Beiträge von Ruka im Thema „Experiment Erde“

    Mit einem kaum hörbaren Surren drehte sich die Kamera und erfasste die Person, die sich dem Hauseingang näherte.
    Curtes schielte auf den Überwachungsmonitor und sein linker Mundwinkel hob sich frech, als er auf die Entertaste drückte. Jetzt war der Moment gekommen, seinen neuesten Einbau zu testen. Neugierig beugte er sich dem Monitor entgegen und beobachtete das Schauspiel, das er gleich zu sehen erhoffte. Mit einem weiteren Tastenschlag zoomte er mit der Kamera auf die Gestalt, die nun vor der Haustür stand.
    Zu sehen, dass diese wohl Probleme damit hatte, die Haustür zu öffnen, gab ihm die Bestätigung, dass die Verriegelung das tat, was sie tun sollte.

    “Kurt Schnellbesen!”
    Curtes schreckte zurück, als das Gesicht einer alten Frau übergroß auf dem Bildschirm auftauchte.
    “Ich bin nicht dein Versuchskaninchen!” Wütend fuchtelte sie mit ihren Händen, während sie unmissverständliche Worte aussprach und ihm befahl, sofort mit seinem Spielchen aufzuhören; sprach Drohungen aus, was mit ihm passieren würde, wenn er nicht auf sie hörte.
    “Sein Name ist nicht Kurt”, erklang eine künstlich klingende, daher emotionslose Stimme und die Dame schoss herum.
    Vor ihren Augen schwebte eine Drohne in sicherer Entfernung.
    “Susi!”, zischte die Frau. “Mach’ dir Tür auf, sonst zieh ich dir den Akku!”, drohte sie weiter.
    “Das kann ich nicht.”
    “Kurt!”, wandte sie sich wieder der Kamera zu. “Ich komme in dieses Haus, und wenn ich drin bin, ziehe ich dich raus auf den Versammlungsplatz!”
    Kaum, dass sie es ausgesprochen hatte, hörte sie die Entriegelung der Tür. Eine Drohung die bei ihrem Enkel immer wirkte. “Und jetzt hilf mir mit den Einkäufen!”

    Seufzend versperrte Curtes mit einer Tastenkombination seinen Computer und stand auf. Er verstand einfach nicht, wieso seine Großmutter immer wieder wegen seinen Erfindungen meckerte. Schließlich baute er diese ja nicht, um sie zu ärgern, sondern um sie zu beschützen.
    Für ihn war alles, was sich auf der anderen Seite der Haustür befand eine große Gefahr. Auch wenn sie bisher nie das erlebt hatte, was er bereits in jungen Jahren hatte erleben müssen, so wäre es ihm am liebsten, dass auch sie das Haus nicht verlassen müsste oder würde.
    Sein Großvater hatte nicht umsonst den Keller in einen sicheren Bunker umgebaut, der es auch erlaubte, Lebensmittel für einen langen Zeitraum zu lagern, um im Falle einer weiteren Apokalypse zu überleben. Sie müssten die Kühlkammer und Regale nur entsprechend auffüllen und bräuchten dann über mehrere Jahre hinweg ihr Heim nicht mehr verlassen.
    Großmutter Yvette aber bestand auf soziale Kontakte, die sie nicht hätte, würde sie nie wieder nach draußen gehen. Auch das konnte Curtes nicht nachvollziehen. Immerhin war eine Kommunikation zu anderen möglich, ohne dass man ihnen gegenüber stand.
    Außerdem, so fand er, was das viel Gesünder. Denn Menschen trugen bekanntermaßen Keime und Viren mit sich herum. Die Gefahr, sich also bei ihnen anzustecken war dann gleich Null.
    Und man müsse die abfälligen Blicke nicht sehen, oder ertragen. Und berührt, oder geschlagen werden konnte man auch nicht.

    Bevor er Yvette half, zückte Curtes ein kleines Gerät aus seiner Hosentasche und tippte auf der Tastatur herum.
    “Ich will dich nicht ärgern”, ertönte die künstliche Stimme aus dem kleinen Sprachcomputer.
    “Ich weiß doch”, antwortete sie ihm und tätschelte liebevoll seine Wange; untermalt mit einem ebensolchen Lächeln. “Und jetzt hilf mir, bitte. Ich hab’ den ganzen Kram schon hierhin geschleppt.”
    Stumm nickte Curtes und packte mit an. In der Küche griff er erneut nach seinem Kommunikator, nachdem er die zwei Tüten auf die Anrichte gestellt hatte. “Wieso benutzt du nicht den Wagen, den ich dir gebaut habe?”
    “Das ist mir zu umständlich. Ich kann mir einfach nicht merken, wie dieses Teil funktioniert. Und bis es dann mal zwei Meter gefahren ist, war ich dreimal einkaufen.”
    “Du musst ihm doch nur sagen, wohin er fahren soll und er fährt von alleine”, gab er erneut ein und tippte schon den nächsten Satz.
    “Ich bleibe beim Altbewährten. Das hält mich jung”, unterbrach sie ihn und legte ihre Hand auf seine, damit er mit dem Tippen aufhörte. “Was möchtest du heute Essen, mein Junge?” Dass Curtes selbst nach ihrer Berührung die Stelle mit einem Tuch reinigte, ignorierte Yvette genauso, wie die Tatsache, dass er nicht angefasst werden wollte.

    Bevor er jedoch über seinen Kommunikator antworten konnte, ertönte ein alarmierendes Piepen und schreckte ihn auf. Sofort eilte er die Kellertreppe wieder nach unten, warf sich förmlich in seinen Stuhl und entsperrte hastig den Computer mit seinen üblichen, langen und hieroglyphischen Passwörtern.
    “Ihr Ficker!”, fluchte er vor sich hin und begann wild auf die Tatstatur einzuhämmern. Das Militär kam seiner versteckten Backdoor gefährlich nahe. Kontern konnte er nur, wenn er eine zusätzliche Schleife um sein Türchen legte, die die feindliche Software umleitete und in ein Labyrinth fühte.
    “Noob”, grinste er schelmisch vor sich hin und erheiterte sich an dem Spiel mit dem unbekannten Gegenüber. Dieser merkte ganz gewiss, dass er geblockt wurde, würde aber so schnell nicht ausfindig machen können, woran es lag. “Und jetzt nimm das!” Einmal kräftig schlug Curtes auf die Entertaste und im selben Moment stoppte auch der warnende Piepton.
    Der Pfad, den der Spezialist des Militärs gegangen war, hatte Curtes so umstrukturiert, dass er ihn so schnell nicht nochmal finden würde.
    Zufrieden griff er nach seinem Nasenspray, inhalierte den Inhalt einmal kräftig und ließ sich entspannt in seinen Stuhl zurückfallen. “Acer hat dich gefickt, mein Freund.”
    Ein bisschen bedauerte er es jedoch, dass das Spielchen schon wieder vorbei war. Denn er belustigte sich immer wieder gerne an einem Duell gegen einen anderen Hacker. Bisher aber gab es nur drei Menschen, die ihm das Wasser reichen konnten. Und keiner von ihnen würde je für das Militär arbeiten, dem war sich Curtes sicher.