Beiträge von Unor

    Die kleine Kreatur folgte Moro eine ganze Weile schweigend. Immer wieder sah er sich um, nur um sicher zu gehen, dass er nicht plötzlich einer Messer im Rücken stecken hatte. Er dachte darüber nach, einfach davonzulaufen - mit seinen kurzen Beinen hätte das Wesen keine Chance ihn einzuholen - doch der Inhalt des Bündels, das es auf dem Rücken trug war verlockend und die Kreatur hatte gesagt, sie würde teilen. Moro war sich allerdings nicht sicher, ob es sich dabei nicht um eine Falle handelte.
    "Hey, kannst mit eigentlich mal verraten, wo wir hinlatschen?", äußerte sich das Wesen irgendwann. Moro grunzte nur. Es war sehr lange her, dass er ein Gespräch geführt hatte. Er wusste gar nicht, worüber er reden oder was er antworten sollte.
    "Sag halt wenigstens deine Namen. Hast du überhaupt einen?"
    Nun blieb Moro stehen. Er hätte die Kreatur töten sollen, als er die Chance hatte. Diese Fragerei machte ihn nervös.
    "Moro." Es fühlte sich seltsam an, den Namen laut zu hören. Er hatte ihn so lange schon nicht mehr ausgesprochen, dass er seinen Klang vergessen hatte.
    "Ich heiße Slaiza", war die Antwort des Anderen. "Wollen wir mal das Bündel aufmachen? Ich bin am verhungern!"
    Moro hielt inne und drehte sich um. Mit einem kurzen Nicken signalisierte er sein Einverständnis, woraufhin die Kreatur aufgeregt das Bündel auf den Boden legte und darin herumwühlte. Einmal hielt sie inne und schaute zu Moro.
    "Willst da stehen bleiben oder herkommen und Essen fassen?"
    Er rührte sich nicht. Sobald er sich herunterbeugen würde, um sich etwas zu essen zu nehmen, würde der Kleine ihm einen Schlag ins Genick verpassen. So etwas - zumindest etwas ähnliches - hatte er schon einmal erlebt. Er schüttelte den Kopf und streckte die Hand aus.
    "Bin ich dein Leibeigener? Wenn du futtern willst dann hols dir selbst!" Mit diesen Worten stopfte der Knilch sich einen brocken Speck ins Maul und zog einen Trinkschlauch hervor. Moros Nase empfing den Duft des Essen und dieser lockte ihn einen Schritt näher heran. Diesmal blickte die Kreatur nicht zu ihm auf, sie war zusehr mit fressen beschäftigt, daher machte Moro schnell einen Satz nach vorne, packte sich eine Wurst und zog sich sogleich wieder ein paar Schritte zurück. Der Kleine kippte erschrocken nach hinten um.
    "Was soll denn das? Hast du mich erschreckt!" Er klopfte sich Staub aus den Kleidern. "Hör mal, wenn ich dir was antun wollte, hätt ich es vorhin getan, als ich die Chance hatte. Und jetzt hör auf mit diesem Dreck und mach ein Feuer oder so."
    Moro grunzte nur misstrauisch. Dennoch machte er sich auf, um nach brennbarem zu suche. Während er trockenes Moos aufsammelte, fragte er sich immer wieder, ob dem seltsamen Wesen zu trauen war.
    Was wenn er mir im Schlaf die Kehle aufschlitzt?, fragte er sich immer wieder. Und auch eine andere Frage verfolgte ihn. Eine Frage, die ihn schon seit vielen Jahren beschäftige und über die er nicht gerne nachdachte.
    Und wenn schon?

    Eigentlich war mal geplant, dieses Thread nach und nach mit Infos aufzufüllen, aber da die dazugehörige Geschichte sich verzögert, beantworte ich deine Fragen einfach mal so.
    Aaaaaalso ... *lufthohl*

    1) Grundsätzlich kann man sagen, dass jedes der Länder auf der Karte (auch die, auf die ich noch nicht eingegangen bin) eine eigene Sprache haben, außer die Königreiche Kryben, Vatanos, Afranien und Argotien. Die Sprechen alle die "Vatersprache" und als Handelssprache Orisch - die Sprache der (jetzigen) Republik Ori (war früher ein Kaiserreich). Das liegt daran, dass die vier Königreiche früher Teil des Kaiserreichs waren.
    Die ältesten Sprachen sind Zesisch (Sprache von Zesien - dem ersten Imperium der Geschichte) und Orisch.

    2) Schlachten und Kriege gab es zu Hauf, daher mal eine Auswahl, die sich auf die jüngere Geschichte beschränkt: Die Eroberungskriege der Orier, als sie das Gebiet der Vier Königreiche eingenommen haben. Gefolgt vom Orischen Bürgerkrieg, der zum Zusammenbruch des Kaiserreichs führte. Damit einhergehend der Eroberungskrieg der Argotier (Dargathor, der König, hat im Namen des Hohen Bruder - So eine Art Papst - die drei anderen Königreiche erobert und wurde zur Belohnung zum Kaiser gekrönt).
    Dann gab es den Zwanzigjährigen Krieg, eine Reihe von Unabhängigkeits-und Erbfolgekriegen. Danach waren dann die heutigen Vier Königreiche entstanden. Von besonderer Bedeutung ist die Schlacht auf dem Fleckenfeld. Da hat das Königreich Kryben als letztes Königreich seine Unabhängigkeit erlangt.
    Und dann gab es noch den ancarezischen Erbfolgekrieg. Da kämpften Ancarez, Telarya und Argotien gegen Vatanos und Afranien.

    3) Die Frage, wie die Länder entstanden sind, hab ich ja zum Teil schon beantwortet. Aber hier noch mal die Übersicht. Als die Orier kamen, haben in Myvat noch Stämme existiert, keine Königreiche. Der Stamm der Telner hat sich mit den Aryanen verbunden - so entstand Telarya. Gemeinsam haben sie die Orier besieht, so wie die Nurek und die Ancarezen auch. Die anderen wurden erobert und man hat das Gebiet unter den vier mächtigsten Stämmen, den Kryben, den Afranen, den Argoten und den Vatanen, aufgeteilt.

    So, wenn du noch Fragen hast, kannst du mir ja ne PN schreiben @Xarrot

    Als Moro den Schrei hörte, fuhr er nach oben, wie ein verschrecktes Tier. Einen Moment lang war er verwundert - er hatte schon seit Ewigkeiten keine menschliche Stimme mehr gehört. Mit seinem Schleichangriff war es vorbei und er verfluchte den, der ihn verraten hatte, als diesem plötzlich der Schädel mit einem Stein eingeschlagen wurde. Der Mörder war eine kleine Gestalt, von deren Sorte Moro nie zuvor ein Exemplar gesehen hatte. Aber jetzt hatte er anderes, um das er sich kümmern musste.
    Drei Wachen kamen von verschiedenen Seiten auf ihn zugestürmt, eine Flucht schien zwecklos, daher packte der Moro seinen Speer und richtete ihn auf den Soldaten, der am nächsten war. Als dieser plötzlich vor ihm mit einem Messer im Hinterkopf zusammensackte, hinterfragte Moro sein Glück nicht weiter und fuhr herum, um der nächsten Wache den Speer in die Brust zu treiben. Die Waffe grub sich tief ins Fleisch und es gelang ihm nicht, sie rechtzeitig zu lösen, daher ließ er seinen Speer fallen und wich in letzter Sekunde dem Schwerthieb des dritten Angreifers aus. Moro rollte sich ab und landete auf allen Vieren. Der Soldat holte zu einem weiteren Schlag aus, da wurde er von der selben Gestalt, die den Schreihals getötet hatte, zu Boden gerissen.
    Diese Gelegenheit nutzte Moro.
    Die anderen Menschen waren an eine Kette gefesselt und daher keine Bedrohung. Jedoch hatten nun auch die restlichen Wachen zu den Waffen gegriffen. Auf einen Kampf war er nicht aus, daher fuhr er herum und sprintete los. Er kam etwa sechs Fuß weit, da stieß er heftig mit etwas zusammen.
    "Aufpassen", zischte eine Stimme. Moro rappelte sich auf und sah die Kreatur in Richtung der Wachen stürmen. "Kommt her, ihr Bastarde!"
    Ein Blick auf die zu Haufen gestapelten Vorräte zu seiner Rechten ließen Moro seine Entscheidung überdenken. Wenn der Kleine die Wachen ablenkte, wäre noch Zeit, das ein oder andere einzustecken.
    Mittlerweile hatten einige der Gefangenen sich von ihren Ketten befreit und sie rannten ihm im Weg herum, also trat und schlug er nach ihnen. Als er die Vorräte endlich erreicht, packte ihn jemand am Mantel, doch man wich seinem Schlag aus. Vor ihm stand die Kreatur.
    "Glotz nicht so!", raunte sie und warf ihm ein Bündel zu. Aus Reflex fing er es.
    "Jetzt weg hier!"
    Mit diesen Worten lief das Geschöpf davon. Moro folgte jedoch nicht, sondern lief in die andere Richtung, um sich seinen Speer zurückzuholen. Doch man folgte ihm.
    "Vergiss den doofen Speer! Lass uns abhauen!"
    Moro ignorierte das Wesen und machte sich davon. Ein Blick zurück verriet ihm, dass nur noch wenige Wachen übrig waren, die verzweifelt versuchten, die Entflohenen einzufangen. Er hatte keine Ahnung, was sich in dem Bündel befand, das man ihm zugeworfen hatte, aber trotzdem ließ er es nicht fallen. Er rannte einfach.
    "He, mach langsam. Das ist meine Beute!", hörte er die Stimme hinter sich, begleitet von einem Krächzen und plötzlich wurde Moro schwarzen vor Auge. Klauen gruben sich in die Bandagen, die um sein Gesicht gewickelt waren und etwas hämmerte auf seinen Kopf ein.
    "Gut, Kraaaz, schnapp den Dieb", johlte die Gestalt. Moro schlug um sich, doch das Federvieh war nicht zu fassen zu kriegen und als ein besonders heftiger Schlag daneben ging, verlor er das Gleichgewicht und purzelte eine Anhöhe hinunter. Die Flechten und Pilze schmatzen und quietschen, als sein hagerer Körper über sie hinwegrollte.
    Endlich kam er unten an. Er lag auf dem Rücken und der vermaledeite Vogel kreiste über ihm. Gerade wollte er aufstehen, da stürzte die Kreatur sich auf ihn und drückte ihn zu Boden.

    Die Ratte zuckte noch kurz, als Moro sie mit seinem Messer durchbohrte. Eine gefühlte Ewigkeit hatte er vor dem Erdloch gekauert und darauf gewartet, dass das Biest sich zeigte. Dafür schmeckte sie umso süßer, als er ihr die Zähne in den weichen Bauch trieb und einen Brocken Fleisch herausriss.
    Es dauerte nicht lange, dann waren nur noch winzige Knochen und ein Fetzen Fell übrig. Moro sammelte die Reste auf und verstaute sie in seinem Beutel. In den Knochen war noch etwas Mark für später und das Fell konnte er in seinen Mantel einnähen. Die Nächte waren Kälter geworden in letzter Zeit. Ein Blick zum Horizont verriet ihm, dass es Zeit war, ein lager aufzuschlagen. Der Himmel begann schon, sich violett zu Färben. Er nahm die selbe Farbe an, wie die Flechten und Pilze, die das ganze Umland bedeckten.
    Moro begann den Abstieg ins tiefer gelegene Land, wo, das wusste er, sich einige Höhlen befanden. Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen, als er endlich eine kleine Felsspalte entdeckte, die ihm Schutz bieten würde. Der Eingang war mit pergamentdünnen Flechten zugewachsen, die Moro sorgfältig wegschnitt - besonders darauf bedacht, die austretenden Säfte nicht auf seine Haut gelangen zu lassen.

    Es war kalt und dunkel in der Höhle und Moro hatte an diesem Tag kein Holz für ein Feuer auftreiben können. Sein selbstgenähter Mantel würde reichen müssen und gerade als er sich an einer halbwegs bequemen Stelle niederlassen wollte, knackte es unter seinen Füßen. Er konnte kaum etwas erkennen, jedoch erfühlte er verkohltes Holz. Es war noch warm. Sofort ging er in die Hocke und lauschte. Seine Hoffnung - dass der, der das Feuer entfacht hatte, längst weg war - erlosch, als er ein leises Atmen hörte. Moro verlor keine Zeit und erhob sich, den Speer auf die Person im Dunkeln richtend. Ein paar Hände griff nach der Spitze und schob sie von sich. Moro stolperte zurück und die Person machte einen Satz über ihn. Gerade noch erwischte er ihr Bein. Heftig schlug sie auf den Boden.
    Moro war auf den Beinen und kauerte über dem Fremden, da traf ihn ein Schlag ins Gesicht, gefolgt von einem heftigen Tritt in die Magengrube. Er wälzte sich zur Seite und plötzlich war der Andere über ihm. Noch immer konnte er das Gesicht nicht erkennen. Das Messer, das auf ihn herabfuhr erkannte er jedoch rechtzeitig, um die Klinge zu greifen. Sie war stumpf, schnitt aber dennoch tief ins Fleisch. Der Andere wollte nicht loslassen, da packte Moro sein Handgelenk und biss ihm in die Finger, bis er schreiend das Messer losließ.
    Dann ging alles ganz schnell.
    Moro drehte seinen Körper, wobei dem Anderen die Beine weggezogen wurden. Blitzschnell war er über ihm und tötete ihn mit drei schnellen Stichen. Zwei in die Brust, einen in den Kopf. Der Fremde war sofort tot.

    Moro fand etwas Holz, das der Tote gesammelt haben musste und machte ein Feuer. Zuerst brannte er den Schnitt in seiner Handfläche aus, dann zog er die Leiche näher ans Feuer, um ihr Gesicht zu sehen. Keine Pusteln, keine Beulen, keine Flechten. Der Mann war nicht infiziert. Das war gut. Sein Fleisch war essbar.
    Ehe er sich schlafen legte, kugelte Moro der Leiche die Schulter aus und schnitt mit seinem Messer den Arm vom Körper. Über dem kleinen Feuer briet er das Fleisch bis die Haut schwarz war, dann grub er gierig seine Zähne in den Unterarm. Nachdem er fertig war, schmerzte sein Bauch fürchterlich. So viel Essen war er nicht gewohnt. Er füllte seinen Trinkschlauch mit Blut, das er aus einem Schnitt an der Kehle abtropfen ließ und legte sich schlafen.

    Am nächsten Morgen stank es in der Höhle ganz furchtbar nach Rauch, weshalb Moro raus an die Luft ging. Zu seiner Überraschung musste er jedoch feststellen, dass es dort genauso roch. Verwundert sah er sich nach allen Richtungen um und tatsächlich entdeckte er entfernt am Horizont graue Nebelschwaden. Es musste Rauch sein. Wo Feuer war, waren Menschen. Ein Waldbrand konnte es nicht sein, die Wälder waren vor so vielen Jahren verschwunden, dass Moro sich nicht mehr erinnern konnte, wie es klang, wenn Wind durch ihre Blätter wehte.
    Der Gedanke, auf eine größere Gruppe von Menschen zu treffen missfiel ihm. Allen Banden, denen er bisher über den Weg gelaufen war - viele waren es nicht - hatten ihn stets sofort angegriffen.
    Aber andererseits könnten diese Menschen Wertsachen bei sich tragen. Nahrung.
    Moro beschloss, ihnen einen Besuch abzustatten und kehrte zurück in die Höhle, um ein ausgiebiges Frühstück zu sich zu nehmen.

    Die Wüste nahm kein Ende.
    Vier Tage waren vergangen seit Landrim und Yennifer zu ihnen gestoßen waren, was Erecks Pläne für die Rationen durcheinander gebracht hatte. Die Pferde machten langsam schlapp, obwohl er sich alle Mühe gab, Wasser für sie aufzutreiben. Er presste sogar frischen Kameldung aus, um die darin verbliebene Flüssigkeit zu erhalten. Ereck selbst trank hauptsächlich von seinem eigenen Urin, um Wasser für die schwächeren in der Gruppe zu sparen. Doch auch die Nahrungsvorräte gingen zu Neige. Das war schlecht, sehr schlecht. Doch so viel sie auch marschierten, vor ihnen erstreckte sich stets nur flimmernder Horizont.
    Die Hitze schlug ihm aufs Gemüt. Er verbrachte seine Tage grummelnd und schwitzend. Irgendwann ertrug er es nicht mehr, immer nur die selben Dünen zu sehen, daher ließ er sich zu Matt zurückfallen, der etwas abseits der Gruppe lief. Das war an einem besonders heißen Tag. Ars und Esme schleppten sich gegenseitig und stolperten abwechselnd im Sand. Die Geschwister fragten immer wieder nach Wasser und Lohra gab ihnen hin und wieder einen Schluck. Wäre Erecks Verstand nicht von den beißenden Strahlen der Sonne zerkocht gewesen, hätte er sie ermahnt sparsamer zu sein. Nur Matt schien mit der Hitze keine Probleme zu haben.
    "Was ist dein Geheimnis?", fragte Ereck den Jungen, als sie sich eine Düne hinaufschleppten. Matts Miene erstarrte und einen kurzen Moment sagte er nichts.
    "Was meinst du?", brachte er schließlich hervor. Ereck trottete eine Weile benommen weiter, ehe er merkte, dass er antworten sollte. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    "Wie schaffst du es, dass du nicht schwitzt?", murmelte er. Matt wirkte etwas erleichtert, antwortete jedoch nicht. Sein Blick schien plötzlich an etwas weit vor ihm haften geblieben zu sein.
    "Zesara?", fragte Ereck müde. Nach seiner Rechnung mussten sie ganz in der Nähe der Stadt sein.
    "Menschen", meinte Matt nur und dann hörten sie Lohra Ruf und den Schrei des Pferdes, das sie noch hatten. Das andere war am morgen verendet. Urplötzlich war Ereck wieder bei vollem Bewusstsein und dann sah auch er die Gruppe von Kamelreitern, die sich in der Ferne aus einer Staubwolke schälten.
    "Auf die Kamele!", brüllte er und stolperte, bei dem Versuch loszusprinten. Sein massiger Körper wälzte sich den heißen Sandhang hinab. Er landete zu Lohras Füßen, sie hielt die Zügel des Pferdes.
    "Ich reite auf ihr, du und Matt schnappt euch ein Kamel!"
    Ereck rappelte sich auf und riss Lohra die Zügel aus der Hand. "Nimm dir den Jungen und versuche, die anderen zu beschützen! Ich nehme das Pferd und komme nach!"
    Lohra wollte widersprechen, sah jedoch die Entschlossenheit in seinem Gesicht und hinter ihm die sich nähernden Karabäer. Matt kam zu ihnen und Lohra zerrte ihn mit sich. Es dauerte nur wenige Herzschläge, da konnte Ereck sie nicht mehr sehen. Als er auf das Pferd stieg, taumelte es benommen unter ihm und er konnte es nur in leichten Trab bringen.
    Er hörte das Surren eines Pfeiles, dicht an seinem Ohr und die Kriegsschreie der Angreifer. Er wusste, er würde ihnen nicht entkommen können und riss sein Ross herum. Die schnelle Bewegung brachte es jedoch endgültig zu Boden. Wiehernd sackte es zusammen. Staub wirbelte auf. Hustend richtete Ereck sich auf und zückte sein Schwert. Der Staub lichtete sich und die Karabäer sausten an ihm vorbei. Da er keine Vorräte bei sich trug, schienen sie sich wenig um ihn zu kümmern. Erst als er einen von ihnen von dessen Kamel riss und ihm den Bauch aufschlitze, beschlossen zwei andere, ihn niederzustrecken, anstatt die wertvollere Beute zu verfolgen.
    Einem der Kamele hackte Ereck den Kopf ab und während es tot zusammensackte fuhr er herum und fing mit seinem Schild den Speer des zweiten Räubers ab. Als der vorbei war, wand er sich wieder dem ersten zu. Dessen Bein klemmte unter dem Kadaver seines Reittiers, was es Ereck leicht machte, ihm die Kehle aufzuschlitzen.
    Das zweite Kamel wollte er mit seinem Wurfmesser zur Strecke bringen, verfehlte es jedoch, als es auf ihn zupreschte. Die Speerspitze des Reiters durchschlug seinen Schild und riss ihn zu Boden. Der Speer bohrte sich in den Sand, sodass auch der zweite Angreifer aus dem Sattel geschmissen wurde.
    Er machte einen Satz zu Ereck, der seine Hand packte und sie so verdrehte, dass das Gelenk brach. Der Karabäer schrie und sein Dolch glitt ihm aus den Fingern. Mit seinem Schwert spaltete Ereck seinen Kopf. Dann fiel er erschöpft in den Sand. Er konnte sonst niemanden mehr sehen und hoffte, dass Lohra und die anderen entkommen waren. Dies war jedoch unwahrscheinlich. Ereck verfluchte sich selbst, weil er die unerfahrene Gruppe in diese Hölle von einer Wüste geführt hatte. Er verdiente es gar nicht anders, als allein hier zu verdursten.
    Aufgeregte Rufe rissen ihn aus seinen Gedanken. Am Horizont erblickte er wieder die Gruppe Karabäer. Sie kamen mit hohem Tempo direkt auf ihn zu und hinterließen eine riesige Staubwolke. Dann hatten sie Lohra und die anderen also erwischt. Und nun kamen sie nach ihm. Sofort war er auf den Beinen.
    "Kommt schon, ihr Bastarde!", schrie er ihnen zu, mit dem Schwert wedelnd. "Bringt es zu Ende!"
    Der erste Reiter näherte sich ihm und ritt vorbei. Die anderen taten es ihm gleich. Keiner schien Ereck eines Blickes zu würdigen und dieser verstand erst, als er sich in die Richtung drehte, aus der sie gekommen waren. Dort am Horizont näherte sich etwas schlimmeres als Karabäer.
    Ein Sandsturm.

    Sein erster Impuls war es, auf den Sandsturm zuzulaufen, um seine Gruppe einzuholen. Dann Begriff er jedoch, dass diese vermutlich bereits im Sturm gefangen war. Fluchend drehte er sich in die andere Richtung um, und ging zu dem Kadaver seiner Pferdes. Mit seinem Dolch machte er einen langen Schnitt in dessen Bauchhöhle und grub dann seine Hände in die warmen Innereien. Es stank fürchterlich, doch davon ließ er sich nicht abhalten. Er riss den Darm heraus, die Leber, das Herz. Der Sand unter ihm sog gierig das Blut auf und Ereck übergab sich. Da er jedoch kaum getrunken hatte in den letzten Tagen, kam nur eine dickflüssige gelbe Paste heraus.
    Er konnte das Pfeifen des Sturm schon hören, als im Brustkorb des Tieres endlich genug Platz für ihn war. Er zog sich nackt aus und mit den Beinen voran zwängte er sich hinein. Gerade als er seinen ganzen Körper untergebracht hatte, traf ihn der Sandsturm mit voller Härte.
    Als Ereck sich Stunden später aus dem von Sand bedeckten Kadaver grub, und gierig die Luft einsog, war weit und breit nichts zu sehen, als Sand. Sogar die Leichen der Räuber und ihrer Kamele hatte der Sturm begraben oder fortgeweht.

    Name:
    Moro

    Alter:
    Moro weiß nicht, wie alt er ist, aber seinem Aussehen nach, ist er um die dreißig Jahre alt

    Geschlecht:
    Männlich

    Rasse:
    Mensch

    Klasse:
    Barbar

    Herkunft:
    Moro wurde in einem kleinen Bergdorf geboren, welches vom Viehhandel lebte. Die Bewohner züchteten dort große Büffel, deren Fell und Fleisch sie verkauften. Die umliegende Berglandschaft war unwirtlich, karg und felsig. Nur kleine Sträucher wuchsen und im Winter war alles meterdick mit Schnee bedeckt. Ein einzelner kleiner Pfad führte vom Dorf zu den tiefer gelegenen Ebenen.

    Waffen und Ausrüstung:
    Moro trägt ein scharfes Messer, einen Speer und eine selbstgebaute Speerschleuder bei sich. Außerdem einen Trinkschlauch, einen Beutel für Vorräte und einen Feuerstein.

    Begleiter:
    Moro hat keine lebenden Begleiter, nur eine alte Holzpuppe aus Kindertagen, mit der er sich unterhält.

    Fähigkeiten:
    Moro ist ein Überlebenskünstler. Er kann Feuer machen, Jagen, Vorräte sammeln und sich verteidigen. Er wurde nie im Kampf unterrichtet, aber in all den Jahren, in denen er auf sich allein gestellt war, hat er einen schmutzigen, brutalen Kampfstil entwickelt. Wie ein Tier kratzt und beißt er seine Gegner, sticht mit seinem Dolch nach ihnen oder tötet sie mit der Axt. Wenn er die Wahl hat, umgeht er Kämpfe jedoch, zum Beispiel, indem er davon schleicht oder seinen Gegnern im Schlaf die Kehle aufschlitzt. Gegen einen gut ausgebildeten und gerüsteten Gegner ist er noch nie angetreten, seine hagere Gestalt und seine wilde Kampftechnik würden ihm gegen solche Kontrahenten aber auch wenig nützen.
    Moro kann weder lesen noch schreiben und hat auch sonst wenig Bildung in seinem Leben erhalten.

    Aussehen:
    Moro ist durch eine mysteriöse Seuche entstellt. Seine Haut ist rosa, bis violett, faltig und von Beulen und Pusteln übersät. Um sich vor der giftigen Umwelt zu schützen, ist sein gesamter Leib in alte, schmutzige Bandagen gehüllt, die er nie wechselt. Nur seine blauen Augen sind frei. Er einen selbstgeflochtenen Gürtel und einen Mantel aus dem Fell kleiner Nagetiere.
    Er ist ein großer und sehr dünner Mann. Die wenigen Muskeln die er hat zeichnen sich deutlich unter der faltigen Haut ab. Seine Haare und seinen Bart stutzt er rudimentär mit seinem Messer, sodass nur wenige Büschel zurückbleiben.

    Persönlichkeit
    Jahre des Überlebenskampfes ohne Kontakt zu anderen Menschen haben Moro nahezu jeglicher Empathie beraubt. Er ist auf seine innersten Urinstinkte reduziert, vertraut niemandem und ist ein vollkommener Einzelgänger. Freude, Liebe, Glück oder ähnlicher sind für ihn kaum mehr als schwache Erinnerungen. Er ist gerissen, aber nicht intelligent und auch sein Sprachschatz ist auf einige wenige Worte reduziert.
    Jedoch gibt es tief in ihm das verdrängte Verlangen, wieder mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und ein normales Leben zu führen. In seinen Träumen wird von den Erinnerungen an seine Familie geplagt.
    Teil einer Gruppe zu sein, könnte diese Gefühle in ihm wecken und ihn wieder mehr zu dem Menschen machen, der er vor der Seuche war.

    Geschichte:
    Moro wuchs als eines neun Geschwistern auf. Seine Eltern waren, wie fast alle in seinem Heimatdorf, Viehzüchter. Schon von Kindesbeinen an musste er schwer schuften, eine Schulbildung erhielt er hingegen nicht. Als er gerade zwölf Jahre alt geworden war, brach in seinem Dorf eine mysteriöse Seuche aus, die Betroffene in grausam enstellte, tollwütige Monster verwandelte, sodass seine Familie sich gezwungen sah, aus den Bergen zu fliehen.
    Etwa zu dieser Zeit, begann ein Artensterben, dem nach und nach sämtliche Pflanzen und in Folge auch viele Tiere zum Oper fielen. Nur seltsame violette Flechten blieben zurück und breiteten sich aus. Nach dem vier seiner Geschwister und seine Mutter ebenfalls an der Seuche erkrankten und der Vater sie töten musste, realisierte dieser, dass die Flechten, sowie die Pollen, die sie ausstießen, Ursache der Krankheit waren. Jeder, der sich von ihnen ernährte oder in Berührung mit dem Schleim der sie bedeckte kam, begann, Symptome zu zeigen.
    Nach einiger Zeit waren nur noch Moro und sein Vater übrig. Sie stießen nach Monaten des Überlebenskampfes auf eine kleine Siedlung, in der es noch gesunde gab. Moros Vater zeigte bereits erste Symptome, weshalb die Dorfbewohner ihn hinrichteten. Moro floh daraufhin in eine Höhle. Dort begegnete er einem alten Mann, der ebenfalls mit Pusteln und Beulen übersät war. Wie auch sein Vater. Der alte Mann behauptete jedoch, er sei gesund und habe eine Heilung gefunden. Er schrieb Moro die Zutaten für die Heilung auf ein Stück Pergament und schickte ihn zurück ins Dorf. Dort waren mittlerweile jedoch ebenfalls alle erkrankt und Moro wurde infiziert. Er floh zu dem alten Mann, der die Krankheit stoppen konnte. Moro blieb entstellt, wurde jedoch nicht tollwütig. Nach dem Tod des alten Mannes, ein paar Monate später, reiste Moro alleine weiter, durch das weitflächig vernichtete Land, bedeckt von tödlichen Flechten. In all den Jahren trug er das Rezept stets bei sich, weil er jedoch nicht lesen kann, konnte er es nie wieder benutzen.

    "La La Land"

    Irgend so ein Idiot hat am Ende des Films angefangen Zwiebeln zu schneiden :ninja:

    EDIT: Ich würde gerne das Punkte-System wieder etablieren :D Daher vergebe ich 9/10. Wer auf Musicals steht wird seine Freude haben, so viel kann ich garantieren.

    Sie verließen Raznar als einfache Reisende, ihre Häupter mit Kapuzen bedeckt und die Blicke gen Boden gerichtet. Ereck konnte nicht aufhören sich über die stoppeligen Wangen zu fahren. Seit seinem sechzehnten Lebensjahr hatte er sich nicht rasiert. Der Bart hatte seine hängenden Wangen und sein Doppelkinn kaschiert. Seine Oberarme und Brust waren noch immer kräftig, doch fühlte er sich plötzlich weicher und fetter als zuvor.
    Immerhin würde die fehlende Gesichtsbehaarung in der Wüste von Vorteil sein. Schon der Gedanke an die sengende Hitze trieb Ereck die Schweißtropfen auf die Stirn. Es war kaum zwei Jahre her, da hatte er als Söldner in dem toten Land, dass die Einheimischen Zesonora nannten, Karabäer gejagt, Wüstenräuber. Er erinnerte sich daran, wie er bei Nacht durch den Sand gestapft war und am Tag im Schatten riesiger Dünen gerastet und selbst dort in der eigenen Rüstung geschmort hatte. Es war kein guter Ort und auch die Söldnerin schien dies zu ahnen.
    Als sie an einem alten Gasthaus drei Rösser und zwei Kamele gegen einige Goldtaler, die Rez ihnen gegeben hatte, eintauschten, trat Lohra an Erecks Seite.
    "Bist du dir ganz sicher sein, dass Erelis in die Wüste geflohen ist?", fragte sie.
    Ereck, der gerade eines der Kamele bepackte, antwortete ehrlich: "Wie kann ich mir sicher sein? Es ist nicht mehr als eine Vermutung."
    "Diese Wüste ist ein gefährlicher Ort. Sehr gefährlich. Sollen wir und dort hineinwagen, nur weil eine kleine Chance besteht, dass Lordas sich dort befindet. Außerdem: Wollte dieser Erelis Lordas nicht schützen? Wieso sollte er ihn dann in dieses tote Land führen?"
    Ereck nickte. Er verstand ihre Einwände.
    "Lohra, ich verstehe dich absolut. Aber du musst verstehen, mit Allion als Führer ist die Wüste ein weitaus weniger gefährlicher Ort. Und die Lande jenseits der Zesonora sind seine Heimat. Er hat dort eine Familie, soweit ich weiß. Adlige, die in einer Burg leben. Dort könnte er Lordas verstecken. Ich denke, es lohnt sich, das Risiko einzugehen."
    Lohra antwortete nicht, nickte jedoch und stellte keine weiteren Fragen. Die anderen schienen weniger besorgt. Vermutlich kannten sie die Gefahren der Wüste nicht so gut oder sie waren tapferer, als sie aussahen.
    Sie ritten einige Tage und versuchten unterwegs, bei jeder Gelegenheit ihre Wasservorräte zu erweitern. Als sie schließlich den Schmugglerpass erreichten, waren sie recht gut ausgerüstet. Doch Ereck wusste, dass man sich nie auf jede Überraschung, die die Wüste bereithielt, vorbeireiten konnte.
    "Von hier an, müssen wir absitzen", sagte er zu den anderen, den Blick auf die steilen Berghänge gerichtet, die sich vor ihnen erhoben. "Die Pferde müssen geführt werden. Wir können nicht riskieren, dass sie sich etwas brechen."
    Die anderen taten, wie geheißen. Gemeinsam verladeten sie all ihr Gepäck auf die Reittiere und machten sich dann auf den Weg zum Pass.

    Die Nacht brach herein, noch bevor sie ankamen. Glücklicherweise fand sich in der Nähe eine kleine Höhle. Ars schaffte es, in dem kargen Felsland Holz aufzutreiben und Matt machte ein Feuer für sie. Esme sammelte einige Kräuter zusammen, als Beilage für die Bergziege, die Lohra von der Jagd mitbrachte. Nachdem alle gesättigt waren, hockte Ereck über der Karte und rieb sich die Augen, die vom Licht des Feuers brannten.

    "Wie geht's morgen weiter", fragte Esme, während sie sich etwas Ziehe aus den Zähnen pulte. Ereck deutete auf die Karte.
    "Wenn wir den Pass überquert haben, liegt ein langes Stück Wüste vor uns. Aber wenn wir uns gut halten, sollten wir in einer Woche Zesara erreichen. Eine Stadt, die um eine Oase errichtet wurde. Vermutlich hat auch Allion dort Halt gemacht, um Vorräte aufzufüllen. Wir werden ein wenig rumfragen und unsere Wasservorräte erneuern."
    "Klingt gut", meine Ars.
    "Ja, aber es gibt ein Problem. Zwischen den Bergen, in denen wir uns befinden und der Stadt lauern Karabäer, ein Volk von Wüstenräubern."

    Marraz' Palast war nur etwa halb so groß, wie jener in Zesnar, aber nicht weniger prunkvoll. Der Zerbu war dafür bekannt, ein Freund der schönen Künste zu sein. Überall hingen prunkvolle Wandteppiche, sie kamen an Räumen gefüllt mit exotischen Instrumenten vorbei. Womöglich hatte Raknaz deshalb seine beiden jüngsten Söhne hierher geschickt. Beide waren künstlerisch begabt und nicht an Kämpfen und dergleichen interessiert. Zumindest meinte Ereck sich erinnern zu können, dass Raknaz ihm davon erzählt hatte.
    Ars war etwas zurückgefallen und bestaunte die Mosaike an den Wänden. Flankiert wurde er von zwei Wachmännern in schweren Rüstungen, deren Blicke jedoch strikt auf Ereck gerichtet waren. Das machte ihn misstrauisch und eine dunkle Vorahnung bestieg ihn, allerdings konnte er Marraz keinen Vorwurf dafür machen, besonders vorsichtig zu sein.
    Sie erreichten die schweren Türen des Thronsaals, wo man sie bat zu warten. Die Wachen wichen ihnen nicht von der Seite. Ars kam herüber und brachte seinen Mund nah an Erecks Ohr.
    "Bist du sicher, das dieser Marz bereit ist, uns zu helfen?", fragte er. Die Wachen missbilligten ihr Getuschel, was sie durch ihre Blicke mehr als deutlich machten.
    "Er heißt Marraz. Vergiss das lieber nicht, wenn wir da drin sind."
    Ars setze zu einer Antwort an, doch in diesem Moment schwenkten die Türen auf und vor ihnen erstreckte sich der gewaltige Thronsaal. Ereck und Ars liefen vorbei an Säulen und leeren Rüstungen, bis sie am Fuße der Treppe ankamen, die zu Marraz' Thron hinaufführte. Der Mann war etwas in die Breite gegangen, seit Ereck ihn das letzte Mal gesehen hatte, und auch sein Haar lichtete sich. Dafür trug er nun einen prächtigen geölten Schnurrbart.
    Hinter seinem Thron standen zehn Soldaten im Halbdunkel.
    "Ereck Weißkrähe", tönte es von oben herab. Die Stimme des Zerbus war tief und laut. "Ich erinnere mich noch, Euch beim Namenstag meines Freundes Raknaz getroffen zu haben. Ihr habt seine Söhne zum Stadttor begleitet, als sie ich sie mit mir nahm. Ich habe Euch für ehrenwert gehalten."
    Ereck blinzelte verwundert, angesichts dieser Beleidigung.
    "Edler Marraz, ich versichere euch, stets treu gedient zu haben." Der Mann auf dem Thron rührte sich nicht.
    "Wer ist dieser Kerl neben euch?", fragte Marraz. "Der Alchemist, der meinen Freund Raknaz zusammen mit einer Hexe vergiftet hat?"
    Ars warf Ereck einen verwirrt schockierten Blick zu. Ein metallenes Klappern verriet dem Hauptmann, dass die Soldaten im hinteren Bereich des Saales sich rührten. Erecks Hand glitt zu seinem Messer. Sie hatten es ihm nicht abgenommen.
    "Marraz ...", begann er. "Ich fürchte, man Euch Lügen und Propaganda zukommen lasse!"
    Der Zerbu lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sprach: "Ihr erwartet, dass ich einem dahergelaufenen Lumpenpack glaube, anstelle des Mannes, der bei meinem Freund war, als sein Leben zu Ende ging?"
    Ereck wollte gerade fragen, von wem der Zerbz sprach, da trat ein Mann hinter dem Thron hervor. Sofort erkannte Ereck Rogarr. Der Einäugige grinste selbstgefällig.
    "Verräter! Lügner! Du Wurm, du verfluchter ..."
    "Schweigt!", fauchte Marraz. Sein fettes Gesicht wabbelte, als er wutentbrannt aufstand. "Ergreift sie! Ergreift sie beide! Aber lebend. Ich will sie für ihren Verrat noch lange büßen lassen! Und das Pack mit dem sie hier her kamen. Die bringt mir ebenfalls!"
    Die Soldaten hinter ihm schwärmten mir gezückten Schwerter aus. Ars wollte nach seinem Buch greifen, aber Ereck packte seinen Arm und hielt ihn zurück. Es wäre effektiver, seine Kräfte zu nutzen, um aus dem Kerker zu entkommen. Widerstandslos ließen sie sich festnehmen.

    Nur Augenblicke später fanden sie sich in einer finsteren Zelle irgendwo tief in den Eingeweiden des Palastes wieder. Ars rieb sich den Arm, wo man ihn besonders fest gepackt hatte, während Ereck nervös auf und abschritt. Er hörte ständig murmelnde Stimmen vor der Zelle, wollte aber warten, bis sie alleine waren, ehe er Ars seine Kräfte einsetzen ließ. Nach einem Weilchen schwiegen die Stimmen und als einige Augenblicke danach immer noch Schweigen herrschte, nickte Ereck Ars zu. Der verstand sofort. Er nahm sein Buch hervor, trat zur Tür und schloss die Augen. Doch seine Konzentration wurde sofort vom Klacken des Schlosses unterbrochen. Erschrocken wich der Alchemist zurück. Auch Ereck machte einen Schritt zurück. Als die Tür aufschwang, wurden sie von grellem Fackelschein geblendet. Man würde sie also zur Folterkammer bringen. Ereck hoffte, dort würde sich ihnen die Möglichkeit zu Flucht bieten.
    "Raus mit euch!", blaffte eine Stimme. Ereck und Ars blinzelten im Licht und erkannten einen Mann fortgeschrittenen Alters. "Begleitet mich bitte. Und sorgt euch nicht."
    Ereck trat aus der Zelle und stellte verwundert fest, dass der Alte keinerlei Wachen bei sich hatte. Es wäre mehr als einfach ihn auszuschalten und zu fliehen. Fast schon zu einfach. Ereck zögerte. Auch Ars, der nun nervös in den Gang trat, wirkte verwirrt. Der alte Fackelträger schien ihre Blicke zu lesen.
    "Ich bin nicht gekommen, um euch zur Folterkammer oder Hinrichtung zu bringen. Der Zerbu will euch sehen."

    Ars und Ereck tauschten einen Blick aus. Ein leichtes Nicken des Alchemisten verriet sein Einverständnis und so folgten sie dem Alten. Er führte sie durch dunkle Gänge und schließlich in ein von Kerzen und Fackeln erleuchtetes Gewölbe. Dort hatte man einen Tisch aufgebahrt, an dem Zerbu Marraz saß und aus einem Tonkelch trank. Auch für Ereck und Ars hatte man Getränke bereitgestellt. Doch beide ließen die Finger von dem potentiellen Gift.

    "Hauptmann", begann Marraz. "Ich muss mich für mein rüdes Verhalten im Thronsaal entschuldigen. Aber mit diesem Rogarr im Nacken muss ich aufpassen, was ich sage."
    "Wovon sprecht Ihr?", fragte Ars.
    Der Zerbu stellte seinen Kelch ab und begann, zu erklären: "Zerbu Rakka und der Seneschall von Zesnar haben sich verschworen. Rakka will alle freien Städte Zesiens erobern und zu einem Reich unter seiner Herrschaft vereinen. Ich mache gute Miene zu bösem Spiel, damit meine Stadt nicht die nächste ist."
    Ereck nickte. Soviel wusste er schon.
    "Dieses Schwein Larenz hat Meuchelmörder im ganzen Land angeheuert, um Raknaz' Söhne zu ermorden. Selbst Larkaz, ein Kind von sieben, den zu erziehen und schützen ich geschworen hatte, haben sie erwischt."
    "Auf einem Poster in der Stadt hieß es, sein Bruder habe ihn getötet", meinte Ars.
    "Das ist Teil der Verschwörung. Larenz hat diese Lüge in die Welt gesetzt, nachdem bekannt wurde, dass Lordas die Stadt verlassen hatte."
    "Wo ist er hin?", fragte Ereck.
    "Keiner weiß es. Aber sein Leibwächter, Allion Erelis, ist ebenfalls verschwunden. Ich vermute, er hat Lordas gerettet und weggeschafft."
    "Was ist mit den anderen Söhnen?", wollte Ars wissen.
    "Wenn meine Quellen stimmen, sind sie alle den Häschern Rakkas zum Opfer gefallen. Lordas ist der letzte lebende Erbe."
    Ereck fuhr sich durch den roten Bart.
    "Warum wolltet Ihr uns sprechen, Edler?", fragte er. Der Zerbu zwirbelte seinen Bart und lehnte sich im Stuhl zurück.
    "Ich habe mich entschlossen, Rakkas Spiel zu spielen. Habe diesen Rogarr bei mir aufgenommen und seine Gerüchte geschürt. Aber ich bin meinem alten Freund Raknaz noch immer treu. Mit Lordas habe ich ein entscheidendes Druckmittel verloren. Er ist der Schlüssel, wenn es darum geht, Rakka und Larenz aufzuhalten. Eine erfolgreiche Rebellion kann sich nur dann bilden, wenn wir uns dem letzen lebenden Erben verschreiben! Und ich will, dass Ihr ihn für mich findet, Ereck Weißkrähe."
    Der Hauptmann, der keiner mehr war, starrte den dicken Zerbu an. Er musste so viele Informationen verarbeiten, dass er einige Augenblicke lang gar nichts antwortete.
    "Habt ihr irgendeine Idee, wo der Junge steckt?", fragte er schließlich.
    Marraz lächelte. "Ein Mann, der gleich zur Tat schreitet. Löblich." Er nahm ein Pergament hervor, auf welches man mit Kohle einen bärtigen Mann mittleren Alters skizziert hatte.
    "Allion ist gerissen und ein Meister im Untertauchen. Ihn zu finden wird nicht leicht sein", fuhr der Zerbu fort.
    "Warum wählt ihr gerade uns aus?", fragte Ars.
    "Weil ich euch trauen kann und weil niemand nach euch suchen wird, jetzt wo ihr tot seid."
    Ereck und Ars hielten den Atem an. Marraz lachte.
    "Es ist war, in diesem Moment hackt man euch die Köpfe ab und zieht die Haut vom Gesicht. Euer Glück ist, dass wir zwei Vergewaltiger einsitzen hatten, die euch ein bisschen ähnlich sehen."
    Nun atmeten die beiden erleichtert auf.
    "Folgt bitte Rez, dem Mann der euch her brachte. Er wird euch neu einkleiden und mit Waffen ausstatten. Ich fürchte, der Bart und der weiße Mantel müssen weg, Ereck. Zu auffällig. Aber nun wollen wir keine Zeit verschwenden. Ich muss zurück und eure Freunde werden wahrscheinlich schon auf euch warten."

    Der Frühling naht


    Ein Mann sitzt auf der Wiese hinter seinem Haus. Er hat auf dem Weg zur Kneipe die Kraft in den Beinen verloren und nun hockt er da, die Hände ins frische Gras gepresst. Die Luft ist warm, fast heiß, verglichen mit den letzten Tagen. Eine ungeheure Hitze und die grünen Halme, neu gesprossen, von geschmolzenem Schnee prall und saftig, bohren sich in seine Handflächen wie kleine Speere. Ihm ist, als könne er fühlen, wie sich in der Erde unter ihm das Gewürm regt; wie alles zum Leben erwacht.

    Am Himmel keine Wolke. Klare Sicht. Aus den Bäumen das nervtötende Zwitschern der paarungswütigen Vögel. Was ist nur aus dem Winter geworden? Ihm ist, als sei gestern noch alles unter Schnee vergraben gewesen. In der Kälte erstarrt. Das war eine gute Zeit gewesen. Als sich nichts gerührt hatte in der Welt. Eine herrliche Ruhe.
    Jetzt, die Wärme. Und mit der Wärme sprießen die Pflanzen. Kriechen hervor zwischen den Steinplatten der Straße. Sie sollen bleiben wo sie sind!

    Vor dem Mann ein Teich. War er nicht gestern noch zugefroren? Jetzt, die Oberfläche. Darin, sein Gesicht. Ausgemergelt, bleich. Erbärmlich.
    Im Wasser, ein Knäuel von Kaulquappen. Mit ihren widerlich zuckenden Körpern wandern sie ziellos umher. Ein schwarzer Klumpen ekelhafter Fruchtbarkeit. Der Mann nimmt sich einen Stein und schleudert ihn wutentbrannt ins Wasser. Die meisten Quappen reißt er mit sich. Für einen Moment ist die Oberfläche wild und ungebändigt, dann flacht sie ab.
    Da schwimmt eine einzige Überlebende. Schwimmt umher, im Bestreben zu einem der Frösche zu werden, die ihm nachts den Schlaf rauben.

    Hinter ihm, seine Frau. Sie hat das seltsame Spiel beobachtet und tritt näher an ihren Mann. Der steht nun und schaut hinüber zum Kompost, wo die Lebensmittel des Vortags verrotten. Sie greift nach seiner Hand – verkrampft. Sie fühlt die harten Muskeln darin. Noch immer blickt er sie nicht an. Die Frau presst seine Hand gegen ihren Bauch und blickt über den Garten. Der Frühling kam unerwartet, doch macht er die Frau glücklich. Die einst von Eis verkrusteten Halme und Äste regen sich in einem wohligen Wind, der die Kälte des Winters hinwegzufegen scheint.
    Und wie sie so dasteht und betrachtet, wie die Welt sich wandelt, da ist ihr, als könne sie fühlen, wie auch das Leben, welches sie in sich trägt, erwacht und sich rührt.

    @Myrtana222 Wow, vielen vielen Dank für deine netten Worte. Freut mich wirklich riesig, dass meine erste Kurzgeschichte gut ankommt und auch spannend, deine "Interpretation" zu lesen. Echt klasse, dass du (und auch alle anderen) euch so viele Gedanken macht. :D
    Da bekomme ich gleich Lust, noch ein paar Geschichten zu schreiben! :thumbsup:

    Ich versuche mich bei Kurzgeschichten immer an diesem Zitat von Ernest Hemingway zu orientieren:

    „Wenn ein Prosaschriftsteller genug davon versteht, worüber er schreibt, so soll er aussparen, was ihm klar ist. Wenn der Schriftsteller nur aufrichtig genug schreibt, wird der Leser das Ausgelassene genauso stark empfinden, als hätte der Autor es zu Papier gebracht. Ein Eisberg bewegt sich darum so anmutig, da sich nur ein Achtel von ihm über Wasser befindet.“

    (ich werfe das jetzt einfach mal so in den Raum :ninja: )