mit Schmerzen stemmte er sich auf, suchte dabei fieberhaft nach seinem Gegner und Fassungslosigkeit überfiel ihn, da er tatsächlich alleine war.
Seine Welt lichtete sich, allmählich ließ sich wieder fallender Regen von Donnernden Fällen und pfeifenden Wind unterscheiden. Es fühlte sich wie Stunden an, die er regungslos dastand und einfach abwartete.
Langsam verging seine Betäubung und er brach zusammen, als sich das gesamte Ausmaß seiner verzweifelten Tat, lauthals bemerkbar machte. Reflexartig hielt er sich die übrig gebliebene Linke an den Bauch, seine Organe am Austreten hindernd. Seine rechte Seite war vollends verbrannt, Hand samt Elle wurde vom Körper gerissen – ein Preis, den wohl die Flamme als Tausch für sein Leben verlangte. Er atmete schwer, drehte sich ohne klaren Gedanken um, gleich wie in Trance wankte er vom Ort des Geschehens weg.
Ihm war nicht klar, ob er sprach oder dachte, er war sich unsicher darüber, ob er überhaupt noch fähig war zu sprechen.
»Ich muss ... nur aus dem Wald raus. Ich muss nur zum Bernstein.«
Sein Gang strafte mit Klage, sein zerfetzter Leib, das hervorquollen des Blutes, die gebrochenen Knochen schreiten geradezu nach Tod. Ob Minuten oder Stunden vergingen, wer konnte das schon genau sagen?
Schwellend stellte er sich der Frage, wie er überhaupt noch laufen konnte? Wie konnte ein in Stücke gerissener Kadaver noch verweilen? Er dachte nie, dass der Vater ihm so nah sei, dass der Tod selbst es nicht wagte, ihn zu holen. Doch nun stand er hier.
Ein Fuß ... Ein Fuß ... den anderen ... Ein Fuß ... den anderen.
Schließlich lichtete sich der Pasvik, gerodete Flächen, bedeckt mit aufgeschreckten Pfützen und winzigen Seen, die sich in Schlamm bedeckten Mulden bildeten. Im grauen Morast wurde er von etwas empfangen, etwas Vertrauten, gleich einer geliebten Umarmung, einem führenden Licht, welches ihn anzog und Geborgenheit versprach. Vor sich befand sich der kleine Berg, dessen Kamm und Klippe den Bernstein beherbergte, einer kleinen Burg, dessen steinerne Fassade in die Wand geschlagen, verborgen im Dunst ihre Pracht über den Baumkronen verbarg. Er sah hinauf, vernahm den rettenden Laut des verwesten Turmes und des darin verborgenen Fragmentes. Den Ruf folgend, hinkte er zu den verteilten Mauerstücken, die von der Zeit der Burg entrissen, nun von Moss bedeckt ihr Dasein im Wald fristeten. Letztlich begrüßten ihn Statuen der Amacura, gekleidet in feinen Gewändern die ihren Umrissen schmeichelten. Überrascht von ihrer Schönheit, ihrer gut erhaltenen glatten Flächen, streckte er eine Hand aus und wollte die Beine der auf einem Sockel thronenden Frau berühren. Jedoch strafte sie ihn mit Missachtung und er schreckte zurück, die Abweisung in Form ihrer schwarzen Tränen deutend. Hinter seiner Stirn pochte es zunehmend, ein Nagelstich, der präzise selbige Stelle beharkte. Klare Gedanken zu formen, verstärkten den Schmerz zunehmend, der Blick von den Frauen abgewandt richtete er sich auf den porösen Weg und fragte sich, wo wohl sein Partner abgeblieben sei? Warum war er alleine?
Die Erinnerung an einem Eid durchfuhr ihn. Er gab jemanden ein Versprechen. Doch was war es? Es war wichtig. Wichtiger als alles andere.
Er ging zwei – drei Schritte, die Felswand vor ihm lächerlich hoch und der schmale Durchgang zum Aufzug, verschlungen von einem leeren Loch. Seine Kraft genügte nicht, so torkelte er wieder zur Statue, lehnte sich seitlich an ihr an, hob seinen Kopf, um in das nun beschämte Gesicht der Frau zu erblicken, der sich nun neigte und ihn verschmähte.
Ihr Frust war fehl am Platz. Er hatte überlebt und das Vieh vertrieben, wenn nicht sogar getötet.
Was wollt ihr denn noch von mir?
Inzwischen saß er, die Beine ausgestreckt, die Gedärme seinen Schoss wärmend. Sein Kopf neigte sich zur Seite, seinen enthaupteten Kameraden entgegen, der im Blau vergehenden Mantel, die Arme vor der Brust verschränkt ihn ansah. Er wollte seine rechte Hand heben, bemerkte jedoch erneut ihr fehlen, an dessen Stelle ein Stümmel verblieb, übergossen von einem stinkenden Netz aus Blut.
»Tut mir Leid Artis. Hätt dich gern gerettet.«
Die letzten fünf Minuten vergessen, ließ er seinen kopflosen Freund und die weinende Frau hinter sich, erhob sich zitternd, wankend und unbeholfen schleppte er sich weiter, dem Aufzug entgegen.
Sein Kopf dröhnte, dennoch befand er sich im Innenhof der kleinen Burg. Zu seiner Rechten, eine Ratshalle, groß genug für Versammlungen, doch ebenso zerfallen genug, um vergessen zu werden. Jedoch war sie sein Ziel. Die wenigen Treppen knarzten unter seinen schweren Schritten, die beiden Türen einladend aufgeschlagen. Er ging hindurch, folgte den vermorschten Gang und bog in eine rechte Kammer ab. Seine Augenlider schlossen sich, sein Körper fiel in sich zusammen, da der rettende Sockel mit dem eingebetteten Fragment leer war. Er schüttelte seinen Kopf hoffte, das Bild was sich ihm bot austreiben zu können und die Wahrheit dahinter zu erblicken. Abermals war der zentrale Sockel in der Halle leer, die aufgereihten Bänke darum verwaist, manche zerbrochen und andere von Spinnen behaust. Seine Augen wurden feucht, sein schluchzen war das einzige, was dieser Kammer leben einhauchte, ein Trauriges und verlassenes Leben.
Ein Gackern riss ihn aus seiner Verzweiflung. Er wirbelte herum, das Monster war ihm gefolgt. Es stand am Eingang der Halle, seine Augenpaare nun eins, sahen ihn jedoch anteilslos an.
Sein übriger Arm schmerzte.
Sein Bein schmerzte.
Sein Rückgrat brach und es schnitt ihm die Luft ab.
Er fiel zu Boden, betrachtete das Ungeheuer, welches sich nur zu einem schräg Stellen des eigenen Kopfs herabließ. Abermals folgte ein Gackern und er erwachte wie aus einem Traum und schlug seine Augen auf.
Sein Blick fiel in den endlosen dunklen Schlund der Kreatur. Sie hatte sich mit ihrem gesamten Gewicht auf ihn gestellt, zerdrückte rücksichtslos seine Beine, wie ein Spielzeug, überdrüssig sich weitere Zeit damit zu beschäftigen. Er wollte schreien, doch das Blut quoll ihm die Lunge herauf und schnitt jeglichen Schwur, Flehen als auch Drohung ab. Als sich der Schlund aus klingengleichen Zähnen öffnete, kroch Galle empor. Ein Gemeng aus Speichel und Blut tropfend, begleitet von blauen Adern, die dem Rachen der Kreatur schleichend entstiegen. Das falsche Abbild eines Gebisses, spitzen Pfeilern, abgewetzt, unnatürlich hochgewachsen und sich selbst ins Fleisch schneidend. Der hängende Unterkiefer der Bestie schob sich weiter nach unten, zwanghaft klagend von Brechen der eigenen Knochen.
Er wollte seinen rechten Arm heben, anbei merkte er, wie dieser wieder vollends Genesen war, seine letzte Möglichkeit witternd und wollte abermals die schwarze Waffe ergreifen.
Das Biest ahnte dies, und drückte ihn mit einer Pranke die rechte Schulter ein. Seine Gedanken rasten. Warum bin ich wieder hier?!
Der Verhüllte wirbelte seinen Kopf hin und her und erblickte den kopflosen Leichnam seines Kameraden, der im Morast des Waldbodens unter Schlamm vergraben wurde. Warum? Ich war doch in Sicherheit?!
Mehr Schmerz ließ seinen Körper in Starre verfallen, sein Blick richtete sich wieder in die Dunkelheit. Das Letzte ... was er vernahm, war das brechende Geräusch seines Schädels, als der Schlund ihn in die Welt der Dunkelheit zog.
Fortsetzung folgt.