Ich wünsche Euch einen schönen Sonntag und viel Spaß beim Lesen!
Kapitel 10: Konsequenzen
Talon drehte leicht den Oberkörper, um sich nicht ganz abwenden zu müssen, als er Caan und Kisara mit den Augen folgte, als diese den Thronsaal verließen. Dann wandte er sich wieder seinem Vater zu. Dieser saß auf dem Thron und wechselte mit seinem Berater einige wenige Worte. Bevor dieser wieder vom Podium stieg und zur Rechten des Königs, im Hintergrund, stehen blieb. Der treue und loyale Berater seines Vaters hatte sich die letzten Augenblicke so ruhig verhalten, dass Talon nicht einmal mitbekommen hatte, dass dieser überhaupt anwesend gewesen war. Aber das zeichnete den alten Freund seines Vaters aus. Gerade dies war auch der Grund, warum Terilon seinen Berater so sehr schätzte, wenn man mal davon absah, dass dieser über alles was im Schloss passierte stets unterrichtet war.
„Das war ja sehr freundlich“, bemerkte Talon an seinen Vater gerichtet und schaute diesen vorwurfsvoll an, woraufhin der König seinen Sohn mit zusammengekniffenen Augen fixierte.
„Mäßigt Euren Tonfall, Heerführer“, wies Terilon den jungen Prinzen zu Recht. „Auch wenn Ihr mein Sohn seid, solltet Ihr es nicht an Respekt mangeln lassen, wenn Ihr mit Eurem König sprecht!“
Der Prinz biss die Zähne zusammen und knirschte ungehalten mit diesen, aufgrund der Rüge seines Vaters und Königs. Manchmal konnte er die Verhaltensweisen von Terilon nicht nachvollziehen. Vor allem seinen Untertanen gegenüber nicht. Deswegen regte es ihn auch so sehr auf, wie unfreundlich er sich gegenüber Kisara verhalten hatte, obwohl dafür kein Grund bestanden hatte. Dennoch feierten seine Untertanen ihn und hielten ihn für einen gerechten Mann; einen fairen König. Doch sahen sie oft nicht, dass seine Launen unberechenbar waren. Vor allem dann, wenn es um taktische Entscheidungen während des Kampfes ging. Denn je näher die Grenzen des Bösen rückten, desto waghalsiger entschied der Herrscher zu handeln, was in Talons Augen nur unnötige Opfer forderte. Deswegen fiel es ihm in letzter Zeit auch immer schwerer sich kommentarlos dem Willen seines Vaters; seines Königs, zu beugen.
„Verzeiht, mein König“, brachte er gerade so heraus, ohne sich dabei seinen Unmut anmerken zu lassen.
Terilon nickte als Erwiderung auf die wenigen Worte seines Heerführers und verlagerte sein Gewicht auf dem Thron, bevor er begann zu sprechen. „Was hat Euch dazu bewogen diese Frau ins Schloss zu begleiten?“
Talons Haltung versteifte sich bei dem ruhigen Tonfall, der ihn ahnen ließ, dass der Monarch alles andere als ruhig war. Innerlich schäumte er vor Wut, wie er wusste.
„Wie meinen?“, wandte er fragend ein, um sich so etwas Zeit zu erkaufen und sich eine plausible Erklärung zu Recht zu legen, warum er die Befehle seines Königs missachtet hatte. Denn auf nichts anderes zielte diese Unterhaltung ab. Er konnte schlecht zugeben, dass er die junge Frau schlicht begleiten wollte. Dies wäre ohne Zweifel kein akzeptabler Grund warum er sich bestehend Befehlen widersetzt hatte.
Zweifellos hatte der Berater des Königs ihn eben davon in Kenntnis gesetzt, was ihn von den Soldaten am Palasttor zugetragen worden war. Da ging Talon jede Wette ein. Schließlich war einer von ihnen ebenso regelfest wie der Berater und Terilon selbst. Zudem war es ja kaum zu übersehen, dass er hier war und nicht bei den Soldaten an der Stadtmauer, wo er laut seinen Anweisungen sein sollte.
„Ich will wissen, warum Ihr diese Frau in den Palast begleitet habt? Was gibt es daran nicht zu verstehen?“, herrschte Terilon seinen Sohn erbost an und schaffte es dabei nicht mehr seine Wut und Enttäuschung aus seinem vorwurfsvollen Tonfall herauszuhalten.
„Ihr wollt wissen warum ich sie vorgelassen habe?“
„Bei den Göttern“, spie der König seinem Sohn aufgebracht entgegen und sprang dabei sogar mit wild fuchtelnden Armen von seinem Thron auf, um seinen Frust noch mehr Ausdruck zu verleihen. Augenblicklich stand er nur noch wenige Schritte von Talon entfernt und starrte ihn mit einem durchdringenden Blick aus grauen Augen an.
Der Prinz erwiderte den stechenden Blick seines Vaters ungerührt. „Weil sie das Geschenk für Carmia mitgebracht hatte“, gab er schlicht zurück und zuckte dabei lässig mit den Schultern, als wenn dies selbstverständlich wäre.
„Das ist noch lange kein Grund sie ins Schloss zu begleiten. Sie hätte die Halskette genauso gut alleine herbringen können“, entgegnete Terilon mit barscher Stimme.
Der Heerführer verdrehte die Augen. „Ich bitte Euch, in welche Gefahr habe ich irgendwen gebracht dadurch das ich sie begleitet habe?“
„Euch!“, stieß der König wütend hervor.
„Mich? Ich bin aufgrund meiner Stellung immer in Gefahr“, erwiderte Talon mittlerweile auch aufgebracht. „Von ihr geht doch keine Gefahr aus. Und selbst wenn, ist das Schloss bestens bewacht. Wenn sie es trotzdem geschafft hätte uns alle zu töten – was absolut grotesk wäre – hätten wir es nicht anders verdient“, verteidigte Talon sein Handeln mit fester und selbstbewusster Stimme. Allerdings musste er sich eingestehen, dass sein Vater mit seiner Bemerkung nicht Unrecht hatte. Er gab innerlich durchaus vor sich zu, dass er die Situation falsch eingeschätzt hatte und damit sie alle in Gefahr gebracht hatte, auch seine kleine Schwester, was ihm nun schwer im Magen lag. Dennoch würde er seinen Fehler sicherlich nicht vor seinem Vater eingestehen, dafür war er einfach zu stur und stolz, um sich diese Blöße zugeben. Zudem, wenn es wirklich so gewesen wäre, dass die junge Frau durch einen Trick an die Halskette und die entsprechenden Papiere gekommen war, um die Königsfamilie zu töten, wäre er wenigstens da gewesen, um seinen Vater und seine Schwester zu beschützen, was als Heerführer ja auch seine Pflicht war.
„Mag sein“, gab Terilon zu und nickte zustimmend. „Dennoch ändert es nichts an Eurer Verfehlung“, erklärte er mit resoluter Stimme und wandte sich von Talon ab. Er wanderte einige Schritte durch den Saal, bis er zu einem der deckenhohen Fenster gelangte, welches hinaus auf den Palastgarten zeigte, den seine verstorbene Frau selbst angelegt und sehr geliebt hatte.
„Wie wollt Ihr mich bestrafen?“, wollte der Heerführer wissen, wobei er nicht wirklich davon ausging, dass sein Vater ihn einer Strafe aussetzen würde.
Der Monarch blickte aus dem Fenster hinunter in den blühenden Garten und schloss dann für einen geschlagenen Moment die Augen. Er haderte mit seinem Entschluss, wusste aber, dass er seinen Sohn dazu bekommen würde, beim nächsten Mal in so einer Situation bedachter zu handeln und sich keinen Befehlen zu widersetzen. Er seufzte tief, bevor er sich zu Talon wieder umdrehte. „Ich werde Euch bis auf Weiteres von der Position des Heerführers entheben“, verkündete Terilon seine Entscheidung mit fester Stimme und schaute seinen Gegenüber dabei mit durchdringendem Blick in die Augen.
„Was?!“, entfuhr es dem Prinzen entsetzt. Er guckte seinen Vater geschockt entgegen. Talon hatte eigentlich nicht damit gerechnet überhaupt wegen so einer Kleinigkeit bestraft zu werden und dann auch nicht in so einem Ausmaß.
Der König setzte schon erneut zum Sprechen an, als die Portale des Thronsaals sich öffneten und Caan diese durchschritt. Er blieb neben den Soldaten stehen, die dort ihre Stellung bezogen hatten, um Wache zu halten.
„Ah, Caan…Ihr kommt genau richtig“, bemerkte Terilon an den Leibwächter seines Sohnes gewandt und machte eine winkende Handbewegung, was den Mann dazu auffordern sollte, zu ihm zu kommen.
„Majestät?“, fragte Caan, trat zu den beiden wartenden Männern in die Mitte des Saals, verneigte sich kurz vor dem König, und blieb verwirrt neben Talon stehen. Dieser hatte seine Hände vor Wut zu Fäusten geballt und versuchte seinen Zorn über die Entscheidung des Herrschers im Zaum zu halten, um sich nicht noch mehr gegen seinen Vater aufzulehnen. Dabei blieb ihm nichts anderes übrig, als zu zusehen wie Terilon Caan fürs erste zum neuen Heerführer der ralkonischen Armee einsetzte.
„Mit Verlaub, Majestät, denke ich nicht, dass ich dafür geeignet bin die königlichen Heere zu führen. Ich bin ein einfacher Soldat der königlichen Leibgarde und kein Heerführer“, wendete der Leibwächter bedacht ein. Man konnte ihm ansehen, dass er sich im Moment alles andere als wohl in seiner Haut fühlte, dass musste sich selbst Talon eingestehen. Auch wenn ihm momentan doch die Wut so sehr im Griff hatte, dass er nicht wusste wohin mit seinem Zorn.
„Mein König…“, begann Talon zu sprechen und schaffte es dabei seine Stimme frei von Wut und Zorn zu halten, was an sich schon einem Wunder gleichkam.
„Nein!“, wiegelte dieser sofort ab. „Ich werde meine Entscheidung nicht ändern. Diese Auszeit wird Euch vielleicht lehren, was es heißt, Verantwortung zu tragen. Schließlich haltet Ihr nicht nur das Leben Eurer Männer in den Händen, sondern auch das unseres Volkes.“
Der Prinz wollte zu einem erneuten Protest ansetzen, doch ein durchdringender Blick vom König brachte ihn zum Schweigen und machte ihm klar, dass er diese Schlacht unwiderruflich verloren hatte.
Mit diesem Blick entließ Terilon Talon gleichfalls aus dem Saal, sowie aus seinem Amt als Heerführer, und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Caan zu. Dieser stand unverändert da und schluckte schwer bei den Worten, die soeben den Thronsaal erfüllt hatten und ihm nunmehr zu einer neuen ungewollten Position verholfen hatte.
Der Prinz verstand den Wink seines Vaters ohne weitere Worte. Mit hängenden Schultern verließ er den Thronsaal. Er wanderte ziellos durchs Schloss und wusste nichts mit sich und seiner nunmehr freien Zeit anzufangen. Diese Demütigung, die Terilon ihm eben verpasst hatte, nagte mehr an ihm, als er zugeben wollte. Immerhin waren gerade nicht nur er und sein Vater anwesend gewesen, sondern auch noch viele der Soldaten, die er befehligte. Das diese von seiner Degradierung Zeuge wurden, fraß sich in seine Eingeweide und ließ ich nicht mehr los.