BURG
Kapitel 1
"Ich möchte heiraten, Königin!" Hochaufgerichtet stand der junge Prinz vor der Herrin des Landes. Ohne Scheu sah er ihr in die Augen.
Die Frau lächelte warm. Prinz Kejan war ihr von der Meute der edelblütigen Kerls noch der Liebste. Auch wenn sie selber nie mit Kindern gesegnet worden war, so wimmelte es doch in Burg Hoyn nur so von Prinzen und Prinzessinen.
"Das freut mich, mein Junge! Du brauchst mich aber nicht um Erlaubnis zu fragen, das weißt du, oder?", fragte die Königin freundlich.
Der Prinz lächelte und sah seinem Onkel, König Lorran, damit so ähnlich, dass der Königin das Herz schwer wurde. Wie sehr vermisste sie ihren Gatten!
"Natürlich weiß ich das, Tante Ajeed. Aber ich benötige deine Hilfe!" Der Ausdruck auf dem Gesicht des Prinzen wurde bittend.
Die Königin sah ihren Neffen aufmerksam an: "Sag nicht, dass deine Braut noch nichts von ihrem Glück weiß. Soll ich etwa um sie werben?" Sie deutete ein Lächeln an, das der Prinz jedoch nicht erwiderte.
"Nein, Königin! Ich möchte dich bitten, die Regeln der Zeremonie zu ändern!" Der junge Mann sah sie ernst an.
Das kam unerwartet. "Wieso? Was gibt es für Probleme?", fragte die Königin irritiert.
"Ich kann Mahjana nicht nach den Hoynschen Sitten heiraten! Sie ist eine Perrar." Der Prinz sprach dieses Wort aus, als sei damit alles erklärt.
Doch die Königin verstand nicht wirklich: "Dann heirate sie doch nach der Perrar-Zeremonie. Das ist dir durchaus erlaubt und gilt genauso viel!"
Prinz Kejan schüttelte jedoch nur den Kopf: "Du weißt, dass das nicht so ist. Wenn ich nicht nach Hoynschen Traditionen heirate, habe ich kein Anrecht auf den Thron!"
Jetzt war die Königin wirklich irritiert: "Du willst nur heiraten, um auf den Thron zu kommen?"
"Nein! Nein natürlich nicht! Ich liebe Mahjana! Aber du weißt ebenso wie ich, dass dieses Land einen König braucht und ..."
"Was ist falsch an meiner Art zu regieren, Prinz?", fragte die Königin schneidend.
"Es ist nichts falsch, Tante Ajeed! Nur hast du selber oft genug gesagt, dass du lieber wieder in deine Heimat Waist zurückkehren möchtest, jetzt, da Onkel Lorran nicht mehr unter uns weilt. Du stehst so oft an den Fenstern deines Gemaches und schaust in die Ferne ... Sie nennen dich 'die traurige Königin', weißt du das, Tantchen?"
Königin Ajeed schluckte. Nein, das hatte sie nicht gewußt. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und fragte müde: "Und da hast du dir, um mir zu helfen, schnell ein Mädel gesucht, um mich nach Hause zu schicken...?"
"Nein, Tante Ajeed! Ich hab Mahjana zufällig getroffen und mich Hals über Kopf in sie verliebt! Und ich werde sie heiraten! Aber ich fände es gut, wenn ich auch dir eine Freude machen könnte. Du weißt ... die nächste Hochzeit kann noch lang auf sich warten lassen, Tromm und Kialla sind erst 12 Jahre alt ... und die anderen Anwärter noch jünger... Wenn du warten möchtest, bis sie soweit sind ...", der Prinz brach ab.
Die Königin überlegte einen Augenblick. "Du liebst sie?", fragte sie dann leise.
Das Gesicht des Prinzen erstrahlte: "Oh ja! Mahjana ist wie ein ... ein Edelstein! Ihre Augen sind dunkler als Obsidian! Ihre Stimme ist ein helles Zwitschern. Du solltest sie singen hören! Selbst die schwermütigen Lieder der Perrar klingen bei ihr wie eine Einladung zum Tanz! Ihr Hände sind so geschickt! Sie näht und stickt, wahre Kunstwer..."
"Schon gut, schon gut, Prinz!", wehrte die Königin lachend ab "schick das Mädchen zu mir, ich möchte diesen singenden Edelstein kennenlernen, der meinen Neffen so entzückt!"
"Danke! Du wirst sie lieben, Tantchen!" rief der Prinz aus und eilte aus dem Raum ...
Korrektur: 09.05.2023