Beiträge von kalkwiese

    Ich denke aber auch, dass vor allem die Charaktere die Handlung tragen, zumindest scheint das vielen Leuten wichtig zu sein. Für mich habe ich festgestellt, dass die Charaktere und der Schreibstil viel davon ausmachen, ob mir etwas gefällt. :hmm: Dann lese ich auch mal ein Buch sehr gerne, das alles andere als spannend ist. Trotzdem ist Spannung aber was feines. ^^
    z.B. Der Herr Ringe hat mich beispielsweise nicht mitnehmen können, weil 1) (der offensichtlichste Grund) es recht sperrig geschrieben ist und ich damals auf sowas keine Lust hatte und
    2) weil ich zu Frodo einfach keinen Draht finden konnte. xD Er war mir so nicht-sympathisch, es hat mir einfach keinen Spaß gemacht. Da gibt es viele andere Charaktere in anderen Büchern, mit denen ich mich mehr identifizieren kann.
    Ich hoffe, das holft dir etwas. ^^

    Moin, neuer Tintenhimmel :hi2:
    Schreib wie du magst, aber ich lese auch nicht auf Englisch und würde so auch nicht schreiben wollen. Mit meiner Muttersprache kann ich ganz natürlich umgehen, bei einer anderen Sprache wäre ich eher ein Fremder und es würde sich wohl gezwungen lesen.
    Wie gesagt, du musst wissen, womit du dich wohl fühlst. :) Aber für englische Ausgaben gibt es ja Übersetzer :whistling: Die sind zwar auch so ein Thema, aber über die Reichweite sollte man sich als Anfänger noch keine Gedanken machen. Wichtiger ist der Spaß an der Sache. :)

    Der Steppenwolf von Hermann Hesse.
    Nachdem @Ewala immer wieder davon gedchwärmt hat und Der Weg Einer Freiheit sagten, dass die Ästhetik ihres aktuellen Albums davon inspiriert ist, muss ich es wohl lesen.
    Das Buch handelt von Harry Haller, einer Art Alterego Hesses (Vergleichbar mit Faust als Alterego Goethes), der sich selbst als "Steppenwolf" bezeichnet und mit handfesten Seelenleiden (und ein paar körperlichen) zu kämpfen hat. Als vereinsamtes Wesen findet er keinen Trost in übermäßiger Gesellschaft und lebt launisch mit seiner Depression in den Tag hinein.
    Das Buch ist im Stil eines Manuskripts von Harry Haller geschrieben, das sein Zimmernachbar gefunden hat.
    Die innerlichen Zerwürfnisse des Steppenwolfs sind wohl das Kernthema, mal sehen, wo das Buch mich hinführt. Es gilt ja als Weltliteratur. ^^
    Mit dem etwas sperrigen, aber malerischen Stil kann ich mich sofort anfreunden. Die Satzgefüge sind oft recht lang und das ist auf die Dauer etwas anstrengend, weswegen ich immer mal etwas Pause zwischendurch brauche, aber diese Sätze sind eben auch wirklich gut. Dieser etwas veraltete Stil spricht zu mir. :)
    Ich bin sehr gespannt.

    Habe heute Prinzessin Insomnia und der alptraumfarbene Nachtmahr von Walter Moers beendet.
    Muss sagen, dass ich dem Buch über sehr positiv bin. Moers' skurrile Art, sein angenehmer, wortgewandter Stil, die schöne Chemie zwischen den Hauptcharakteren, das Buch macht so vieles richtig, finde ich. Gerade nach dem Vorgänger. Wollen wir gar nicht von anfangen.
    Hier hält sich Moers anfangs sogar relativ kurz und alles, was anfangs vorgestellt wird und einem belanglos vorkommt, wird irgendwie nochmal aufgegriffen.
    Richtig spannend ist es nicht unbedingt, aber das brauche es nicht, um mich zu fesseln. Außerdem hatte ich damit ja schon gerechnet. :D
    Wer damit klar kommt, für den ist das Buch sicher etwas. Gefällt mir.

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    Wir waren jetzt so lang bei den Sklaven, dass ich überlegen musste, wer Konrad nochmal war XD

    Ja, da kommt dann noch mein langsames Postingtempo hinzu. o: Ich wäre gerne schneller, weiß aber nicht genau, woran es so hakt.

    Jemand, der nur für etwas Unruhe sorgen will? Aber so freundlich wie sie mit den Tieren umgegangen ist, scheint sie die Tiere wirklich nur befreien zu wollen., Und warum hat sie Konrad gesehen? Sehr merkwürdig. Ob das etwas mit dieser Kutsche zu tun hat, nach der Konrad und Chisana suchen?

    Das sind ein paar gute Fragen, damit kann ich etwas anfangen :)

    Gerade bei Konrad ist die Geschichte sehr märchenhaft

    Ja, besonders bei ihm möchte ich so eine Stimmung haben. Ich hoffe nur, dass es die Geschichte mit dem Kontrast zu den Sklaven nicht zu sehr zerreißt.

    Auch dass eine Frau die Tiere freilässt. Was natürlich sonderbar ist, ist die Tatsache, dass sie vorher mit ihnen geredet hat und - dass sie Konrad offenbar sehen konnte. Der war doch unsichtbar, wenn ich das richtig gelesen habe, oder?

    Ja, genau. Es ist schön zu sehen, dass ich das mit der Unsichtbarkeit am Ende nicht explizit sagen muss, damit es funktioniert. xD Wobei der Abschnitt ja eh nur recht kurz ist. :hmm:


    So, neuer Monat, neuer Post. o: Dieses Mal ein etwas längerer. Ich muss zugeben, dass ich mit ihm auch nicht wirklich zufrieden bin. Weiß nicht genau warum, ob ich ihn einfach nur zu lang finde oder zu uninteressant oder sonstwas. Ich habe den in den letzten Tagen nochmal etwas durchgearbeitet und bin an dem Punkt angekommen, wo ich erstmal nicht weiter komme. Das ist etwas demotivierend, darum nehme ich erstmal wieder Abstand davon. :hmm: Vielleicht fällt euch ja etwas ein.
    Trotzdem viel Spaß damit. xD


    Das Stille Abendessen


    In den paar Tagen, in denen Maks nun schon zu dem überschaubaren Dutzend von Haussklaven gehörte, war wenig passiert. Davon allerdings erstaunlich viel. Wäsche musste gewaschen werden, Tische gedeckt, Böden geschrubbt, Ställe ausgemistet – vor gewöhnlichen Aufgaben gab es keine Rettung.
    Ähnlich einer Flut riss es ihn mit, die Hände kamen kaum zur Ruhe und doch, oder gerade deshalb, hielt er sich daran fest. Es war die Beschäftigung, die Phasen der Arbeit, in denen die Stille fort blieb. Arbeit war eine Flut? Sicher. Aber genauso war sie ein Ufer. In manchen Momenten gar ein Leuchtfeuer. Eine scheinende, willkommene Abwechslung vom trüben, braungrauen Acker, die Rettung vor der giftigsüßen Verführung durch die Stille.
    Frustrierend dagegen waren die Arbeiten in der Küche. Man sah sofort, wie der Gutsherr und die Hofleute tafelten – Braten, Soßen, Früchte –, der Vergleich mit den Resten, die die Sklaven kurz danach bekamen, war ernüchternd. Mit etwas Glück blieben ein paar Äpfel übrig und die Reste wurden im Zweifelsfall noch um Brot ergänzt, bis auch alle eine annehmbare Mahlzeit hinter sich hatten.
    Vielleicht hätte Maks sich unter anderen Umständen gefreut, schließlich kam er sich undankbar vor, wo sich seine Situation doch verbessert hatte. Aber die Geister von früher, das Wissen darüber, dass zu essen einmal Freude bedeutet hatte, ließen es nicht zu.
    Gerade befand sich Maks zusammen mit den anderen im Sklavengemeinschaftsraum, und der Esstisch, an dem sie saßen, war aus kleineren Tischen zusammengesetzt. Wie an den anderen Tagen auch war es Kobe, der die Gruppe mit seinen bissigen Witzen unterhielt. An ihm war ein echter Harlekin verloren gegangen.
    „Warum hat unsere Haushälterin so einen Stock im Arsch?“, fragten Kobes Lippen und formten sich zu einem fiesen Grinsen. „Na?“
    Fragende Blicke. Köpfe wurden geschüttelt, kurze Satzfetzen ausgetauscht. Dann folgte fragendes Schweigen.
    „Sag schon!“, befahl einer der Nordländer, die Maks oft mit Meddin sprechen sah.
    Kobe nickte grinsend, „Weil niemand Anderes ihr seinen geben möchte!“
    Augenblicklich brach um Maks prustendes Lachen aus.
    „So vergraulst du dir sofort alle Frauen, Kobe!“, tadelte Minna ihn lachend und bekam eine wegwerfende Geste als Antwort.
    „Ach, solange die hübschen Damen auch lachen, bin ich glücklich“. Zwinkern.
    „Aber wirklich, Kobe, du Dreckssack!“, meinte ein anderer, „Das wird dich noch den Kopf kosten!“
    „Wir sind doch eh schon tot!“, gab Kobe mit einem Zwinkern zurück, bei dem niemand sicher sein konnte, ob sich dahinter nun Witz, Resignation oder Weisheit verbarg.
    Wieder erhob sich das Lachen, bei Maks hingegen nicht. Er war zu sehr damit beschäftigt, sein Grinsen zu fälschen, während er noch immer über die Sache mit dem Stock nachgrübelte und wo genau sich da nun der Witz versteckte. Weil Kobe schon öfter seinen bösen Humor gezeigt hatte, vermutete Maks, dass es etwas mit ihrem Sadismus zu tun haben musste. Ja, das klang einleuchtend.
    Was Kobe für einige sympathisch oder angenehm wirken ließ, schüchterte Maks, musste er zugeben, furchtbar ein. Er kam ihm wie ein Gaukler vor, der ihn jeden Moment über den Tisch ziehen könnte, wenn Maks unaufmerksam wurde. Im einen Moment nett, im nächsten kalt und bissig, und gepaart mit der Erinnerung an Meddins Blick bei ihrem ersten Aufeinandertreffen …
    Es hatte das warme Lächeln von Hiin und die einladenden Worte Minnas erfordert, um Maks endlich in ihre Tischrunde integrieren zu können.
    Neben solchen geselligen Runden aßen die Haussklaven für gewöhnlich in diesem kleinen Zimmer. Als die Haushälterin dann plötzlich im Türrahmen stand, dachte sich niemand viel dabei. Gewohnheit, im nächsten Augenblick standen sie stramm. Zähneknirschend bäumte sie sich zum Drachen auf.
    „Tische ins Speisezimmer, wir vergrößern die Tafel! Aber dalli!“
    Sofort gehorchte man und je zu zweit trugen die Sklaven ihre Tische auf den Flur. Aus den Augenwinkeln konnte Maks kleine Rauchwolken aus ihren nicht vorhandenen Nüstern aufsteigen sehen.
    Sie waren gerade angebrüllt worden, doch musste Maks es zugeben. Zu zwölft aufgeschreckt zu werden, war angenehmer als ganz allein. So fühlte es sich richtig an, im Rudel war es warm, immerhin das. Zu schade nur, dass Welpen nicht für sich selbst sorgen konnten.
    Es waren Momente wie diese, in denen Maks sich wünschte, kein Welpe mehr zu sein.
    Einzig Kobe schien durch die aufgebrachte Haushälterin amüsiert. Manchmal fragte Maks sich, ob Kobe noch ein Welpe war. Es hätte wohl niemanden gewundert, wenn er der Haushälterin einfach ins Gesicht gelacht hätte, wenn sie ihn einmal zur Schnecke machte. Aber Kobe war nicht blöd. Schlimmer noch, er war so weit von blöd entfernt, dass Maks sich in seiner Nähe unwohl fühlte.
    Schließlich waren alle Tische im Speisesaal platziert. Kaum war eine Decke über sie geworfen, versammelten sich bereits die ersten Hofleute am Tisch.
    Es fehlten noch Besteck und das Essen – die ersten Mitsklaven kamen schon mit den Speisen durch die Tür hereingeschwebt, als die letzten sich endlich in Bewegung setzten und dem Strom folgten. Staunend warf Maks sich zu ihnen hinein, wurde Teil dieser perfekt ineinandergreifenden Zusammenarbeit und badete im Gemeinschaftsgefühl. Einige Teller und ein kleiner Brotkorb wanderten in seine Hände, seine Füße trugen ihn in den Speisesaal zurück. Im nächsten Augenblick lag der Korb auf dem Tisch. Die Teller wanderten aus seinen Händen. Das Dämmerkerzenlicht des Flurs. Zurück in die Küche.
    Erfüllung musste es sein. Sein Geist wälzte sich in glückseliger Taubheit, benebelt wie vom Kuss der Stille, aber in der Wärme blinder Gefolgschaft und ohne den Kummer.
    Es war einfach.
    Tue was man dir befiehlt.
    Und sorge dich nicht.
    Sorge dich um gar nichts.
    Keine Fragen zu stellen, war zu nicht genug.
    Wenn eine Frage aufkam, war man bereits zu weit gegangen.
    Maks hatte den Fragereflex ausgelöscht.
    Nach getaner Arbeit fand er sich schließlich mit den anderen Sklaven an der großen, notdürftig erweiterten Tafel wieder. Es waren Minnas Worte, die ihn aus seiner bequemen Taubheit herausrissen, zurück ins beängstigende Bewusstsein.
    „Maks, ist alles in Ordnung bei dir? Du wirkst irgendwie … abwesend.“
    Wie zuvor im Gemeinschaftsraum war es ihre beinahe mütterliche Wärme, die seine Aufmerksamkeit gewann. Träge suchte Maks die Worte für eine Antwort und noch einen Augenschlag länger dauerte es, bis er sich ihr zuwandte.
    „Ja“, nickte er, um es auch sich selbst zu versichern. Es war nur ein Wort mit genauso vielen Silben, aber alles, was er vielleicht noch hätte sagen wollen, lag noch immer hinter dem tauben Schleier, der sich nur langsam auflösen wollte.
    „Das ist gut“, sprach sie etwas erleichtert, die Stimme gesenkt.
    Den Grund dafür begriff Maks sofort, als er den misstrauischen Blick eines der Bedienteten auffing. Es musste der Gärtner sein, mit den neuen Gesichtern tat Maks sich noch immer schwer.
    „Das letzte Mal, als wir miteinander gesprochen haben, ist schon Tage her. Der Zeitplan lässt es nicht so einfach zu, weißt du? Jedenfalls, wenn etwas sein sollte, kannst du trotzdem gerne zu mir damit kommen, ja? Wir sorgen schon dafür, dass du dich hier einleben kannst.“
    „Ja. Danke.“
    Er versuchte zu lächeln – sicher tat er das auch, irgendwie –, aber es fühlte sich herausgehinkt und verkrampft an. Sicher musste er kalt und abweisend auf sie wirken … vielleicht war es besser, das Gespräch mit ihr so schnell wie möglich abzubrechen.
    Plötzlich bemerkte er, wie Meddins Augen ihn für einen Moment bösartig anfunkelten, bevor sie sich in nächsten Augenblick wieder abwandten, um sich mit den beiden Nordländersklaven Atto und Arent zu unterhalten. Es ließ Maks wieder erstarren. Das Gefühl war zu vertraut.
    Minna saß links neben ihm.
    Und rechts die Stille.
    Sie saß in der Luft, direkt an ihm dran, als wäre sein Stuhl doppelt so breit. Dazu hatte sie einen eigenen Teller, eigenes Besteck, alles gewoben aus Leere und Taubheit.
    „Mach dir nichts draus, mein Liebster“, säuselte sie, wieder mit ihrer Schlafliederstimme, „Es liegt nicht an ihr, sondern an dir. Du bist nicht für Menschen gemacht. Glaubst du wirklich, wie würden dich brauchen? Du brauchst sie nicht. Lass los.“
    Und falle.
    „Maks?“
    Wieder riss es ihn heraus. Die Stille war fort.
    „Ja?“
    „Schon wieder warst du so. Bist du dir sicher, dass alles in Ordnung ist?“
    „J-ja“, stammelte er, und fragte sich, ob er alle anderen Worte mittlerweile verlernt hatte.
    „Wir können auch später reden, wenn es dir hier zu viele … Ohren gibt.“
    Kopfschütteln, er kniff die Augen zusammen. Vielleicht konnte Hilfe von außen – konnte sie – die Stille und die Probleme vertreiben. Aber … was für Probleme denn eigentlich? Was konnte Minna schon für ihn tun? Und wollte er die Stille überhaupt loswerden? Wer verstand ihn denn überhaupt so wie sie? Wer war so für ihn da?
    Niemand.
    Selbst der eigene Bruder hatte ihn von sich gestoßen.
    Eine eisige Hand legte sich auf seine Schulter.
    Sie war zurück. Ihr Atem ließ seine Nackenhaare vibrieren. So stark, dass es ihn zu ihr zog. Für Minna ließ er ein paar Worte zurück.
    „Vielleicht komme ich drauf zurück.“
    „Wenn du jemanden zum Reden brauchst, bin ich da.“
    Dann wandte er sich ab, um still in seinem Brot und einem Stück Käse zu versinken. Es folgten einige Minuten der wohl gefräßigsten Stille, die der fürstliche Speisesaal in seiner Geschichte bisher kennenlernen durfte, unterlegt vom fernen Grundrauschen der Tischgespräche, die von den höheren Hofleuten ausgingen. Besonders der Gutsherr schien in bester Stimmung zu sein und sein Lachen durchbrach gelegentlich die scheinbar gleichförmige Geräuschkulisse.
    Erinnerungen an Maks erste Begegnung mit ihm wurden wach. Wie er Maks begutachtet, wie er die Haushälterin in die Schranken gewiesen hatte. Plötzlich wirkte dieser Mann auf Maks seltsam sympathisch. Wie konnte es unter jemandem wie ihm nur so schrecklich zugehen?
    Als hätte er diesen Gedanken als Startsignal vernommen, erhob sich der Gutsherr. Das Klirren seines Glases, gegen das er vorsichtig seinen Löffel schlug, erklang plötzlich in allen Ohren des Raums.
    „Liebe Leute!“, eröffnete er seine Rede, simultan mit einem tiefenentspannten Gesicht. „Wie den allermeisten hier am Tisch bereits aufgefallen sein sollte, hat unsere kleine Abendtafel Zuwachs bekommen.“ Die Hand mit dem Glas wies zu den Sklaven an der improvisierten Tischverlängerung und vollführte eine einladende Geste.
    „Nachdem ich jahrelang die Arbeit unserer Sklaven beobachten konnte, kam ich zu dem Entschluss, dass es an der Zeit ist. Wir kennen einander nun lange genug, besonders ihr alle untereinander. Mittlerweile, davon bin ich überzeugt, sind wir für die meisten von euch mehr als nur eine Zweckgemeinschaft. Freundschaft ist das Wort. Für manche auch Familie. Das möchte ich unterstützen. Unter meinem Dach sind alle hier willkommen! Das gilt auch für unsere emsigen Haussklaven. Darum, lasst uns zusammen speisen. Auf diesen historischen Moment!“
    Verhalten breitete sich unter den Hofleuten ein moderates Klatschen aus, zwar vorhanden, aber moderat und wenig ansteckend, als wollte es die Neuankömmlinge samt Tischen wieder auf den Flur hinausschieben.
    Der stoische Blick des Gutsherrn wanderte die Anwesenden ab, wartete auf mehr. Einige schauten zu Boden, eine seltsame Spannung lud sich in der Luft.
    Als sich ihre Blicke schließlich trafen, blieben die Augen des Gutsherrn an Maks haften. Eine Flut leerer Gedanken ergoss sich über ihn. Fragen über Fragen über Antworten, nichts davon auch nur im Geiste formuliert, nur mentaler Abfall, Ballast, der ihn lahmlegte.
    Knöchel hämmerten auf die Tischplatte.
    Sie sprachen dabei auf eine mechanische Weise ihre Zustimmung aus. Es war die Haushälterin.
    Ihre Lobesfaust malträtierte die Tischplatte, wie es sonst nur Hausdrachenblicke mit Bediensteten vermochten. Nach und nach verstummte jedes Klatschen im Raum – dafür setzte rings um den Tisch begeistertes Klopfen ein, schließlich wussten die Bediensteten, was gut für sie war. Der Gutsherr wirkte zufrieden. Das Mahl wurde fortgesetzt.
    Und nichts war wie vorher.
    Unter Maks‘ Mitsklaven wuchsen die Gespräche, ungehemmt. Minna klopfe Meddin auf die Schulter.
    „Das geht doch auf deine Kappe, oder?“, scherzte sie, „Wo du in der Küche endlich mal glänzen konntest, hast du den Hausdrachen gleich mit gezähmt!“
    „Danke Minna“, murmelte er verlegen und schaffte es nicht, mit ihr Augenkontakt zu halten. „Aber ich glaube der einzige, der sie irgendwie beeindrucken kann, ist der Gutsherr. Wahrscheinlich hat sie Schiss.“
    „Jaaa, du hast wohl Recht“, gab sie schelmisch zurück und zuckte mit den Schultern. „Das hätte ich wohl auch.“
    „M-moment“, mischte Maks sich ein, sprach mehr zu Minna als zu Meddin, „Der Gutsherr wirkt auf mich eigentlich … recht nett. Und die Haushälterin dagegen …“
    Der Gutsherr warf der Haushälterin ein paar Worte zu und amüsierte sich wohl über etwas. Leider herrschte rundherum ein zäher Brei aus Gesprächen, was dort hinten gesprochen wurde konnte man am Sklaventisch kaum verstehen. Dennoch konnte Maks sehen, wie sich die Haushälterin mit einem süffisanten Lächeln zum Gutsherrn vorbeugte und ihm mit süßer Deutlichkeit einige bissige Worte zuschob.
    „Also, Neuer, pass auf“, schob sich Meddin dazwischen, „Die Bediensteten erzählen manchmal Geschichten vom Gutsherrn. Und mit dem da“, machte er einen kurzen Fingerzeig, „Und wie wir ihn erleben, haben die nicht viel zu tun. Keine Ahnung, was da dran ist oder nicht, aber wir sind lieber vorsichtig. Außerdem kuscht die Haushälterin vor ihm. Immer. Auch wenn es sie ärgert. Also, wenn das nicht furchteinflößend ist …“
    Minna stimmte zu.
    „Ja, Meddin bringt es eigentlich auf den Punkt. Wir wissen einfach nicht, woran wir bei ihm sind. Aber er scheint nett, da hast du recht.“
    Nicht mehr erleuchtet als vorher ließ Maks sich in seinen Stuhl sinken.
    „Verstehe“, murmelte er und verstand nicht.
    Da klirrte wieder der Löffel gegen das Glas. Der Gutsherr stand am anderen Ende des Tisches und Ruhe zog ein. Etwas war anders. Seine ganze Haltung hatte sich verfinstert.
    „Mir kam soeben zu Ohren, dass sich jemand unerlaubt in der Speisekammer bedient hat. Und es sei bereits sicher, dass es sich dabei um einen unserer Sklaven handeln muss.“ Da war plötzlich eine Distanz in seinen Worten, die bis eben noch unvorstellbar erschien. „Was für eine traurige Fügung, dass ich es gerade hier erfahren musste … wo wir uns doch alle hier eingefunden haben. Tja, aber was soll’s. Da die Tat bereits passiert ist, bevor ihr euch hier versammeln solltet, liebe Sklaven, gebe ich euch die Gelegenheit, mir den Schuldigen bis morgen Abend zu bringen. Ansonsten wird es harte Konsequenzen geben.“
    Einen von Maks‘ erstickten Atemzügen später setzte der Gutsherr sich wieder, widmete sich seinem Fleisch und ließ eine Abendgesellschaft verstummt zurück.

    Mal sehen, das Video gebe ich mir gleich. Ich setze im Moment auf einen Verbund von Kurt und Jerry. Das scheint mir im Moment am logischsten, ist vielleicht aber genau das, was der Autor von mir will :D Es wäre auch witzig, wenn es Nira wäre. Denn da steht zwar, dass sie sich Sorgen macht, dass sie das Ziel nicht erreichen, aber man kann es immer noch so auslegen, dass die als Verräter Angst hat aufzufliegen. So wie sie Kurt anschaut, könnte sie genauso zur einem Verbund aus jerry und Kurt gehören. :hmm: Verstößt das gegen die Spielregeln? Jetzt schaue ich erstmal das Video.

    Nach dem Video:

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    Yo, dass das Kapitel aus Niras Perspektive ist, hab ich ja bemerkt, aber ich empfand es nicht als Ausschlusskriterium. Gerade, wenn es ein Dreigespann aus Jerry, Kurt und ihr wäre, hätte es vielleicht doch funktioniert :hmm:
    Jerry und Kurt waren mein Verdacht, weil das einfach die coolste Version wäre mMn :D Schön, dass du das ähnlich siehst.
    Naja, ich habe aber doch einiges übersehen. Hatte gar nicht damit gerechnet, dass das so viel hergeben würde. D:
    Coole Sache!

    Kleines Update:
    Ich fange immer mehr an, mich im Buch zu verlieren, das ist ein gutes Zeichen. :D
    Gleichzeitig fällt mir aber auch auf, was für einen langen Atem man bei den für Moers typischen Aufzählungen braucht. Der Mann sucht sich eine absurde sprachliche Idee aus und spielt sie manchmal länger als nötig durch. Wären nicht immer mal Häppchen dabei, die mich ahnen lassen, wo das noch hinführen könnte, wär mir das wohl zu blöd. Trotzdem kann er diese Dinge, die teilweise total belanglos wirken, so verpacken, dass ich mich nicht dran störe. :hmm: Ist schon komisch.
    Das Buch ist jedenfalls was für mich, sehr schön.

    Habe gerade Prinzessin Insomnia und der alptraumfarbene Nachtmahr von Walter Moers angefangen. Moers neigt ja dazu Bücher zu schreiben, in denen wenig passiert und bei denen seine Fans (ich bisher auch) trotzdem gespannt lesen. Mal sehen, ob das hier auch wieder klappt, das letzte Mal, als ich was von ihm gelesen habe, ist schon eine ganze Weile her. :hmm:
    Das erste Kapitel hab ich gerade gelesen und die Alliterationen (z.B. buchimistisches Betäubungsgas) machen die Szenen etwas absurd, was genau zu diesem Charme führt, den man von Moers kennt. Es wirkt bisher märchenhaft und ich entwickle schon sowas wie eine Vorfreude. :D Außerdem sind die Illustrationen extrem schön, das muss man schon sagen

    Hab gerade eben Sophia, der Tod und Ich von Thees Uhlmann beendet.
    Ich muss sagen, dass sich das Buch nochmal ordentlich gemausert hat. Über die erste Hälfte wurden vor allem die Charaktere und alles mögliche etabliert, genau in der Mitte wird dann erst das eigentliche große Problem klar. Bis zu dem Punkt war das Buch für mich quasi der Inbegriff von "ganz nett". Der etwas flapsige Humor und die wiederkehrenden Gags haben aber so einen Charme gehabt, der mich bis zu dem Punkt hat lesen lassen. Es gab auch immer wieder Momente zum Schmunzeln. Keine heftigen Gefühle, aber Schmunzeln.
    In der zweiten Hälfte und gerade zum Schluss hin habe ich mich dann doch immer wieder bei traurigen Seufzern erwischt.
    Irgendwie ist das Buch tatsächlich sowas wie ein Äquivalent zu deutschem Indie Pop für mich. Nicht so richtig geil, aber trotzdem schön. Kann man durchaus mal machen, da steckt Herz drin.

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    Moin, Leute. Ich hab in den letzten Tagen keine Energie für's Schreiben gefunden, aber den Teil hier habe ich in den letzten beiden Tagen nochmal gründlich durchgeschaut. Es ist einer meiner kleinen Favoriten, muss ich zugeben. Das Warum wird wohl schnell klar. :rofl:
    Viel Spaß beim Lesen!

    Obwohl ich nicht glaube, dass der Bauernfürst nicht auch gute Absichten für die Sklaven hat. Aber wann immer sich etwas zum Guten verbessern soll, schlägt was dazwischen. Vielleicht lebt der Bauernfürst ja nicht mehr solange, weil ein Sklave wie Fadi seiner Wut Luft macht? Dann wäre die Kacke am Dampfen.

    Ein interessanter Gedanke. :hmm:

    Der unterstrichene Part ist mir nicht so vie von dir beabsichtigt klargeworden. Ich war nämlich der Meinung, "seinen Arsch zu retten" bezieht sich auf den Gutsherrn, der - um sich gut Freund mit den Sklaven zu machen - ihnen einen Arzt organisiert hat. aber so, wie du es wohl gemeint hast, sind die Sklaven gemeint. Hier könntest du doch irgendeine abfällige Bezeichnung einfach davor setzen (z.B. "Diese Ratten!"), und auch wenn du schreiben würdest "nur um ihren Arsch zu retten" wäre es aus meiner Sicht noch besser verständlich. Aber alles nur Vorschlag - du bist der Autor.

    Ich habe das neulich schon etwas abgeändert, damit der Eindruck nicht mehr entsteht. o: Ich hoffe, das funktioniert jetzt wie gewollt.

    Ich erinnere mich daran, dass er die nahen Obrigkeiten zu sich einladen wollte (ich hoffe, ich erzähle gerade keinen Bullshit xD), um denen etwas zu präsentieren. Da macht ein gepflegter Hof mit versorgten und "zufriedenen" "Arbeitern" doch sicherlich einen guten Eindruck. So weit meine Überlegungen.

    Das ist exakt worum es geht, genau! :thumbup:


    Ein Meer aus Federn

    „Dann bleiben noch zwei Äpfel“, murmelte Konrad und reichte Chisana den Dritten.
    Sie standen an der Burgmauer und hatten sich etwas abseits in die Büsche zurückgezogen. Bevor sie dem roten Kasten folgen konnten, mussten Vorbereitungen getroffen werden.
    Gierig griff Chisana das Obst und stürzte sich in den wehrlosen Apfel hinein.
    „Wieso macht dich der Unsichtbarkeitszauber eigentlich so hungrig und die anderen nicht, Chisana?“
    Staunend schlich Konrad um den schwebenden Apfel, den Chisana mit ihrem kleinen, wütenden Mundwerk bis zur Unkenntlichkeit entstellte. Die Kerne wurden unachtsam zur Seite geworfen, in windigster Eile blieb nur noch der Stiel übrig. Und fiel geräuschlos zu Boden.
    Mit einem Rülpsen machte die Fee es sich wieder in Konrads Haaren bequem.
    „Naja, etwas schweben zu lassen, ist nicht weiter schwierig, wenn man den Bogen erstmal raus hat“, bleckte sie sich noch die Zähne und schmatzte. „Es ist, als würdest du den Apfel in der Hand halten. Für dich ist das auch nicht anstrengend, richtig?“
    „Richtig.“
    „Genau. Etwas unsichtbar zu machen, ist aber schon kniffliger. Stell dir vor, du müsstest ganz viele Spiegel so anordnen, dass man vor einer Wand genau das sieht, was hinter einer Wand ist. Und das egal, von welcher Seite man schaut.“
    „Geht das überhaupt?“
    „Öhm“, kratze sie sich am Kopf, „Keine Ahnung, ob man das mit Spiegeln kann. Also, mit Magie geht das auf jeden Fall!“
    Fingerschnippen.
    Dass Konrad nun an sich herunter sah, war mittlerweile ein Reflex geworden. Er vergewisserte sich, dass Magie noch immer echt war und er noch immer diesen jahrelangen Traum träumen durfte, in dem diese Dinge niemandem passierten. Nur ihm.
    „Aber das weißt du ja schon, nicht wahr, mein Prinz?“
    Er schwieg zustimmend, während sein Kopf etwas abdriftete. Gedanken an die rote Kutsche drängten sich ihm auf, und was sich wohl darin befinden würde. Da war eine Lücke, und sein Kopf füllte sie aus, stopfte nacheinander jedes Märchen hinein, das er sich zusammenspinnen konnte. Die Gedanken drängelten, mehr noch, stritten sich geradezu darum, Bild in diesem Bilderrahmen werden zu dürfen.
    „Chisana, ich fürchte mich etwas“, gestand Konrad und es rötete sein beschämtes Gesicht.
    „Ach, mein Prinz, das muss du nicht. Wenn ich bei dir bin, kann dir gar nichts passieren.“
    Ihre Worte. Die Ruhe, die aus ihnen herausströmte, legte sich auf die Lücke, linderte die böse Ahnung etwas. Es erinnerte Ihn an den Traum, den er an diesem Morgen gehabt hatte, kurz bevor Chisana ihn weckte.
    Langes, sachtes Seufzen, dann war seine Furcht entschwunden. Ich hab dich lieb, Chisana …
    „Also gut.“
    Zügig und doch bedächtig schritt er durch das Tor der Burgmauern. Vom Schleichen durch die Burggänge wusste er, dass er nicht zu laut sein durfte, also achtete er darauf, seine Füße anständig zu heben und nicht zu schlurfen. Dabei beobachtete er die Menschen um sich und fluchte bei jeder kleinen Staubwolke, die seine Schritte unweigerlich aufwirbelten. Die letzten Wochen waren recht trocken gewesen.
    Der Weg vor Konrad erhob sich sanft zu einer Steigung. Es war eine längliche, breite Gasse, die den Besucher einführte, ihm klarmachte, was für einen Ort er da besuchte. Ja, die kahlen, rissigen Wände und das wurmstichige Holz in den Wehranlagen sprachen Bände in mehr Sprachen, als die meisten Menschen jemals hören würden.
    Einige Leute waren auf der Straße. Manche unterhielten sich am Tor mit den Wachen, andere kamen Konrad und Chisana entgegen, tauschten hitzige Gedanken aus. Zwei von ihnen näheren sich auf direktem Wege. Konrad wollte sie vorbeiziehen lassen und blieb etwas abseits stehen. Spitzte die Ohren.
    „Verarsch mich nicht.“
    „Aber ich sag‘s dir doch! Da war‘n keine Pferde. Es is‘ einfach gerollt!“
    „Ach, du hast doch zu lange in der Sonne gestanden. Sowas glaub ich erst, wenn ich es sehe.“
    „Du hätt‘st es seh‘n können, wenn du gekommen wärst, als ich dich gerufen hab! Selber schuld!“
    Niemand bemerkte ihn, alle anderen waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt. So war es kein Hindernis, die sanfte Steigung unbemerkt hinter sich zu lassen und das zweite Burgtor zu durchschreiten.
    Sie erreichten den ersten größeren Innenhof, auf dem sich wieder einige Leute tummelten. Onkel Martes hatte einmal erzählt, dass in der Burg mehr Menschen leben würden, als man ernähren konnte, seit das Protektorat ihr kleines Land besetzt hielt. Einige Gebäude wurden deshalb zu kleinen Gärtnereien umfunktioniert, andere zu Stallungen für Tiere, und trotzdem kamen fast jede Woche Kutschen mit Nahrungsmitteln.
    Die Lage musste ernst sein, doch Konrad wollte von all dem nichts wissen. Solche Dinge waren etwas für Erwachsene. Und das waren Menschen, mit denen Konrad sich nicht identifizieren konnte. Oder wollte. Chisana war sicher der gleichen Meinung.
    Durch die Besatzung war Konrads Welt leider ein frustrierend kleiner Ort, immer gewesen. Noch kleiner war die Aussicht, dass sich daran etwas ändern würde.
    An den Stallungen sprach man aufgeregt, einige Leute wirkten gar verängstigt. Man kümmerte sich hier um die Pferde und kleine Tiere, wie Kaninchen und Hühner. Beim Pferdestall gestikulierte jemand wilder, als Chisana den Apfel ermordet hatte, Konrad konnte seinen Blick kaum abwenden: „So groß war das Ding! Und so lang!“
    Plötzlich wurde er zur Seite gerissen, ein Schreck ruckte durch seinen Körper, jemand rannte haarscharf an ihm vorbei. Blinzelnd blieb er stehen, in einem Moment fragender Stille.
    „Keine Angst, ich hab dich. Der Mistkerl hätte dich fast umgerannt“, flüsterte die Fee.
    In Konrads Vorstellung warf Chisana dem Mann einen bösen Blick zu und hätte ihm vielleicht auch einen bösen Zauber auf den Hals gejagt. Ganz falsch lag er mit dem Gedanken nicht.
    „Tu ihm nicht weh, ja?“, flüsterte er zu seinen Haaren herauf.
    Von ihnen viel nur Grummeln herunter.
    Wieder sah Konrad sich um. Wo mochte der Kasten hinverschwunden sein? Seine Schritte trugen ihn weiter vorwärts.
    Als er sich den Kaninchenbuchten näherte, bot sich ihm ein seltsamer Anblick. Das Zauntor, das daneben zu den Hühnern führte, stand einen kleinen Spalt breit offen, doch die Hühner liefen nur wie sonst ziellos durcheinander und pickten auf einigen Körnern herum, als hätten sie die Freiheit nicht bemerkt, die an ihrer Tür die kleine Glocke läutete.
    Niemand schien sich dafür zu interessieren, bis auf eine junge Frau, die sich flüsternd mit den Kaninchen unterhielt. Sie trug ein praktisches Sommerkleid, in angenehmem Orange.
    Konrad kam näher.
    „Oh, ja, armes Ding. Haben deine Kleinen nicht überlebt? Oh weh.“
    Einen Moment, in dem die Frau gebannt in die Buchte schaute, blieb es ruhig.
    „Ja, ich verstehe.“
    Sie ließ die Tür offen und ging zum nächsten Tier. Es war ein halb geflüstertes, halb stummes Frage-Antwortspiel und sie spielte es mit jedem der Muffler – Konrad beobachtete sie, fasziniert von ihrer geduldigen Ruhe. Erst, als sie einen großen Schritt nach hinten trat, stolz Abstand von ihrem Machwerk nahm, fiel bei Konrad der Groschen.
    „Lauft, meine Kleinen!“, befahl sie, ohne Verzögerung stürmten die Tiere los. Die Kaninchen stießen ihre Türen zur Seite und hoppelten um ihr kleines, pelziges Leben – gingen dabei völlig in den Hühnern unter, die wild durcheinander rannten. Als hätten sie sich abgesprochen.
    Erschrocken riss Konrad die Arme in die Luft.
    Menschen riefen entsetzt durcheinander.
    „Fangt sie ein!“
    „Meine Hühner!“
    „Meine Pelze!“
    Die junge Frau lächelte nur.
    Und flüsterte Konrad im Vorbeigehen zu.
    „Grüß den Frühling von mir, wenn du ihn siehst.“
    Er erstarrte.
    Sie zwinkerte.
    Dann tänzelte sie leichten Schrittes davon. Um sie herum ein Meer aus Federn.

    Sooo, habe heute mit dem nächsten Buch angefangen.
    Sophia, der Tod und Ich von Thees Uhlmann.
    Ich muss zugeben, dass ich den Autor fpr eine Frau hielt. Google ergab aber schnell, dass es sich um den Sänger der mittlerweile aufgelösten Band Tomte handelt. :hmm: Bin ich wohl zu jung zu.
    Vor mittlerweile über einem Jahr hatte mein Bruder mir nach einem Gespräch das Buch in die Hand gedrückt. Die ersten zwei Seiten überflog ich und nahm es dann mit. o: Damals gefiel mir, was ich da sah. Die beiden Seiten waren (und sind) durchaus clever. :) Gerade der erste Satz.

    Jedenfalls handelt die Geschichte von einem Namenlosen 40jährigen Hauptcharakter (Ich-Perspektive, ein anderer Name als "Ich" ist also nicht nötig), bei dem der Tod an der Tür klingelt, dem der Prota wiederum nach kurzem Hin und Her durch Sophia (seine Ex) von der Schippe springen kann. Der durchaus humorbegabte Tod ist so begeistert davon, dass ENDLICH mal was Spannendes in seinem Beruf passiert, dass er "Ich" und Sophia hinterherjockelt.

    Jo. Und den Rest muss ich noch lesen. Muss aber zugeben, dass die eher flapsige Art des Buchs mich nicht packen kann, aber durchaus Charme hat. Mit 300 Seiten wird das schon klar gehen, ich erwarte aber nicht übermäßig viel.

    So, bin jetzt mit Der Wolkenatlas durch. :) Mein kurzes Fazit:
    Wenn man erwartet, das sei - so hat es mein Bruder formuliert - "wie Inception, nur krasser", dann wird man enttäuscht, das muss man erstmal so klar sagen. Die Handlungen stehen eher für sich und beeinflussen sich kaum. Das ist aber in sofern nicht schlimm, dass es nie behauptet hat, es wäre so. :rofl: Ich weiß nicht, wo dieser Eindruck so schnell her kommt.
    Es geht viel mehr darum, dass in diesen sechs Handlungen die gleichen Seelen aufeinander treffen, in ähnliche Situationen geraten und sie jedes Mal etwas anders auseinandergehen. Eine Seele zieht sich ganz sicher durch das ganze Buch, die anderen sind dann schon eher Interpretationssache. Die Charaktere werden sich dessen kaum bewusst, aber sie erleben Deja vus und teilweise beeinflussen einschneidende Ereignisse des vorigen Strangs ihre Persönlichkeit.
    Thematisch ist das Buch auch verwoben. Einige Stränge nehmen Themen wie Sklaverei, Rassismus und deren Rechtfertigung auf, einige Elemente tauchen immer wieder auf.
    Außerdem ist es kreativ geschrieben, jeder Strang hat seinen eigenen Erzählstil (eine Lehrstunde für alle, die noch nicht so viel mit sowas gespielt haben, sehr zu empfehlen). Ich finde sehr, sehr viel Positives über dieses Buch, es ist sehr gut.
    Die Charaktere hatte ich auch alle sehr gern. Mein Liebling ist der Komponist Robert Frobisher, der mit seinen Launen alles andere als angenehm sein kann, was im Buchkontext ein Kompliment ist. :rofl:
    Ein paar Sachen, die mir weniger gefielen:
    Das Buch beginnt und endet mit dem mMn unspannendsten Handlungsstrang. Ist nicht an sich schlimm, weil sich so ein Kreis schließt und es sich rund anfühlt, aber ich hielt es schon für wichtig genug zu erwähnen. Außerdem (so interessant ich es auch finde) wirkt das Konzept als ganzes etwas prätentiös.
    Nicht mein liebstes Buch, aber ein sehr, sehr interessantes, finde ich. :) Leseempfehlung.

    @jon
    Ich muss sagen, das ist vielleicht der konstruktivste Kommentar, den ich bisher von dir gelesen habe. Diese Technik klingt verdammt spannend, ich werde die auf jeden Fall im Hinterkopf behalten. Zu sowas haben wir hier wohl noch recht wenige Beiträge. :hmm: Dabei könnte ich ganze Threads davon verschlingen.
    Deine Erklärung leuchtet mir ein. Ich muss aber auch sagen, dass die verdichtete Version deutlich schwieriger zugänglich ist, was bei Gedichten ja gern passieren darf.

    Also rein technisch gesehen sind Worte ja nie emotional und lösen, wenn überhaupt, nur Emotionen aus. Das macht es ja so schwer zu greifen. o:
    Ich sehe hier gerade zwei Philosophien kollidieren, die eigentlich voneinander profitieren könnten.

    Es ist etwas Off-Topic, aber ich will es unbedingt loswerden. o: Ich mag jons sehr technische herangehensweise. Da wird das Handwerk offengelegt und die persönliche Komponente beiseite geschoben und das finde ich u.A. lehrreich. Man kann etwas daraus mitnehmen, auch wenn es vielleicht etwas schroff daher kommt.

    Aber auch ich finde verstehe, was die Reise auf dem sonnigen Glück soll. Funktioniert wurderbar (auch wenn ich es ein kleines bisschen kitschig finde, zugegeben). Da kommt es eben allein auf die Assoziation des Lesers an und das kann man mit Handwerk nicht richtig greifen.

    Ein tolles Werk sollte (für mein persönliches Glück) was von beiden Welten zu bieten haben. Das eine gibt ihm Substanz. Das andere gibt ihm Seele. :)

    So. Wollte das nur mal sagen.

    Spoiler anzeigen

    Hier springst du von der Mehrzahl plötzlich in die Einzahl und lässt den Leser somit raten, von wem die Rede ist.

    Eigentlich fand ich es eindeutig, dass "unsere Peiniger" die Unterdrücker meint und die Einzahl sich auf die Einzelpersonen, die den plötzlichen Wohlwollen ausnutzen wollen und dafür den eigenen Stolz über Bord werfen. :hmm: Aber selbst wenn etwas eineindeutig formuliert ist, muss es nicht heißen, dass ein Leser es nicht irreführend findet. Ich gucke, ob ich da was Besseres finde.

    Das finde ich eine geniale Formulierung!!

    Danke! :)

    Diese Worte des Arztes und die Reaktion des Sklaven kann ich nicht ganz einordnen. Erstens schienen sie mir für die Handlung selbst nicht relevant, also überflüssig. Aber du hast da etwas von einem andern Titel angedeutet. Wenn die Szene nur deshalb drin ist, weil der eventuelle neue Titel "Rattensklave" heißt, würd ich nochmal drüber nachdenken. Wenn du allerdings später nochmal Bezug darauf nimmst, gedulde ich mich gern bis dahin.
    Außerdem finde ich die Anrede ungewöhnlich, die der Arzt verwendet. Es ist die höflichste Anrede, die es gibt. "Ihr bzw. "Euch" im Umgang mit Sklaven?

    Den Teil finde ich deswegen relevant, weil er ein direktes Beispiel für das ist, worüber Fadi sich kurz später aufregt. :hmm: Der Teil mit dem "Rattensklaven" verkörpert quasi das Kernproblem dieses Abschnitts, weswegen ich eventuell den Titel in diese Richtung ändere. Ob ich später Bezug darauf nehme, werde ich sehen. :D Vielleicht bietet es sich an, vielleicht auch nicht.
    Die Höflichkeit des Arztes habe ich so beabsichtigt, da hatte ich einerseits einen Professor von mir und andererseits einen ehemaligen Nachbarn im Kopf. :D Die sind zwar oberflächlich nett und höflich, können einem aber auch richtig eins auf den Deckel geben, wenn man sie verärgert, ohne dafür irgendwie vulgär werden zu müssen. Mit seiner Höflichkeit soll der Arzt vor allem Distanz zu den Sklaven wahren. Ich stelle mir für ihn vor, dass er bei den Sklaven seine Arbeit macht (auch durchaus ordentlich), aber am Ende eben kein echtes Interesse daran hat, dass es ihnen besser geht. Es ist nur seine Arbeit, wenn du verstehst.
    Jetzt ist natürlich die Frage, wie ich diese Gedanken in den Text einfließen lasse. :hmm: Das ist, was ich jetzt versuche.

    Edit: Hab die höfliche Anrede doch gestrichen. Passt bei genauerem Hinsehen doch nicht und höflich distanziert kann man auch ohne das sein. Er duzt jetzt alle, das ist stimmiger.

    Auch die Szene, in der Paavo so die Fassung verliert, find ich ungewöhnlich, weil ich das von ihm irgendwie nicht gewöhnt bin. Und der Anlass erscheint mir auch irgendwie zu banal dafür.

    Damit bin ich auch nicht ganz zufrieden, aber so richtig konnte ich den Grund dafür nicht finden. :hmm: Wenn ich selbst auf Granit stoße, ist es gut, wenn hier jemand mal drüber liest. :) Paavos Reaktionen wirken irgendwie nicht so logisch, das kann schon sein. Vielleicht fehlt es an Erklärungen für sein Innenleben.
    Folgende Gedanken habe ich dazu. Die Personen, die Paavo gerade am nächsten stehen sind Fadi, Eri und der Alte.
    Fadi wirkt auf Paavo sehr ehrlich, ist aber sehr negativ eingestellt, sagt wenig konstruktive Dinge und so weiter. Von Fadi kann er eher logisches Denken lernen, seelische Stabilität findet er da nur bedingt. Eher bringt er
    Eri kommt etwas nach Fadi, Paavo nimmt sie aber unbewusst nicht so ernst wie Fadi, weil sie eben deutlich jünger ist (Paavo ist ca. 23, Eri ca. 16 bis 17).
    Der Alte ist die einzige Person, bei der er Trost und innere Stabilität finden kann, aber der scheint nicht ganz sauber zu sein.
    Vielleicht sollte ich es mal genau so im Text aufschlüsseln. :hmm: Da ist jedenfalls viel Raum für Unsicherheiten und impulsives Handeln. Gerade Paavo möchte ich etwas hitziger gestalten, als die anderen.
    Fadi wegen Eris Worten zu konfrontieren wäre quasi ein Versuch sich selbst zu beweisen, dass der Alte kein schlechter Kerl ist. So nach dem Motte: Fadi ist in Ordnung und hat vielleicht das oder das verbrochen, dann muss der Alte ja auch okay sein. xD Das ist natürlich nicht unbedingt logisch, ergibt als unbewusstes, emotionales Motiv aber Sinn für einen Charakter, der etwas sucht, worauf er sich verlassen kann.

    Einige Zeit später:
    Ich habe jetzt mein Bestes getan und merke, wie ich jetzt eine Pause brauche. xD Jetzt brauche ich wohl erstmal wieder Abstand zur Szene, bis ich da wieder ordentlich dran arbeiten kann. Jedenfalls danke für die Anmerkungen, mir sind da noch einige hoffentlich gute Sätze eingefallen. :)

    Spoiler anzeigen

    Insgesamt ein super Abschnitt, der nicht sehr viel Handlung bietet, aber mit wirklich tollen Formulierungen aufwarten kann.

    Danke. :) Ich habe oft Sorge, dass es am Ende insgesamt kaum Handlung gibt, aber ich mache am besten erstmal. xD

    Der Bauernfürst will wirklich etwas ändern. Ich traue nur dem Frieden nicht. Geschichten funktionieren nicht, wenn sich etwas zum Guten entwickelt

    Siehe Schreibfeders letzter Post. :D Kann der liebe, gute Bauernfürst nicht einfach mal aus Herzensgüte handeln ...? :whistling:

    Ich kündige am besten nie mehr an, wann ich einen Post machen will. Dx Das wird eh nix. Hier ist jetzt die zweite Hälfte von "Pahanas Aufgabe", wobei ich den Titel nicht so richtig passend finde und zu sowas wie "Der Rattensklave" tendiere. Warum werdet ihr ja lesen. :rofl:
    Fiel Fairgnügen un so.

    Der Anblick war so surreal.
    All die Sklaven, die an diesem Morgen Schlange standen, sich nacheinander von einem echten Arzt untersuchen ließen, der tatsächliche Notizen über Namen und Beschwerden niederschrieb. Sie warteten, in einigen der Gesichter stand in breiten Lettern Hoffnung geschrieben. Aber so sehr Paavo sich auch für sie freute, so sehr bereitete ihm der Anblick Unbehagen. Es war eine Ahnung, dass diese Geste des Gutsherrn ihren Preis haben würde.
    „Na, aber, mein Lieber!“, sprach der Arzt empört, mahnte so kontrolliert wie effektiv, „Das finde ich aber nicht in Ordnung! Du bist seid kerngesund. Wenn du wolltest, könntest du fröhlich über den Platz hüpfen. Ab, fort! Du verschwendest meine Zeit. Zeit, die deine Kollegen deutlich nötiger haben!“
    Der Sklave duckte sich unwillkürlich, diese ungewohnte Höflichkeit des Arztes verzieh seinem peitschenden Tadel zusätzlichen Biss, aber viel härter trafen die verächtlichen Blicke der Mitsklaven. Paavo kannte einige davon vom Pflugziehen, manche klagten schon seit Monaten über eingetretene Steine, Strohhalme und Muskelschmerzen.
    „Verzeihung, mein Herr“, murmelte der Sklave und stahl sich unterwürfig davon. Die Ratte suchte ihr Loch.
    „Das stinkt zum Himmel“, setzte sich Fadi neben Paavo. Der Alte hatte sich vorhin verabschiedet und zu anderen Sklaven zurückgezogen.
    „Ach, komm schon. Für dich stinkt doch alles, was vom Gutsherrn kommt. Über einen Arzt können wir wirklich froh sein.“
    Paavo ließ seine Augen dem Rattensklaven folgen, der in den Zwinger flüchtete.
    „Ja, da hast du wohlmöglich sogar recht mit“, gab Fadi zu. „Aber ich habe allen Grund, misstrauisch zu sein, findest du nicht?“
    Nicken.
    „Na also.“ Fadi seufzte. „Gleich geht es wieder los. Wenn die Schlange abgearbeitet ist. Dann geht es wieder aufs Feld.“
    „Etwas anderes habe ich nicht erwartet“, meinte Paavo und zuckte mit den Schultern. „Worauf willst du hinaus?“
    Schnauben.
    „Worauf ich hinaus will? Das sag‘ ich dir! Diese Leute dort …“, er deutete auf die Sklavenschlange, „… haben das für den Moment komplett vergessen. Und das stinkt mir. Es geht mir so gegen den Strich, da reichen unsere Peiniger einmal das Zuckerbrot und schon ist alles vergessen, was uns angetan wurde! Nur um sich den Arsch zu retten und so tun zu können, als würde es einem jetzt besser gehen, wird die eigene Selbstachtung über Bord geworfen. Nun werden einige wohl denken, dass der Gutsherr und all diese Sklaventreiber vielleicht doch keine so üblen Schweine sind. Du hast gesehen, was für Blicke die anderen für den Schwindler übrig hatten. Sowas können wir nicht gebrauchen. Was wir wirklich brauchen ist Wut! Alles andere bringt nichts, hält uns nur in diesem Loch hier gefangen. Wir brauchen mehr Wut, der Kessel muss dampfen, der Druck steigen, bis uns dieser Ort hier um die Ohren fliegt!“
    Fadi spuckte aus.
    „Darauf will ich hinaus, Kleiner.“
    Überrumpelt hielt Paavo die Luft an. In seinem Ärger war Fadi beherrscht wie immer, aber dass er so auf Krawall gebürstet war, kam unerwartet. Sofort tadelte er sich und holte sich seine Fassung zurück. Weder vor Fadi noch vor dem Alten durfte er seine Deckung fallen lassen.
    Deckung. Das war ein gutes Wort. Paavo fühlte sich wie bei einer Schlägerei. Von allen Seiten wurde mit Ratschlägen, Argumenten und Meinungen auf ihn eingedroschen. Man meinte zu helfen, doch jedes Wort war eines zu viel, türmte sich auf dem vorherigen zu einem Haufen auf, lastete schwer auf Paavos Gedanken.
    Der Alte. Fadi. Auf keinen Fall wollte Paavo ohne einen von ihnen auskommen, aber … Fadi war eine wohlwollende, immernegative Stimme. Er half zu verstehen, aber nicht damit zu leben. Der Alte auf der anderen Seite strahlte Trost und Weisheit aus – was ihm wohl seinen Namen eingebracht hatte – und ein kurzes Gespräch reichte meist schon, um zu fühlen, nein, zu wissen, dass man einen Sinn hatte. Und doch war etwas faul an ihm.
    Konnte nicht jemand dem anderen ein Leuchtfeuer sein, ohne ihn wie ein Irrlicht ins Verderben zu führen? Konnte nicht jemand ein Geheimnis haben, ohne –
    Plötzlich ein Gedanke. Gestern Abend.
    „Sag mir, Fadi, was war das gestern von Eri?“
    „Du meinst das mit den Feen?“
    Fadi schüttelte nur den Kopf, sehr zu Paavos Ärger.
    „Vergiss das einfach, es war nicht weiter wichtig.“
    „Du verheimlichst mir doch etwas, Fadi!“, raste es unerwartet aus Paavo heraus. Es kam zusammen mit dem Wunsch, etwas in Trümmer zu schlagen. Auf dem Zwingergelände gab es dafür nichts Passendes, das wusste er, und der Frust darüber floss direkt ins erste Gefühl zurück. Dieser Teil von ihm hatte bereits eine stille Vorfreude auf die Zeit nach der Ernte, wenn die Sklaven für Monate nur noch Holz hacken würden. Fadi mochte alles besser wissen, aber auch er war nicht ganz ehrlich!
    „Tatsächlich?“, fragte Fadi, nicht im Geringsten von Paavos neugefundener Feurigkeit beeindruckt. „Man könnte glatt meinen, dass du das dem Alten sagen wolltest. Und nicht mir.“
    Sprachlosigkeit. Es hatte ihm die Worte aus den Händen geschlagen, ihn entwaffnet. Die Ohren liefen heiß an.
    „Kleiner, ich spreche zwar von Wut, aber so ohne Verstand und Richtung wird das auch nichts. Also, was Eri angeht … Sie ist in einem Dorf aufgewachsen, in dem man an solche Wesen glaubt. In Ordnung? Mehr ist da auch nicht dran.“
    Sofort schossen Paavo Erinnerungsfetzen durch den Kopf. Der Alte hatte gesagt, sie käme aus dem Falkengebirge, von weit, weit weg. Fadi schien etwas zu wissen, die Neugier in Paavo wollte fragen, gestillt werden. Er legte schon ungeduldig die Worte, die Fragen zurecht, in dem Wissen, dass er sie nicht stellen sollte.
    „Verstanden.“
    „Schön.“
    Aber vielleicht sollte er es wagen und den Alten konfrontieren … ?
    „Wenn ich das richtig verstanden habe“, flüsterte nun Paavo, folgerte mit Bedacht, „dann hoffst du auf so etwas wie einen Aufstand.“
    In Fadis Gesicht war so etwas wie Stolz zu erkennen, es war nicht klar zu deuten und es wusste sich gut zu verstecken.
    „Kann man hier denn auf irgendwas hoffen? Da bin ich mir nämlich nicht so sicher.“
    „Gibt es also nichts, worauf du hoffst?“
    „Mh. Doch. Auf das Nötigste. Kampfgeist.“
    Die Frage war also: Wollte Paavo ein Kämpfer sein?

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    Irgendwie sehne ich ja den Tag herbei an dem ich den ersten Durchlauf der Geschichte fertig habe, um dann alles in Form zu bringen. :rofl: Ich bin mir ziemlich sicher, dass dann noch viel Arbeit vor mir liegt, aber der Rest wäre eben "nur" Handwerk. Naja, vielleicht finde ich es auch nicht mehr so toll, wenn ich an dem Punkt angekommen bin. :whistling: Diese Szene hatte jetzt ein, zwei kleinere Transformationen, die die Szene mMn auf eine Stufe gehoben haben, mit der ich recht zufrieden bin. Heute gibt es die erste Hälfte, morgen oder übermorgen die zweite. :) Viel Spaß.

    Pahanas Aufgabe


    Entgegen aller drückender Sorge, hatte es in der Nacht nicht geregnet. Dennoch hielten die Wolken sich hartnäckig, waren an ihrer Position festgeleimt – wirklich aufgeatmet wurde nur in der Frühe, als man den kühlen Boden trocken vorfand. Kurz darauf erinnerten wieder Morgentau und die bedrohliche Wolkendecke an den Regen, dessen Willkür sie ausgesetzt waren.
    Einige der Sklaven aus der Falkenfelsmark beteten an ihren Wassergott. Paavo war das ganz recht. Zwar wusste er nicht, was das für ein Gott sein sollte – in der Falkenfelsmark glaubte man wohl noch an die antiken Götter der Stämme, die diese Breiten vor hunderten von Jahren einmal beherrscht hatten –, aber falls es den Regen tatsächlich abhielt, was spielte das dann für eine Rolle? Davon hätten alle etwas. Und doch zeigte es nur das, was alle hier insgeheim befürchteten: Ein Ende war nah. Wenn der Regen kam, die restliche Ernte vernichtet war, waren die Schäfchen im Trockenen. Sklaven wurden wieder schikaniert, die Aufseher mussten sich nicht mehr zurückhalten. Wenn es nach den Sklaven ging, sollte die Ernte niemals enden.
    Etwas überschattet wurde dieses unangenehm flackernde Gefühl von der Sorge um einen verletzten Mitsklaven.
    Paavo kannte seinen Namen nicht, hatte das Gesicht aber schon öfter in der Menge erhaschen können. Gestern musste es auf dem Feld zu einem hässlichen Zwischenfall gekommen sein, der Arm des Unglücklichen war auf eine Art und Weise verkrümmt, die Paavo vom bloßen Anblick bereits zuckende Qualen bereitete.
    Aber es war nicht einfach der verdrehte Arm, sondern vielmehr das Wissen, dass der arme Kerl damit weiterhin aufs Feld geschickt werden würde. Die Vorstellung, sich in das Seil zu werfen, es gegen die Knochensplitter unter der vor Blut angeschwollenen Haut zu pressen …
    Jeder hier sah es kommen.
    Wie man ihn wegbrachte.
    „Können wir ihm denn gar nicht helfen?“, fand Paavo sich plötzlich wieder, wie er vor dem Alten stand – verwundert, wie seine Füße ihn immer wieder hierhin trugen – und diese Worte mit einem Ton herausgab, als hätte er eigentlich sagen wollen: Wir werden etwas unternehmen, alter Mann. Hilfst du mir?
    Der Alte saß auf seinem Stammplatz und zeichnete mit einem Zweig ein Bild in den Staub, das Paavo nicht so ganz begreifen wollte. Die schwimmenden Linien hatten etwas von einem wilden Fluss, waren aber nur wirres Gekritzel, Abbild der Tagträume, die dem Alten gerade vor dem glasigen Blick herumtanzen mussten.
    „Helfen?“, fragte er, während sich Schmerzensstöhnen aus der Zwingerhöhle zu ihnen nach draußen wand. „Der Arm sieht wie ausgekugelt und gebrochen aus. Wir können da kaum etwas tun. Vielleicht könnte ihm hier jemand mit Erfahrung den Arm wieder einrenken, viel mehr aber auch nicht, und der Akt an sich würde sehr, sehr unschön werden …“
    Zähneknirschend scharrte Paavo mit den Füßen und starrte auf die Zeichnung. Unter dem Rotstich des Wutschleiers vor seinen Augen verschwammen die Staublinien zu bösartigen Gesichtern. Sie gackerten und rissen ihre Münder so weit auf, dass man jeden Moment ihre Unterkiefer zerbrechen hören musste. Das Knacken, greifbar, anwesend und inexistent. Der geistige Anblick verschwamm langsam in einem farbenfeurigen Strudel aus bösen Gedanken – kurz darauf wurde Paavo die Spannung in seinem eigenen Kiefer bewusst.
    Wie er seine unteren Zähne vorschob.
    Die Nasenflügel weitete.
    Wie sich die Haare auf seinen Armen aufgestellt hatten, und seine Hände zu Fäusten geballt.
    Die Gänsehaut zittere allmählich mit der Überraschung aus ihm heraus, bis die eigentliche Sorge zutage gefördert wurde und er sich seiner Schuld wieder bewusst wurde.
    Bruder … wie konnte ich dich so alleinlassen?
    Dass der Alte das alles aus den Augenwinkeln beobachtet hatte, trieb ihm dann die Schamesröte ins Gesicht. Ausgerechnet bei ihm ließ er sich gehen.
    „Aber …“, sprach Paavo langsam, bedächtig, um nicht zu stolpern, “… zumindest das können wir doch tun. Den Arm einrenken … das wäre doch nicht das erste Mal für dich. Oder nicht?“
    „Nun, wenn du das auf dich nehmen möchtest. Sicher“, meinte der Alte wie beiläufig, ignorierte Paavos letzte Frage. „Aber vielleicht wartest du noch, bis der braune Drache sich wieder verzogen hat.“
    „Brauner … was?“
    Paavos Blick wanderte über den Platz. Da stand die Haushälterin, in ihrem braunen, unscheinbaren Kleid, und sprach zu einer kleinen Gefangenengruppe – einzelne Leute beobachteten das Treiben aus der Ferne. Der tönerne, grimmige Gesichtsausdruck war wohl in ihrem Gesicht festgebrannt, trotz Bewegungen wirkte sie ausdruckslos.
    Was Paavo am meisten verwunderte, war, wie wenig Aufmerksamkeit sie auf sich lenkte.
    Nach einem kurzen, schnellen Wortwechsel lösten sich zwei Sklaven aus der Gruppe und führten einen kleinen, blassen Mann mit einer großen Tasche zum Zwinger.
    Allen Anwesenden war sofort klar, dass sie ihn zum Ursprung der Ächz- und Stöhngeräusche führen würden, die den Zwinger einmal mehr in ein schauerliches Gemäuer verwandelten.
    „… bringen sie ihn nun weg?“, fragte Paavo mit aller Vorsicht, sich vor der Antwort fürchtend.
    Ein spitzer Schmerzensschrei zerriss seine Worte. Der gesamte Vorplatz wurde still und lauschte.
    „Ich weiß es nicht“, murmelte der Alte zurück, mit gespitzen Ohren. „Aber selbst wenn wir ihm jetzt helfen wollten, wäre es nun zu spät.“
    Weitere Schreie. Paavo zuckte zusammen, erschauderte von den Bildern, die sie ihm vor die Augen projizierten. Währenddessen schwoll unter dem schmerzvollen Klangteppich das Getuschel der anderen Sklaven weiter an.
    Dann endeten die Schreie plötzlich und was blieb war das Stöhnen von zuvor, nun deutlich milder. Ein paar Minuten später schritt der kleine Mann aus dem Zwinger heraus. Auf dem Platz war es wieder still. Hinter ihm schlurfte der verletzte Mitsklave ins Sonnenlicht, hielt sich den nun geschienten Arm.
    Da klatschte der Arzt in die Hände.
    „Los, meine Herrn! Alle, die ebenfalls Beschwerden haben, ab! Reihe bilden!“

    Spoiler anzeigen

    die behauptete Verquickungen durch die Zeiten hindurch (auch rückwärts!) gehen über die üblichen Kausalitäten (die nur vorwärts wirken) nicht hinaus

    Wenn die Trailer das versprochen haben, ist das wirklich blöd. :huh: Das Buch hat keine rückwärtsgerichteten Verbindungen versprochen, mal abgesehen davon, dass ich die nur bedingt sinnvoll fände, weil mir eine Zukunft, die die Vergangenheit beeinflusst (ohne Zeitreise oder sowas!) einfach unlogisch vorkommt. :rofl: Ich wäre nie auf die Idee gekommen, sowas als Leser zu fordern.
    Was aber nicht heißt, dass es sowas im Buch nicht gibt! Ich habe zumindest ein Beispiel im Sinn, das man problemlos als sowas auslegen kann. Letztlich bin ich aber auch froh, dass die meisten Verbindungen nicht so on the nose sind sondern eher subtiler beschrieben werden.
    Jedenfalls kann ich dir und @Cory Thain bisher nur das Buch nahelegen, das den Job viel besser erledigt und nicht mehr verspricht als es hält. :)