@Xarrot
Dieser awkward moment, wenn Mundart in den Text einfließt
"Wich" ist jetzt drin
Beim zweiten Zitat ist "Di" richtig. Bezieht sich ja auf die Worte, die Hela gewählt hätte. Und hierauf hätte Di, anders als eben bei Blue, nicht mit neuerlichem Weinen reagiert.
Außerdem hab ich irgendwie das Gefühl, dass der nächtliche Besucher des Hauptmanns doch noch mal eine Rolle spielen könnte ...
Wie kommst du nur darauf?
Ja, ich beende das Kapitel dann mal, bevor ich es nochmal in zwei Hälften reise.
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„Lena“, rief er ihr zu. Als sie ihm zum ersten Mal ins Gesicht blickte, sah sie wieder die dunklen Augenringe, die aus seinem leichenblassen Gesicht hervorstachen. Und obwohl er sich in sein hochwertigstes, goldfarbenes Wams, dessen Brust vollständig von seinem Wappen bedeckt wurde, gekleidet und sich die dunkelroten, beinahe schwarz wirkenden, Haare fein säuberlich zur Seite gekämmt hatte, wirkte er, als er sei er gerade erst aus seinem Bett gekrochen.
Er schloss sie in die Arme und roch dabei nach einer Mischung aus Wein und Minzblatt, welches er scheinbar reichlich gegen seine Alkoholfahne gekaut hatte. Dieses Gemisch wurde letztlich von dem, nach Mohn riechenden, Duftwasser überlagert, welches er so gerne auftrug. Ihr Vater machte auf sie keineswegs den Eindruck dass er getrunken hatte. Schließlich sah er schon bevor er den Traumtee durch Wein ersetzte derart mitgenommen aus. Nicht so schlimm wie am heutigen Tage, doch war sein Erscheinungsbild somit zumindest nicht gänzlich dem Alkohol zuzuschreiben. Seine Stimme klang belegt und bei Weitem nicht so kraftvoll, wie es früher einmal, vor seinen Alpträumen, der Fall gewesen war. Und auch wenn er bei Weitem nicht so gekrümmt dastand, wie sein ehemaliger Berater Hennis Krug, den Blue gestern heimlich, zusammen mit ihren Wachen Karotte und Berk, besuchte hatte, so war seine Körperhaltung doch eher bemitleidenswert. Seine Arme baumelten schlaff von seinen hängenden Schultern und der Kopf schien seinem Nacken von Tag zu Tag mehr zur Last zu fallen.
„Was ist nur aus meinem Vater geworden?“
Blue erschrak vor dieser Frage, die sie sich innerlich stellte und war daraufhin nicht in der Lage den Gruß ihres Vaters verbal zu erwidern. Stattdessen lächelte sie ihn nur an. Es fühlte sich aufgesetzt an, doch der Mann in der blassen Hülle ließ sich, sofern es ihm denn aufgefallen war, nichts anmerken.
„Ich hoffe, dass wenigstens du gut geschlafen hast“, hauchte er ihr, von einem schwachen Lächeln begleitet, entgegen. Seine Augen waren gerötet und wirkten müde. Genauso kraftlos wie auch seine vorangegangene Umarmung. Blue deutete rechts an ihm vorbei auf die Stuhlreihen in der Mitte des Saales: „Für wen sind die beiden übrigen Stühle?“ – „Die Botschafter der Schwerter sollten uns ebenfalls beiwohnen“, entgegnete er ihr, gab seiner Tochter einen liebevollen Klaps gegen den Oberarm und wandte sich direkt wieder seinem Berater Gurravo Shrink zu, der ihn gerade zu sich rief.
Für Blue machte es wenig Sinn die beiden Botschafter der Schwerter einzuladen.
„Schwerter“ nannte man die beiden höchsten Stellvertreter des Regenten, die nicht nur seine Sprachrohre in den jeweiligen Landesteilen darstellten, sondern auch seine direkten politischen Vertreter innerhalb ihrer Grenzen. So war dies in den Westlanden der hochgewachsende Millot Menk, der in Steinbucht residierte und in den Ostlanden der reiche Handelsherr Tai Fisi, aus der ehemaligen Hauptstadt des Ostens, Yaznark. Dessen Vater Tai Jogoo kämpfte im großen Krieg zuerst für die Sache des Hohepriesters Nobossop aus Namun, verbündete sich später allerdings mit ihrem Großvater Red, was die darauf folgende Niederlage der Namuner einleitete. Seitdem war in der Bevölkerung immer eine gewisse Skepsis gegenüber den Menschen aus den Ostlanden geblieben, doch ihr Vater betonte stets, dass es keinen Grund gebe dieses Misstrauen zu teilen, auch wenn es dort vereinzelt immer noch Menschen gab, die in ihrem Glauben der Mutter näher waren. Auch hierzu hatte ihr Vater seine Ansicht mitgeteilt: „Wir aus der Familie Venua glauben an uns selbst. Man selbst ist der Einzige, dem man mit absoluter Sicherheit vertrauen kann. Doch nicht jeder ist in der luxuriösen Situation sich von den Göttern loszusagen. Letztlich wollen alle Menschen, egal ob sie an den einen Gott, die Mutter oder sonst Wen glauben, nur eines: Geborgenheit, Sicherheit und die Befreiung von der Angst vor dem Tod. Sollte es wirklich eine höhere Macht geben und verbunden mit dieser ein Leben nach dem Tod, so wird sich diese Macht nicht darum scheren, an was man als törichter Mensch während seines Daseins geglaubt hat. Eine so große Macht ist frei von Zorn, einer immerhin rein menschlichen Emotion.“
Blue wusste nicht, ob die Götter real waren. Aber es war nicht das erste Mal, dass sie sich die Frage stellte, ob Vaters Leiden nicht vielleicht damit zusammenhing, dass er sich nicht zu einem Gott bekannte. Doch welcher Gott war der Richtige? Wer sagte eigentlich, dass es den richtigen Gott überhaupt gab? Möglicherweise waren sie alle die Richtigen. Genauso wahrscheinlich war aber auch, dass sie allesamt falsch waren, nicht existierten. Ihr fiel es schwer an etwas zu glauben, das niemand sehen konnte.
Da klopfte es an die große Türe und der dicke Tenth Barke, Hauptmann der Palastwache, trat durch ebendiese. Eigentlich war es sein riesiger Bauch, welcher zuerst eintrat und der nur zur Hälfte von seinem viel zu kleinen Lederwams bedeckt war, sodass jeder im großen Ratssaal einen Blick auf seinen, von Fell umgebenen, Bauchnabel erhaschen konnte.
„Mein Herr“, richtete er das Wort an Black, „ich bringe unsere Gäste.“
Begleitet von acht Wachsoldaten traten nacheinander der Söldner Hanz Gorke, der fies dreinblickende kleine Mann mit dem geschorenen Schädel, sowie dessen Söldnerkumpane Gekk Bauwer, ein kränklich aussehender, schlaksiger Mann herein. Ihnen folgten die beiden Fuhrmänner Donte Draben, ein dicker Mann mit schwabbeliger rosa Haut und Fitz Grün, ein alter, langsam und gebeugt gehender Greis mit langem, grauem Bart. Dieke Brahmen würde, wie sie von Saebyl wusste, nicht an der Anhörung teilnehmen. Die junge Sira hatte den Sohn Kal Brahmens nach dem Frühstück mitgenommen, um ihm den Palast und anschließend die Hauptstadt zu zeigen.
Immerhin hatte er endlich sein Zimmer verlassen und konnte auf andere Gedanken kommen, dachte sich Blue und setzte sich in die vordere Reihe in der Mitte des Saales, während die vier Männer an dem langen Tisch vor dem Venua-Wappen Platz nahmen.
Blue saß zusammen mit ihrem Vater in der Mitte der ersten Reihe. Linksaußen neben ihm hatte Ben Lewel, der blondschöpfige und hochgewachsene Botschafter der Westlande, Platz genommen. Rechtsaußen, also neben Blue, saß Maku Ciwysel, ein braungebrannter, alter Mann, Ende Sechzig, mit schrumpeliger Haut, der Vertreter des Schwerts Tai Fisi aus den Ostlanden.
Hinter den Vieren saßen Blacks Berater Jessel Schooke, Gurravo Shrink, Kal Zigel und Donte Herwet.
In der letzten Reihe schließlich Perem Penthuys, Ullmer Garns, Dymen Steinfurt, sowie der blinde Gunnet Bohns, der stets einen eigenen Diener zur Seite hatte. Heute war der junge, kahlgeschorene Bursche, deren Namen Blue nicht kannte, sein Begleiter. Dieser hatte ihn auch zu seinem Platz geführt. Nun hielt sich der Namenlose im Hintergrund, um dem alten Mann notfalls zur Hand zu gehen, wenn dieser Hilfe benötigte. Schon etliche Jungen hatten in der Vergangenheit für Bohns gearbeitet. Es hieß er bezahle sehr gut. Dennoch hielt es bislang niemand lange bei ihm aus.
Normalerweise zählte neben Elisus Hofken auch noch Ansakar Bollet zu Blacks Beraterstab. Beide waren, zumindest nach Blues Meinung, die intelligentesten und vernünftigsten Männer an Vaters Seite gewesen. Vermutlich hatte er sie aus diesem Grund, in seinem Auftrag, weggeschickt. Hofken ging Richtung Zweitwelt, das war ja mittlerweile bei jedermann angekommen, doch wohin Bollets Weg führte oder geführt hatte, das konnte sie bislang nicht in Erfahrung bringen.
Die acht Wachen, die die fremden Männer begleiteten, hatten sich jeweils zwischen den Marmorsäulen des großen Ratssaales positioniert und sollten alleine durch ihre Präsenz dafür sorgen, dass die beiden Söldner keine Dummheiten begingen. Der Großteil der Männer um sie herum war nämlich überaus skeptisch gegenüber den käuflichen Kriegern eingestellt. Der Begriff „Schwerthuren“ war gar einmal gefallen. Ihr Vater hielt zwar wenig von solcherlei Verallgemeinerungen, doch die Sicherheit ging für ihn in diesem Fall dann doch vor. Zumindest fühlten sich seine Berater nun sicher.
Black, der als Einziger noch nicht Platz genommen hatte, begrüßte die vier Männer mit freundlichen Worten und bedankte sich, dass sie sich bereit erklärten ihren ausführlichen Bericht über die Geschehnisse in der Zweitwelt hervorzubringen.
Der grimmige Hanz Gorke ergriff als Erster das Wort: „Kal Brahmen hat uns für eine beträchtliche Summe als Geleit angeworben. Durch seinen Tod steht diese Zahlung aus. Wer wird uns nun an seiner Stelle die versprochene Summe auszahlen?“
Gurravo Shrink, der Schatzmeister des Palasts, erhob sich von seinem Platz. Shrink war ein schlanker Mann mit markanten x-förmigen Beinen und einem schwarzen Haarkranz um die glänzende Glatze herum. Er trug eine lange, blaue Robe, die ihm bis knapp über die Knie reichte.
„Gibt es für diese ‚beträchtliche Summe’ denn einen schriftlich fixierten Vertrag?“, wollte er von Gorke wissen. Dieser blickte die drei anderen Männer an, die allem Anschein nach bewusst seinen Blick nicht erwiderten. Nach einem kurzen Moment der Stille, meldete sich der alte Fitz Grün, nach einem auffällig langen Räuspern, zu Wort und sprach mit langsamer Stimme: „Mein Vetter begleitete Kal Brahmen normalerweise auf seinen Handelsreisen. Als er krank wurde, bin ich für ihn eingesprungen. Brahmen traf schon immer alle Vereinbarungen mündlich. Er war ein überaus ehrenwerter Mann und hielt stets Wort. Pro Tag waren zehn Silbermünzen vereinbart. Da wir genau sieben Tage in der Zweitwelt verweilt haben…“ – „Ich hab genug gehört, mein Herr“, unterbrach ihn Shrink und blickte kurz zu Black, der ihm müde zunickte. Shrink erhob erneut sein Kinn in die Luft und verkündete mit einer latenten Arroganz in seinem Tonfall: „Als Schatzmeister von Venuris gebe ich leider nicht viel auf mündliche Vereinbarungen. Bitte bedenken Sie, dass wir hier keinesfalls verpflichtet sind für die Schulden Kal Brahmens aufzukommen. Dennoch werden wir Ihnen allen einen Pauschalbetrag auszahlen, den der Regent und meine Wenigkeit festlegen werden, und Sie somit ihren Mühen entsprechend angemessen und gerecht entlohnen.“
Während die Mimik von Bauwer, Grün und Draben wie eingefroren wirkte, verzog Gorke sein Gesicht zu einer Art höhnischem Lächeln, welches von einem leichten Kopfschütteln begleitete wurde. Allem Anschein nach hielt er wenig bis gar nichts von Shrinks Angebot. Der erste Eindruck lügt nicht, dachte sich Blue. Hanz Gorke war tatsächlich ein Unsympath.
„Wie sind die anderen drei Herren in die Dienste Brahmens gelangt?“, wollte Dymen Steinfurt wissen. Steinfurt war ein leicht rundlicher Mann mittleren Alters, von unscheinbarer Statur dessen Gesicht von tiefen Narben übersät war und an dessen Kinn drei fein geflochtene rotbraune Zöpfe herunterbaumelten. Steinfurts inoffizieller Titel lautete „Herr der Meere“, was einen überaus unpassenden Namen für den Oberbefehlshaber der venuarischen Flotte darstellte, wie Blue fand. Da Frieden herrschte, war Steinfurt nämlich eher als der „Herr der Instandhaltung“ zu betiteln. Auf seine Frage hin erhob sich nun der blasse Gekk Bauwer von seinem Platz.
„Ich hörte in einer Taverne Klupingens, ‚Zum lachenden Maultier’ um genau zu sein, davon, dass Kal Brahmen nach Männern sucht, die ihn auf seinen Reisen begleiten sollen. Hervorragender Umgang mit dem Schwert war eine der Anforderungen, die erfüllt werden mussten.“ – „Und ihr beherrscht den Umgang mit dem Schwert?“, rief Kal Zigel dazwischen, der ehemalige Waffenmeister, jetzt geschätzter Ratgeber, was die venuarischen Truppen und alles was damit zusammenhing, anging.
Gekk konnte sich ein unverschämtes Grinsen nicht verkneifen: „Brahmen war regelrecht begeistert von meinen Fertigkeiten. Glaubt Ihr wirklich man hätte mich erwählt, wenn ich nicht in das Anforderungsprofil gepasst hätte? Oder denkt Ihr, man hätte mich angeheuert, damit ich die Feinde Brahmens mit meiner blassen Haut derart blende, dass sie erblinden?“ Vereinzelte Lacher erhellten für einen kurzen Moment die, ansonsten eher angespannte, Stimmung.
Gorke erzählte, dass er über einen gewissen Tyl Nemmes, einer der ursprünglichen Begleiter Brahmens, zu seiner Anstellung gelangt wäre. Donte Draben, der mit seinen dicken, kleinen Fingern immer wieder nervös an seinem Hemd herumzupfte und seinen Blick stets nach unten gerichtet hielt, erklärte, dass er Brahmen einen seiner Esel verkauft habe und er dadurch zu der Möglichkeit kam, den Händler in die Zweitwelt zu begleiten. Er habe die Münzen dringend benötigt, wie er sagte, da er für seine einstige Eselzucht keine Zukunft mehr sah, nachdem man eines Morgens vier Fünftel seiner Tiere ermordet auffand. Zu der Frage weshalb jemand so etwas tun sollte, lief er nur schweinchenrosa an, beantwortete die Frage allerdings nicht, sondern zuckte nur mit den Schultern. Er wusste über die Gründe Bescheid, erkannte Blue, doch aus irgendeinem Grund war es ihm sichtlich unangenehm darüber zu sprechen. Jeder Mensch hatte seine kleineren und größeren Geheimnisse, doch dieser Donte Draben war ihr nicht ganz geheuer. Man entschied, dass es nicht weiter von Bedeutung war und fuhr schließlich, ohne näher darauf einzugehen, mit der Anhörung fort.
Gekk Bauwer war es schließlich auch, der ausschweifend von seinem ersten Geleit Brahmens in die mysteriöse Zweitwelt berichtete. Er war zeitgleich mit Hanz Gorke in den Dienst von Diekes Vater getreten. Bauwer erzählte ausgiebig über das heiße, feuchte Klima, die üppige und völlig andersartige Vegetation, bestehend aus gigantischen Bäumen, rasant wachsenden Schlingpflanzen, handgroßen Blumen, deren Blütenblätter in Wahrheit Zähne darstellten und die sich von Fliegen und Käfern ernährten. Er erzählte von den milchweißen Angehörigen des Volks der Buranier und deren anfänglichen Misstrauens ihnen, den einzigen Waffenträgern, gegenüber, sowie deren anschließende außerordentliche Gastfreundschaft, als sie einander endlich vertraut waren.
Gekk Bauwer war ein begnadeter Erzähler, bemerkte Blue. Sie hatte zuvor kein wirkliches Bild von dieser exotischen Welt im Kopf, doch nach den Ausführungen des Söldners konnte sie sich die Zweitwelt sehr gut vorstellen. Nicht gerade ein Ort, an dem man leben mochte, doch geheimnisvoll und wild. Wie gerne hätte sie den beschriebenen Nebel des alten Volkes mit ihren eigenen Augen gesehen.
Den Kayken, also den Herrscher dieser Welt, stellte Bauwer als einen redegewandten und, soweit er das einschätzen konnte, gutherzigen, vom Volk verehrten Mann dar, der seine Tochter über alles liebte. Dessen Beziehung zu Brahmen bezeichnete er als herzlich. Wie zwei alte, unzertrennliche Freunde hätten die beiden gewirkt.
„Unzertrennlich im Leben und sogar im Tod geeint“, schoss es Blue durch den Kopf. Auch der Kayken hatte also ein Kind in dieser Welt zurückgelassen. Ob Dieke diese Tochter kannte? Ob er vielleicht sogar mit ihr befreundet war, so wie ihre alten Herren miteinander befreundet waren?
Endlich lenkte er seine Erzählung auf die verhängnisvolle Versammlung jenes besagten Tages, in denen die drei Kaysus der anderen Völker, samt ihrer Leibgarden, eigens hierfür in die buranische Zone gereist, zugegen waren. Komo vom Volk der Kumaro, Ulutur vom Volk der Lubyra und Boste vom Volk der Tesekov. Er berichtete von der Entscheidung des Kaykens, dem Jubel aus dem Volk und den wenig begeisterten Blicken des Kaysu Boste.
Perem Penthuys hatte sich nun erhoben und wollte von Gekk Bauwer wissen, weshalb Kal Brahmen ihn, Gekk, und seinen anderen Söldnerkumpanen unbedingt während dieser Versammlung an seiner Seite wissen wollte, wo er sich ansonsten doch frei innerhalb der Siedlung bewegte und sich in keinster Weise bedroht fühlen musste.
Noch ehe Bauwer zu einer Antwort ansetzen konnte, befand sich Hanz Gorke auf den Beinen und ergriff stattdessen das Wort: „Vor uns standen mehrere bewaffnete Leibgardisten dieser Kaysus. Wir mussten für den Fall der Fälle an der Seite unseres Geldgebers stehen. Besagter Fall ist ja schließlich eingetreten.“ – „Und doch ist Kal Brahmen tot und mit ihm der Kayken und unser guter Freund Hofken, während ihr in Panik die Flucht ergriffen habt“, warf Penthuys schließlich ein.
„Es ging alles viel zu schnell“, ging Gekk Bauwer dazwischen und drängte Gorke dazu wieder Platz zu nehmen. Der grimmige Kerl brodelte innerlich, doch setzte er sich, wohl wissend dass er sich zusammenreißen sollte, wieder auf seinen Hintern. Donte Draben warf den Männern derweil ängstliche Blicke zu. Scheu wie ein Reh saß der Fuhrmann am äußeren Ende des Tisches in sich zusammengekauert, was bei seiner immensen Fülle recht ulkig aussah. Fitz Grün hingegen wirkte wie ein Fremdkörper, als ginge ihn das Alles gar nichts an.
„Es ist nicht wahr, dass wir sofort die Flucht ergriffen haben, mein Herr.“
Bauwer blieb, im Gegensatz zu Gorke, ruhig und sachlich.
„Als der Kayken von seinem, für die Versammlung errichteten, Podest stürzte…“ – „Was soll das heißen? Ich dachte der Kayken wäre einem Attentat zum Opfer gefallen?“, unterbrach Penthuys erneut.
„Ein Pfeil hat sich durch seinen Hals gebohrt, ja“, gab Bauwer zurück. Es folgte ein kurzes Schweigen und ehe er fortfahren konnte, ertönte die nächste Zwischenfrage. Dieses Mal wieder von Kal Zigel: „Wer hat den Pfeil abgeschossen?“
„Wir haben es nicht sehen können, da wir hinter dem Podest platziert waren“, antwortete Gekk, worauf Jessel Schooke dazwischenrief: „Hofken befand sich auf dem Podest, wie Ihr erzählt habt. Wurde auch er auf diese Weise getötet?“
„Wie konnte Brahmen dann sterben, wenn er doch hinter dem Podest und somit außerhalb der Schusslinie stand?“, reihte Ullmer Garns an die Frage seines Vorredners an und ehe man sich versah, schnatterten einige der Zuhörer wild durcheinander.
„RUHE!“
Blue war genauso überrascht wie ihr Vater, der erstmals sein gesenktes Haupt erhob und seine Tochter anstarrte. Sie war es, die die aufgebrachten Stimmen ersterben ließ. Ihr Blick schweifte über die beiden Stuhlreihen hinter der ihrigen. Ihr Herz pochte wild in ihrer Brust. Sie wusste nicht so recht, was sie soeben geritten hatte. Natürlich wollte sie, dass Ruhe einkehrte und endlich erfahren, was sich in der Zweitwelt zugetragen hatte, doch war sie normalerweise niemand, der lautstark etwas einforderte.
Als sie bemerkte, dass alle Augen auf sie gerichtet waren, drehte sie sich zu Gekk Bauwer um, brachte allerdings lediglich noch ein Nicken zustande, womit sie ihm signalisierte fortzufahren. Sie hingegen nahm wieder ihren Platz ein, immer noch in heftiger Erregung ob ihres Gefühlsausbruchs.
„Vielen Dank“, erwiderte Gekk Bauwer schließlich und lächelte ihr zu. Er holte kurz Luft, versuchte seine Gedanken neu zu ordnen und fing wieder von Vorne an: „Der Kayken wurde also von einem Pfeil getroffen und stürzte kopfüber von dem Podest. Dann ging alles, wie bereits gesagt, sehr schnell, sodass wir eigentlich nur noch zu instinktivem Handeln imstande waren. Hofken flüchtete vom Podest und wurde von einem Mitglied der Leibgarde des Kaykens attackiert. Bevor ich den Angreifer niederstrecken konnte, hatte dieser den Gesandten bereits mit seinem Speer durchbohrt. Mein Freund Gorke konnte die beiden anderen Leibgardisten töten, die stattdessen unseren Auftraggeber angriffen. Doch wie ich schon sagte, der Angriff kam derart unerwartet und war gezielt gegen die drei Personen gerichtet, die letztlich auch dabei ums Leben kamen. Wir konnten lediglich uns selbst und Brahmens Jungen retten, bevor alles endgültig außer Kontrolle geriet und die ganze Siedlung im Chaos versank.“
„Wer hat den Pfeil auf den Kayken abgefeuert?“, wollte Kal Zigel wissen, doch Bauwer, der immer noch stand, konnte ihm nur mit einem Schulterzucken antworten.
Blacks Berater fingen aufgeregt miteinander zu tuscheln an. Immer wieder konnte man abwertende Äußerungen über die „unfähigen beiden Söldner“ hören, bis Gorke schließlich der Kragen platzte:
„Warum habt ihr eurem Gesandten denn nicht selbst eine Eskorte gestellt? Weshalb sind wir jetzt der Abschaum? Diese verräterischen Bastarde waren es, die euren parfümierten, Schwänze lutschenden Freund getötet und uns um unseren Sold gebracht haben!“
Black erhob sich mit einem Ruck von seinem Platz und warf dem Söldner einen durchdringenden, beinahe bösen, Blick zu.
Da war sie wieder. Diese starke Aura, die ihr Vater immer ausgestrahlt hatte, als er noch nicht ein, von seinen Alpträumen und der Schlaflosigkeit, gezeichneter Mann gewesen war. Obwohl diese Kraft auch nur einen kurzen Augenblick aufgeflackert war, so hatte Blue sie dennoch gespürt. Es fühlte sich an, wie nach langer Zeit wieder einem engen Vertrauten zu begegnen. Eine Wiedersehensfreude. Doch sie währte nur kurz, da brach ihr Vater zusammen.